TE Vwgh Erkenntnis 2022/2/22 Ra 2021/08/0044

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Veröffentlicht am 22.02.2022
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §68 Abs2
B-VG Art132 Abs1
VwGVG 2014 §14
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer und die Hofrätin Dr. Julcher als Richterinnen sowie die Hofräte Mag. Stickler, Mag. Cede und Mag. Tolar als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sasshofer, über die Revision des Arbeitsmarktservice Wien Redergasse in 1050 Wien, Redergasse 1, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. März 2021, W228 2238635-1/4E, betreffend eine Angelegenheit nach dem AlVG (mitbeteiligte Partei: G M in W), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1        Mit Bescheid vom 7. Juli 2020 widerrief das Arbeitsmarktservice Wien Redergasse (AMS) den Bezug von Notstandshilfe durch den Mitbeteiligten im Zeitraum vom 1. Oktober 2019 bis 26. Jänner 2020 und verpflichtete diesen zur Rückzahlung des unberechtigt empfangenen Bezugs in Höhe von € 2.774,18.

2        Eine gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde des Mitbeteiligten wies das AMS mit Beschwerdevorentscheidung vom 30. September 2020 ab.

3        Am 5. November 2020 erging neuerlich ein Bescheid des AMS, mit dem der Mitbeteiligte „zur Rückforderung der unberechtigt empfangenen Leistung“ in Höhe von € 2.774,18 verpflichtet wurde.

4        Am 10. November 2020 langte beim AMS ein Schreiben des Mitbeteiligten folgenden Inhalts ein:

„Betreff: Beschwerde gegen das Urteil

Ich [...] habe schon mehrmals betont im Zeitraum vom 1.10.2019-26.1.2020 nicht über der Geringfügigkeitsgrenze dazuverdient zu haben. Habe bei der [F] monatlich 210,67 gleichbleibend erhalten. Bei [G] habe ich wöchentlich 10 Std à 5,- verdient. Wurde mir auf Hand ausbezahlt. Auch stimmt es nicht das ich diese Geringfügigkeit nicht gemeldet habe. Wurde vielleicht nicht eingetragen. Auch war ein Kollege vom AMS schon im Lokal von [G] und hat bestätigt das ich für 10 Std à 5,- beschäftigt bin. Auszahlung auf Hand. Lohnbescheinigung wird kollektiv auf das Monat gerechnet und habe niemals dieses Geld bekommen. Habe eine Fachschule absolviert und weiß genau wieviel ich dazuverdienen darf ohne Geringfügigkeitsgrenze zu übersteigen. Bin stets ehrlich und korrekt. Wäre dumm von mir diese Grenze zu überschreiten. Sollte ich nur die Hälfte des Arbeitslosengeldes bekommen dann kann ich keine Miete bezahlen und lande auf der Straße. Nur weil ich geringfügig arbeite und versichere nie über Geringfügigkeitsgrenze gewesen zu sein werde ich bestraft. Wenn ein Kollege bei [G] vor Ort war und es bestätigt wurde das meine Angaben stimmen. Hoffe Sie sehen ein das ich ehrlich nicht mehr verdient habe. Es gibt sicher andere die nicht so korrekt sind. ...“

5        Mit Schreiben vom 17. November 2020 richtete das AMS an den Mitbeteiligten (nach Darstellung des bisherigen Verfahrensablaufs) die folgende Aufforderung:

„... Ihrem als ‚Beschwerde gegen das Urteil‘ bezeichneten Anbringen [ist] jedenfalls nicht zweifelsfrei zu entnehmen[,] ob Sie sich damit auf einen Bescheid des Arbeitsmarktservice Wien Redergasse beziehen und was Sie mit dieser Eingabe bezwecken (die Eingabe könnte z.B. eine Beschwerde im Sinne des Art. 130 Abs. 1 Z. 1 gegen den Bescheid vom 5.11.2020 oder auch ein Vorlageantrag gegen den Bescheid vom 30.9.2020 sein).

