TE Vwgh Beschluss 2022/2/25 Ra 2022/06/0017

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Veröffentlicht am 25.02.2022
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Index

L80005 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan Salzburg
L82000 Bauordnung
001 Verwaltungsrecht allgemein
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof

Norm

BauRallg
B-VG Art133 Abs4
ROG Slbg 1998 §24 Abs3
ROG Slbg 2009 §46 Abs1
ROG Slbg 2009 §46 Abs2 Z1
ROG Slbg 2009 §74 Abs1 Z2 litb
ROG Slbg 2009 §83 Abs1
VwGG §34 Abs1
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma und die Hofrätin Mag. Rehak sowie den Hofrat Mag. Haunold als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, in der Revisionssache der R I in B, vertreten durch Dr. Gerhard Lebitsch, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Rudolfskai 48, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg vom 24. Juli 2020, 405-3/644/1/9-2020, betreffend Versagung einer Einzelbewilligung gemäß § 46 Salzburger Raumordnungsgesetz 2009 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Gemeindevertretung der Gemeinde Bad Gastein; weitere Partei: Salzburger Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

2        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

3        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

4        Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg (im Folgenden: Verwaltungsgericht) wurde die Beschwerde der Revisionswerberin gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 15. Oktober 2019, mit welchem ihrem Ansuchen um Erteilung einer raumordnungsrechtlichen Einzelbewilligung gemäß § 46 Salzburger Raumordnungsgesetz 2009 (ROG 2009) nicht stattgegeben worden war, mit einer sich auf die anzuwendende Rechtsnorm beziehende Maßgabe im Spruch des angefochtenen Bescheides als unbegründet abgewiesen. Gleichzeitig wurde ausgesprochen, dass gegen dieses Erkenntnis die Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

5        In seiner rechtlichen Beurteilung hielt das Verwaltungsgericht zunächst fest, der gegenständliche Antrag sei am 3. Februar 2005 eingebracht worden und habe ein Ansuchen um Einzelbewilligung gemäß § 24 Abs. 3 Salzburger Raumordnungsgesetz 1998 (ROG 1998) zum Gegenstand gehabt. Während des laufenden Verfahrens sei am 1. April 2009 das ROG 2009 in Kraft getreten. Da zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des ROG 2009 kein aufsichtsbehördliches Genehmigungsverfahren anhängig gewesen sei - wobei es im Revisionsfall auch nur einer Kenntnisnahme und keiner Genehmigung bedurft hätte - seien gemäß der Übergangsbestimmung des § 83 Abs. 1 ROG 2009 die Bestimmungen über die Einzelbewilligung nach dem ROG 2009 anzuwenden gewesen. Dass im gegenständlichen Verfahren der ursprüngliche Versagungsbescheid der belangten Behörde vom 11. Februar 2009 von der Vorstellungsbehörde mit Bescheid vom 15. März 2010 aufgehoben und die Angelegenheit an die belangte Behörde zurückverwiesen worden war, ändere nichts und sei für die Revisionswerberin mit keinen Nachteilen verbunden.

6        Gemäß § 46 Abs. 2 Z 1 ROG 2009 sei die Erteilung einer Einzelbewilligung nur zulässig, wenn ein besonderer Grund für die Ausnahme vorliege. Unter Hinweis auf das hg. Erkenntnis VwGH 19.12.2017, Ro 2014/06/0084, führte das Verwaltungsgericht sodann aus, dass der von der Revisionswerberin vorgebrachte Grund des jahrzehntelangen rechtswidrigen Bestandes an Bauten niemals ein besonderer Grund sein könne, um eine Ausnahme von den Wirkungen des Flächenwidmungsplanes zu untermauern. Die seitens der Revisionswerberin weiters angeführten positiven Anmerkungen des Sachverständigen für Naturschutz sowie des Agrarsachverständigen stellten keinen besonderen Grund dar (wird näher ausgeführt). Darüber hinaus gebe es keine Hinweise auf einen besonderen Bedarf an der nebenerwerbslandwirtschaftlichen Haltung von Islandpferden am Standort oder darauf, dass ein Mangel an anderen geeigneten Standorten bestehe. Die Revisionswerberin habe auch keine Ausführungen zur Frage, ob für sie eine Notwendigkeit zu dieser Tätigkeit an diesem Standort bestehe, erstattet und nicht vorgebracht, dass sie eine besondere Befähigung für diese Tätigkeit (abgesehen von der Meisterprüfung in Landwirtschaft) besitze, die anders als an diesem Standort und in dieser Form nicht ausgeübt werden könnte. Die Erteilung der beantragten Einzelbewilligung für das gegenständliche Vorhaben scheitere somit bereits am Nichtvorliegen eines besonderen Grundes gemäß § 46 Abs. 2 Z 1 ROG 2009.

