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97 Öffentliches AuftragswesenNorm
BVergG 2018 §20Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger, Hofrat Dr. Mayr, Hofrätin Mag. Hainz-Sator und die Hofräte Dr. Pürgy und Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schörner, über die Revision der S W in W, vertreten durch die Feuchtmüller Stockert Moick Rechtsanwälte GmbH & Co KG in 1080 Wien, Lange Gasse 50, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 9. Oktober 2019, Zl. VGW-123/077/10956/2019-24, betreffend vergaberechtliches Nachprüfungsverfahren (mitbeteiligte Partei: P GmbH in W), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
1 1. Die Revisionswerberin ist öffentliche Auftraggeberin und leitete mit Bekanntmachung vom 9. August 2019 ein offenes Verfahren im Oberschwellenbereich zur Vergabe eines Dienstleistungsauftrages betreffend die Durchführung von Sicherheitsdienstleistungen in diversen Krankenanstalten ein. Die Vergabe sollte in sieben Losen erfolgen, wobei an einen Bieter maximal vier Lose vergeben werden konnten.
2 Bereits am 19. März 2019 wurde von der Revisionswerberin eine Vorinformation betreffend die künftige Ausschreibung für die Sicherheitsdienstleistungen europaweit veröffentlicht. In dieser Vorinformation war dem Punkt „zusätzliche Angaben“ zu entnehmen, dass die Auftraggeberin eine vorherige Markterkundung beabsichtige, in deren Rahmen Marktsondierungsgespräche mit an der Teilnahme an der Ausschreibung interessierten Unternehmen durchgeführt werden sollten, weshalb um eine entsprechende Rückmeldung dieser Marktteilnehmer bei der Revisionswerberin ersucht werde.
3 In der Folge führte die Revisionswerberin mit einigen ausgesuchten Unternehmen Marktsondierungsgespräche. Protokolle über den Inhalt dieser Gespräche wurden zwar dem Vergabeakt angeschlossen, sie wurden jedoch den anderen am Vergabeverfahren interessierten bzw. beteiligten Unternehmen nicht zugänglich gemacht. Mit der Mitbeteiligten wurde kein gesondertes Gespräch im Zuge der Markterkundung geführt und diese - so wie die anderen Mitbewerber - auch mit der Ausschreibung nicht über den Inhalt der vorangegangenen Sondierungsgespräche mit den ausgesuchten Unternehmen informiert.
4 2. Mit Schriftsatz vom 22. August 2018 stellte die Mitbeteiligte den Antrag, die Ausschreibung für nichtig zu erklären.
5 Hierzu brachte diese - neben anderen Nichtigkeitsgründen und soweit für das vorliegende Revisionsverfahren von Relevanz - vor, im Zuge der Markterkundung sei einigen interessierten Marktteilnehmern von der Revisionswerberin ein umfangreiches Konvolut an Unterlagen zu der in Aussicht genommenen Ausschreibung übermittelt worden, das in seiner Detailliertheit weit über die Bestimmung des § 24 BVergG 2018 hinausgegangen sei. Damit sei diesem Bieterkreis ein Wettbewerbsvorteil vor anderen Marktteilnehmern eingeräumt worden. Dieser Vorgang erfülle den Tatbestand der Bevorzugung bzw. der Diskriminierung potentieller Bieter in einem offenen Verfahren im Oberschwellenbereich. So hätten die bevorzugten Bieter bereits durch Zusendung der Unterlagen erfahren, dass die Revisionswerberin ein Bestbieterverfahren mit einer bestimmten Gewichtung von Preis (40%) und Qualität (60%) durchzuführen wünsche, wobei in den Zuschlagskriterien die 60 Punkte, die für die Qualität erreichbar seien, exakt definiert gewesen seien. Den Unternehmern, die diese Unterlagen bereits Wochen vor der eigentlichen Ausschreibung zur Verfügung gestellt bekommen hätten, würde