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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
B-VG Art118 Abs6Leitsatz
Kein Verstoß der Verpflichtung des Eigentümers zur Pflege von Pflanzen auf seinem Grundstück nach einer ortspolizeilichen Verordnung einer burgenländischen Gemeinde; hinreichende Ermittlung der das örtliche Gemeinschaftsleben störenden Missstände im Hinblick auf die – lediglich bestimmte Widmungsarten treffende – Verpflichtung zur Grundstückspflege; keine grundsätzlich abschließende gesetzliche Regelung der Materie zur Beseitigung des kommunalen Missstands ersichtlichSpruch
Der Antrag wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Antrag
Mit dem vorliegenden, auf Art139 Abs1 Z1 B-VG gestützten Antrag begehrt das Landesverwaltungsgericht Burgenland, die Wortfolge
"Hecken, lebende Zäune, Sträucher und Bäume mindestens einmal im Kalenderjahr (spätestens bis 30. September) auszulichten, morsche und abgestorbene Teile unverzüglich zu entfernen sowie überhängende Teile zumindest bis zur Grundstücksgrenze zu kürzen sind."
in §4 Abs1 Z2 der Verordnung des Gemeinderates der Marktgemeinde Bernstein vom 22. März 2019, Z 26/2019, betreffend die Verpflichtung zur Grundstückspflege, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel von 28. März 2019 bis 12. April 2019, als gesetzwidrig aufzuheben. Diesen Hauptantrag ergänzend werden mehrere näher bezeichnete Eventualanträge gestellt.
II. Rechtslage
1. Die Verordnung des Gemeinderates der Marktgemeinde Bernstein vom 22. März 2019, Z26/2019, betreffend die Verpflichtung zur Grundstückspflege, lautet (die im Hauptantrag angefochtene Wortfolge ist hervorgehoben):
"Verordnung
des Gemeinderates der Marktgemeinde Bernstein vom 22. März 2019, Zahl: 26/2019, welche gemäß Artikel 118 Absatz 6 B-VG erlassen wird:
§1 Geltungsbereich
(1) Der Geltungsbereich dieser Verordnung erstreckt sich auf folgende Ortsverwaltungsteile der Marktgemeinde Bernstein: Bernstein, Dreihütten, Redlschlag, Rettenbach, Stuben.
(2) Die Verordnung gilt für sämtliche Grundstücke, die im Flächenwidmungsplan der Marktgemeinde Bernstein als Bauland, als Verkehrsfläche, als Vorbehaltsfläche oder als Grünfläche ohne land- oder forstwirtschaftliche Nutzung ausgewiesen sind.
§2 Definition
Wildwuchs im Sinne dieser Verordnung ist das ungeordnete Wachstum von Pflanzen, das nicht von Menschen beeinflusst ist, sowie weiters unzumutbar störender oder gefährlicher Überhang auf fremden Grund.
§3 Verpflichtung zur Grundstückspflege
(1) Zur Abwehr unmittelbar zu erwartender sowie zur Beseitigung bestehender, das örtliche Gemeinschaftsleben störender Missstände einschließlich der Beeinträchtigung des Orts- und Landschaftsbildes sind die grundbücherlichen Eigentümer verpflichtet, ihre Grundstücke in Ansehung des Pflanzenbewuchses nach Maßgabe des §4 zu pflegen und Wildwuchs hintanzuhalten.
(2) Bei Grundstücken, auf denen Wildwuchs bereits eingetreten ist, sind zur Beseitigung des Wildwuchses Pflegemaßnahmen unverzüglich durchzuführen.
(3) Diese Verpflichtungen treffen den Grundeigentümer auch bei dauernder oder vorübergehender Abwesenheit vom betreffenden Grundstück, sodass in diesen Fällen geeignete Vorsorge dafür zu treffen ist, dass diesen Verpflichtungen entsprochen wird.
(4) Bundes- und landesrechtliche Vorschriften bleiben durch diese Verordnung unberührt. Ebenso bleiben Rechte und Pflichten zivilrechtlicher Natur durch diese Verordnung unberührt.
§4 Pflegemaßnahmen
(1) Wildwuchs durch Pflanzen jeder Art (wie zum Beispiel Gräser, Sträucher, Bäume) ist zu vermeiden, insbesondere indem
1. Rasenflächen, Wiesen oder in Art, Nutzung oder Bewuchs vergleichbare Flächen in angemessenen zeitlichen Abständen, mindestens aber einmal im Kalenderjahr (spätestens bis 30. September) zu mähen sind;
2. Hecken, lebende Zäune, Sträucher und Bäume mindestens einmal im Kalenderjahr (spätestens bis 30. September) auszulichten, morsche und abgestorbene Teile unverzüglich zu entfernen sowie überhängende Teile zumindest bis zur Grundstücksgrenze zu kürzen sind. Erfüllen Gewächse dieser Art die Funktion einer Einfriedung im Bauland, sind hierauf die Bestimmungen des §41 der Burgenländischen Bauverordnung 2008 (LGBl Nr 63/2008) anzuwenden.
(2) Der Bürgermeister kann den Grundeigentümer mit Bescheid zur Wahrnehmung seiner Verpflichtungen nach §3 auffordern, wobei eine angemessene, mindestens 14-tägige Frist zu setzen ist. Einer solchen Aufforderung ist Folge zu leisten. Kommt der Grundeigentümer der Aufforderung nicht fristgerecht nach, hat der Bürgermeister eine Ersatzvornahme zu veranlassen, deren Kosten der Grundeigentümer an die Marktgemeinde Bernstein zu ersetzen hat.
(3) Bei unmittelbar drohender oder bevorstehender Gefahr für Leib oder Leben von Personen oder für das Eigentum Dritter ('Gefahr im Verzug') kann der Bürgermeister die Ersatzvornahme nach Absatz 2, deren Kosten der Grundeigentümer an die Marktgemeinde Bernstein zu ersetzen hat, ohne vorangehende Aufforderung nach Absatz 2 an den Grundeigentümer veranlassen.
§5 Beobachtungspflicht
(1) Die Grundeigentümer sind verpflichtet, den Bewuchszustand ihrer Grundstücke in angemessenen zeitlichen Abständen, mindestens aber einmal im Jahresquartal zu kontrollieren.
(2) Diese Verpflichtung trifft den Grundeigentümer auch bei dauernder oder vorübergehender Abwesenheit vom betreffenden Grundstück, sodass in diesen Fällen geeignete Vorsorge dafür zu treffen ist, dass dieser Verpflichtung entsprochen wird.
§6 Verwaltungsübertretung
Ein Verstoß gegen diese Verordnung stellt eine Verwaltungsübertretung dar und wird gemäß §10 Absatz 2 VStG (Verwaltungsstrafgesetz) 1991 bestraft.
§7 Inkrafttreten
Diese Verordnung tritt an dem der öffentlichen Kundmachung durch Anschlag an der Amtstafel während zweier Wochen unmittelbar nachfolgenden Kalendertag in Kraft."
