TE Vwgh Erkenntnis 1996/7/3 91/12/0206

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Veröffentlicht am 03.07.1996
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Index

L82407 Abfall Müll Sonderabfall Sondermüll Tirol;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §43 Abs1;
AVG §8;
AWG Tir 1990 §19 Abs1;
AWG Tir 1990 §19 Abs2;
AWG Tir 1990 §4 Abs2 lita;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Germ, Dr. Höß, Dr. Riedinger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Leitner, über die Beschwerde des (der)

1. L in P und weitere 212 Beschwerdeführer,

alle vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 1. Juli 1991, Zl. U-3362/152, betreffend Erteilung einer Errichtungs- und vorläufigen Betriebsbewilligung nach dem Tiroler Abfallwirtschaftsgesetz für die Abfalldeponie Riederberg (mitbeteiligte Partei: XY GesmbH & Co KG, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in I), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben zu gleichen Teilen dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 4.565,-- und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 12.740,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren der mitbeteiligten Partei wird abgewiesen.

Begründung

Die mitbeteiligte Partei projektierte die Errichtung und den Betrieb der Abfall(Müll)deponie Riederberg auf bestimmten Grundstücken der Katastralgemeinde W.

Für die Errichtung dieser Abfalldeponie liegen seit 1988 unbestritten rechtskräftig erteilte Bewilligungen nach dem Wasserrechtsgesetz 1959 und dem Forstgesetz vor.

Bereits seit dem Jahr 1985 war hiefür ein gewerbebehördliches Betriebsanlagengenehmigungsverfahren nach §§ 74 ff GewO 1973 anhängig, das im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides noch nicht rechtskräftig abgeschlossen war (vgl. dazu auch das hg. Erkenntnis vom 28. Februar 1989, Zl. 88/04/0231).

Die mitbeteiligte Partei stellte bei der Bezirkshauptmannschaft Kufstein am 26. März 1991 u.a. den Antrag, ihr für die Abfalldeponie Riederberg die Genehmigung für einen Versuchsbetrieb gemäß § 354 GewO 1973 zu erteilen.

Mit Verordnung vom 14. Mai 1991, LGBl. für Tirol Nr. 43, legte die Landesregierung gemäß § 5 Abs. 1 und Abs. 3 lit. c und d des Tiroler Abfallwirtschaftsgesetzes, LGBl. Nr. 50/1990 (im folgenden TirAWG) die Grundstücke Nr. 980/3, 980/7, 980/8, 980/9, 980/10, 980/11 und 980/12 der KG W als Standort für die Deponie für Haushaltsmüll und betriebliche Abfälle fest (§ 1 dieser Verordnung). Gleichzeitig wurde der Entsorgungsbereich dieser Anlage mit dem Gebiet sämtlicher Gemeinden der Bezirke Kufstein und Kitzbühel bestimmt.

Bereits kurz zuvor hatte die mitbeteiligte Partei unter Vorlage entsprechender Projektsunterlagen mit Schreiben vom 7. Mai 1991 um die Erteilung der abfallrechtlichen Genehmigung nach § 16 TirAWG ersucht.

Am 24. Juni 1991 wurde eine mündliche Verhandlung gemeinsam über die gewerberechtlichen und abfallrechtlichen Belange betreffend die Abfalldeponie Riederberg durchgeführt. Laut Niederschrift diente der durchgeführte Lokalaugenschein für das Verfahren nach dem TirAWG im wesentlichen der Abklärung der Beeinträchtigung von Leben und Gesundheit von Menschen wie insbesondere durch Geruch, Lärm und Erschütterungen im Sinne des § 4 Abs. 2 lit. a leg. cit. Die im § 4 Abs. 2 lit. b bis f leg. cit. angeführten öffentlichen Interessen seien bereits in den entsprechenden anderen Verfahren (nach dem Wasserrecht, Forstrecht und der Gewerbeordnung) abgehandelt worden bzw. würden im gleichzeitig durchgeführten Gewerberechtsverfahren nochmals behandelt. Hinsichtlich der persönlich anwesenden Beteiligten sowie der durch den Beschwerdevertreter vertretenen nichtanwesenden Beteiligten sei die allfällige Parteistellung gemäß § 19 TirAWG vorab zu prüfen.

Der Beschwerdevertreter erklärte, daß sämtliche von ihm vertretenen Personen im Umkreis von 500 m um die Deponie wohnhaft seien. Prof. I habe im gewerberechtlichen Verfahren (Gutachten vom 25. Juli 1986) ausdrücklich festgestellt, daß wegen der Geruchs- und Staubbelästigung bewohnte Objekte einen Mindestabstand von 500 m von der Deponie aufweisen sollten. Die Vollmachtgeber, die im Umkreis von 500 m von der Deponie entfernt wohnten, seien daher durch die zu erwartenden Geruchs- und Staubimmissionen in ihrer Gesundheit gefährdet und beeinträchtigt und hätten daher gemäß § 4 Abs. 2 TirAWG Parteistellung. In der Folge finden sich für die wichtigsten Bereiche, in denen die Beschwerdeführer wohnen, - von vom Sachverständigen der "BBA Kufstein" aus einem vom Beschwerdevertreter vorgelegten Orientierungsplan

(Maßstab 1:14.000) abgemessene - Entfernungsangaben der Objekte zur Deponie (für den Bereich Boden, die Weiler Haus und Maierhofen, den Ortsteil Bruckhäusl sowie den Bereich Putzweg), die zwischen 400 und 1250 m betragen.

In der Sache selbst führte der Beschwerdevertreter (unvorgreiflich der Entscheidung über die Zuerkennung der Parteistellung) aus, die Bewohner (dieser Gebiete) würden in einer unzumutbaren Weise durch Geruch, Staub und Lärmbeeinträchtigungen gefährdet. Insbesondere die Geruchs- und Staubbelästigung sei unzumutbar, weil diese Belästigungen auch außerhalb der Betriebszeiten ständig gegeben sein. Bereits im seinerzeitigen gewerberechtlichen Betriebsanlagegenehmigungsverfahren sei die Einholung eines meteorologischen Gutachtens beantragt worden. Dieser Antrag werde wiederholt und aufrechterhalten. Insbesondere erscheine es notwendig, durch ein solches Gutachten die Windverhältnisse im Talkessel abzuklären. Diese Auffassung habe auch Dipl.Ing. Dr. I in seinem Gutachten vom 25. Juli 1986 vertreten.

Die Bewohner im Umkreis um die Deponie forderten darüber hinaus zur Schadensbegrenzung, daß die Zufahrtsstraße zur Gänze asphaltiert und staubfrei gehalten werde; insbesondere sei dafür Sorge zu tragen, daß die an- und abfahrenden LKW"s vor Erreichung der öffentlichen Straße so weit die Räder vom Schmutz befreiten, wie dies nach der StVO vorgeschrieben sei.