ein Wettbewerbsvorteil gegenüber allen anderen Marktteilnehmern zukommen, da sie sich bereits mit Zertifizierungen, eventuellen Anpassungen der Haftpflichtversicherung, der Erstellung des Konzepts und der Einsatzlogbücher hätten befassen können. Mit einigen Unternehmen sei in diesem Rahmen auch mündlich verhandelt worden, andere seien zu schriftlichen Stellungnahmen aufgefordert worden. Auf diese Weise sei es innerhalb der Gruppe der ohnehin bereits bevorzugten Bieter wiederum zu einer Diskriminierung gekommen. Insbesondere sei zur Erlangung bestimmter Zertifizierungen ein Voraufwand erforderlich, sodass das Wissen um dieses Erfordernis einen Vorteil darstelle, wobei sich auch die Frage stelle, weshalb die Auftraggeberin diese Zertifizierungen verlange, die von den derzeit eingesetzten Sicherheitsunternehmen nicht beigebracht worden seien. Es liege nahe, dass die Anforderung betreffend bestimmter Zertifizierungen dazu diene, bestimmten Unternehmen entgegenzukommen. Da die Mitbeteiligte keine Kenntnis über den Inhalt der mit den Mitbewerbern geführten Markterkundungsgespräche erlangen habe können, sei es ihr auch nicht möglich, substantiiert vorzubringen, welche Informationen konkret einen Wettbewerbsvorsprung für einzelne Mitbewerber ergeben hätten.
6 3. Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Verwaltungsgericht Wien (Verwaltungsgericht) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung dem Antrag auf Nichtigerklärung der Ausschreibungsunterlagen statt und verpflichtete die Revisionswerberin zum Ersatz der entrichteten Pauschalgebühren. Die Revision erklärte es für unzulässig.
7 Soweit für das Revisionsverfahren von Relevanz traf das Verwaltungsgericht - bezogen auf das oben dargestellte Antragsvorbringen - folgende Feststellungen:
8 Die Revisionswerberin habe am 19. März 2019 eine Vorinformation über eine künftige Ausschreibung betreffend die beabsichtigte Vergabe von Sicherheitsdienstleistungen europaweit veröffentlicht. In dieser Vorinformation sei angekündigt worden, dass eine vorangehende Markterkundung beabsichtigt sei, in deren Verlauf Marktsondierungsgespräche mit interessierten Wirtschaftsteilnehmern durchgeführt werden sollten. Dies sei mit der Aufforderung an Unternehmen verbunden gewesen, sich bei der Revisionswerberin zu melden.
9 Die Revisionswerberin habe denjenigen Unternehmen, die sich auf Grund der Vorinformation bei ihr meldeten, ein detailliertes Konzept der geplanten Ausschreibung zukommen lassen. Auch die Mitbeteiligte habe dieses Konzept erhalten, das auch bereits Informationen zu den vorgesehenen Eignungs- und Zuschlagskriterien enthielt. Eine allgemeine Zugänglichmachung des Konzepts sei nicht erfolgt. Aus Anlass der Zusendung der Unterlagen im Rahmen der Markterkundung habe die Mitbeteiligte mit der Revisionswerberin nicht Kontakt aufgenommen.
10 In der Folge habe die Revisionswerberin mit einer Reihe von Unternehmen Markterkundungsgespräche durchgeführt. Die Inhalte dieser Gespräche seien sorgfältig dokumentiert und die Protokolle dem Vergabeakt angeschlossen worden.
11 Der Inhalt der Markterkundungsgespräche sei im Zuge des Vergabeverfahrens jedoch nicht allgemein zugänglich gemacht worden. Es sei für andere interessierte Unternehmer nicht nachvollziehbar gewesen, was im Zuge der Markterkundungsgespräche über Eignungs- und Zuschlagskriterien gesprochen worden sei. Die Mitbeteiligte habe - so wie andere Mitbieter - keine Möglichkeit gehabt, den Inhalt dieser Gespräche in Erfahrung zu bringen.