Sofern Sie mit Ihrem Anbringen eine Beschwerde i.S.d. Art. 130 Abs. 1 Z. 1 B-VG einbringen wollten, ist dazu folgendes festzuhalten:

Die inhaltlichen Anforderungen an eine Parteienbeschwerde gegen einen Bescheid werden durch § 9 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG) normiert. Demnach hat eine Beschwerde die Bezeichnung des angefochtenen Bescheides, die Bezeichnung der belangten Behörde, die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt, das Begehren und die Angaben, die erforderlich sind, um zu beurteilen, ob die Beschwerde rechtzeitig eingebracht wurde, zu enthalten.

[...]

Ihr Anbringen entspricht diesen Kriterien jedenfalls nicht; dies stellt einen Mangel gemäß § 13 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) dar, zu dessen Behebung Sie hiermit aufgefordert werden.

Sie werden aufgefordert, bis längstens

4.12.2020

eine Verbesserung dahingehend zu veranlassen, dass Sie Ihr Anbringen ergänzen, den Bescheid bzw. die Bescheide inkl. der belangten Behörde konkret zu bezeichnen, konkrete Beschwerdepunkte benennen bzw. dem Arbeitsmarktservice die Gründe für Ihre Beschwerde und Ihr diesbezügliches Anliegen bekannt geben und auch erforderliche Angaben, um zu beurteilen, ob die Beschwerde rechtzeitig eingebracht wurde, vorbringen.

Im Falle der Nichteinbringung bis zum 4.12.2020 wird Ihr Anbringen gemäß § 13 Abs. 3 AVG zurückgewiesen.“

6        In der Folge langte am 1. Dezember 2020 beim AMS das folgende Schreiben des Mitbeteiligten ein:

„Betreff: Beschwerde gegen den Bescheid

Ich [...] lege Beschwerde gegen den Bescheid den die Geschäftsstelle des AMS Redergasse gegen mich erhoben hat ein.

Habe am 07.11.2020 das Schreiben erhalten. Ich habe schon mehrmals geschrieben und mitgeteilt, das ich die Geringfügigkeitsgrenze nicht überschritten habe. Habe beim [F] monatlich gleichbleibend € 210,67 erhalten.Bei [G] für 10 Stunden in der Woche € 5,-. War auch schon ein Kollege bei [G] im Lokal und sie hat bestätigt das ich 10 Std à € 5,- beschäftigt bin und das Geld auf Hand bekomme. Habe immer korrekt gehandelt und wäre dumm von mir mehr als die Geringfügigkeitsgrenze zu verdienen. Ich weiß sehr wohl wie hoch die Geringfügigkeitsgrenze ist. Ich arbeite nicht zum Spaß. Ich mache es das ich meine Kosten decken kann. Kann mir die Kosten ansonsten nicht leisten. Miete ist enorm gestiegen. Gas-Strom. Lebe überdies extrem bescheiden. Weiß sonst nicht wie ich es bezahlen kann. Ich versichere dass ich stets ehrlich bin vielmals zu ehrlich. Hoffe auf Verständnis dass ich wirklich nicht mehr verdient habe.“

7        Am 10. Dezember 2020 erließ das AMS einen Bescheid mit folgendem Spruch:

„I) Ihr als ‚Beschwerde gegen das Urteil‘ bezeichnetes, Anbringen vom 10.11.2020 wird gemäß § 13 Abs. 3 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (BGBl. Nr. 51/1991 - AVG) in geltender Fassung,

zurückgewiesen.

