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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
ASVG §4 Abs2Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer und die Hofrätin Dr. Julcher als Richterinnen sowie den Hofrat Mag. Stickler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sasshofer, über die Revision der A GmbH in G, vertreten durch die Kapp & Partner Rechtsanwälte GmbH in 8054 Graz-Seiersberg, Kärntner Straße 532, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. August 2021, G312 2235713-1/9E, betreffend Pflichtversicherung nach dem ASVG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Österreichische Gesundheitskasse, Landesstelle Steiermark; mitbeteiligte Parteien: 1. N S in G; 2. Pensionsversicherungsanstalt; 3. Allgemeine Unfallversicherungsanstalt), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen, im Beschwerdeweg ergangenen Erkenntnis stellte das Bundesverwaltungsgericht fest, dass der Erstmitbeteiligte auf Grund seiner Tätigkeit für die revisionswerbende Partei im Zeitraum 1. Juli 2015 bis 30. April 2018 der Voll- und Arbeitslosenversicherungspflicht gemäß § 4 Abs. 1 und 2 ASVG sowie § 1 Abs. 1 lit. a AlVG unterlegen sei. Weiters wurde die revisionswerbende Partei verpflichtet, Beiträge und Verzugszinsen in der Höhe von insgesamt € 59.085,09 nachzuentrichten.
2 Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
3 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
4 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
5 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
6 Unter diesem Gesichtspunkt macht die revisionswerbende Partei zunächst geltend, dass sie in der Beschwerde eine „Entscheidung durch den gesamten Senat“ beantragt habe, das Bundesverwaltungsgericht aber dennoch durch eine Einzelrichterin entschieden habe. Der Beschwerdeantrag, auf den mit diesem Vorbringen Bezug genommen wird, war allerdings ausdrücklich an „das Finanzamt“ gerichtet. Als Antrag gemäß § 414 Abs. 2 ASVG war er daher nicht zu deuten. Die revisionswerbende Partei hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht auch nicht geäußert, dass der Antrag in diesem Sinn zu verstehen gewesen wäre und daher ein Senat zu entscheiden hätte.
7 Soweit sich die Revision gegen die Qualifikation der Tätigkeit des Erstmitbeteiligten für die Revisionswerberin als Beschäftigung in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG wendet, ist darauf hinzuweisen, dass die Entscheidung über das Vorliegen einer solchen Beschäftigung das Ergebnis einer im Einzelfall vorzunehmenden Gesamtabwägung der maßgeblich für bzw. gegen das Vorliegen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses sprechenden Umstände und Merkmale ist. Wurde diese auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen, so ist eine solche einzelfallbezogene Beurteilung im Allgemeinen nicht revisibel. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung läge nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht diese Gesamtabwägung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hätte (vgl. etwa VwGH 16.1.2019, Ra 2019/08/0003, 0004, mwN).
8 Dies wird in der Revision aber nicht aufgezeigt. Vielmehr erweist sich die nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung getroffene Beurteilung, dass bei der Beschäftigung des Erstmitbeteiligten, der für die Revisionswerberin als Kranfahrer tätig war, die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG überwogen hätten, jedenfalls als vertretbar. Dabei konnte sich das Bundesverwaltungsgericht insbesondere auf die Eingliederung des Erstmitbeteiligten in die auf den jeweiligen Baustellen vorhandene Betriebsorganisation mit Weisungs- und Kontrollrechten, im Wesentlichen fix vorgegebenen Arbeitszeiten und fehlenden eigenen Gestaltungsmöglichkeiten des Erstmitbeteiligten stützen (vgl. zu Tätigkeiten auf Baustellen etwa VwGH 11.7.2012, 2010/08/0217; 21.8.2017, Ra 2016/08/0119), es durfte aber auch Nebenkriterien wie die Entgeltabrechnung nach geleisteten Stunden und den langen Zeitraum der Tätigkeit für die Revisionswerberin einbeziehen. Die von der Revision dagegen ins Treffen geführten Umstände wie das Vorhandensein eines eigenen Steuerberaters, eines Firmenstempels, einer Visitenkarte und einer Gewerbeberechtigung ändern nichts an der Vertretbarkeit der vom Bundesverwaltungsgericht vorgenommenen Gesamtabwägung (vgl. zur Unmaßgeblichkeit einer Gewerbeberechtigung etwa VwGH 15.5.2013, 2013/08/0051). Soweit die Revision aber behauptet, dass den Erstmitbeteiligten keine persönliche Arbeitspflicht getroffen hätte, entfernt sie sich von den Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichts, ohne aufzuzeigen, dass die diesbezügliche Beweiswürdigung - die sich insbesondere auf die Angaben des Erstmitbeteiligten selbst hinsichtlich des tatsächlich gelebten Vertragsverhältnisses stützte - unschlüssig war.
9 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 25. Februar 2022
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022080019.L00Im RIS seit
28.03.2022Zuletzt aktualisiert am
28.03.2022