TE Vwgh Beschluss 2022/2/25 Ra 2020/09/0062

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Veröffentlicht am 25.02.2022
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
63/01 Beamten-Dienstrechtsgesetz

Norm

BDG 1979 §123
BDG 1979 §43a
B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, den Hofrat Dr. Doblinger und die Hofrätin Mag. Schindler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Dr. Hotz, über die außerordentliche Revision des A B in C, vertreten durch Dr. Andreas Hochwimmer und Dr. Rémy Horcicka, Rechtsanwälte in 5020 Salzburg, Neutorstraße 21, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. September 2020, W136 2232326-1/2E, betreffend Einleitung eines Disziplinarverfahrens nach dem Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Disziplinarkommission für Beamte und Lehrer beim Bundesministerium für Landesverteidigung [nunmehr: Bundesdisziplinarbehörde]; weitere Partei: Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlicher Dienst und Sport), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Revisionswerber hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von € 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1        Der 1968 geborene Revisionswerber steht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund.

2        Mit Bescheid der Disziplinarkommission für Beamte und Lehrer beim Bundesministerium für Landesverteidigung vom 11. März 2020 wurde gegen den Revisionswerber die Einleitung eines Disziplinarverfahrens gemäß § 123 Abs. 1 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 (BDG 1979) verfügt, weil er in Verdacht stehe, (Schreibweise wie im Original, Anonymisierungen durch den Verwaltungsgerichtshof):

„1) Er habe die bereits mehrmals mündlich aber auch schriftlich mit Mail des damaligen Abteilungsleiters HR Mag. X, vom 25.09.2015 sowie mit GZ S90120/33-MIMZ/2019 vom 28.01.2019 über den Meldevorgang bzw. das Einbringen jeglicher Anträge, die im dienstlichen Interesse liegen erteilten Weisungen nicht befolgt und sich am 22. November sowie am 25. November 2019 anstatt weisungsgemäß den Personalreferenten nicht persönlich aufzusuchen, sondern das Anliegen an eMail-Adresse mmz.feuabt@bmlv.gv.at zu übermitteln, direkt an den Personalreferenten ADir RgR Y gewendet und diesen betreffend Herausgabe dienstlicher Unterlagen sowie einer Aufstellung über die Krankenstandstage des Beschuldigten bedrängt.

2) Er habe es bei seinen Vorsprachen bei ADir RgR Y am 22. November sowie am 25. November 2019 die von diesem als bedrängend und bedrohlich wahrgenommen wurden an dem in § 43 a BDG 1979 normierten achtungsvollen Umgang mit dem Kollegen fehlen lassen.“

3        Der Revisionswerber habe dadurch gegen die Bestimmungen der §§ 43 Abs. 1, 43a sowie 44 Abs. 1 BDG 1979 verstoßen und Dienstpflichtverletzungen begangen.

4        Das Bundesverwaltungsgericht wies mit dem angefochtenen Erkenntnis die von dem Revisionswerber dagegen erhobene Beschwerde ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab, bestätigte den angefochtenen Bescheid und sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig sei.

5        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision. Die Bundesdisziplinarbehörde erstattete eine Revisionsbeantwortung.

6        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist die Revision gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichts zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abweicht, eine solche fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet wird.

7        Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist der Verwaltungsgerichtshof an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts nach § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8        Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG zur Behandlung nicht eignen, sind gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist nach § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.

9        In der Revision wird zur Zulässigkeit zusammengefasst vorgebracht, das Bundesverwaltungsgericht verkenne die Schutz- und Umgrenzungswirkung des Einleitungsbeschlusses. Der Tatvorwurf Spruchpunkt 2. des Einleitungsbeschlusses genüge nicht den von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aufgestellten Anforderungen an seine Bestimmtheit. Mangels Substantiierung der Vorwürfe sei weder eine Umgrenzung des Disziplinarverfahrens noch eine gehörige Verteidigung des Revisionswerbers möglich. Konkrete Umstände des dem Revisionswerber vorgeworfenen Verhaltens seien auch nicht der Aktenlage zu entnehmen gewesen. Weiters wird unter dem Gesichtspunkt der Zulässigkeit der Revision das Unterbleiben der mündlichen Verhandlung gerügt, welche im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen zu „Einstellungsgründe[n] gemäß § 118 BDG“ und den in der Beschwerde aufgeworfenen Rechtsfragen durchzuführen gewesen wäre.