II) Der Bescheid des Arbeitsmarktservice Wien Redergasse vom 5.11.2020, betreffend Rückforderung der unberechtigt empfangenen Leistung (Notstandshilfe) in Höhe von € 2.774,18 gemäß § 25 Abs. 1 letzter Satz Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 (BGBl. Nr. 609/1977 - AlVG) in geltender Fassung, wird gemäß § 68 Abs. 2 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 in geltender Fassung

aufgehoben.“

8        Die in Spruchpunkt I des Bescheides ausgesprochene Zurückweisung begründete das AMS (nach Wiedergabe des Geschehens) damit, dass der Mitbeteiligte den Verbesserungsauftrag nicht erfüllt habe, weil er in seinem zur Beantwortung des Auftrags eingebrachten Schreiben „neuerlich keinen konkreten Bescheid bezeichnet“ habe. Zur Begründung der mit Spruchpunkt II gemäß § 68 Abs. 2 AVG verfügten Behebung des Bescheides vom 5. November 2020 führte das AMS aus, dass die Beschwerdevorentscheidung vom 30. September 2020 in Rechtskraft erwachsen, die Notstandshilfe für den Zeitraum vom 1. Oktober 2019 bis 26. Jänner 2020 daher bereits widerrufen und deren Rückzahlung in der Höhe von € 2.774,18 vorgeschrieben worden sei, weshalb die neuerliche Rückforderung mit Bescheid vom 5. November 2020 gegen das Wiederholungsverbot verstoßen habe und somit unzulässig gewesen sei. Dieser Bescheid sei daher zu beheben gewesen. Als gesetzliche Grundlagen wurden § 13 Abs. 3 AVG, § 68 Abs. 1 und 2 AVG, § 24 Abs. 1 und 2 AlVG, § 25 Abs. 1, 4 und 6 AlVG sowie § 38 AlVG angeführt.

9        Der Bescheid weist eine Rechtsmittelbelehrung auf, in der auf das Recht auf Erhebung einer Beschwerde innerhalb von vier Wochen ab Zustellung hingewiesen wird.

10       Der Mitbeteiligte brachte gegen diesen Bescheid ein (beim AMS am 7. Jänner 2021 eingelangtes) als Beschwerde bezeichnetes Rechtsmittel ein, in dem er angab, diesen Bescheid am 5. Jänner 2021 erhalten zu haben, und Beschwerdegründe ausführte.

11       Mit „Beschwerdevorlage“ vom 14. Jänner 2021 legte das AMS diese Beschwerde dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

12       Mit Erkenntnis vom 19. März 2021 sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass „der Beschwerde ... gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG stattgegeben und die Beschwerdevorentscheidung vom 10.12.2020 ... ersatzlos behoben“ werde.

13       Im Hinblick auf den Spruchpunkt I des Bescheides vom 10. Dezember 2020 begründete das Bundesverwaltungsgericht diesen Ausspruch damit, dass „aufgrund der Ausführungen des [Mitbeteiligten] in seiner Eingabe vom 01.12.2020“, welche als Antwort auf den Verbesserungsauftrag vom 17. November 2020 ergangen sei, „eine Zuordenbarkeit der Eingabe vom 10.11.2020 zum Bescheid des AMS vom 05.11.2020“ gegeben sei. Der Mangel sei damit rechtzeitig behoben worden, weshalb die „Eingabe des Beschwerdeführers vom 10.11.2020“ als „rechtzeitige Beschwerde gegen den Bescheid des AMS vom 05.11.2020“ zu werten sei. Das AMS habe daher zu Unrecht mit Spruchpunkt I des Bescheides vom 10. Dezember 2020 das als „Beschwerde gegen das Urteil“ bezeichnete Anbringen zurückgewiesen. Das AMS „hätte daher in der Sache zu entscheiden gehabt, und zwar dahingehend, dass res iudicata vorliegt und der Bescheid vom 05.11.2020 nicht ergehen hätte dürfen“. Diese Entscheidung in der Sache habe nun durch das Bundesverwaltungsgericht zu erfolgen.

14       Die mit Spruchpunkt II des Bescheides vom 10. Dezember 2020 gemäß § 68 Abs. 2 AVG verfügte Aufhebung des Bescheides vom 5. November 2020 sei „ebenfalls zu beheben“, weil (infolge der rechtzeitigen Verbesserung) eine rechtzeitige Beschwerde gegen den Bescheid vom 5. November 2020 vorliege und dieser Bescheid daher noch nicht rechtskräftig sei. Folglich seien die Voraussetzungen für ein Vorgehen nach § 68 Abs. 2 AVG nicht erfüllt.