Weiters werde verlangt, daß - wie bereits im Gewerberechtsbescheid vom 10. September 1987 vorgesehen (Anmerkung: dieser Bescheid ist nicht in Rechtskraft erwachsen) - eine Abdeckung des Sickerwasserbeckens erfolge, um die Geruchsbelästigung durch diese Emissionsquelle auszuschließen.

Ferner werde eine Beschränkung der "Dienstzeit" auf die Zeit von 8 bis 12 und 13 bis 17 Uhr (jeweils nur an Werktagen) gefordert.

Der Erstbeschwerdeführer schloß sich dieser "bereits abgegebenen" Stellungnahme seines Beschwerdevertreters vollinhaltlich an. Er fühle sich durch die von der Deponie zu erwartende Lärm- und Geruchsbelästigung gefährdet, insbesondere wenn die Zufahrt zur Deponie wie bisher über die alte Bundesstraße Gst. 1067/6 und in der Folge über die Wegparzelle 1114 bestehen bleiben solle.

Zu diesen Einwendungen der betroffenen Nachbarn bezüglich Immissionsschutz (Geruch, Lärm, Staub) führte der ABFALLTECHNISCHE AMTSSACHVERSTÄNDIGE in seinem Gutachten aus, es liege nur ein Haus (westlich der Deponie) innerhalb des im Vorschlag der (Deponie)Richtlinien (des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft) genannten Mindestabstandes zum Bauland (300 m). Zur GERUCHSBELÄSTIGUNG sei festzuhalten, daß diese durch austretendes Deponiegas, austretendes Sickerwasser, unsachgemäße Sickerwasserentsorgung und frisch angelieferten Müll beim Entladen entstehen könne. Zur Vermeidung der Beeinträchtigung durch Deponiegas werde ein aktives Entgasungssystem installiert; bezüglich des Sickerwassers lasse die Richtlinie die Errichtung eines offenen Sickerwassersammelbeckens zu. Es werde dies im Versuchsbetrieb daher zugelassen, um die Auswirkung im Rahmen der behördlichen Kontrolle zu eruieren (Anlehnung an olfaktometrische Untersuchungsverfahren). Sollte sich jedoch herausstellen, daß von diesem Bereich unzumutbare Emissionen hervorgerufen würden, sei das Becken durch geeignete Mittel technisch abzudecken. Zur Minimierung der Geruchsbeeinträchtigungen beim Entladen seien die Abfälle direkt an der Einbaustelle zu entladen, sofort einzubauen und zu verdichten. Diese Maßnahmen sowie auch die anderen Maßnahmen hinsichtlich der möglichen STAUBBELÄSTIGUNG würden im Rahmen der Vorschreibungen für den Deponiebetrieb geregelt werden. Es sei daher davon auszugehen, daß für jene Bevölkerung, die außerhalb der 300 m Zone liege, keine Beeinträchtigung durch den Deponiebetrieb zu befürchten sei. Im übrigen erläuterte dieser Amtssachverständige einige der von ihm vorgeschlagenen Auflagen (die zum Teil in die abfallrechtlichen Genehmigungen, zum Teil in die gewerbebehördliche Bewilligung des Versuchsbetriebes - siehe dazu unten - übernommen wurden).

Der AMTSSACHVERSTÄNDIGE FÜR LÄRMTECHNIK wies in seinem Gutachten zu den geltend gemachten Lärmbeeinträchtigungen hin, solche könnten durch den gegenständlichen Betrieb einerseits durch die Fahrbewegungen des Kompaktors innerhalb der Deponieflächen, andererseits durch den LKW-Verkehr auf den Zufahrtsflächen und Fahrflächen im Bereich der Deponie entstehen. Von den Lärmauswirkungen betroffen könnten die Wohnhäuser im Bereich des Ortsteils P (Entfernung zum Nordrand der Deponiefläche ca. 330 m) bzw. Wohnhäuser im Weiler P (Entfernung zum Westrand der Deponie 450 m) sein. Zusätzlich liege ca. 120 m vom westlichen Deponieflächenrand entfernt das Bauernhaus P n1 (Anmerkung: dessen/deren Eigentümer ist/ sind nicht Beschwerdeführer des gegenständlichen Verfahrens). Im Gewerberechtsverfahren seien nur jene Fahrgeräusche zu berücksichtigen, die im Bereich der Deponieflächen bzw. auf der privaten Fahrstraße aufträten. Diesbezüglich am Verhandlungstage durchgeführte Lärmmessungen im Bereich südlich der Wohnhäuser P Nr. 2 und Nr. 8 hätten ergeben, daß die Fahrgeräusche im Bereich des Privatweges und der Schottergrube bzw. der Deponiefläche nicht hörbar seien. Das heiße, daß diese im vorhandenen Umgebungsgeräuschpegel Leq beim Haus Nr. 8 = 60 dB(A), Leq bei Haus Nr. 2 = 49 dB(A) untergingen bzw. der Umgebungsgeräuschpegel durch diese Fahrbewegungen nicht erhöht werde. Im Bereich des Weilers P sei ebenfalls eine Lärmmessung durchgeführt worden, welche einen Leq = 40 dB(A) ergeben habe. In diesem Bereich sei ein dumpfes Dauergeräusch in einer Intensität von 35 dB(A) bemerkbar, das von den stationären Anlagen (Brech- und Siebanlage) in der Schottergrube Edenstrasser ausginge. Aufgrund der großen Entfernung und der Meßergebnisse könne ausgesagt werden, daß der Fahrbetrieb im Bereich der Deponieflächen und der Straßen in diesem Weiler nicht hörbar sein werde. Hinsichtlich der Auswirkungen des Kompaktors auf das Bauernhaus P n1 könnten vorerst keine Aussagen gemacht werden, da von diesem Gerät keine Emissionsdaten bekannt seien.

Der SANITÄTSPOLIZEILICHE SACHVERSTÄNDIGE führte zu den erhobenen Einwendungen betreffend STAUBBELASTUNG (bezogen auf die Entfernung der nächsten Anrainer sowie der übrigen Beteiligten, die aus diesem Grund die Zuerkennung der Parteistellung beantragt hätten) in seiner Stellungnahme aus, die derzeitige Betriebsform der Schottergrube Edenstrasser stelle zweifellos eine großflächige Quelle von Staubemissionen dar. Dennoch zeige sich in der Umgebung jenseits der Waldgürtel rund um diese Schottergrube praktisch kaum mehr eine Staubimmission. Im Vergleich der aktiven Oberflächen der Schottergrube zur Mülldeponie könne somit die Staubimmission von der Deponie her nur von untergeordneter Bedeutung sein. Dazu komme, daß der angelieferte Müll laufend sofort komprimiert werde und einen wesentlich größeren Durchfeuchtungsgrad aufweise als das Schottermaterial in der näheren Umgebung. Somit sei für die Anrainer mit keiner nennenswerten Staubimmission zu rechnen.