2. §59 der Burgenländischen Gemeindeordnung 2003 – Bgld GemO 2003, LGBl 55/2003 idF LGBl 83/2016, lautet:
"§59
Selbständiges Verordnungsrecht
(1) In den Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereichs hat der Gemeinderat das Recht ortspolizeiliche Verordnungen nach freier Selbstbestimmung zur Abwehr unmittelbar zu erwartender oder zur Beseitigung bestehender, das örtliche Gemeinschaftsleben störender Missstände zu erlassen sowie deren Nichtbefolgung als Verwaltungsübertretung zu erklären und mit Geldstrafen bis 1.100 Euro – im Falle der Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafen bis zu sechs Wochen – zu bestrafen.
(2) Verordnungen nach Abs1 dürfen nicht gegen bestehende Gesetze oder Verordnungen des Landes und des Bundes verstoßen.
(3) Die Bestrafung wegen Übertretung einer ortspolizeilichen Verordnung obliegt der Bezirkshauptmannschaft."
3. §13 des Burgenländischen Baugesetzes 1997 – Bgld BauG, LGBl 10/1998 idF LGBl 29/2019, lautet:
"§13
Pflege von Grundstücken im Bauland
Grundstücke im Bauland sind vom Eigentümer oder Nutzungsberechtigten in einem gepflegten, das Ortsbild nicht beeinträchtigenden und Personen oder Sachen nicht gefährdenden Zustand zu halten. Kommt der Eigentümer bzw Nutzungsberechtigte einer dieser Verpflichtungen trotz Anordnung binnen angemessener Frist nicht nach, so hat die Baubehörde die entsprechenden Maßnahmen auf seine Kosten durchführen zu lassen."
III. Antragsvorbringen und Vorverfahren
1. Dem Antrag liegt folgendes Verwaltungsgeschehen zugrunde:
1.1. Mit Bescheid der Bürgermeisterin der Marktgemeinde Bernstein vom 6. Juni 2019 wurden die Parteien der Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Burgenland (beteiligte Parteien) gemäß §4 Abs2 der in Rede stehenden ortspolizeilichen Verordnung aufgefordert,
"binnen 8 Wochen ab Rechtskraft dieses Bescheides hinsichtlich des Grundstücks Nr 506 in der KG 34064 Rettenbach, insoweit dieses als Bauland-Wohngebiet (BW) flächengewidmet (1.105 m²) ist, folgende Pflegemaßnahmen durchzuführen: Die auf dem Grundstück befindlichen Sträucher und Bäume sind auszulichten, morsche und abgestorbene Teile sind unverzüglich zu entfernen, sowie die auf das Grundstück Nr 507/2 KG Rettenbach überhängenden Teile sind bis zur Grundstücksgrenze zu kürzen".
Die dagegen erhobene Berufung wies der Gemeinderat der Marktgemeinde Bernstein mit Bescheid vom 9. Juli 2020 als unbegründet ab. Dagegen erhoben die beteiligten Parteien eine gemeinsame Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Burgenland.
1.2. Mit Straferkenntnissen der Bezirkshauptmannschaft Oberwart jeweils vom 2. Oktober 2020 wurden über die beteiligten Parteien gestützt auf §6 iVm §4 Abs1 Z2 der ortspolizeilichen Verordnung und §10 Abs2 VStG Geldstrafen in der Höhe von € 70,– (Ersatzfreiheitsstrafen: 4 Tage, 10 Stunden) verhängt. Auch dagegen erhoben die beteiligten Parteien jeweils eine Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Burgenland.
2. Das Landesverwaltungsgericht Burgenland legt die Bedenken, die es zur Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof bestimmt haben, wörtlich wie folgt dar:
"I. Verfahrensgang und Sachverhalt:
[…]
B. Diesen Verwaltungsverfahren liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Die Beschwerdeführer sind je zur Hälfte grundbücherliche Eigentümer des Grundstücks Nr 506 in der KG 34064 Rettenbach im Gemeindegebiet von 7434 Bernstein. Das Grundstück ist im Flächenwidmungsplan mit einer Fläche von 1.105 m2 als Bauland-Wohngebiet (BW) und mit einer Fläche von 1.567 m2 als landwirtschaftlich genutzte Grünfläche (Gl) ausgewiesen. Nachdem bereits Nachbarschaftsstreitigkeiten zwischen den Beschwerdeführern und dem Eigentümer des Grundstückes Nr 507/2 der KG 34064, Rettenbach wegen der (behaupteten) unterlassenen Pflege des Grundstückes der Beschwerdeführer aufgetreten sind und sich diesbezüglich auch bereits die Volksanwaltschaft eingeschaltet hat, wurde die hier angefochtene ortspolizeiliche Verordnung erlassen und erging in weiterer Folge der Bescheid der Bürgermeisterin der Marktgemeinde Bernstein vom 06.06.2019, mit dem Maßnahmen zur Grundstückspflege aufgetragen wurden. Im Berufungsverfahren wurde auch ein Gutachten des […] eingeholt, in welche[m] er den 'ungepflegten' Zustand des Grundstückes der Beschwerdeführer wie folgt beschrieb:
[…]
C. Bei der Behandlung dieser Beschwerden sind im Landesverwaltungsgericht Burgenland Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit der (hier präjudiziellen Teile) der ortspolizeilichen Verordnung des Gemeindesrates der Marktgemeinde Bernstein vom 22. März 2019, Zl 26/2019[,] betreffend die Verpflichtung zur Grundstückspflege entstanden. Das Verwaltungsgericht forderte den Gemeinderat der Marktgemeinde Bernstein auf, den gesamten Verordnungsakt zu dieser ortspolizeilichen Verordnung (im Original) vorzulegen und mitzuteilen, warum in dieser Angelegenheit nicht mit Maßnahmen nach §13 Bgld Baugesetz das Auslangen gefunden werden konnte.
D. Mit Schreiben der Marktgemeinde Bernstein vom 19.01.2021 wurde der Verordnungsakt vorgelegt und hat die Gemeinde dabei zu den Motiven zur Verordnungserlassung Stellung genommen. Sie führte dazu aus, dass gegenüber §13 Bgld Baugesetz der räumliche Anwendungsbereich der ortspolizeilichen Verordnung weitergezogen sei, weil sich die darin angeordnete Pflegeverpflichtung nicht bloß auf Bauland beschränke, sondern außerdem Verkehrsflächen, Vorbehaltsflächen sowie Grünflächen ohne land- und forstwirtschaftliche Nutzung (zB Gärten) betreffe. Während nach §13 Bgld Baugesetz die Pflegeverpflichtung den Eigentümer oder Nutzungsberechtigten treffe, sei hingegen nach der ortspolizeilichen Verordnung ausschließlich der Grundstückseigentümer zur Grundstückspflege verpflichtet. Dadurch könnten 'mitunter sich langwierig gestaltende Ermittlungen' der Behörde unterbleiben, ob und an wen eine betreffende Grundfläche vermietet, verpachtet oder sonst zur Nutzung überlassen worden sei. Die Ermittlung könne sich vielmehr auf eine kurze Erhebung des Grundbuchsstandes beschränken.