15       Abschließend führte das Bundesverwaltungsgericht aus, dass nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Beschwerdevorentscheidung an die Stelle des Ausgangsbescheides trete. Aus diesem Grund sei „durch die ersatzlose Behebung der ge[s]amten Beschwerdevorentscheidung vom 10.12.2020 der rechtmäßige Zustand wiederhergestellt“.

16       Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Revision des AMS.

17       Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Vorlage der Akten und Durchführung eines Vorverfahrens, in dem der Mitbeteiligte eine Revisionsbeantwortung erstattet hat, erwogen:

18       Die Revision ist zulässig und begründet.

19       Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits festgehalten, dass die Anhängigkeit einer Beschwerde einer Anwendung des § 68 Abs. 2 AVG nicht entgegensteht (VwGH 16.11.2015, Ra 2015/12/0029 [= VwSlg. 19.245 A/2015]).

20       Die dem angefochtenen Erkenntnis zugrunde gelegte gegenteilige Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts und die darauf gestützte Aufhebung des Spruchpunkts II des Bescheides vom 10. Dezember 2020 mit der Begründung, dass eine rechtzeitige Beschwerde gegen den Bescheid vom 5. November 2020 vorliege und dieser daher „noch nicht rechtskräftig“ sei, entsprach daher nicht der Rechtslage. Dass die sonstigen Voraussetzungen einer Behebung des (den Mitbeteiligten belastenden und niemandem ein Recht einräumenden) Bescheides vom 5. November 2020 nach § 68 Abs. 2 AVG erfüllt waren, wurde im Verfahren nicht in Zweifel gezogen und begegnet auch keinen Bedenken des Verwaltungsgerichtshofes. Das Bundesverwaltungsgericht hat daher sein Erkenntnis schon aus diesem Grund mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet.

21       Im Übrigen trifft es, wie das AMS in der Revision zutreffend ausführt, auch nicht zu, dass der Bescheid vom 10. Dezember 2020 eine Beschwerdevorentscheidung gewesen sei, und dass deren ersatzlose Beseitigung auch den Entfall des Bescheides vom 5. November 2020 und dadurch die Herstellung des „rechtmäßigen Zustands“ bewirke, weil diese „Beschwerdevorentscheidung“ an die Stelle des „Ausgangsbescheids“ (gemeint: den Bescheid vom 5. November 2020) getreten sei.

22       Zwar geht aus der im Kopf des angefochtenen Erkenntnisses verwendeten Formulierung, wonach das Bundesverwaltungsgericht „gegen den Bescheid des [AMS] vom 10.12.2020 ... zu Recht erkannt“ habe, nicht klar hervor, dass das Bundesverwaltungsgericht davon ausging, über eine Beschwerde gegen den Bescheid vom 5. November 2020 zu entscheiden. Der Spruch gibt aber ausdrücklich zu erkennen, dass das Bundesverwaltungsgericht vom Vorliegen einer Beschwerdevorentscheidung ausgegangen ist, und es lässt sich - wie dargestellt - zumindest im Wege einer Zusammenschau mit der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses eruieren, welche Eingabe des Mitbeteiligten das Bundesverwaltungsgericht als zu erledigende Beschwerde qualifiziert hat, welchen Bescheid es als „Ausgangsbescheid“ angesehen hat, und dass es die Beseitigung des (von ihm als Beschwerdevorentscheidung qualifizierten) Bescheides vom 10. Dezember 2020 intendierte, welcher endgültig an die Stelle des (als „Ausgangsbescheid“ qualifizierten) Bescheides vom 5. November 2020 getreten sei.