12 In rechtlicher Hinsicht führte das Verwaltungsgericht zu diesen Feststellungen aus, gemäß § 24 BVergG 2018 könne ein öffentlicher Auftraggeber vor Einleitung eines Vergabeverfahrens zur Vorbereitung der Ausschreibung Markterkundungen durchführen und potentiell interessierte Unternehmen über seine Pläne und Anforderungen informieren. Der Auftraggeber könne die solcherart eingeholten Informationen für die Planung und Durchführung des Vergabeverfahrens nutzen, sofern dadurch der Wettbewerb nicht verzerrt oder gegen die Grundsätze des Vergabeverfahrens verstoßen werde.
13 Es sei der Bestimmung des § 24 BVergG 2018 zwar keine Einschränkung dahingehend zu entnehmen, welche Unterlagen Gegenstand der Markterkundung sein dürften. Inwiefern es wegen der Tatsache, dass die Revisionswerberin das Konzept einer vollständigen Ausschreibung der vorherigen Markterkundung unterzogen habe, zu einer Wettbewerbsverzerrung gekommen sei, habe die Mitbeteiligte nicht schlüssig darzulegen vermocht. Die Mitbeteiligte habe jedoch auch vorgebracht, dass im Zuge der Marktsondierungsgespräche wesentliche Zusatzinformationen an Mitbewerber erteilt worden seien. In diesem Zusammenhang sei festzuhalten, dass die Vorgehensweise der Revisionswerberin mangels Zugänglichmachung der Protokolle über die Inhalte der stattgefundenen Sondierungsgespräche den Mitbietern - und so auch der Mitbeteiligten - die Möglichkeit genommen habe, etwaige Verdachtsmomente im Zuge des Vergaberechtsschutzes effektiv nachprüfen zu lassen. Es sei nämlich mangels Information über die stattgefundenen Sondierungsgespräche nicht möglich, eventuelle Bevorzugungen einzelner Mitbewerber konkret aufzuzeigen. Insofern die Revisionswerberin ins Treffen führe, sie habe ohnehin diejenigen Informationen, die für die Bieter von Interesse seien könnten, in die spätere Ausschreibung aufgenommen, sei ihr entgegenzuhalten, dass im gegenständlichen Fall im Rahmen der Markterkundung ein vollständiges Konzept der Ausschreibung mit interessierten Unternehmen erörtert worden sei. Ohne Offenlegung der (anonymisierten) Inhalte dieser Sondierungsgespräche gegenüber den Mitbewerbern sei nicht nachvollziehbar, ob der Grundsatz der Gleichbehandlung tatsächlich gewahrt worden sei. Die Weitergabe von Fragen und Antworten in anonymisierter und um etwaige Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse reduzierter Form sei in der Phase der Angebotsfrist im Vergabeverfahren eine ständig geübte Praxis. Die Protokolle über die Marktsondierungsgespräche würden eine Einheit mit dem Konzept den Ausschreibungsunterlagen darstellen, auf welche sich diese Gespräche bezogen hätten. Durch die Zugänglichmachung der Inhalte der geführten Marktsondierungsgespräche in anonymisierter und um etwaige Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse reduzierter Form würde die Transparenz vollständig hergestellt und würden interessierte Unternehmen in die Lage versetzt, nachzuvollziehen, ob der Grundsatz der Gleichbehandlung gewahrt worden sei, sowie etwaige ihrer Ansicht nach vorliegende Verletzungen des Grundsatzes der Bietergleichbehandlung effektiv mit den Mitteln des Vergaberechtsschutzes zu bekämpfen.