[…]
Davon abgesehen würde sich auch der Beurteilungsmaßstab für die Rechtsfrage, ob ein Grundstück als gepflegt anzusehen ist, unterscheiden: Nach §13 Bgld Baugesetz liege nämlich eine mangelnde Grundstückspflege nur dann vor, wenn die Vernachlässigung ein das Ortsbild beeinträchtigendes Ausmaß erreicht habe. Hingegen liegt nach der ortspolizeilichen Verordnung ein Verstoß gegen die Pflegeverpflichtung in den Fällen des konkret definierten 'Wildwuchses' sowie des störenden oder gefährlichen Überhanges vor, ohne dass zwingend auf das Kriterium der Ortsbildbeeinträchtigung abzustellen sei. Das Vorgehen nach der ortspolizeilichen Verordnung sei deswegen erfolgt, weil 'insbesondere die festgestellten Missstände der Schädlingsförderung (infolge mangelnder Grundstückspflege) und des unzumutbar störenden Überhangs nicht nach dem Maßstab der Ortsbildbeeinträchtigung beurteilbar' seien, diese aber dennoch als das örtliche Gemeinschaftsleben störende Missstände iS des Art118 Abs6 B-VG durch die Gemeindebehörden wahrzunehmen wären.
II. Antragslegitimation, Präjudizialität und Anfechtungsumfang:
A. Nach Art139 Abs1 Z1 B-VG iVm. Art135 Abs4 B-VG iVm. Art89 Abs3 B-VG ist das Landesverwaltungsgericht Burgenland nicht nur berechtigt, sondern bei Bedenken gegen die Anwendung einer Verordnung wegen Gesetzwidrigkeit auch verpflichtet, einen Antrag auf Aufhebung dieser Verordnung beim Verfassungsgerichtshof zu stellen, wobei der Antrag in jedem Stadium des Verfahrens gestellt werden kann.
B. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf ein Antrag im Sinne des Art139 B-VG nur dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die – angefochtene – Verordnung eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl beispielsweise VfSlg 14.464/1996; 15.293/1998; 16.632/2002; 16.925/2003).
Sache des Beschwerdeverfahrens vor dem Verwaltungsgericht ist grundsätzlich jene Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches der vor dem Verwaltungsgericht belangten Verwaltungsbehörde gebildet hat (vgl etwa VwGH vom 04.07.2019, Ra 2017/06/0210).
Für den vorliegenden Antrag bedeutet dies, dass das Verwaltungsgericht jedenfalls die ortspolizeiliche Verordnung in den Bestimmungen des §4 Abs1 Z2 und Abs2 und des §6 anzuwenden hatte. Präjudiziell sind aber nicht nur jene Verordnungsstellen, die in den Anlassverfahren tatsächlich angewendet wurden, sondern auch jene, die tatsächlich anzuwenden wären (selbst wenn dieser Verpflichtung nicht nachgekommen wurde). Auch hindert das Unterlassen der Zitierung einer Rechtsvorschrift die Einleitung einer Normenprüfung ebenso wenig, wie die bloße Zitierung für sich allein keine Präjudizialität bewirkt (vgl dazu Aichlreiter[,] in: Kneihs/Lienbacher [Hrsg.], Rill-Schäffer-Kommentar Bundesverfassungsrecht, Art139 B-VG, Rz 17 mit weiteren Nachweisen). Das Landesverwaltungsgericht erachtet daher für die Beurteilung der Anlassfälle (neben den bereits obgenannten Verordnungsbestimmungen) zusätzlich die Regelungen des §1 Abs1 (soweit es den Ortsteil Rettenbach betrifft) und Abs2 (soweit es das Bauland betrifft), sowie die §§2, 3, 5 Abs2 und 7 als für sein Verfahren anwendbar; nicht jedoch die gesamte Verordnung.
C. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes dient ein von Amts wegen oder auf Antrag eines Gerichtes eingeleitetes Verordnungsprüfungsverfahren der Herstellung einer gesetzlich einwandfreien Rechtsgrundlage für das Anlassverfahren. Die Grenzen der Aufhebung einer auf ihre Gesetzes- bzw Verfassungsmäßigkeit zu prüfenden Norm sind, wie der Verfassungsgerichtshof sowohl für von Amts wegen als auch für auf Antrag eingeleitete Normprüfungsverfahren immer wieder dargelegt hat, notwendig so zu ziehen, dass einerseits der verbleibende Verordnungs- oder Gesetzesteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Verordnungs- oder Gesetzesstelle untrennbar zusammenhängenden Bestimmungen auch erfasst werden.
[…]
Das Verwaltungsgericht geht davon aus, dass der Sitz der Gesetz- und Verfassungswidrigkeit in der hier präjudiziellen Wortfolge der Bestimmung des §4 Abs1 Z2
'Hecken, lebende Zäune, Sträucher und Bäume mindestens einmal im Kalenderjahr (spätestens bis 30. September) auszulichten, morsche und abgestorbene Teile unverzüglich zu entfernen sowie überhängende Teile zumindest bis zur Grundstücksgrenze zu kürzen sind.',
liegt. Hier werden die vom Verordnungsgeber als notwendig erachteten Grundstückspflegemaßnahmen einzeln dargelegt. Die Aufhebung würde sich auf das beschränken, was zur Bereinigung der Rechtslage unbedingt notwendig ist. Das Landesverwaltungsgericht ist dabei der Auffassung, dass dadurch die verbleibenden Teile der Verordnung auch nicht einen völlig veränderten und damit auch nicht einen, dem Verordnungsgeber nicht mehr zusinnbaren Inhalt bekommen (siehe dazu den – hier vergleichbar – eng gefassten und vom VfGH zulässig erachteten Antrag des UVS Kärnten im Verordnungsprüfungsverfahren zur 'Villacher Baumschutzverordnung', VfSlg 14.437/1996).
Allerdings stellt es sich mit Blick auf die in der Folge angeführten Erwägungen als denkbar dar, dass vom Sitz der Gesetz- und Verfassungswidrigkeit auch weitere Verordnungsbestimmungen erfasst sind und sich dabei derart untrennbare Zusammenhänge ergeben, die es erforderlich machen, den Anfechtungsumfang – wie in den Eventualanträgen ausgeführt – immer mehr zu erweitern.
Dabei erscheint es auch nicht ausgeschlossen, dass bei 'Wegfall' der zunächst als präjudiziell anzusehenden Normen auch Bestimmungen aufzuheben sein werden, die zwar hier nicht unmittelbar präjudiziell sind, aber mit den präjudiziellen Bestimmungen in einem solchen untrennbaren Regelungszusammenhang stehen, sodass im Fall des Zutreffens der Bedenken auch ihre Aufhebung erforderlich sein könnte. Dem soll mit den Eventualanträgen (4. bis 6.) Rechnung getragen werden, die (ua) auf Aufhebung des gesamten §4 Abs1 der Verordnung gerichtet sind. Dies erfolgt auch aus prozessualer Vorsicht und mit Rücksicht auf die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, wonach eine zu weite Fassung des Antrages diesen nicht in jedem Fall unzulässig macht.
III. Zu den einzelnen Normbedenken:
A. Zur Darlegung der Rechtslage:
Bei der Verordnung des Gemeinderates der Marktgemeinde Bernstein betreffend die Verpflichtung zur Grundstückspflege handelt es sich um eine (selbstständige und verfassungsunmittelbare) ortspolizeiliche Verordnung. Das Landesverwaltungsgericht hegt das Bedenken, dass diese Verordnung (konkret: die hier jeweils angefochtenen präjudiziellen Teile) die Ermächtigung des Art118 Abs6 B-VG zur Erlassung ortspolizeilicher Verordnungen überschreitet.