7        Gegen dieses Erkenntnis erhob die Revisionswerberin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluss vom 29. September 2021, E 2943/2020-5, deren Behandlung abgelehnt und sie über nachträglichen Antrag der Revisionswerberin mit Beschluss vom 27. Oktober 2021, E 2943/2020-7, gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten hat.

8        In der Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden Revision bringt die Revisionswerberin zum einen vor, der Verwaltungsgerichtshof habe sich bislang nicht mit der Auslegung des § 83 Abs. 1 ROG 2009 im Hinblick auf bei der Aufsichtsbehörde im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes anhängige Einzelbewilligungsverfahren befasst. Im Revisionsfall sei der gegenständliche Antrag im Zeitpunkt des Inkrafttretens des ROG 2009 bei der Vorstellungsbehörde anhängig gewesen. Wenn § 83 Abs. 1 letzter Satz ROG 2009 für den Fall der aufsichtsbehördlichen Genehmigung auch für eingeleitete Verfahren zur Erteilung einer Einzelbewilligung die Anwendung der bisherigen Bestimmungen anordne, müsse dies auch insoweit gelten, als solche Verfahren bei der Vorstellungs- und Aufsichtsbehörde anhängig seien. Die vom Verwaltungsgericht angestellte Interpretation des § 83 Abs. 1 ROG 2009 führe im Hinblick auf im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes bei der Aufsichtsbehörde anhängige Einzelbewilligungsverfahren (Genehmigungsverfahren, Vorstellungsverfahren) insoweit zu einem unsachlichen Ergebnis, als nur im Fall der Genehmigung der Einzelbewilligung die Anwendung der bislang günstigeren Rechtslage sichergestellt sei.

9        Zum anderen wendet sich die Revisionswerberin gegen die Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtes, wonach ein rechtswidriger Bestand niemals einen besonderen Grund im Sinn des § 46 Abs. 2 Z 1 ROG 2009 darstellen könne, da diesfalls eine Sanierung eines rechtswidrigen Bestandes niemals mittels Einzelbewilligung nach der genannten Bestimmung erfolgen könne. Dies entspreche aber nicht der Rechtslage, welche die Rechtmäßigkeit des Bestandes gerade nicht voraussetze. Das Verwaltungsgericht habe die im Erkenntnis VwGH 19.12.2017, Ro 2014/06/0084, als relevant angesehenen Kriterien auf den Revisionsfall insoweit „unbeweglich“ umgelegt, was der Judikatur nicht entspreche. Auch der Verwaltungsgerichtshof habe bei Auslegung der unbilligen Härte gemäß § 25 Abs. 8 lit. a Bebauungsgrundlagengesetz (BGG) eine jahrelange konsenswidrige Abstandsunterschreitung mitberücksichtigt (Hinweis auf VwGH 27.3.2007, 2003/06/0077). Vergleichbare Erwägungsgründe könnten auch in Bezug auf den besonderen Grund im Sinn des § 46 Abs. 2 Z 1 ROG 2009 angestellt werden, was auch der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entspräche (Hinweis auf VwGH 19.12.2017, Ro 2014/06/0084).

Mit diesem Vorbringen wird keine Rechtsfrage dargelegt, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

10       Zunächst ist festzuhalten, dass dann, wenn die Rechtslage nach den in Betracht kommenden Normen klar und eindeutig ist, eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht vorliegt, und zwar selbst dann nicht, wenn zu einer der anzuwendenden Normen noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergangen ist (vgl. etwa VwGH 7.9.2017, Ra 2017/06/0146, mwN).

