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21/01 HandelsrechtNorm
ASVG §4 Abs2Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer und die Hofrätin Dr. Julcher als Richterinnen sowie den Hofrat Dr. Bodis als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sasshofer, über die Revision der P GmbH in T, bei Einbringung der Revision vertreten durch Dr. Georg Lehner, Rechtsanwalt in 4600 Wels, Südtirolerstraße 12a, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. März 2020, L5032121987-1/10E, betreffend Beitragsnachverrechnung nach dem ASVG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Österreichische Gesundheitskasse, Landesstelle Oberösterreich), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis verpflichtete das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) - in Bestätigung eines Bescheides der (damaligen) Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse - die Revisionswerberin, Beiträge zur Sozialversicherung, Sonderbeiträge, Beiträge zur Mitarbeitervorsorge und Zuschläge samt Verzugszinsen in der Höhe von insgesamt € 284.182,93 nachzuentrichten. Es sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
2 Begründend führte das BVwG im Wesentlichen aus, im Zuge einer - den Zeitraum von Jänner 2003 bis Dezember 2006 umfassenden - gemeinsamen Prüfung aller lohnabhängigen Abgaben im Betrieb der P. OEG (die Revisionswerberin sei aufgrund einer Anwachsung gemäß § 142 UGB Gesamtrechtsnachfolgerin der P. OEG) sei festgestellt worden, dass die beschäftigten Speisenzusteller (Pizzazusteller) in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt tätig gewesen seien. Im Zuge des - „stellvertretend für alle Speisenzusteller“ geführten - Verfahrens über das Vorliegen der Voll-(Kranken-, Unfall- und Pensions-)Pflichtversicherung sowie der Arbeitslosenpflichtversicherung eines der beschäftigten Speisenzusteller seien mehrere Speisenzusteller über die näheren Umstände ihrer Tätigkeit befragt worden, die übereinstimmende Aussagen getätigt hätten. Der Bescheid, mit dem in Folge die Vollversicherungspflicht des betreffenden Speisezustellers festgestellt worden sei, sei - nachdem der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 3. November 2015, 2013/08/0153, eine dagegen erhobene Beschwerde abgewiesen habe - in Rechtskraft erwachsen.
3 Die Umstände der Tätigkeit der Speisenzusteller hätten sich nicht maßgeblich unterschieden, die mit ihnen abgeschlossenen „Werkverträge“ wären auf einem einheitlichen Vertragsmuster beruht, die von ihnen gelegten „Rechnungen“ seien ebenso demselben Muster gefolgt. Die Revisionswerberin habe im Verfahren - trotz ausdrücklicher Aufforderung - auch nicht dargelegt, dass sich die Tätigkeiten unterschieden. Ebenso wenig sei dargelegt worden, inwiefern die beantragten Zeugen aus dem Kreis der Speisenzusteller abweichende – für die Beurteilung des Vorliegens der Dienstnehmereigenschaft relevante - Wahrnehmungen im Vergleich zu den bereits einvernommenen Zeugen gehabt haben könnten.
4 Insgesamt seien somit sämtliche beschäftigten Speisenzusteller - aufgrund ihrer gleich gelagerten Tätigkeit - als in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt tätig und damit als Dienstnehmer anzusehen.
5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
9 Zur Begründung der Zulässigkeit der Revision wird zunächst vorgebracht, eine direkte Vorschreibung der verfahrensgegenständlichen Beiträge gegenüber der Revisionswerberin komme nicht in Betracht, weil sie nie Vertragspartnerin und damit auch nie Dienstgeberin der betroffenen Speisenzusteller gewesen sei. Für eine Haftung für sozialversicherungsrechtliche Verbindlichkeiten der P. OEG gebe es keine gesetzliche Grundlage, zudem sei eine Haftung nie geltend gemacht worden. Gesicherte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu diesen Fragestellungen sei nicht vorhanden.
10 Mit diesen Ausführungen wird keine Rechtsfrage dargetan, der grundsätzliche Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG zukäme.