Wie der Verfassungsgerichtshof in ständiger Judikatur (VfSlg 7960/1976, 9762/1983, 10.614/1985, 11.726/1988 und 18.305/2007) ausgesprochen hat, ist die Gemeinde – ohne durch die (generelle) Bestimmung des Art118 Abs2 B-VG beschränkt zu sein – kraft Art118 Abs6 B-VG und den übereinstimmenden Vorschriften des Gemeinderechts der Länder (im vorliegenden Zusammenhang mit §59 der Bgld Gemeindeordnung) ermächtigt, ortspolizeiliche Verordnungen nach freier Selbstbestimmung unter folgenden drei Voraussetzungen zu erlassen:
Zum einen muss die ortspolizeiliche Verordnung in einer Angelegenheit erlassen werden, deren Besorgung im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde nach Art118 Abs2 und 3 B-VG gewährleistet ist, zum zweiten muss die Verordnung den Zweck verfolgen, das örtliche Gemeinschaftsleben störende Missstände abzuwehren oder zu beseitigen, und zum dritten darf die Verordnung nicht gegen bestehende Gesetze oder Verordnungen des Bundes und des Landes verstoßen.
Zur Frage des Verstoßes ortspolizeilicher Verordnungen gegen bestehende Gesetze folgt der Verfassungsgerichtshof der Auffassung, dass 'eine ortspolizeiliche Verordnung dann nicht gegen bestehende Gesetze im Sinne des Art118 Abs6 B-VG verstößt, wenn zwar für bestimmte Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde Gesetze erlassen wurden, diese gesetzlichen Regelungen aber nicht ausreichen, dem mit der ortspolizeilichen Verordnung bekämpften Missstand, bzw der 'aktuellen und konkreten Gefährdungssituation' abzuhelfen' (so VfSlg 11.726/1988, 18.305/2007, mwN). Der Verfassungsgerichtshof sah dabei einen Verstoß gegen bestehende Gesetze dann als gegeben an, wenn bereits eine 'grundsätzlich abschließende gesetzliche Regelung' der Materie unter den maßgeblichen Regelungsgesichtspunkten vorliegt und eine 'aktuelle und konkrete Gefährdungssituation – die besondere Regelungen allenfalls deshalb erforderlich machen würde, weil die vorhandenen gesetzlichen Regelungen dafür nicht ausreichen' – nicht gegeben war (VfSlg 8601/1979). Es kommt nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes also darauf an, ob die betreffende Angelegenheit bereits insoweit abschließend gesetzlich geregelt ist, als der (auch) mit der ortspolizeilichen Verordnung bekämpfte Missstand schon von einer bestehenden gesetzlichen Regelung erfasst ist. Eine ortspolizeiliche Verordnung kann diesfalls nur bei Vorliegen eines konkreten kommunalen Missstandes zum Gesetz hinzutreten (vgl dazu mwN VfSlg 18.305/2007).
Zur landes- und bundesgesetzlichen Rechtslage im Zusammenhang mit Grundstückspflegemaßnahmen:
§13 Bgld Baugesetz lautet:
[…]
§6 Bgld Feldschutzgesetz lautet in der hier maßgeblichen Fassung:
[…]
In den erläuternden Bestimmungen zur Regierungsvorlage (XVII. Gp. RV 473) zu dieser Bestimmung in der Novelle zum Feldschutzgesetz durch das Landesgesetz, LGBl Nr 75/1998[,] wird dazu angemerkt (Hervorhebung durch das Landesverwaltungsgericht),
[…]
Dem [Landesgesetzgeber] des Feldschutzgesetzes war schon damals bewusst, dass in Hausgärten nur die zivilrechtlichen Vorschriften des Nachbarrechts im §364 ABGB Abhilfe schaffen [können].
Überdies ist für störende Überhänge auf das Nachbargrundstück §422 ABGB einschlägig.
B. Art118 Abs6 B-VG ermächtigt die Gemeinde nur zur Erlassung solcher Verordnungen, welche die Abwehr oder die Beseitigung von 'das örtliche Gemeinschaftsleben' störenden konkreten, für die Gemeinde spezifischen Missständen zum Ziel haben und die für jene Zielerreichung tauglich sind (vgl dazu etwa VfSlg[.] 7960/1976). Ein das örtliche Gemeinschaftsleben störender Miss- oder Übelstand liegt nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nur vor, wenn ein größerer Kreis von Personen direkt betroffen ist.
Bloß als störend empfundene allgemeine Situationen können jedoch nicht unter den Missstandsbegriff subsumiert werden (vgl Weber, Art118/1-7 B-VG, in: Korinek/Holoubek et al. [Hrsg.], Bundesverfassungsrecht, Rz 41 mwN). In seiner Entscheidung VfSlg 11753/1988 ('Grazer Grünflächen- und Baumschutzverordnung') führte der Verfassungsgerichtshof zum Missstandsbegriff in diesem Sinne aus, dass sich
[…]
Das Vorliegen oder der Eintritt eines konkreten Missstandes ist überdies von der verordnungserlassenden Gemeinde hinreichend zu ermitteln und – durch Berichte, Protokolle, Beschwerden von Betroffenen udgl. – entsprechend nachzuweisen (vgl hiezu etwa VfSlg[.] 15.364/1998, 18.305/2007). All das ist – so die Beurteilung des Verwaltungsgerichtes nach Vorlage des (Original-)Verordnungsaktes – nicht geschehen.
C. Daraus ergeben sich für den Hauptantrag (und die folgenden ersten drei Eventualanträge) folgende Bedenken:
C.1. §13 Bgld Baugesetz normiert – ungeachtet von Erfordernissen der Beeinträchtigung des Ortsbildschutzes – dass Baugrundstücke nicht in Personen oder Sachen gefährdenden Zustand zu halten sind, was dringende, zur Gefahrenabwehr erforderliche Maßnahmen zur Baumpflege iS der hier in angefochtenen Bestimmung der ortspolizeilichen Verordnung umfasst (vgl etwa Berl/Berl/Csillag-Wagner, Burgenländisches Baurecht [2017] §13 Rz 8 und Pallitsch/Pallitsch/Kleewein[,] Burgenländisches Baurecht, 3. Auflage, [2017] §13 Anm. 5). Soweit dadurch – wie in den Anlassfällen vorgeworfen – Gefahren für Personen und den Fahrzeugverkehr auf angrenzenden Straßen entstehen, bietet §91 StVO ausreichend Möglichkeit, dagegen Abhilfe zu schaffen. Soweit das private Nachbargrundstück durch einen störenden Überhang betroffen ist, handelt es sich hier – zumindest inhaltlich – um eine zivilrechtliche Regelung im Bereich des Nachbarschutzes, für die die ordentlichen Gerichte zuständig sind (vgl zur Unzulässigkeit einer solchen Regelung in einer ortpolizeilichen Verordnung VfSlg 9899/1983). Daran ändert auch der Umstand nichts, dass nach §3 Abs4 der ortspolizeilichen Verordnung bundes- und landesrechtliche Vorschriften, sowie 'Rechte und Pflichten zivilrechtlicher Natur' durch die Verordnung unberührt bleiben [sollten], weil dieser Verweis im Allgemeinen bleibt (so auch VfSlg 19207/2010).