14 Sohin sei wegen der Durchführung der vorherigen Markterkundungen eine Vergaberechtswidrigkeit vorgelegen, die darin bestanden habe, dass die Revisionswerberin als Auftraggeberin die im Rahmen der umfassenden Markterkundung geführten Einzelgespräche, die auf dem bereits vollständigen Konzept der Ausschreibung beruht hätten, nicht für die interessierten Unternehmen offengelegt und dadurch die Transparenz auf ins Gewicht fallende Weise herabgesetzt habe. Die Beschwer der Mitbeteiligten habe darin gelegen, dass diese Vorgehensweisen ihr die Möglichkeit genommen habe, eventuelle Bevorzugungen einzelner Bieter anhand des Inhalts der geführten Gespräche aufzuzeigen und in effektiver Weise Vergaberechtsschutz geltend zu machen. Die Ausschreibung sei aus diesem Grund für nichtig zu erklären.
15 3. Gegen diese Entscheidung richtet sich die außerordentliche Revision der Auftraggeberin.
16 Zur Begründung der Zulässigkeit der Revision bringt diese unter anderem vor, es fehle Rechtsprechung zu den gesetzlichen Vorgaben an die Markterkundung gemäß § 24 BVergG 2018. Insbesondere liege zur Rechtsfrage, ob in der Ausschreibung sämtliche im Rahmen einer Markterkundung erstellte Unterlagen zur Verfügung zu stellen seien, keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vor. Dasselbe gelte für die Rechtsfrage, ob ein Bieter durch die unterlassene Zurverfügungstellung irrrelevanter Unterlagen beschwert sein könne, wenn die Markterkundung selbst rechtskonform gewesen sei.
4. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
17 Die Revision ist zur Klarstellung der aufgeworfenen Rechtsfragen zulässig, sie ist jedoch nicht berechtigt.
18 4.1.1. Die maßgeblichen Bestimmungen der Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG (VergabeRL 2014) lauten auszugsweise wie folgt:
„Artikel 40
Vorherige Marktkonsultationen
Vor der Einleitung eines Vergabeverfahrens können die öffentlichen Auftraggeber Marktkonsultationen zur Vorbereitung der Auftragsvergabe und zur Unterrichtung der Wirtschaftsteilnehmer über ihre Auftragsvergabepläne und -anforderungen durchführen.
Hierzu können die öffentlichen Auftraggeber beispielsweise den Rat von unabhängigen Sachverständigen oder Behörden beziehungsweise von Marktteilnehmern einholen oder annehmen. Der Rat kann für die Planung und Durchführung des Vergabeverfahrens genutzt werden, sofern dieser Rat nicht wettbewerbsverzerrend ist und nicht zu einem Verstoß gegen die Grundsätze der Nichtdiskriminierung und der Transparenz führt.
Artikel 41
Vorherige Einbeziehung von Bewerbern oder Bietern
Hat ein Bewerber oder Bieter oder ein mit ihm in Verbindung stehendes Unternehmen den öffentlichen Auftraggeber - ob im Zusammenhang mit Artikel 40 oder nicht - beraten oder war auf andere Art und Weise an der Vorbereitung des Vergabeverfahrens beteiligt, so ergreift der öffentliche Auftraggeber angemessene Maßnahmen, um sicherzustellen, dass der Wettbewerb durch die Teilnahme des Bewerbers oder Bieters nicht verzerrt wird.
Diese Maßnahmen umfassen die Unterrichtung anderer Bewerber oder Bieter in Bezug auf einschlägige Informationen, die im Zusammenhang mit der Einbeziehung des Bewerbers oder Bieters in die Vorbereitung des Vergabeverfahrens ausgetauscht wurden oder daraus resultieren und die Festlegung angemessener Fristen für den Eingang der Angebote.