11 Das BVwG hat diesbezüglich festgestellt, dass die Revisionswerberin - in Folge der Anwachsung des Gesellschaftsvermögens der P. OEG gemäß § 142 UGB - Gesamtrechtsnachfolgerin der P. OEG sei. Diesen Feststellungen tritt die Revisionswerberin auch nicht entgegen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind nachzuverrechnende Sozialversicherungsbeiträge für beim Rechtsvorgänger beschäftigte Dienstnehmer dem Gesamtrechtsnachfolger vorzuschreiben (vgl. etwa VwGH 10.4.2013, 2011/08/0055; 10.4.2013, 2012/08/0093; 4.6.2008, 2007/08/0310, jeweils mwN). Die Vorschreibung gegenüber der Revisionswerberin erweist sich daher als rechtmäßig.
12 Die Revisionswerberin bringt zur Begründung der Zulässigkeit im Wesentlichen weiters vor, aus dem - nicht erwiesenen - Umstand, dass zwischen der P. OEG und den einzelnen Speisenzustellern gleichlautende Vereinbarungen geschlossen worden seien, lasse sich nicht ableiten, dass einzelne Speisenzusteller tatsächlich persönlich und wirtschaftlich abhängig gewesen seien. Aus der Feststellung der Dienstnehmereigenschaft eines einzelnen Speisenzustellers werde zu Unrecht abgeleitet, dass alle anderen Speisenzusteller ebenfalls als Dienstnehmer zu qualifizieren seien.
13 Auch dieses Vorbringen ist nicht geeignet, eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufzuzeigen.
14 Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 3. November 2015, 2013/08/0153, die (damalige) Beschwerde der Revisionswerberin gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz, mit dem die Voll- und Arbeitslosenversicherungspflicht eines der bei der Revisionswerberin beschäftigten Speisezustellers festgestellt wurde, abgewiesen und dabei ausgesprochen, dass im Hinblick auf die Merkmale und näheren Umstände der verrichteten Tätigkeit von einer Beschäftigung in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit auszugehen sei. Zwischenzeitig hat der Verwaltungsgerichtshof wiederholt - in vergleichbaren Fällen - ausgesprochen, dass bei der Tätigkeit eines „Pizzazustellers“, bei der es sich um eine einfache manuelle Tätigkeit ohne einen ins Gewicht fallenden Gestaltungsspielraum in Bezug auf Arbeitsausführung und Verwertbarkeit handelt, vom Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit und damit von einem (echten) Dienstverhältnis im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG auszugehen sei (vgl. VwGH 20.12.2021, Ra 2018/08/0013 und 0066; 23.5.2019, Ra 2019/08/0088; 4.4.2016, Ra 2015/08/0195, jeweils mwN, auf deren Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird).
15 Auch im vorliegenden Fall kann dem BVwG nicht entgegengetreten werden, wenn es - auf Grundlage eigener sowie der im Verwaltungsverfahren getroffenen Feststellungen - das Vorliegen der Dienstnehmereigenschaft sämtlicher beschäftigter Speisenzusteller bejaht hat, zumal die Revisionswerberin weder in der Zulässigkeitsbegründung, noch im bisherigen Verwaltungsverfahren - trotz Aufforderung durch das BVwG - dargelegt hat, inwieweit sich die jeweiligen Beschäftigungsverhältnisse voneinander unterschieden hätten und bei welchen der beschäftigten Speisenzusteller aus welchen Gründen die Merkmale der persönlichen und wirtschaftlichen Abhängigkeit nicht gegeben gewesen seien.
16 In der Revision werden daher keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
17 Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.
Wien, am 24. Februar 2022
Schlagworte
Dienstnehmer Begriff Persönliche Abhängigkeit Dienstnehmer Begriff Wirtschaftliche AbhängigkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2020080138.L00Im RIS seit
28.03.2022Zuletzt aktualisiert am
28.03.2022