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34/01 MonopoleNorm
B-VG Art83 Abs2Leitsatz
Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch Entscheidung eines Landesverwaltungsgerichts entgegen der Sperrwirkung eines vom Verwaltungsgerichtshof gefassten Beschlusses gemäß §38a VwGG betreffend die Verhängung von Geldstrafen nach dem GlücksspielG; Verletzung der Sperrwirkung durch die Entscheidung vor Kundmachung der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes trotz Klärung der Rechtsfragen durch den EuGHRechtssatz
Das LVwG traf die angefochtene Entscheidung vom 02.12.2021 nach Kundmachung (der Bundesministerin für EU und Verfassung am 30.06.2020 im Bundesgesetzblatt I 55/2020) des Beschlusses des VwGH gemäß §38a Abs1 VwGG (E v 27.04.2020, Ra 2020/17/0013). Bei seiner Entscheidung hatte das LVwG §52 Abs2 dritter Strafsatz GSpG idF BGBl I 13/2014, somit eine jener Rechtsvorschriften anzuwenden, die im genannten Beschluss angeführt ist und hatte damit eine in diesem Beschluss nach §38a VwGG genannte Rechtsfrage zu beurteilen. Eine die Sache des Verfahrens erledigende Entscheidung, wie sie das LVwG im vorliegenden Fall getroffen hat, ist auch nicht als zulässige Handlung, Anordnung oder Entscheidung iSd §38a Abs3 Z1 lita VwGG anzusehen. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass zum Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Entscheidung bereits das Urteil des EuGH vom 14.10.2021, Rs C-231/20, MT, und die Revisionsentscheidung des VwGH vom 10.12.2021, Ra 2020/17/0013-26, ergangen waren:
Der EuGH hat über den Vorlagebeschluss des VwGH mit Urteil vom 14.10.2021, Rs C-231/20, MT, erkannt. Mit E v 10.12.2021, Ra 2020/17/0013-26, beantwortete der VwGH die im Bundesgesetzblatt I 55/2020 gemäß §38a Abs2 VwGG kundgemachten Rechtsfragen. Der VwGH fasste seine Rechtsauffassung mit den Rechtssätzen zusammen, dass die Verhängung von Geldstrafen gemäß §52 Abs2 dritter Strafsatz GSpG, BGBl 620/1989, idF BGBl I 13/2014, die Verhängung von Ersatzfreiheitsstrafen gemäß §16 VStG, BGBl 52/1991, im Zusammenhang mit der Verhängung von Geldstrafen gemäß §52 Abs2 dritter Strafsatz GSpG und die Vorschreibung eines Beitrages zu den Kosten des Strafverfahrens gemäß §64 Abs2 VStG, BGBl 52/1991, idF BGBl I 33/2013 grundsätzlich mit dem Unionsrecht (insbesondere Art56 AEUV und Art49 Abs3 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union) vereinbar seien. Im Spruchpunkt I. 3. verpflichtete der VwGH den Bundeskanzler zur unverzüglichen Kundmachung der in diesem Erkenntnis vom 10.12.2021, Ra 2020/17/0013-26, festgehaltenen Rechtssätze sowie des Hinweises auf die mit der Kundmachung eintretenden, in §38a Abs4 VwGG genannten Rechtsfolgen.
Entgegen der Auffassung des LVwG folgt aus §38a Abs4 letzter Satz VwGG, dass die Sperrwirkung eines Beschlusses nach §38a Abs1 VwGG nach §38a Abs3 VwGG (erst) mit Ablauf des Tages der Kundmachung der Rechtsanschauung des VwGH endet. Die vom LVwG gewählte Auslegung dahingehend, dass die Sperrwirkung bereits mit Urteil des EuGH vom 14.10.2021, Rs C-231/20, MT, in dem über den Vorlagebeschluss des VwGH vom 27.04.2020, Ra 2020/17/0013 erkannt wurde, ende, steht dem eindeutigen Wortlaut des §38a Abs4 letzter Satz VwGG entgegen und würde der Bestimmung über die durch eine Kundmachung eintretenden Rechtsfolgen jeglichen Sinn nehmen.
Da die Kundmachung der Rechtsanschauung des VwGH gemäß §38a Abs4 VwGG zum Zeitpunkt der Entscheidung des LVwG am 02.12.2021 nicht erfolgt war, verstößt die angefochtene Entscheidung gegen die Sperrwirkung des Beschlusses des VwGH nach §38a Abs3 VwGG.
Entscheidungstexte
Schlagworte
Glücksspiel, Bindung (der Verwaltungsgerichte an VwGH), Kundmachung, Verwaltungsgerichtshof, Verwaltungsstrafrecht, EU-Recht, VorabentscheidungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2022:E78.2022Zuletzt aktualisiert am
30.03.2022