...“
19 4.1.2. Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesvergabegesetzes 2018 (BVergG 2018), BGBl. I Nr. 100/2018, mit welchem unter anderem die oben genannte Richtlinie umgesetzt werden sollte (vgl. § 382 Z 16 BVergG 2018), lauten auszugsweise wie folgt:
„Grundsätze des Vergabeverfahrens
§ 20. (1) Vergabeverfahren sind nach einem in diesem Bundesgesetz vorgesehenen Verfahren, unter Beachtung der unionsrechtlichen Grundsätze wie insbesondere der Gleichbehandlung aller Bewerber und Bieter, der Nichtdiskriminierung, der Verhältnismäßigkeit, der Transparenz sowie des freien und lauteren Wettbewerbes und unter Wahrung des Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit durchzuführen. Die Vergabe hat an befugte, leistungsfähige und zuverlässige (geeignete) Unternehmer zu angemessenen Preisen zu erfolgen.
(2) ...
Vorherige Erkundung des Marktes
§ 24. Vor Einleitung eines Vergabeverfahrens kann ein öffentlicher Auftraggeber zur Vorbereitung vorherige Markterkundungen durchführen und potentiell interessierte Unternehmer über seine Pläne und Anforderungen informieren. Im Rahmen der Markterkundungen kann sich der öffentliche Auftraggeber insbesondere von Dritten beraten lassen. Er kann die solcherart eingeholten Informationen für die Planung und Durchführung des Vergabeverfahrens nutzen, sofern dadurch der Wettbewerb nicht verzerrt oder gegen die Grundsätze des Vergabeverfahrens verstoßen wird.“
20 4.2. § 24 BVergG 2018 setzt Art. 40 der RL 2014/24/EU um. Diese Regelung wurde auf Unionsebene für erforderlich erachtet, um angesichts einer verbreiteten Unsicherheit auf Auftraggeberseite die schon bisher zulässige Vorgangsweise rechtlich abzusichern, und stellt klar, dass Auftraggeber vor Einleitung eines Vergabeverfahrens die Möglichkeit haben, Unternehmen, die potentielle Bewerber oder Bieter sind, zu konsultieren, um Ideen für dieses Verfahren zu sammeln. Im Rahmen dieser Konsultation (Markterkundung) können diesen Unternehmen bereits Informationen über das geplante Vergabeverfahren (zB Problembeschreibungen, Zeitpläne) offengelegt werden (vgl. ErlRV 69 BlgNR XXVI. GP 59).
21 4.2.1. Fallbezogen ist festzuhalten, dass den insofern unstrittigen Feststellungen zufolge mehrere interessierte Marktteilnehmer an der von der Revisionswerberin als Auftraggeberin durchgeführten Markterkundung teilgenommen haben, wobei den betreffenden Unternehmen eine umfassende Information betreffend die in Vorbereitung befindliche Ausschreibung überlassen wurde und mit einigen dieser Unternehmen unstrittig auch Sondierungsgespräche geführt wurden. Vor dem Hintergrund des § 24 BVergG 2018 handelte es sich bei dieser Markterkundung um eine grundsätzlich erlaubte Vorgehensweise der Revisionswerberin als öffentliche Auftraggeberin, wobei auch die Involvierung der marktteilnehmenden Unternehmen, die im Vorfeld der Ausschreibung auf Basis der bekannt gemachten Vorinformation ihr Interesse an der Teilnahme als Bieter an dem durch die geplante Ausschreibung einzuleitenden Vergabeverfahren bekundeten, per se keine Rechtswidrigkeit begründete (§ 24 erster Satz BVergG 2018).
22 Der Vollständigkeit halber sei hier angemerkt, dass das Vorliegen des von der Mitbeteiligten vorgebrachten Nichtigkeitsgrundes wegen des ausufernden Umfangs der im Zuge der Markterkundung zur Verfügung gestellten Unterlagen fallbezogen vom Verwaltungsgericht - im Revisionsverfahren unbekämpft - verneint wurde, weil die Mitbeteiligte diese Unterlagen selbst erhalten habe, und sich insofern durch diese Vorgehensweise der Revisionswerberin nicht als beschwert erachten konnte.
