TE Vwgh Beschluss 2022/2/25 Ra 2021/06/0237

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Veröffentlicht am 25.02.2022
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Index

L80007 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan Tirol
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof

Norm

B-VG Art133 Abs4
ROG Tir 2016 §13
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma und die Hofrätinnen Mag.a Merl und Mag. Liebhart-Mutzl als Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, in der Revisionssache der K N in L, vertreten durch Dr. Walter Lenfeld und Dr. Wilfried Leys, Rechtsanwälte in 6500 Landeck, Malserstraße 19, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 22. November 2021, LVwG-2021/26/0697-8, betreffend Bestrafung nach dem TROG 2016 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Landeck; weitere Partei: Tiroler Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

2        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

3        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

4        Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht Tirol (LVwG) der Beschwerde der Revisionswerberin gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Landeck (Behörde) vom 18. Februar 2021, mit dem über die Revisionswerberin eine Geldstrafe in der Höhe von € 800,-- (Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 74 Stunden) verhängt worden war, weil sie jedenfalls zwischen 1. September 2019 und 18. August 2020 die Wohnung 1 in einem näher genannten Gebäude in P drei namentlich genannten deutschen Staatsangehörigen als Freizeitwohnsitz überlassen habe, ohne dass dies gemäß § 13 Abs. 3 lit. a, Abs. 5 oder Abs. 7 Tiroler Raumordnungsgesetz 2016 (TROG 2016) zulässig gewesen wäre, insoweit Folge, als die Ersatzfreiheitsstrafe auf sechs Stunden herabgesetzt wurde; im Übrigen wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und das Straferkenntnis mit einer für das vorliegende Verfahren nicht relevanten Maßgabe bestätigt. Eine ordentliche Revision wurde für nicht zulässig erklärt.

In tatsächlicher Hinsicht stellte das LVwG zusammengefasst fest, die Revisionswerberin habe ein Gebäude mit insgesamt drei Wohnungen (zwei Wohnungen seien untervermietet) an drei deutsche Staatsangehörige vermietet, wobei gleichzeitig mit dem Mietvertrag sowohl ein Darlehens- und Pfandbestellungsvertrag abgeschlossen worden sei, wonach die Mieter der Revisionswerberin ein zinsenloses und nicht wertgesichertes Darlehen in der Höhe von € 401.000,-- mit einer Laufzeit bis 31. Dezember 2022 gewährt hätten, und den Mietern ein Vorkaufsrecht bezogen auf den Mietgegenstand befristet bis 31. Dezember 2022 eingeräumt worden sei. Für 2019 hätten die Mieter die Freizeitwohnsitzpauschale bezahlt; im Keller seien zusätzliche Schlafräume und eine Küche errichtet worden und ein Teil des Erdgeschosses werde als Schiraum bez. Trockenraum genutzt.

Beweiswürdigend führte das LVwG - mit näherer Begründung - aus, die Aussagen der Revisionswerberin und der drei Mieter in der Verhandlung vor dem LVwG, wonach die Wohnung 1 von den Mietern nicht als Freizeitwohnsitz, sondern zu beruflichen Zwecken genutzt worden sei, seien nicht glaubwürdig, man habe sich auf eine „gemeinsame ‚Erzählweise‘“ verständigt. Es sei nicht nachvollziehbar, aus welchem Grund für rein berufliche Aufenthalte im Keller zusätzliche Schlafzimmer erforderlich seien. Einer der Mieter habe seine berufliche Tätigkeit in Österreich erst lange nach dem angelasteten Zeitraum aufgenommen, ein anderer habe nur zwei Projekte in Tirol laufen; die Betreuung von (bloß wenigen) Kunden sei eine „augenscheinlich vorgeschobene Absicht“. Die sporadische Anwesenheit von größeren Personengruppen sowie die Bezahlung der Freizeitwohnsitzpauschale spreche für die Nutzung als Freizeitwohnsitz. Zur Glaubwürdigkeit der Aussagen der Revisionswerberin im Rahmen der Erhebung am 21. Juli 2020 (die Wohnung werde von den „außerbücherlichen Eigentümern“ mit ihren Familien temporär genutzt; die Freizeitwohnungspauschale für 2019 sei von ihnen bezahlt worden, jene für 2020 werde einem der deutschen Staatsangehörigen vorgeschrieben; die beiden Zimmer im Keller würden von den „außerbücherlichen Eigentümern“ genutzt, weil sie öfter mit mehreren Personen anreisten) und den davon abweichenden Angaben in der Verhandlung führte das LVwG aus, es entspreche der Lebenserfahrung, dass Angaben ohne Kenntnis eines Verfahrens bzw. der rechtlichen Konsequenzen der Angaben der Wahrheit am Nächsten kämen (Hinweis auf VwGH 12.7.2019, Ra 2016/08/0086). Die umfangreichen vertraglichen Regelungen zeigten, dass die Mieter letztlich Eigentum an dem Haus hätten erwerben wollen; damit harmoniere auch die Aussage der Revisionswerberin im Rahmen der Erhebung am 21. Juli 2020, in denen sie die Mieter als „außerbücherliche Eigentümer“ bezeichnet habe.