Hinsichtlich der befürchteten GERUCHSBELÄSTIGUNG sei festzustellen, daß einerseits durch die laufende Verdichtung des Mülls die aktive Oberfläche so klein als möglich gehalten werde und andererseits durch die Unterdruckentgasung die im Deponiekörper entstehenden Faulgase nicht an die Oberfläche diffundierten, sondern über eine Verdichtung im geschlossenen System konzentriert würden. Solange diese Faulgase nicht wirtschaftlich genutzt würden, sei vorgesehen, sie mit einer Temperatur von ca. 1200 Grad zu verbrennen. Diese hohe Temperatur gewährleiste, daß keine geruchsintensiven Substanzen mehr in die Atmosphäre gelangten und auch giftige Substanzen in schadlose Bestandteile zerlegt werden würden. Dennoch an der Deponieoberfläche austretende Faulgase sowie von der Oberfläche des Auffangbehälters austretende Gase seien mengenmäßig sehr gering. Diese Beobachtung könne bei ordnungsgemäß betriebenen Deponien getroffen werden, wo bereits am Rand der Deponiefläche oder höchstens in einem Umkreis von wenigen Metern der typische Deponiegeruch wahrnehmbar sei, nicht aber in größeren Entfernungen, wie sie beim gegenständlichen Deponiestandort gegeben seien.

Auch der Vertreter der mitbeteiligten Partei nahm zu den erhobenen Einwendungen Stellung. Die Forderung nach Einholung eines meteorologischen Gutachtens zur Feststellung der Windverhältnisse im Wörgler Talkessel sei schon deshalb nicht zweckdienlich, weil nach den Gutachten der Sachverständigen feststehe, daß keine Geruchsbelästigung nennenswerten Ausmaßes oder über den unmittelbaren Deponiebereich hinausgehend eintreten werde. Die Forderung nach Asphaltierung der privaten Zufahrtsstraße sei gleichfalls in diesem Verfahren nicht zu berücksichtigen. Die Personen, die Einwendungen erhoben hätten, seien mit ihren Objekten so weit von der Deponie entfernt, daß eine Staubbelastung durch die Benützung der Privatstraße für ihre Objekte ausgeschlossen sei. Im übrigen mache der Verkehr durch die Zu- und Abfahrt der Deponie nur einen Bruchteil jenes Verkehrs aus, der über die Privatstraße durch die bereits gewerberechtlich seit Jahren genehmigten und im Deponiebereich ansässigen Betriebe des Schotterwerkes Edenstrasser und der Firma Lieferbeton tatsächlich abgewickelt werde. Die Forderung nach Abdeckung des Sickerwasserbeckens sei bereits im rechtskräftig abgeschlossenen wasserrechtlichen Verfahren abgeklärt worden. Im Sickerwasserbereich würde sich üblicherweise kein Wasser befinden, weil nach einem Übereinkommen mit der Stadtgemeinde W. die anfallenden Sickerwässer in die genehmigte Kanalisationsanlage W. ordnungsgemäß entsorgt würden. Da laut Gutachten des Sachverständigen Fahrgeräusche auf der Privatstraße nicht einmal vom nächstgelegenen Objekt der X akustisch wahrgenommen werden könnten, ergebe sich auch keinerlei Möglichkeit und Bedarf im Rahmen dieses Verfahrens bestimmte Betriebszeiten für die Mülldeponie vorzuschreiben. Die mitbeteiligte Partei beantrage sohin, die erforderliche "Errichtungs- und Betriebsbewilligung nach dem Tiroler Abfallwirtschaftsgesetz" für die Mülldeponie Riederberg zu erteilen.

Das gewerbebehördliche Verfahren nahm folgenden weiteren Verlauf:

Mit Bescheid vom 26. Juni 1991 erteilte die BH Kufstein der mitbeteiligten Partei gemäß § 354 GewO 1973 die gewerbebehördliche Genehmigung zur Durchführung der erforderlichen Arbeiten zum Zweck der Führung eines Versuchsbetriebes der Mülldeponie auf den in der Beschreibung angeführten Grundparzellen und zwar befristet bis zum 31. März 1992. Nach Punkt 1 der Auflagen ist die Zu- und Abfahrt von LKW"s zur bzw. von der Deponie nur an Werktagen in der Zeit zwischen 8 und 19 Uhr zulässig. Zur Vermeidung von Staubentwicklungen ist die (als Zufahrt zur Deponie benützte) Gemeindestraße im oberen Bereich und die anschließende Privatstraße ehestens, spätestens jedoch bis Ende des Versuchsbetriebes, zu asphaltieren. In der Begründung verwies die Behörde u.a. auf das seit 1985 anhängige gewerbebehördliche Betriebsanlagegenehmigungsverfahren. Auch aus den Aussagen der Sachverständigen bei der Verhandlung vom 24. Juni 1991 ergebe sich, daß die Mülldeponie bei Vorschreibung bestimmter Auflagen zulässig sein werde. Diese Verhandlung habe aber auch gezeigt, daß es erforderlich sei, noch weitere Erhebungen am zweckmäßigsten im Rahmen eines Versuchsbetriebes durchzuführen (Hinweis auf Ausführungen des Sachverständigen für Abfallwirtschaft und des medizinischen Sachverständigen zur Möglichkeit von Geruchsbelästigungen). Vom Ergebnis dieses Versuchsbetriebes werde es abhängen, welchem Personenkreis im abschließenden Betriebsanlagegenehmigungsverfahren Parteistellung zukomme. In der Folge setzte sich die BH auch ausführlich mit der Zufahrt zur Mülldeponie auseinander und legte fest, daß der durch die Müllfahrzeuge verursachte Lärm (im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes) ab Beginn der Privatstraße (Dienstbarkeitsweg) dem Betrieb zuzuordnen und in diesem Umfang im gewerbebehördlichen Verfahren zu berücksichtigen sei. Bei Einhaltung der unter Punkt 1 der Auflagen festgesetzten Betriebszeiten bestünden keine Belästigungen für die Nachbarn. Selbst wenn die bestehende Zufahrt zur Deponie auch Grundparzellen berührte, die im Miteigentum des Erstbeschwerdeführers stünden, habe die Gewerbebehörde nicht über ein eventuell strittiges Benützungsrecht an diesen Wegen zu entscheiden. Somit stelle die Zufahrtsstraße kein die Genehmigungsfähigkeit der Müllanlage in Frage stehendes Hindernis dar.