Es besteht daher das Bedenken, dass bereits ein ausreichendes gesetzliches Instrumentarium besteht, tatsächlichen 'Missständen' – hervorgerufen durch den Überhang von Bäumen oder Sträuchern – Herr zu werden. Für aus §4 Abs1 Z2 dieser Verordnung zusätzliche (unter dieser Schwelle) ableitbare Verpflichtungen zur Auslichtung von Bäumen, Hecken und Sträuchern ist vorderhand kein Grund ersichtlich, worin dadurch ein das örtliche Gemeinschaftsleben störender Missstand behoben werden soll. Für das in dieser Hinsicht 'subsidiäre Recht' der Gemeinde auf Erlassung von ortspolizeilichen Verordnungen verbleibt daher kein Raum mehr.
C.2. Das Landesverwaltungsgericht hegt zudem das Bedenken, dass die Gemeinde mit diesen rechtlichen Instrumentarien allein aufgrund des ungewöhnlich aggressiven und unkooperativen Auftretens der (auch vor dem Landesverwaltungsgericht Burgenland hinlänglich) amtsbekannten Beschwerdeführer nicht klar gekommen ist. Dieser Umstand stellt aber für sich allein keinerlei Missstand im hier dargestellten Sinn des Art118 Abs6 B-VG dar.
C.3. Ein von der Verfassung geforderter Missstand von der ein größerer Personenkreis direkt betroffen wäre, ergibt sich weder aus dem vorgelegten Verordnungsakt samt beigelegtem Schreiben vom 19. Jänner 2021 noch aus der Vorgeschichte zu dieser Verordnung:
Daraus geht hervor, dass die Marktgemeinde Bernstein aufgrund einer Beschwerde eines Nachbarn zunächst (mit rechtlicher Unterstützung der Bezirkshauptmannschaft) versucht hat, die Beschwerdeführer über §13 Bgld Baugesetz zu bewegen, ihr Grundstück so zu pflegen, sodass das Ortsbild nicht beeinträchtigt wird. Nachdem sich inzwischen der Grundstücksnachbar bei der Volksanwaltschaft über die Verwilderung des Grundstückes der Beschwerdeführer 'beschwert' und die davon in Kenntnis gesetzte Bezirkshauptmannschaft Oberwart die Gemeinde darüber informiert hat, teilte ihr die Gemeinde mit, in der nächsten Gemeinderatssitzung die hier in Rede stehende ortspolizeiliche Verordnung 'über die Pflege von Baugrundstücken' zu erlassen. Darin plante die Gemeinde, genaue Kriterien zur Grundstückspflege festzulegen – welche über jene nach §13 Bgld Baugesetz hinausgehen sollten, um so die Beweissituation für die Behörde wesentlich zu erleichtern. Ein Ermittlungsverfahren zum Zustand des Grundstücks sollte erst nach Beschlussfassung dieser Verordnung bzw der Prüfung der Verordnung durch die Aufsichtsbehörde erfolgen.
Auch aus dem Schreiben der Marktgemeinde Bernstein an das Landesverwaltungsgericht vom 19. Jänner 2021 (im Zuge der Vorlage des Verordnungsaktes) geht dieses Motiv deutlich hervor: So habe die Gemeinde befürchtet, dass die amtsbekannten Beschwerdeführer ein unkooperatives Verhalten an den Tag legen würden und damit den Gang des Ermittlungsverfahrens nach §13 Bgld Baugesetz 'erschweren und verzögern' würden.
Laut Gemeinde könnten solche 'Erschwerungen und Verzögerungen' durch ein für sie offenbar einfacheres Vorgehen nach der ortspolizeilichen Verordnung (welche nur den Eigentümer und nicht auch anderen Nutzungsberechtigten Verpflichtungen auferlege und in welcher die Missstände extensiv umschrieben werden) 'von vornherein vermieden werden.'
C.4. Soweit sich die Gemeinde in diesem Schreiben auf einen zu behebenden 'Missstand der Schädlingsförderung' durch den Pflanzenwildwuchs bezieht, der ebenfalls durch diese ortspolizeiliche Verordnung hintangehalten werden soll (und sich dabei offenbar auf das vom Sachverständigen beschriebene vermehrte Auftreten von Nacktschnecken am Grundstück der Beschwerdeführer bezieht), gilt ebenfalls das hier bereits Vorhergesagte:
So wurde vom Verordnungsgeber in keinster Weise näher dargelegt, dass dieses 'Schädlingsproblem' die Gemeinde Bernstein aufgrund der Verwilderung von Grundstücken im Besonderen betrifft. Das wäre aber notwendig gewesen, weil laut eingeholter sachverständiger Auskunft die invasive Verbreitung von gebietsfremden (Nackt-)Schneckenarten das ganze Bundesgebiet in massiver Form betrifft und damit kein spezifisches Problem der Gemeinde Bernstein darstellt (so auch VfSlg 11753/1988 im Fall der 'Grazer Grünflächen- und Baumschutzverordnung'). Die Hintanhaltung anderer – gefährlicherer – Schädlingsarten, die etwa – im Gegensatz zu diesen Schädlingen – behördliche Maßnahmen mit Mitteln des Pflanzenschutzrechts erforderlich machen würden, sind weder vom Verordnungsgeber genannt worden, noch gibt es im gesamten (Verordnungserlassungs-)Verfahren Hinweise auf deren Auftreten.
D. Für die Eventualanträge ergibt sich daraus:
D.1. Die ersten drei Eventualanträge wurden für den Fall gestellt, dass der Verfassungsgerichtshof für die in diesen Eventualanträgen genannten Bestimmungen der ortspolizeilichen Verordnung jeweils einen untrennbaren Zusammenhang erblickt und bei Aufhebung nur einzelner Bestimmungen ein dem Verordnungsgeber nicht mehr zusinnbarer Inhalt verbliebe. Hier gelten die Bedenken, die bereits unter Punkt III.C. dargelegt wurden.
D.2. Die weiteren Eventualanträge sind deswegen erhoben worden, wenn der Verfassungsgerichtshof im Fall der Aufhebung der hier präjudiziellen Bestimmungen des Hauptantrages oder der Bestimmungen in einem der folgenden drei Eventualanträge für den dann isolierten Weiterbestand der in diesem Fall noch verbleibenden Regelungen des §4 Abs1 dieser ortspolizeilichen Verordnung, einen dem Verordnungsgeber nicht mehr zusinnbaren Inhalt erblickt. Dem sollen die übrigen Eventualanträge (3. – 6.) Rechnung tragen. Für diese letztgenannten Eventualanträge ergänzt das Verwaltungsgericht – zusätzlich zu den bisher geltend gemachten Bedenken – seine Bedenken ob der Gesetz- und Verfassungswidrigkeit der Gemeindeverordnung wie folgt:
Es geht weder aus der Verordnung noch aus ihren Motiven hervor noch erschließt es sich auf anderem Wege, worin ein das örtliche Gemeinschaftsleben störender Missstand zu erblicken ist, wenn die von der ortspolizeilichen Verordnung erfassten Grundstücke hinsichtlich ihrer Rasenflächen, Wiesen oder in Art, Nutzung oder Bewuchs vergleichbaren Flächen nicht in angemessenen zeitlichen Abständen (mindestens aber einmal im Jahr) gemäht werden. So ergibt sich für das Landesverwaltungsgericht kein Anhaltspunkt dafür, dass solche – allenfalls subjektiv – als störend empfundene allgemeine Situationen in jedem Fall einen zu bekämpfenden Missstand iS des Art118 Abs6 B-VG hervorrufen (auf die […] Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage zu §6 Bgld Feldschutzgesetzes wird in diesem Zusammenhang erneut verwiesen). Lediglich im nicht denkunmöglichen (Ausnahme-)Fall, dass ein derart ungepflegter Zustand des Grundstücks im Bauland die Schwelle der Ortsbildbeeinträchtigung überschreitet, könnte (freilich erst nach Einholung eines Ortsbildgutachtens) diese 'Verwilderung' mit dem Instrumentarium des §13 Bgld Baugesetz bekämpft werden.