11       Dies ist hier der Fall: § 83 Abs. 1 ROG 2009 normiert in seinem ersten Satz, dass bestimmte, bereits eingeleitete raumordnungsrechtliche Verfahren, wie etwa zur Aufstellung von Entwicklungsprogrammen, Flächenwidmungs- und Bebauungsplänen oder auch zur Erteilung einer Einzelbewilligung gemäß § 24 Abs. 3 ROG 1998, als Verfahren im Sinn des ROG 2009 gelten und ordnet grundsätzlich die Weiterführung dieser Verfahren nach den Bestimmungen des ROG 2009 an. Dies gilt jedoch nicht für die im Zeitpunkt des Inkrafttretens des ROG 2009 anhängigen Verfahren zur aufsichtsbehördlichen Genehmigung, welche gemäß § 83 Abs. 1 letzter Satz ROG 2009 nach den bisher geltenden Bestimmungen weiterzuführen sind. Daraus ergibt sich klar, dass lediglich anhängige Verfahren zur aufsichtsbehördlichen Genehmigung nach den vor Inkrafttreten des ROG 2009 geltenden Bestimmungen weiterzuführen sind. Dem Revisionsfall liegt jedoch kein Verfahren zugrunde, welches einer aufsichtsbehördlichen Genehmigung bedurft hätte. Entgegen der Ansicht der Revisionswerberin handelt es sich bei dem (vor Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz mit 1. Jänner 2014 vorgesehenen) Vorstellungsverfahren nicht um ein „aufsichtsbehördliches Genehmigungsverfahren“. Diese Beurteilung führt auch nicht zu dem von der Revisionswerberin vorgebrachten unsachlichen Ergebnis, weil selbst im Fall der Erteilung einer Einzelbewilligung diese - wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat - lediglich einer aufsichtsbehördlichen Kenntnisnahme (vgl. § 24 Abs. 3 ROG 1998; s. auch § 74 Abs. 1 Z 2 lit. b ROG 2009), nicht aber einer Genehmigung im Sinn des § 83 Abs. 1 letzter Satz ROG bedurfte, sodass auch auf solche im Zeitpunkt des Inkrafttretens des ROG 2009 (bei der Aufsichtsbehörde) anhängigen Verfahren das ROG 2009 anzuwenden ist.

12       Darüber hinaus unterliegt die Frage, ob im Revisionsfall ein besonderer Grund im Sinn des § 46 Abs. 2 Z 1 ROG 2009 vorliegt oder nicht, grundsätzlich der einzelfallbezogenen Beurteilung des Verwaltungsgerichtes. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung läge nur dann vor, wenn diese Beurteilung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen worden wäre (vgl. etwa VwGH 10.11.2020, Ra 2020/06/0258, mwN).

13       Eine derartige Fehlbeurteilung wird in der Zulässigkeitsbegründung mit der Behauptung, das Verwaltungsgericht hätte den rechtswidrigen Bestand als besonderen Grund anerkennen müssen, nicht dargestellt. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem vom Verwaltungsgericht ausführlich dargestellten Erkenntnis VwGH 19.12.2017, Ro 2014/06/0084, ausgesprochen, dass bei Auslegung des Begriffes des besonderen Grundes unter Berücksichtigung der drei in § 46 Abs. 1 ROG 2009 angesprochenen Tatbestandselemente und der in § 46 Abs. 1 ROG 2009 umschriebenen Person des Antragstellers, auf objektive und subjektive Momente abgestellt werden müsse; gleichzeitig wurde auf die gebotene restriktive Handhabung in der Anwendung der gegenständlichen Ausnahmebestimmung hingewiesen. Unter Zugrundelegung dieser Erwägungen kann dem Verwaltungsgericht nicht entgegengetreten werden, wenn es den rechtswidrigen Bestand an Bauten nicht als besonderen Grund im Sinn des § 46 Abs. 2 Z 1 ROG 2009 qualifiziert hat. Entgegen der Ansicht der Revisionswerberin wird dadurch die Sanierung rechtswidriger Bestandsbauten nicht ausgeschlossen; vielmehr kann eine Einzelbewilligung auch zur Sanierung solcher Bauten erteilt werden, sofern ein besonderer Grund im Sinn der in Rede stehenden Bestimmung ebenso wie die übrigen, für die Erteilung einer Einzelbewilligung erforderlichen Voraussetzungen vorliegen. Der dem hg. Erkenntnis VwGH 27.3.2007, 2003/06/0077, zugrundeliegende Sachverhalt, in welchem es um eine konsenswidrige Abstandsunterschreitung ging und welcher eine Auslegung des § 25 Abs. 8 lit. a BGG erforderte, ist mit dem Revisionsfall, in welchem ein Antrag auf Erteilung einer Einzelbewilligung gemäß § 46 ROG 2009 den Verfahrensgegenstand bildet, nicht vergleichbar, weshalb die darin getätigten Aussagen auf den Revisionsfall nicht übertragbar sind.

Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 25. Februar 2022

Schlagworte

Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Planung Widmung BauRallg3

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022060017.L00

Im RIS seit

28.03.2022

Zuletzt aktualisiert am

28.03.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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