Die gegen diesen Bescheid von allen Beschwerdeführern erhobene Berufung wies der Landeshauptmann mit Bescheid vom 1. August 1991 mangels Parteistellung als unzulässig zurück. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Erkenntnis vom 29. Mai 1990, Zl. 89/04/0152) kämen Nachbarn im Verfahren betreffend die Genehmigung eines Versuchsbetriebes nach der Gewerbeordnung keine Parteistellung zu.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 1. Juli 1991 gab die belangte Behörde dem Antrag der mitbeteiligten Partei Folge, und erteilte ihr (soweit dies aus der Sicht des Beschwerdefalles von Bedeutung ist) NACH SPRUCHABSCHNITT I die Bewilligung zur Errichtung der Abfalldeponie Riederberg auf den Grundstücken 980/3, 980/7 bis 980/12, alle KG W gemäß § 20 TirAWG sowie die vorläufige Bewilligung zum Betrieb dieser öffentlichen Abfalldeponie gemäß § 21 leg. cit. unter Vorschreibung zahlreicher Nebenbestimmungen.

Nach Punkt 1 der Nebenbestimmungen (die sich auf die Errichtung der Deponie beziehen) ist in lit. d vorgeschrieben, daß das gemäß dem vorliegenden Projekt offen auszuführende Sickerwasserbecken unverzüglich durch geeignete technische Mittel abzudecken sei, wenn dadurch nachweislich unzumutbare Geruchsimmissionen hervorgerufen würden.

Nach Punkt 2 der Nebenbestimmungen (die sich auf den vorläufigen Betrieb der Deponie beziehen) lit. w wird die Betriebsbewilligung vorläufig bis zum 31. Dezember 1991 erteilt und der mitbeteiligten Partei aufgetragen, bis spätestens 30. Oktober 1991 um die endgültige Bewilligung gemäß § 21 TirAWG unter Vorlage des Betriebsplanes (Anmerkung: dessen Mindestinhalt legt die Auflage Punkt 2 lit. f näher fest), der Betriebsanweisung für das Betriebspersonal (Pkt. 2 lit. g) und des Betriebsbuches (Anmerkung: näheres dazu findet sich in der Auflage Punkt 2 lit. h) sowie der Aufzeichnungen gemäß Auflage Punkt 2 lit. a (Anmerkung: danach dürfen nur solche Abfälle übernommen und deponiert werden, für die die Deponie zugelassen ist) schriftlich anzusuchen. Punkt 2 lit. p betrifft die Reinhaltung der befestigten Fahrstraßen im Deponiebereich sowie Maßnahmen zur Hintanhaltung der Verschleppung von Schmutz aus der Deponie (insbes. Reifenreinigung).

Die belangte Behörde wies ferner IM SPRUCHABSCHNITT II.1 die Einwendungen des L (Erstbeschwerdeführer) als unbegründet ab und NACH SPRUCHABSCHNITT III die Einwendungen des J sowie der weiteren 211 Beschwerdeführer mangels Parteistellung als unzulässig zurück.

In der Begründung wies die belangte Behörde zunächst auf ihre Verordnung vom 14. Mai 1991, LGBl. Nr. 43, hin. Gleichzeitig sei die mitbeteiligte Partei vom Land Tirol nach § 9 Abs. 2 TirAWG beauftragt worden, auf den in der Verordnung genannten Grundparzellen die Abfalldeponie als öffentliche Anlage nach den Bestimmungen des Abfallwirtschaftsgesetzes zu errichten und zu betreiben. Diese Vorgangsweise der belangten Behörde sei deshalb notwendig gewesen, weil 13 % der Abfälle des Landes, die den landesrechtlichen Bestimmungen unterlägen, in einem anderen Bundesland entsorgt worden seien, diese Möglichkeit jedoch mit Ende Juni 1991 weggefallen sei. Neben der Dringlichkeit, eine entsprechende Entsorgungsmöglichkeit für die Bezirke Kufstein und Kitzbühel zu schaffen, sei die nachgewiesene Eignung des gewählten Standortes für eine Abfalldeponie für diese rechtliche Festlegung ausschlaggebend gewesen (rechtskräftige wasserrechtliche und forstrechtliche Bewilligung; unmittelbar bevorstehende Entscheidung im gewerbebehördlichen Betriebsanlagegenehmigungsverfahren). Nach einer Projektsbeschreibung und der Wiedergabe der angewandten Bestimmungen des Tiroler Abfallwirtschaftsgesetzes (insbesondere dessen § 4) führte die belangte Behörde aus, die gegenständliche Anlage entspreche dem in der Verordnung, LGBl. Nr. 43/1991, für einen Teilbereich des Landes festgelegten Abfallwirtschaftskonzept. Bei der Beurteilung, ob durch diese Anlage die im § 4 Abs. 2 leg. cit. normierten öffentlichen Interessen beeinträchtigt würden, habe die belangte Behörde von den umfassenden Ermittlungsverfahren nach anderen Rechtsvorschriften ausgehen und diese Gutachten und sonstigen Erhebungen zum Gegenstand des abfallrechtlichen Verfahrens machen können. Darüber hinaus seien im Zuge der mündlichen Verhandlung Gutachten eines Abfalltechnikers, eines Hygienikers und eines Sachverständigen für Lärmwesen eingeholt worden. Es sei auch festgestellt worden, daß aufgrund der vorliegenden rechtskräftigen Bewilligungen die Anlage bereits zu wesentlichen Teilen errichtet worden sei, wobei nachweislich die entsprechenden Auflagen der rechtskräftigen Bewilligungen eingehalten worden seien. Dies sei insbesondere seitens des im wasserrechtlichen Verfahrens bestellten Bauaufsichtsorganes bestätigt worden. Aufgrund dieses Baufortschrittes und der nachweislichen Dringlichkeit der Inbetriebnahme der Anlage habe die mitbeteiligte Partei (auch) um die Erteilung der Betriebsbewilligung nach § 21 TirAWG angesucht. Die Behörde sei bei ihrer Entscheidung von folgenden rechtlichen Erwägungen ausgegangen:

Zu I - Erteilung der Bewilligungen:

Das Vorhaben entspreche dem Abfallwirtschaftskonzept (Hinweis auf LGBl. Nr. 43/1991). Aufgrund der umfassenden vorliegenden Gutachten zu den einzelnen Bereichen und in den einzelnen "Rechtsverfahren" sei festzuhalten, daß sowohl der Standort als auch die geplante bzw. größtenteils errichtete Anlage dem gegebenen Stand der Technik und den Richtlinien für Abfalldeponien sowie den ÖNORMEN entspreche. Durch die Vorschreibung entsprechender Nebenbestimmungen sei sichergestellt, daß die Anlage so errichtet und betrieben werde, daß eine Beeinträchtigung der öffentlichen Interessen nach § 4 Abs. 2 TirAWG nach dem derzeitigen Stand der Wissenschaft und Technik nicht eintreten könne.