E. Zusammenfassung: Vor dem Hintergrund dieser Erwägungen hegt das Landesverwaltungsgericht Burgenland die Bedenken, dass die hier präjudiziellen (bzw die mit ihnen in untrennbaren Zusammenhang stehenden) Teile der ortspolizeilichen Verordnung im Umfang der eingangs gestellten Anträge gesetz- und verfassungswidrig sind und beantragt deren Aufhebung.
Da nach Auffassung des Verwaltungsgerichts darüber hinaus die gesamte ortspolizeiliche Verordnung der gesetz- bzw verfassungsrechtlichen Grundlage entbehrt, wird über die hier gestellten Anträge hinaus angeregt, der Verfassungsgerichtshof möge in Anwendung des Art139 Abs3 2[.] Satz B-VG die gesamte ortspolizeiliche Verordnung der Marktgemeinde Bernstein als gesetzwidrig aufheben."
3. Die verordnungserlassende Behörde hat die Akten betreffend das Zustandekommen der angefochtenen Verordnung vorgelegt und eine Äußerung erstattet, in der den im Antrag erhobenen Bedenken wie folgt entgegengetreten wird:
"1. Das antragstellende Verwaltungsgericht darf über die Bescheidbeschwerde der Verfahrensbeteiligten […] nicht meritorisch entscheiden, sondern wird die Bescheidbeschwerde formal zurückzuweisen haben. Dies deshalb, da die Beschwerdeschrift vom 24.07.2020 eine unzutreffende Bezeichnung der belangten Behörde (§9 Abs1 Z2 VwGVG) enthält. Als belangte Behörde wurde dort der 'Gemeindevorstand der MG Bernstein' bestimmt angegeben. Der im Beschwerdeverfahren vor dem Verwaltungsgericht angefochtene Bescheid wurde jedoch – entgegen den Angaben in der Beschwerdeschrift – keineswegs vom Gemeindevorstand erlassen. Anders als das gänzliche Fehlen einer Bezeichnung der belangten Behörde in einer Beschwerdeschrift stellt hingegen die fälschliche Benennung eines unrichtigen Gemeindeorgans als (vermeintlich) bescheiderlassende Behörde in der Beschwerdeschrift einen unheilbaren Inhaltsmangel dar, der es dem Verwaltungsgericht verbietet, über die Bescheidbeschwerde 'in der Sache' zu entscheiden. Infolgedessen hat das antragstellende Verwaltungsgericht die antragsgegenständliche Verordnung des Gemeinderates vom 22.03.2019 offenkundig nicht anzuwenden (Art89 Abs2 i.V.m. Art135 Abs4 B-VG). Die Verordnung bildet im Beschwerdeverfahren […] des Landesverwaltungsgerichtes Burgenland keine Voraussetzung der Entscheidung, weil dort die Beschwerde der Verfahrensbeteiligten […] zurückzuweisen sein wird.
2. Nach Art139 Abs3 B-VG darf der Verfassungsgerichtshof eine Verordnung nur insoweit als gesetzwidrig aufheben, als ihre Aufhebung ausdrücklich beantragt wurde. Das Verwaltungsgericht begehrt in seinem Primärantrag sowie in den Eventualanträgen nur die Aufhebung gewisser (näher bezeichneter) Teile der Verordnung vom 22.03.2019. Der nach der angestrebten Aufhebung verbleibende Rest der Verordnung wäre als unverständlicher Torso inhaltsleer und unanwendbar; er ist daher mit den übrigen Verordnungsteilen, deren Aufhebung das Verwaltungsgericht beantragt, untrennbar verbunden. Demzufolge ist die vom Verwaltungsgericht angestrebte Teil-Aufhebung der Verordnung unzulässig.
3. Es treffen aber auch jene Bedenken, die das Verwaltungsgericht gegen die Gesetzmäßigkeit der Verordnung ins Treffen führt, nicht zu. Insbesondere steht die Verordnung entgegen der Rechtsansicht des Verwaltungsgerichts nicht im Widerspruch mit §59 Abs1 und 2 der Bgld Gemeindeordnung.
Das antragstellende Verwaltungsgericht legt im Punkt III. des Antrags zunächst die Rechtslage dar, insbesondere die verfassungsgesetzliche Lage nach Art118 Abs6 B-VG (samt der einschlägigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofs) sowie die einfachgesetzliche Lage nach §13 Bgld BauG und nach §6 Bgld FeldschutzG. Die Darstellung der einschlägigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofs lautet dahin, dass ortspolizeiliche Verordnungen nach Art118 Abs6 B-VG dann gegen bestehende Gesetze verstoßen, wenn
A) bereits eine grundsätzlich abschließende gesetzliche Regelung der Materie unter den maßgeblichen Regelungsgesichtspunkten vorliegt
und
B) eine aktuelle und konkrete Gefährdungssituation – die besondere Regelungen allenfalls deshalb erforderlich machen würde, weil die vorhandenen gesetzlichen Regelungen dafür nicht ausreichen – nicht gegeben ist.
Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs müssen, um einen Verstoß der ortspolizeilichen Verordnung gegen bestehende Gesetze festmachen zu können, beide Kriterien (A + B) erfüllt sein. Ist daher bereits das Kriterium A ('grundsätzlich abschließende gesetzliche Regelung der Materie') für sich genommen nicht erfüllt, so verstößt eine ortspolizeiliche Verordnung schon aus diesem Grund nicht gegen bestehende Gesetze.
Nach der Darlegung der Rechtslage formuliert das antragstellende Verwaltungsgericht sodann im Punkt III. C. des Antrags […] seine 'Bedenken'. Diese Bedenken lauten dahin, 'dass bereits ein ausreichendes gesetzliches Instrumentarium besteht, den tatsächlichen 'Missständen' ... Herr zu werden' und weiters[,] 'dass die Gemeinde mit diesen rechtlichen Instrumentarien allein aufgrund des ungewöhnlich aggressiven und unkooperativen Auftretens der ... amtsbekannten Beschwerdeführer nicht klar gekommen ist', wobei letzteres aber für sich allein keinerlei Missstand im Sinne des Art118 Abs6 B-VG sei. Ein Missstand, von dem ein größerer Personenkreis direkt betroffen wäre, ergebe sich aus den Unterlagen nicht. Es würde auch kein 'Missstand der Schädlingsförderung' durch den Pflanzenwildwuchs vorliegen, die Verbreitung von gebietsfremden (Nackt-)Schneckenarten sei kein spezifisches Problem der Gemeinde Bernstein.