10       Der Verwaltungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung, dass die dem Einleitungsbeschluss in einem Disziplinarverfahren zukommende rechtliche Bedeutung in erster Linie darin gelegen ist, dem wegen einer Dienstpflichtverletzung Beschuldigten innerhalb der Verjährungsfrist gegenüber klarzustellen, hinsichtlich welcher Dienstpflichtverletzung ein Disziplinarverfahren innerhalb der Verjährungsfrist eingeleitet wurde. Dieser dient zugleich dem Schutz des Beschuldigten, der ihm entnehmen kann, nach welcher Richtung er sich vergangen und inwiefern er pflichtwidrig gehandelt haben soll. Der Einleitungsbeschluss begrenzt regelmäßig den Umfang des vor der Disziplinarkommission stattfindenden Verfahrens: Es darf keine Disziplinarstrafe wegen eines Verhaltens ausgesprochen werden, das nicht Gegenstand des durch den Einleitungsbeschluss in seinem Umfang bestimmten Disziplinarverfahrens ist.

11       Um dieser Umgrenzungsfunktion gerecht zu werden, muss das dem Disziplinarbeschuldigten als Dienstpflichtverletzung vorgeworfene Verhalten im Einleitungsbeschluss derart beschrieben werden, dass unverwechselbar feststeht, welcher konkrete Vorgang den Gegenstand des Disziplinarverfahrens bildet. Die angelastete Tat muss daher nach Ort, Zeit und Tatumständen so gekennzeichnet werden, dass keine Unklarheit darüber möglich ist, welches dem Disziplinarbeschuldigten zur Last gelegte Verhalten auf der Grundlage des Einleitungsbeschlusses als Prozessgegenstand im anschließenden Disziplinarverfahren behandelt werden darf. Solcherart muss sich daher der Tatvorwurf von anderen gleichartigen Handlungen oder Unterlassungen, die dem Disziplinarbeschuldigten angelastet werden können, genügend unterscheiden lassen. Für die Einleitung des Verfahrens reicht es aus, wenn im Umfang der Disziplinaranzeige und auf deren Grundlage genügende Verdachtsgründe gegen den Beamten vorliegen, welche die Annahme einer konkreten Dienstpflichtverletzung rechtfertigen. Es muss die Disziplinarbehörde bei Fällung eines Einleitungsbeschlusses noch nicht völlige Klarheit darüber haben, ob der Beamte eine Dienstpflichtverletzung begangen hat; dies ist erst in dem der Einleitung des Verfahrens nachfolgenden Ermittlungsverfahren aufzuklären. In dieser Phase des Verfahrens ist zu klären, ob die Voraussetzungen für die Einleitung gegeben sind oder ob keine genügenden Verdachtsgründe vorliegen und hingegen allenfalls offenkundige Gründe für die Einstellung des Disziplinarverfahrens gegeben sind. Ebenso wenig muss im Einleitungsbeschluss das dem Beamten zur Last gelegte Verhalten bereits abschließend rechtlich gewürdigt werden. Es besteht keine Bindung an die rechtliche Würdigung der Taten im Einleitungsbeschluss (vgl. zu alledem etwa VwGH 5.3.2021, Ra 2020/09/0072; 18.11.2020, Ra 2019/09/0165; mit Verweis auf VwGH 24.1.2018, Ra 2017/09/0047; 28.3.2017, Ra 2017/09/0008; 21.6.2000, 99/09/0012).