Zur Beeinträchtigung von Leben und Gesundheit von Menschen sowie der unzumutbaren Belästigung könne auf die Deponierichtlinien des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft aus dem Jahr 1989 hingewiesen werden: Bei Deponien wie der gegenständlichen seien derartige Beeinträchtigungen außerhalb einer Entfernung von 300 m von der Anlage nicht gegeben. Darüber hinaus seien in diesem Verfahren hierüber auch Gutachten des abfalltechnischen, medizinischen und lärmtechnischen Amtssachverständigen eingeholt worden, die auch im konkreten Fall eine entsprechende Beeinträchtigung außerhalb dieses Bereiches ausschlössen.

Aufgrund dieser Umstände sei daher die Errichtungsbewilligung nach § 20 Abs. 2 TirAWG zu erteilen gewesen.

Zur beantragten Betriebsbewilligung sei festzuhalten, daß die vorliegende Anlage in ihren wesentlichen Teilen als fertiggestellt anzusehen sei. Von einer gänzlichen Fertigstellung könne jedoch im Beschwerdefall noch nicht gesprochen werden; dennoch sei festzulegen, daß aufgrund des mit 31. (richtig wohl 30.) Juni dieses Jahres gegebenen Wegfalls der Entsorgungsmöglichkeit für 31 Gemeinden dieser beiden Bezirke in einem anderen Bundesland entsprechende Sofortmaßnahmen zu setzen seien. Außerdem handle es sich bei der vorliegenden Anlage um die erste im Land, die nach den neuen gesetzlichen Vorschriften und den neuen Deponierichtlinien in Betrieb genommen werde. Für den Betrieb solcher Anlagen lägen daher keine entsprechenden Erfahrungen und Unterlagen vor. Es bedürfe daher jedenfalls einer gewissen Zeit der praktischen Betriebsführung, um anhand der gewonnenen Erfahrungen die entsprechenden Vorschreibungen im Rahmen der endgültigen Betriebsbewilligung treffen zu können. Deshalb sei daher die Betriebsbewilligung befristet auf ca. ein halbes Jahr bis zum Ablauf des Jahres 1991 vorübergehend erteilt und der mitbeteiligten Partei aufgetragen worden, bereits zwei Monate vorher unter Vorlage entsprechender Unterlagen um die endgültige Betriebsbewilligung anzusuchen; ähnliche Möglichkeiten bestünden im Rahmen des Gewerberechts in Form der Vorschreibung eines Probebetriebes (es folgen weitere Ausführungen, die unter dem Gesichtspunkt des Beschwerdefalles ohne Relevanz sind).

Zu PUNKT II UND III des Spruches führte die belangte Behörde nach Wiedergabe der Rechtslage aus, sie habe vorerst zu prüfen, ob Einwendungen durch Nachbarn im Sinne des § 19 TirAWG erhoben worden seien. Es sei daher festzustellen gewesen, ob die Einwendungen von Eigentümern von Grundstücken oder sonstig daran berechtigten Personen erhoben worden seien, die sich in einem entsprechenden räumlichen Naheverhältnis zur Anlage befänden, sodaß Gefahr für Gesundheit und Leben oder eine unzumutbare Belästigung drohen könnte. Insgesamt 211 (richtig: 212) vom nunmehrigen Beschwerdevertreter vertretene Personen (Anmerkung: es handelt sich dabei um den Zweitbeschwerdeführer und die folgenden 211 Beschwerdeführer) sowie der anwaltlich nicht vertretene S. hätten Einwendungen erhoben und eine Gesundheitsgefährdung bzw. unzumutbare Belästigung insbesondere durch Staub, Lärm und Geruch geltend gemacht. Aufgrund der durchgeführten Ermittlungen stehe aber eindeutig fest, daß sämtliche Beteiligte, die diese Einwendungen erhoben hätten, ihren Wohnsitz zwischen 400 bis 1250 m von der Deponieanlage entfernt hätten. Nach den gültigen Deponierichtlinien des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft und den konkreten Ausführungen der Sachverständigen aus dem Bereich der Abfalltechnik, der Hygiene und der Lärmtechnik stünde aber eindeutig fest, daß eine Beeinträchtigung im Sinn des § 4 Abs. 2 lit. a TirAWG, wie dies im § 19 Abs. 1 leg. cit. gefordert sei, bei diesen Beteiligten aufgrund der nachgewiesenen Entfernungen von der Anlage und der bei der Verhandlung durchgeführten Lärmmessungen nicht gegeben sein könne. Ihnen fehlte daher die notwendige gesetzliche Voraussetzung als Nachbarn zu gelten. Trotz der erhobenen Einwendungen bei der mündlichen Verhandlung fehle die Parteistellung, sodaß die erhobenen Einwendungen mangels Parteistellung zurückzuweisen gewesen seien.

Der Erstbeschwerdeführer sei Eigentümer eines Grundstückes im Nahebereich der Deponie, sodaß er gemäß § 18 TirAWG als Partei des Verfahrens "zu bezeichnen" sei. Seine Einwendungen bezögen sich aber ausdrücklich auf Umstände, die seinen über 400 m weit entfernten Wohnsitz beträfen. Die von ihm behauptete Beeinträchtigung durch Staub, Lärm und Geruch an seinem Wohnsitz P.dorf 1 seien daher aufgrund der vorigen Ausführungen unbegründet und daher abzuweisen gewesen.

Gegen diesen Bescheid erhoben die im Spruch genannten 213 Beschwerdeführer Beschwerde, in der sie Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machten.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragte. Auch die mitbeteiligte Partei legte eine Gegenschrift vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 2 Abs. 9 des Tiroler Abfallwirtschaftsgesetzes, LGBl. Nr. 50/1990 (TirAWG), ist eine Deponie eine Anlage zur Ablagerung von Abfällen auf Dauer.