23       Bereits die Prämisse des Vorliegens einer Beschwerdevorentscheidung war jedoch unzutreffend.

24       Zwar scheidet die Qualifikation eines Bescheides als Beschwerdevorentscheidung im Sinne von § 14 VwGVG nicht schon deswegen aus, weil dieser nicht ausdrücklich als Beschwerdevorentscheidung bezeichnet ist. Für eine Einordnung als Beschwerdevorentscheidung ist es aber erforderlich, dass aus dem Bescheidinhalt und den Umständen hinreichend deutlich erkennbar ist, dass die Behörde unter Inanspruchnahme ihrer Befugnis zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung über die Beschwerde gegen einen Bescheid entschieden hat.

25       Der Bescheid vom 10. Dezember 2020 lässt sich nicht als Beschwerdevorentscheidung deuten. Er war nicht als solcher bezeichnet, nennt keine Bestimmungen des VwGVG als seine Rechtsgrundlage und enthält auch keine Belehrung zur Stellung eines Vorlageantrags, sondern eine herkömmliche, auf die Möglichkeit der Einbringung einer Beschwerde innerhalb von vier Wochen hinweisende Rechtsmittelbelehrung. Der Spruchpunkt I des Bescheides erwähnt zwar (durch wörtliche Zitierung unter Anführungszeichen und erkennbar zwecks ausreichender Präzisierung des damit zu erledigenden Anbringens) die vom Mitbeteiligten selbst gewählte Bezeichnung seiner Eingabe als „Beschwerde gegen das Urteil“, lässt aber nicht erkennen, dass das AMS mit der Zurückweisung dieses Anbringens auch rechtlich eine Qualifikation dieses Anbringens als Beschwerde gegen einen (bestimmten) Bescheid vorgenommen und über eine solche abgesprochen hätte. Dies erhellt auch aus der Bescheidbegründung. Der der Zurückweisung vorangehende Verbesserungsauftrag hatte dem Mitbeteiligten vorgehalten, dass seine Eingabe insofern unklar sei, als diese (mangels Bezeichnung des Bescheides, auf den sie sich bezog) sowohl als Vorlageantrag gegen eine Beschwerdevorentscheidung als auch als Beschwerde gewertet werden könne. Die Zurückweisung stützte sich darauf, dass auch nach Beantwortung dieses Verbesserungsauftrags „neuerlich kein konkreter Bescheid“ bezeichnet worden sei, gegen den sich die Eingabe gerichtet hätte. Der Spruchpunkt I des Bescheides vom 10. Dezember 2020 kann daher nicht so verstanden werden, dass das AMS das einem Verbesserungsverfahren zugeführte Anbringen des Mitbeteiligten als Beschwerde qualifiziert hätte. Da für das AMS auch die Deutung der Eingabe als Vorlageantrag im Raum stand (dessen Zurückweisung jedenfalls nicht mit Beschwerdevorentscheidung hätte erfolgen dürfen; vgl. § 15 Abs. 3 VwGVG), bietet - unabhängig davon, dass bereits der objektive Inhalt der Erledigung eine solche Deutung nicht nahelegt - auch die Rechtslage keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Bescheid vom 10. Dezember 2020 als Beschwerdevorentscheidung zu interpretieren gewesen wäre. Gegen eine solche Deutung des Bescheides spricht auch, dass es sich bei seinem Spruchpunkt II um eine amtswegig getroffene Maßnahme handelt, die bereits als solche nicht als Erledigung eines Rechtsmittels verstanden werden kann. Der Umstand, dass der Bescheid hinsichtlich seines Aufbaus, seiner Begründung und seiner Rechtsmittelbelehrung keine formalen Unterschiede zwischen dem Spruchpunkt I und dem inhaltlich eindeutig als amtswegigen Ausspruch einzuordnenden Spruchpunkt II aufweist, deutet darauf hin, dass die Behörde insgesamt (sohin auch beim ersten Spruchpunkt) keine Erledigung einer Beschwerde intendierte.

26       Das angefochtene Erkenntnis war aus den oben dargestellten Gründen gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

Wien, am 22. Februar 2022

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Auslegung von Bescheiden und von Parteierklärungen VwRallg9/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021080044.L00

Im RIS seit

28.03.2022

Zuletzt aktualisiert am

28.03.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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