In seiner rechtlichen Beurteilung sah das LVwG die der Revisionswerberin zur Last gelegte Verwaltungsübertretung einer dem TROG 2016 widersprechenden Zurverfügungstellung der verfahrensgegenständlichen Wohnung als Freizeitwohnsitz in objektiver Hinsicht verwirklicht. Dem diesbezüglichen Bestreiten der Revisionswerberin habe nicht gefolgt werden können. Auch die subjektive Tatseite sei zu bejahen. Selbst wenn die Revisionswerberin nicht im selben Ort wohne, verlangten die in Tirol geltenden Freizeitwohnsitzvorschriften dennoch „die Beachtung gewisser Sorgfaltspflichten“. Fallbezogen seien zumutbare und erwartbare Sorgfaltspflichten nicht wahrgenommen worden, weshalb zumindest von einer fahrlässigen Tatbegehung auszugehen sei.

5        In der Zulässigkeitsbegründung der dagegen erhobenen außerordentlichen Revision wird ein Abweichen von der hg. Rechtsprechung insofern gerügt, als die Beweiswürdigung des LVwG den „allgemeinen Denkgesetzen“ sowie dem „allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut“ widerspreche und daher unvertretbar sei. Das LVwG habe den Erstangaben der Revisionswerberin am 21. Juli 2020 einen höheren Wahrheitsgehalt beigemessen, obwohl diese von einem gegen sie geführten Verfahren habe ausgehen müssen. Hätte das LVwG diese Erstaussage mit demselben Wahrheitsgehalt wie die Aussage in der Verhandlung gewürdigt, wäre „die Behörde“ zu einer anderen Entscheidung gelangt. Es sei der Revisionswerberin nicht bekannt gewesen, in welchem Umfang und wie die Wohnung 1 genutzte werde, sie habe das Haus den Mietern gerade nicht zu Ferienzwecken überlassen.

Das Verfahren sei in Hinblick auf die „umfangreichen vertraglichen Regelungen“ mangelhaft geführt worden.

Es sei lebensfremd und nicht mit den Denkgesetzen in Einklang zu bringen, den unter Hinweis auf die strafrechtlichen Folgen einer falschen Beweisaussage als Zeugen vernommenen Mietern zu unterstellen, man habe sich auf eine gemeinsame „Erzählung“ geeinigt.

6        Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung liegt nur dann vor, wenn das LVwG die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hätte. Die Beweiswürdigung ist damit nur insofern einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof zugänglich, als es sich um die Schlüssigkeit dieses Denkvorganges (nicht aber die konkrete Richtigkeit) handelt bzw. darum, ob die Beweisergebnisse, die in diesem Denkvorgang gewürdigt wurden, in einem ordnungsgemäßen Verfahren ermittelt wurden (vgl. VwGH 21.1.2020, Ra 2018/06/0201, Rn. 13, mwN).

7        Eine solche Unvertretbarkeit vermag die Revisionswerberin nicht aufzuzeigen.

Wenn das LVwG der Aussage der Revisionswerberin im Rahmen der ersten Erhebung am 21. Juli 2020 betreffend die temporäre Nutzung der Wohnung und der beiden Schlafräume im Keller durch die „außerbücherlichen Eigentümer“ mit ihren Familien sowie die Bezahlung der Freizeitwohnunsitzpauschale, die vom Amtsleiter der Gemeinde P und dem hochbautechnischen Sachverständigen DI R in einem Amtsvermerk festgehalten und unterschrieben wurde, auch angesichts der dargestellten Vertragskonstruktionen eine größere innere Wahrscheinlichkeit (vgl. VwGH 30.9.2020, Ra 2020/06/0184, mwN) beimaß als den relativierenden Angaben in der Verhandlung, erweist sich dies als schlüssig. Ob die Revisionswerberin zu diesem Zeitpunkt wusste oder damit rechnen musste, dass gegen sie ein Verfahren anhängig war oder eingeleitet werden könnte, ist dabei nicht von entscheidender Bedeutung. Darauf, warum die Revisionswerberin die Mieter als „außerbücherliche Eigentümer“ bezeichnete, geht die Revision in der Zulässigkeitsbegründung ebenso wenig ein wie auf die im Keller zusätzlich errichteten Schlafräume.

Inwiefern das Verfahren in Hinblick auf die „umfangreichen vertraglichen Regelungen“ mangelhaft geführt worden sei, lässt die Revision in der Zulässigkeitsbegründung offen. Dass diese Vereinbarungen „eine strategische Maßnahme zum Ausbau der Geschäfte“ darstellten, überzeugt angesichts deren unstrittiger Befristungen bis Ende 2022 nicht.

Der Verdacht des LVwG, die Mieter wollten eigentlich Eigentum an dem Mietgegenstand erwerben, ist angesichts der dargestellten Vertragskonstruktionen nicht von der Hand zu weisen. Insofern kann es keineswegs als lebensfremd angesehen werden, dass die Mieter die Nutzung der Wohnung als Freizeitwohnsitz verneinten. Eine unvertretbare Beweiswürdigung des LVwG wird diesbezüglich jedenfalls nicht aufgezeigt.

8        In der Revision wird somit keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme; sie war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 25. Februar 2022

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021060237.L00

Im RIS seit

28.03.2022

Zuletzt aktualisiert am

28.03.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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