Der Verfassungsgerichtshof ist in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren auf Prüfung der Gesetzmäßigkeit einer Verordnung auf die Erörterung der geltend gemachten Bedenken beschränkt. Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Verordnung aus den in der Begründung des Antrags dargelegten Gründen gesetzwidrig ist.
Die vom Verwaltungsgericht dargelegten Bedenken zielen erkennbar nur auf die Nichterfüllung des Kriteriums B (siehe oben) ab.
Vom Vorliegen einer 'grundsätzlich abschließenden gesetzlichen Regelung der Materie' im Sinne des Kriteriums A geht offenbar nicht einmal das Verwaltungsgericht aus, beruft es sich doch selber bloß auf ein 'ausreichendes' gesetzliches Instrumentarium und hingegen nicht auf ein abschließendes gesetzliches Instrumentarium.
Äußert aber nicht einmal das antragstellende Verwaltungsgericht Bedenken, wonach eine 'grundsätzlich abschließende Regelung der Materie' bereits gegeben sein könnte, so ist die Gesetzwidrigkeit der Verordnung vom 22.03.2019 – mangels geäußerter Bedenken hinsichtlich des Kriteriums A – schon aus diesem Grund zu verneinen.
Selbst wenn aber die Antragsausführungen so aufzufassen sein sollten, dass das Verwaltungsgericht das Vorliegen einer 'grundsätzlich abschließenden gesetzlichen Regelung der Materie' behauptet, treffen solche Bedenken aus den folgenden Erwägungen nicht zu:
Die Verordnung vom 22.03.2019 erstreckt sich nach deren §1 Abs2 auf sämtliche Grundstücke, die im Flächenwidmungsplan
als Bauland,
als Verkehrsfläche,
als Vorbehaltsfläche oder
als Grünfläche ohne land- oder forstwirtschaftliche Nutzung
ausgewiesen sind. Soweit das Verwaltungsgericht nun das Bgld BauG und das Bgld FeldschutzG ins Treffen führt, ist entgegenzuhalten, dass durch diese Gesetze weder für Verkehrsflächen noch für Vorbehaltsflächen noch für Grünflächen ohne land- und forstwirtschaftliche Nutzung (wobei darunter nicht bloß 'Hausgärten' zu verstehen sind) irgendwelche Regelungen getroffen werden. Für Grundstücke, die eine dieser Flächenwidmungsarten aufweisen, existiert demzufolge von vorn herein keine 'abschließende gesetzliche Regelung der Materie'. Aber auch hinsichtlich jener Grundstücke, die als Bauland flächengewidmet sind, besteht keine abschließende gesetzliche Regelung durch §13 Bgld BauG. Diese Gesetzesbestimmung bezweckt – neben der Abwehr von Gefahren für Personen und Sachen – nur den Schutz des Ortsbildes. Die im Bgld BauG getroffene Anordnung 'gepflegt' ist mit dem Tatbestandsmerkmal 'das Ortsbild nicht beeinträchtigenden Zustand' verbunden, das heißt nur insoweit das Ortsbild beeinträchtigt ist, kann davon ausgegangen werden, dass das Grundstück ungepflegt im Sinne dieser Bestimmung ist (Pallitsch/Pallitsch/Kleewein, Burgenländisches Baurecht3, Anm 4 auf Seite 184). Der Sinn einer ordentlichen Grundstückspflege geht jedoch über den rein äußerlichen, optischen Aspekt des Ortsbildes hinaus, zumal die gänzlich unterlassene oder bloß unzureichend durchgeführte Grundstückspflege potentiell geeignet ist, das Gemeinschaftsleben störende Missstände zu bewirken und sich derartige störende Missstände nicht nur auf bloß optische Aspekte sowie auf Gefahren für Personen und Sachen beschränken. Dementsprechend ist der aus §3 der angefochtenen Verordnung ersichtliche Regelungszweck keineswegs deckungsgleich mit dem Regelungszweck des §13 Bgld BauG. Zusammenfassend ist an dieser Stelle daher festzuhalten, dass keine gesetzlichen Regelungen existieren, die die Pflege der verordnungsgegenständlichen Grundstücksarten abschließend regeln.
Aber auch unter der Annahme, dass §13 Bgld BauG die Pflege von Bauland doch abschließend regeln würde, gehen die Aufhebungsanträge des Verwaltungsgerichts ins Leere. Für Verkehrsflächen, Vorbehaltsflächen und Grünflächen ohne land- oder forstwirtschaftliche Nutzung existieren, wie schon oben ausgeführt wurde, jedenfalls keine (abschließenden) gesetzlichen Regelungen betreffend Grundstückspflege. Das Verwaltungsgericht hätte deshalb, um mit seinen Anträgen hinsichtlich des im Anlassbeschwerdeverfahren gegenständlichen Bauland-Grundstücks durchdringen zu können, auch die Aufhebung der Wortfolge 'als Bauland' im §1 Abs2 der angefochtenen Verordnung mitbeantragen müssen, was jedoch unterblieben ist.
Verfehlt ist die Heranziehung von nachbarschaftsrechtlichen Regelungen (§§364, 422 ABGB) durch das Verwaltungsgericht, die im Privatrecht begründet sind und deren offensichtlicher Zweck keineswegs im allgemeinen, öffentlichen Gemeinschaftsinteresse liegt.
Soweit das Verwaltungsgericht – erkennbar zum oben genannten Kriterium B – der angefochtenen Verordnung die Eignung abspricht, störenden Missständen, von der ein größerer Personenkreis direkt betroffen ist, entgegenzuwirken, und hier das Verwaltungsgericht insbesondere auch dem 'Missstand der Schädlingsförderung' die Eignung eines allgemein störenden Missstands abspricht, gehen auch diese Antragsausführungen ins Leere. Gerade etwa die immer mehr um sich greifende 'Nacktschneckenplage' wird durch allerlei Wildwuchs von Pflanzen enorm gefördert, weil sich typischerweise auf ungepflegten Grundstücken vermehrt beschattete Feuchträume bilden, in denen sich Nacktschneckenpopulationen ungehindert aufhalten und 'explosionsartig' vervielfachen und verbreiten. Diese – wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausführt – 'gebietsfremden' Nacktschnecken sind aber nicht nur pflanzenzerstörende Schädlinge, sondern sind außerdem für das Empfinden weiter Bevölkerungsteile hochgradig abstoßend und ekelerregend. Nicht nur das schädliche Einwirken auf Pflanzen, sondern auch das Erregen von Abscheu und Ekel ist ein das örtliche Gemeinschaftsleben erheblich störender Missstand, zu dessen Abwehr jedoch §13 Bgld BauG nicht dient, weshalb nur die Erlassung einer ortspolizeilichen Verordnung nach [Art] 118 [Abs] 6 B-VG im Interesse der Allgemeinheit Abhilfe schafft. Der ortspolizeilichen Verordnung steht der Umstand nicht entgegen, dass die Nacktschneckenplage – laut Verwaltungsgericht – auch andere Teile des Bundesgebietes betrifft. Nach Art118 Abs6 B-VG kann störende Missstände eben nur jede einzelne Gemeinde ausschließlich für ihr eigenes Gemeindegebiet abwehren, auch wenn gleichartige Missstände allenfalls auch in anderen Gemeinden im Bundesgebiet auftreten.