12       Wenn der Revisionswerber rügt, der ihm in Spruchpunkt 2. angelastete Vorwurf des Verstoßes gegen das in § 43a BDG 1979 verankerte Gebot des achtungsvollen Umgangs sei zu unkonkret und es bestehe diesbezüglich kein Tatsachensubstrat, ist dem entgegenzuhalten, dass im Spruch die Tatumstände angeführt werden (bedrängendes und bedrohliches Verhalten des Revisionswerbers gegenüber den Personalreferenten Y im Zuge konkret datierter persönlicher Vorsprachen). Diese Anschuldigung wird im Begründungsteil durch den Verweis auf die Disziplinaranzeige und die Email des Personalreferenten Y vom 25. November 2019 (Beilage 1 des Einleitungsbeschlusses) und deren Wiedergabe darüber hinaus näher umschrieben (vgl. zur ständigen Rechtsprechung des VwGH, dass die Begründung zur Auslegung eines unklaren Spruches heranzuziehen ist, etwa VwGH 12.4.2021, Ra 2019/06/0118). Daraus ergibt sich insbesondere eine bereits jahrelange Vorgeschichte, aus welcher die in Spruchpunkt 1. des Einleitungsbeschlusses näher beschriebene Weisung an den Revisionswerber, den Personalreferenten Y nicht persönlich aufzusuchen, resultiert. Weiters geht daraus hervor, dass der Revisionswerber unter anderem dem Personalreferenten bei der Vorsprache am 22. November 2019 zum Vorwurf gemacht habe, als Zeuge für den Dienstgeber in einem vom Revisionswerber angestrengten Amtshaftungsverfahren zur Verfügung zu stehen. Der Tonfall des Revisionswerbers bei der Vorsprache am 25. November 2019 sei aggressiv und bestimmend gewesen. Der Revisionswerber habe ihn angewiesen, „seinen Verpflichtungen als Personalreferent, für die dieser auch bezahlt würde, nachzukommen und dem BF gefälligst ,Einschau in das PERSIS‘ zu gewähren und die benötigten Unterlagen auszuhändigen“. Es steht damit aber unverwechselbar fest, welche konkreten Vorgänge den Gegenstand des Disziplinarverfahrens bilden. Der Sachverhalt ist für das Verfahrensstadium des Einleitungsbeschlusses ausreichend geklärt.

13       Mit seinem Vorbringen vermag der Revisionswerber ausgehend davon nicht darzulegen, dass das Bundesverwaltungsgericht von der dargestellten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den Anforderungen an den Einleitungsbeschluss abgewichen wäre, und dem Revisionswerber aufgrund der mangelnden Umgrenzung des Tatvorwurfs eine sachgerechte Verteidigung nicht möglich wäre. Es kann auch keinem Zweifel unterliegen, dass das umschriebene Verhalten grundsätzlich geeignet ist, der Verpflichtung der Bediensteten zum achtungs- und respektvollen Umgang zuwiderzulaufen. Die Frage, ob das dem Revisionswerber vorgeworfene Verhalten den Tatbestand des § 43a BDG 1979 verwirklicht, ist darüber hinaus im Einleitungsbeschluss gemäß der dargestellten Rechtsprechung nicht abschließend zu klären.

14       Der Revisionswerber zeigt vor diesem Hintergrund und im Hinblick auf den dargestellten Verfahrensgegenstand von Einleitungsbeschlüssen nach § 123 BDG 1979 mit dem oben wiedergegebenen Zulässigkeitsvorbringen auch nicht auf, dass die Durchführung einer mündlichen Verhandlung rechtlich geboten gewesen wäre (im Zusammenhang mit Einleitungsbeschlüssen grundlegend VwGH 17.2.2015, Ra 2014/09/0007).

15       In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1und Abs. 3 VwGG zurückzuweisen.

16       Von einer Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.

17       Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff, insbesondere auf § 51 VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 25. Februar 2022

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2020090062.L00

Im RIS seit

28.03.2022

Zuletzt aktualisiert am

28.03.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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