§ 4 (Grundsätze für die Abfallwirtschaft) bestimmt in

seinem Abs. 2 folgendes:

"Abfälle sind so zu entsorgen, daß

a) das Leben und die Gesundheit von Menschen nicht gefährdet und diese nicht unzumutbar belästigt werden, insbesondere durch Geruch, Lärm und Erschütterungen,

b) Luft, Wasser und Boden sowie die Tier- und Pflanzenwelt nur in dem nach dem Stand der Technik geringstmöglichen Ausmaß beeinträchtigt werden,

c)

keine Brand- oder Explosionsgefahr herbeigeführt wird,

d)

das Auftreten oder die Vermehrung von schädlichen Tieren oder Pflanzen oder von Krankheitserregern nicht begünstigt wird,

              e)              die öffentliche Ordnung und Sicherheit nicht gestört wird,

              f)              das Orts-, Straßen- und Landschaftsbild so gering wie möglich beeinträchtigt wird."

Nach § 5 Abs. 1 leg. cit. hat die Landesregierung für das ganze Land ein Entwicklungsprogramm nach § 4 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 1984, LGBl. Nr. 4, in der jeweils geltenden Fassung zu erlassen, in dem die zur Verwirklichung der Grundsätze für die Abfallwirtschaft nach § 4 erforderlichen Maßnahmen festzulegen sind (Abfallwirtschaftskonzept). Soweit einzelne Maßnahmen für das ganze Land oder für Teile des Landes vordringlich sind, können vorläufig nur jene Teile des Abfallwirtschaftskonzeptes erlassen werden, die diese Maßnahmen enthalten.

Nach § 5 Abs. 3 TirAWG sind im Abfallwirtschaftskonzept u. a. jedenfalls festzulegen:

c) die zur geordneten Entsorgung der im Land anfallenden Abfälle erforderlichen öffentlichen Behandlungsanlagen und Deponien sowie unter Bedachtnahme auf die Arten und die Mengen der anfallenden Abfälle, auf die Anzahl der Einwohner und der Betriebe und auf die verkehrstechnischen Verhältnisse die Standortbereiche und die Entsorgungsbereiche dieser Anlagen,

d) unter Bedachtnahme auf die geologischen, die hydrogeologischen, die topographischen, die klimatischen und die sonstigen umweltrelevanten Verhältnisse die für die Errichtung der nach lit. c festgelegten Behandlungsanlagen und Deponien erforderlichen Grundflächen.

Der 4. Abschnitt des TirAWG enthält Bestimmungen über Behandlungsanlagen, Deponien und Kompostieranlagen. Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen lauten:

"§ 16

Bewilligungspflicht

(1) Die Errichtung einer öffentlichen Behandlungsanlage oder Deponie sowie jede Änderung einer solchen Anlage, die geeignet ist, die im § 4 Abs. 2 genannten Interessen wesentlich zu beeinträchtigen, bedürfen der Bewilligung der Landesregierung.

...

§ 18

Verfahrensrechtliche Bestimmungen

(1) Um die Erteilung der Bewilligung nach § 16 Abs. 1 oder 2 ist schriftlich anzusuchen.

(2) Dem Ansuchen sind die zur Beurteilung der Zulässigkeit des Vorhabens nach diesem Gesetz erforderlichen Unterlagen anzuschließen. Jedenfalls sind anzuschließen:

a) ein Lageplan, aus dem die vom Vorhaben betroffenen Grundstücke hervorgehen,

b) ein Verzeichnis der Eigentümer der betroffenen Grundstücke sowie jener Personen, denen an einem solchen Grundstück ein im Privatrecht begründetes dingliches Gebrauchs- oder Nutzungsrecht zusteht,

c) Grundbuchsauszüge über die vom Bauvorhaben betroffenen Grundstücke,

d) eine technische Beschreibung der Anlage samt Planunterlagen sowie die Bezeichnung jener Arten von Abfällen, für die die Anlage bestimmt ist.

(3) Die Behörde hat über jedes Ansuchen nach Abs. 1, sofern es nicht zurückzuweisen ist, eine mündliche Verhandlung durchzuführen. Diese ist mit einem Augenschein an Ort und Stelle zu verbinden.

(4) Zur Verhandlung sind der Antragsteller, die im Abs. 2 lit. b genannten Personen sowie jene Personen, denen als Teilwaldberechtigte ein öffentlich-rechtliches Nutzungsrecht zusteht, die Gemeinde, in deren Gebiet sich die Anlage befindet, und sonstige Parteien zu laden. Die Anberaumung der mündlichen Verhandlung ist überdies durch Anschlag an der Amtstafel der Gemeinde während vier Wochen bekanntzumachen. Die dem Ansuchen nach Abs. 2 lit. d anzuschließenden Unterlagen sind während der Dauer des Anschlages im Gemeindeamt zur allgemeinen Einsicht aufzulegen. Auf die Auflegung dieser Unterlagen ist in der Ladung und im Anschlag ausdrücklich hinzuweisen.

...

§ 19

Nachbarn

(1) Nachbarn sind Eigentümer von Grundstücken, die zur geplanten Anlage in einem solchen räumlichen Naheverhältnis stehen, daß eine Beeinträchtigung im Sinne des § 4 Abs. 2 lit. a eintreten kann, sowie jene Personen, denen an einem solchen Grundstück ein im Privatrecht begründetes Gebrauchs- oder Nutzungsrecht oder als Teilwaldberechtigte ein öffentlich-rechtliches Nutzungsrecht zusteht.

(2) Parteistellung haben nur jene Nachbarn, die spätestens bei der mündlichen Verhandlung Einwendungen wegen einer Beeinträchtigung im Sinne des Abs. 1 vorbringen, und zwar ab dem Zeitpunkt der Erhebung der Einwendungen und nur im Rahmen der erhobenen Einwendungen. Weist ein Nachbar nach, daß er ohne sein Verschulden daran gehindert war, rechtzeitig Einwendungen zu erheben, so darf er diese auch nach dem Ende der mündlichen Verhandlung bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Angelegenheit vorbringen und hat vom Zeitpunkt der Erhebung der Einwendungen Parteistellung; solche Einwendungen sind vom Nachbarn binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses für deren Erhebung bei der Behörde vorzubringen, die die mündliche Verhandlung durchgeführt hat, und von dieser Behörde in gleicher Weise zu berücksichtigen, als wären sie in der mündlichen Verhandlung erhoben worden.

§ 20

Errichtungsbewilligung

(1) Die Behörde hat über ein Ansuchen nach § 18 Abs. 1 mit schriftlichem Bescheid zu entscheiden.

(2) Die Errichtungsbewilligung ist zu erteilen, wenn das Vorhaben den Erfordernissen nach § 4 Abs. 2, bei Behandlungsanlagen und Deponien überdies dem Abfallwirtschaftskonzept entspricht. Die Bewilligung ist unter Bedingungen und mit Auflagen zu erteilen, soweit dies erforderlich ist, damit den Erfordernissen nach § 4 Abs. 2 entsprochen wird. In der Bewilligung sind auch jene Arten von Abfällen festzulegen, für die die Anlage bestimmt ist.