Der Gemeinderat der Marktgemeinde Bernstein als Antragsgegner stellt den
Antrag,
die Aufhebungsanträge des Landesverwaltungsgerichts Burgenland vom 08.03.2021 zur Gänze zurückzuweisen, in eventu zur Gänze abzuweisen, und dem Antragsgegner die gesetzmäßigen Verfahrenskosten zuzuerkennen."
4. Die Parteien der Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Burgenland haben als beteiligte Parteien Äußerungen erstattet, in denen sie sich im Wesentlichen den Bedenken des Verwaltungsgerichtes anschließen.
IV. Erwägungen
1. Zur Zulässigkeit des Antrages
1.1. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iSd Art139 Abs1 Z1 B-VG bzw des Art140 Abs1 Z1 lita B-VG nur dann wegen Fehlens der Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die – angefochtene – generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl etwa VfSlg 10.640/1985, 12.189/1989, 15.237/1998, 16.245/2001 und 16.927/2003).
Im Verfahren ist nichts hervorgekommen, was an der Präjudizialität der im Hauptantrag angefochtenen, oben bezeichneten Wortfolge in §4 Abs1 Z2 der Verordnung des Gemeinderates der Marktgemeinde Bernstein vom 22. März 2019, Z26/2019, zweifeln ließe. Die vor dem Landesverwaltungsgericht Burgenland belangten Verwaltungsbehörden stützen ihre Entscheidungen jeweils zumindest der Sache nach auf die angefochtene Wortfolge in §4 Abs1 Z2 der in Rede stehenden ortspolizeilichen Verordnung, weshalb das Verwaltungsgericht diese Bestimmung bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verwaltungsentscheidungen jedenfalls anzuwenden hat. Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, insbesondere der Anfechtungsumfang weit genug gezogen wird, um die behauptete Gesetzwidrigkeit zu beseitigen, erweist sich der Antrag hinsichtlich der angefochtenen Wortfolge in §4 Abs1 Z2 der ortspolizeilichen Verordnung insgesamt als zulässig.
1.2. Angesichts der Zulässigkeit des Hauptantrages erübrigt es sich, auf die Eventualanträge einzugehen.
2. In der Sache
2.1. Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit einer Verordnung gemäß Art139 B-VG auf die Erörterung der geltend gemachten Bedenken zu beschränken (vgl VfSlg 11.580/1987, 14.044/1995, 16.674/2002). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Bestimmung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen gesetzwidrig ist (VfSlg 15.644/1999, 17.222/2004).
2.2. Der Antrag ist nicht begründet:
2.2.1. Das Landesverwaltungsgericht Burgenland hegt – auf das Wesentliche zusammengefasst – einerseits das Bedenken, dass die angefochtene Wortfolge in §4 Abs1 Z2 der in Rede stehenden ortspolizeilichen Verordnung mangels entsprechenden Missstandsnachweises gegen ihre gesetzliche Grundlage (§59 Abs1 und 2 Bgld GemO 2003) und Art118 Abs6 B-VG verstoße, andererseits das Bedenken, dass bereits ein ausreichendes gesetzliches Instrumentarium dafür bestehe, insbesondere durch den Überhang von Bäumen oder Sträuchern hervorgerufener Missstände Herr zu werden.
2.2.2. Der Verfassungsgerichtshof teilt die – untereinander zusammenhängenden – Bedenken des Landesverwaltungsgerichtes Burgenland jedoch nicht:
Wie der Verfassungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung (VfSlg 7960/1976, 9762/1983, 10.614/1985, 11.726/1988, 18.305/2007 und 19.207/2010) ausgesprochen hat, ist die Gemeinde – ohne durch die (generelle) Bestimmung des Art118 Abs2 B-VG beschränkt zu sein – kraft Art118 Abs6 B-VG und den übereinstimmenden Vorschriften des Gemeinderechtes der Länder (im vorliegenden Fall §59 Abs1 und 2 Bgld GemO 2003) ermächtigt, ortspolizeiliche Verordnungen nach freier Selbstbestimmung unter den folgenden drei Voraussetzungen zu erlassen:
Zum einen muss die ortspolizeiliche Verordnung in einer Angelegenheit erlassen werden, deren Besorgung im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde nach Art118 Abs2 und 3 B-VG gewährleistet ist, zum zweiten muss die Verordnung den Zweck verfolgen, das örtliche Gemeinschaftsleben störende Missstände abzuwehren oder zu beseitigen, und zum dritten darf die Verordnung nicht gegen bestehende Gesetze oder Verordnungen des Bundes und des Landes verstoßen.
Zur Frage des Verstoßes ortspolizeilicher Verordnungen gegen bestehende Gesetze vertritt der Verfassungsgerichtshof die Auffassung, dass "eine ortspolizeiliche Verordnung dann nicht gegen bestehende Gesetze im Sinne des Art118 Abs6 B-VG verstößt, wenn zwar für bestimmte Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde Gesetze erlassen wurden, diese gesetzlichen Regelungen aber nicht ausreichen, dem mit der ortspolizeilichen Verordnung bekämpften Mißstand, bzw der 'aktuellen und konkreten Gefährdungssituation' abzuhelfen" (VfSlg 11.726/1988 und 18.305/2007 mwN).
Der Gerichtshof sah einen Verstoß gegen bestehende Gesetze demgegenüber dann als gegeben an, wenn bereits eine "grundsätzlich abschließende gesetzliche Regelung" der Materie unter den maßgeblichen Regelungsgesichtspunkten vorlag und eine "aktuelle und konkrete Gefährdungssituation, die besondere Regelungen allenfalls deshalb erforderlich machen würde, weil die vorhandenen gesetzlichen Regelungen dafür nicht ausreichen", nicht gegeben war (VfSlg 8601/1979).
Es kommt nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes also darauf an, ob die betreffende Angelegenheit bereits insoweit abschließend gesetzlich geregelt ist, als der (auch) mit der ortspolizeilichen Verordnung bekämpfte Missstand schon von einer bestehenden gesetzlichen Regelung erfasst ist. Eine ortspolizeiliche Verordnung kann diesfalls nur bei Vorliegen eines konkreten kommunalen Missstandes zum Gesetz hinzutreten (vgl dazu mwN VfSlg 18.305/2007).
Solche (zu erwartende oder bestehende) Missstände müssen von der verordnungserlassenden Behörde gemäß der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes jeweils ermittelt und nachgewiesen werden (zur Missstandsbekämpfung vgl insb. VfSlg 11.753/1988, 15.364/1998, 18.305/2007 und 20.157/2017).
2.2.3. Zunächst geht aus dem der angefochtenen Verordnung zugrunde liegenden – wenn auch knappen – Aktenmaterial hervor, dass sich in der Marktgemeinde Bernstein "Beschwerden wegen mangelnder Grundstückspflege" gehäuft hätten; §13 Bgld BauG wurde in diesem Zusammenhang als praktisch nicht ausreichend angesehen und daher die Erlassung einer entsprechenden ortspolizeilichen Verordnung in Aussicht genommen, um "gewisse Kriterien, wie ein Baugrundstück ortsüblich auszusehen hat, fest[zu]legen" (Sitzungsprotokoll Gemeindevorstand 7.12.2018). In der Fo