...

§ 21

Betriebsbewilligung

(1) Die Vollendung eines nach § 16 Abs. 1 bewilligungspflichtigen Vorhabens ist der Landesregierung unverzüglich schriftlich anzuzeigen. Gleichzeitig ist um die Erteilung der Bewilligung für den Betrieb der neu errichteten oder geänderten Anlage anzusuchen.

(2) Die Betriebsbewilligung ist zu erteilen, wenn das Vorhaben der Errichtungsbewilligung entsprechend ausgeführt wurde. Wurde das Vorhaben abweichend von der Errichtungsbewilligung ausgeführt und stellt diese Abweichung nicht eine Änderung des Vorhabens dar, die bei einer bestehenden Anlage nach § 16 Abs. 1 bewilligungspflichtig wäre, so kann die Änderung zugleich mit der Erteilung der Betriebsbewilligung bewilligt werden.

(3) Die Landesregierung hat vor der Entscheidung über ein Ansuchen um die Erteilung der Betriebsbewilligung einen Augenschein an Ort und Stelle durchzuführen."

Alle Beschwerdeführer bringen zunächst unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes vor, aus dem Bescheid sei letztlich nicht zu erkennen, wer ihn erlassen habe. Die Bezeichnung im Kopf "Amt der Tiroler Landesregierung Abteilung Umweltschutz" gebe keinen Hinweis darauf, weil das Amt der Landesregierung selbst keine Behörde sei. Die nach dem TirAWG für die Erteilung der im angefochtenen Bescheid enthaltenen Bewilligungen zuständige Landesregierung hätte im Kopf des angefochtenen Bescheides aufscheinen müssen.

Dem ist zu erwidern, daß in der Fertigungsklausel ein Organwalter "Für die Landesregierung" gezeichnet hat. Der angefochtene Bescheid ist daher nach seinem maßgebenden äußeren Erscheinungsbild der Landesregierung als bescheiderlassender Behörde zuzurechnen; die im Kopf der ersten Seite aufscheinende Abteilung Umweltschutz des Amtes der Tiroler Landesregierung ist daher als Hilfsapparat für die Landesregierung tätig geworden (vgl. dazu auch § 3 Abs. 1 des Bundesverfassungsgesetzes vom 30. Juli 1925 betreffend Grundsätze für die Einrichtung und Geschäftsführung der Ämter der Landesregierung außer Wien, BGBl. Nr. 289).

Der Zweitbeschwerdeführer und die folgenden 211 Beschwerdeführer rügen, daß ihnen die belangte Behörde (im Spruchabschnitt III) die Parteistellung aberkannt habe. In der Begründung des angefochtenen Bescheides berufe sie sich auf die Deponierichtlinien des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, wonach außerhalb einer Entfernung von 300 m einer Deponieanlage unzumutbare Belästigungen nicht mehr gegeben seien. Abstrakte Deponierichtlinien, die lediglich technische Angaben enthielten, wie Deponien gebaut werden sollten, die sich aber nicht mit konkreten Standorten auseinandersetzten, seien völlig ungeeignet, die Aberkennung der Parteistellung zu begründen. Die belangte Behörde habe aber ausschließlich unter Heranziehung dieser Richtlinien den Kreis der beeinträchtigten Umgebung der Deponie eingegrenzt, ohne sich überhaupt nur im geringsten mit den tatsächlichen Beeinträchtigungen auseinanderzusetzen. Sie habe sich nicht mit dem von den Beschwerdeführern - unter Hinweis auf ein im gewerberechtlichen Verfahren 1986 erstelltes Gutachten Dris. I - in der mündlichen Verhandlung vom 24. Juni 1991 gestellten Antrag auf Einholung eines meteorologischen Gutachtens auseinandergesetzt und sei nicht darauf eingegangen, ob im Hinblick auf die örtlichen Verhältnisse (die Deponie liege in einem tiefen Talkessel) nicht die geltend gemachten unzumutbaren Beeinträchtigungen gegeben seien. Der angelaufene Probebetrieb bestätige die Befürchtungen der Beschwerdeführer (wird näher ausgeführt).

Dem ist folgendes entgegenzuhalten:

Nach der Systematik des Gesetzes (vgl. § 19 Abs. 1 und 2 TirAWG) setzt die Parteistellung, die durch die rechtzeitige Erhebung tauglicher Einwendungen, dh. die rechtzeitige Geltendmachung von Beeinträchtigungen im Sinne des § 19 Abs. 1 leg. cit., entsteht, auch die Nachbareigenschaft voraus.

Das für die Beurteilung der Nachbareigenschaft nach § 19 Abs. 1 TirAWG maßgebende räumliche Naheverhältnis wird durch den möglichen Immissionsbereich, dh. jenen örtlichen Bereich begrenzt, in dem eine Beeinträchtigung iS des § 4 Abs. 2 lit. a TirAWG bei Trägern bestimmter geschützter Rechte (Grundeigentum; privatrechtlich begründetes Gebrauchs- oder Nutzungsrecht an einem Grundstück; Teilwaldberechtigung) eintreten kann. Ob dies der Fall ist oder nicht, ist vorab an Hand des konkreten Projektes und seiner möglichen Auswirkungen zu prüfen.

Steht aufgrund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens fest, daß die Grundstücke, an denen die nach § 19 Abs. 1 TirAWG geschützten Rechte bestehen, außerhalb des möglichen Emissionsbereiches einer konkreten Abfallanlage liegen, fehlt den Personen, die eine Beeinträchtigung dieser Rechte behaupten, die Nachbareigenschaft und damit auch die Parteistellung im Anlagegenehmigungsverfahren nach dem TirAWG.

Den Beschwerdeführern ist einzuräumen, daß allein unter Berufung auf (bloß verwaltungsinterne) Richtlinien das für die Nachbareigenschaft ausschlaggebende räumliche Naheverhältnis zu einer genehmigungspflichtigen Anlage nach dem TirAWG nicht ermittelt werden kann; die im angefochtenen Bescheid zitierten Richtlinien nehmen auf die konkrete Situation des Einzelfalles nicht Bedacht; außerdem haben allgemeine Beurteilungsrichtlinien nur jene Bedeutung, die ihnen nach Gesetz oder Verordnung beigemessen werden. Dafür, daß den von der belangten Behörde genannten Richtlinien im Verfahren nach dem 4. Abschnitt des TirAWG (Behandlungsanlagen, Deponien und Kompostieranlagen; §§ 16 ff) normative Bedeutung für die Ermittlung der Nachbareigenschaft zukommen soll, fehlt aber jeder Ansatz.

Der Zweitbeschwerdeführer und die folgenden 211 Beschwerdeführer übersehen aber, daß die belangte Behörde unabhängig von den von ihr genannten Richtlinien in der Verhandlung vom 24. Juni 1991 diese Rechtsfrage, nämlich ob zu den Wohnobjekten der oben Genannten ein räumlicher Nahebezug der Mülldeponie besteht oder nicht, unter Heranziehung von Sachverständigen einer konkreten Prüfung unterzogen hat. Die beigezogenen Amtssachverständigen sind auf die von diesen Beschwerdeführern geltend gemachten Beeinträchtigungen (im wesentlichen Geruchs-, Staub- und Lärmbeeinträchtigungen) eingegangen und haben diese unabhängig von den genannten Richtlinien in ihren potentiellen Auswirkungen unter Berücksichtigung der Lage ihrer Wohnobjekte umfassend beurteilt. Die Ergebnisse dieser Gutachten, denen diese Beschwerdeführer nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten sind, vermag der Verwaltungsgerichtshof vor dem Hintergrund der ihm nach § 41 VwGG gestellten Prüfungsaufgabe nicht als unschlüssig oder unzureichend zu erkennen. Insbesondere kann der belangten Behörde kein entscheidungswesentlicher Verfahrensmangel vorgeworfen werden, wenn sie im Hinblick auf diese unwidersprochen gebliebenen Ergebnisse die Einholung des beantragten meteorologischen Gutachtens unterließ, ohne dies ausdrücklich im angefochtenen Bescheid näher zu begründen. Es war daher nicht rechtswidrig, wenn die belangte Behörde die Einwendungen des Zweitbeschwerdeführers und der weiteren 211 Beschwerdeführer mangels Parteistellung (fehlende Nachbareigenschaft) zurückgewiesen hat.

Der Erstbeschwerdeführer macht gegen Spruchabschnitt II.1) geltend, sein Wohnhaus liege nicht - wie im angefochtenen Bescheid angegeben - 400 m von der Deponieanlage entfernt; vielmehr betrage die Entfernung 300 m von der Deponieunterkante. Von dem in der mündlichen Verhandlung genannten Anwesen H (400 m von der Deponie entfernt) betrage der Abstand seines Anwesens in Richtung Deponie gesehen - ca. 100 m. In der Verhandlungsschrift vom 24. Juni 1991 seien überhaupt keine Feststellungen über die Entfernung seines Anwesens zum Deponiebetrieb gemacht worden. Die im angefochtenen Bescheid getroffene Feststellung sei jedenfalls aktenwidrig.

Dazu ist folgendes zu bemerken:

Laut Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 24. Juni 1991 erklärte der Erstbeschwerdeführer ausdrücklich:

"Ich schließe mich der bereits abgegebenen Stellungnahme meines Vertreters (Anmerkung: das ist der Beschwerdevertreter) vollinhaltlich an." Daraus ergibt sich unmißverständlich, daß die zuvor erhobenen Einwendungen vom Beschwerdevertreter für alle von ihm vertretenen Mandanten, gleichgültig, ob sie anwesend waren oder nicht, und damit auch für den Erstbeschwerdeführer erhoben wurden. Wenn daher der Beschwerdevertreter laut Niederschrift im Anschluß an die Ermittlungen der räumlichen Entfernung der Objekte seiner Mandanten zur Mülldeponie erklärte, "daß nunmehr die wichtigsten Bereiche, in denen sich bewohnte Objekte rund um die Deponie befinden und für welche die Zuerkennung der Parteistellung beantragt wurde, angeführt werden", dann hat er damit das Ermittlungsergebnis (Entfernung je nach Ortschaftsteil zwischen 330 und 1250 m) auch in bezug auf den Erstbeschwerdeführer zustimmend zur Kenntnis genommen, zumal in der Verhandlungsschrift das vom Erstbeschwerdeführer in der Beschwerde angeführte Anwesen H ausdrücklich genannt wurde. Sein davon nunmehr in der Beschwerde abweichendes Vorbringen zur Entfernung ist daher als eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbeachtliche Neuerung anzusehen (§ 41 VwGG).

Der Erstbeschwerdeführer ist auch nicht der von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid vertretenen Auffassung entgegen getreten, er habe seine Einwendungen auf sein Wohnobjekt (und nicht auf eine in seinem Miteigentum stehende Liegenschaft im räumlichen Nahebereich der Deponie) bezogen.

Es gelten daher die zur Parteistellung des Zweitbeschwerdeführers und der weiteren 211 Beschwerdeführer angestellten Überlegungen auch für den Erstbeschwerdeführer. Dadurch, daß der Erstbeschwerdeführer auf dem Boden dieser Sachlage mit seinen Einwendungen abgewiesen wurde, obwohl er wie die anderen Beschwerdeführer zu behandeln gewesen wäre, ist er in seinen Rechten nicht verletzt worden.

Konnte die belangte Behörde aber im Ergebnis zutreffend davon ausgehen, daß allen Beschwerdeführern mangels Nachbareigenschaft im Genehmigungsverfahren für die Errichtung einer Abfallanlage nach dem TirAWG keine Parteistellung zukam, konnten sie durch die Erteilung einer "vorläufigen Betriebsbewilligung" (unter Berufung auf § 21 TirAWG) von vornherein nicht in ihren Rechten verletzt werden. Es war daher auf ihr Vorbringen, mangels einer gesetzlichen Grundlage hätte die belangte Behörde eine vorläufige Betriebsbewilligung nach § 21 TirAWG nicht erteilen dürfen, nicht näher einzugehen und auch nicht die Frage zu klären, ob und unter welchen Voraussetzungen Parteistellung von Nachbarn in diesem Betriebsbewilligungsverfahren besteht. Zur Vermeidung von Mißverständnissen stellt der Verwaltungsgerichtshof ausdrücklich fest, daß aus dem vorliegenden Erkenntnis nicht abgeleitet werden kann, daß das Vorgehen der belangten Behörde bei der Erteilung der "vorläufigen Betriebsbewilligung" dem TirAWG entsprach. Im Rahmen einer Bescheidbeschwerde nach Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG ist der Verwaltungsgerichtshof aber nicht berufen, die Einhaltung der (objektiven) Gesetzmäßigkeit zu prüfen.

Der Kostenzuspruch stützt sich auf die §§ 47 Abs. 2 und 3, 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 sowie Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der gemäß ihrem Art. III Abs. 2 anzuwendenden Pauschalierungsverordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren der mitbeteiligten Partei betrifft überhöht verzeichnete Stempelgebühren; die Stempelgebühr beträgt nämlich je Beschwerdeausfertigung (ohne Rücksicht auf ihren Umfang) S 120,--.

Schlagworte

Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1991120206.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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