23 4.3. Es liegt auf der Hand, dass aus dem (vorgezogenen) Erhalt von Informationen über Ausschreibungsinhalte durch die - im Wege der Teilnahme an Sondierungsgesprächen - an den Vorbereitungen beteiligten Unternehmen, aber auch aus dem Einfließen von Informationen von Seiten der an den Markterkundungen teilnehmenden Unternehmen an den Auftraggeber und deren allfälliger Verwertung im Vergabeverfahren ein Spannungsverhältnis mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz resultieren kann.
24 Der Auftraggeber darf gemäß § 24 dritter Satz BVergG 2018 die eingeholten Informationen für die Planung und Durchführung des Vergabeverfahrens nutzen, sofern dadurch der Wettbewerb nicht verzerrt oder gegen die Grundsätze des Vergabeverfahrens verstoßen wird. Zu den im Vergabeverfahren einzuhaltenden Grundsätzen zählt gemäß § 20 BVergG 2018 - neben anderen - die Gleichbehandlung der Bieter und die Transparenz. Den Grundsatz der Transparenz im Zusammenhang mit der Markterkundung zu wahren, stellt an den Auftraggeber jedenfalls die Anforderung, offenzulegen, welche im Zuge der Markterkundung erlangten Informationen in die Planung und Durchführung des Vergabeverfahrens eingeflossen sind und woher diese Informationen stammten, damit teilnehmende Unternehmen in der Lage sind, zu beurteilen, ob durch die Markterkundung die Gleichbehandlung der Bieter gewahrt wurde, und gegebenenfalls begründete Rechtsschutzanträge zu stellen.
25 4.3.1. Den insofern unstrittigen Feststellungen zufolge hat die Revisionswerberin den Inhalt der im Zuge der Markterkundung mit einigen teilnehmenden Bietern geführten Sondierungsgespräche zwar sorgfältig dokumentiert, diese Protokolle den anderen Teilnehmern des Verfahrens jedoch nicht zur Verfügung gestellt, obwohl - auch laut Vorbringen in der Revision - Erkenntnisse aus diesen Markterkundungsgesprächen die Revisionswerberin erst in die Lage versetzten, den Ausschreibungsunterlagen den „notwendigen Feinschliff zu verschaffen“ (Revision Seite 3) und somit in die Ausschreibung eingeflossen sind. Damit war hier für die teilnehmenden Unternehmen nicht nachvollziehbar, welche aus den Markterkundungsgesprächen gewonnenen Informationen Einfluss auf die Ausschreibung genommen haben und aus welcher Quelle diese Informationen stammten. Wegen dieser unterlassenen Offenlegung des im Rahmen der Markterkundung erfolgten Informationsaustausches liegt fallbezogen eine das in § 24 BVergG 2018 verankerte Transparenzgebot verletzende Vergaberechtswidrigkeit vor.
26 Dies kann die Revisionswerberin nicht dadurch entkräften, dass sie vermeint, sie habe sämtliche relevanten Informationen ohnehin in der Ausschreibung verwertet. Die Ausschreibung selbst ist zwar ebenso an den Grundsätzen des Vergabeverfahrens zu messen. Das Erfordernis der Transparenz der Markterkundung und der Gleichbehandlung der Bieter durch den Auftraggeber verlangt jedoch nicht nur die Offenlegung der - aus der Sicht des Auftraggebers - relevanten Ergebnisse der Markterkundung in Form einer Verwertung derselben in der Ausschreibung, sondern auch die Offenlegung der die Durchführung des Vergabeverfahrens beeinflussenden Informationsflüsse im Zuge der erlaubten Markterkundung vom Auftraggeber an die in die Marktsondierung involvierten Unternehmen und umgekehrt. In diesem Zusammenhang ist in Hinblick auf das Vorbringen der Revisionswerberin auch zu ergänzen, dass es dem Transparenzgebot zuwiderläuft, dass sich der Auftraggeber die Selektion der von der Verpflichtung zur Offenlegung umfassten Informationen vorbehält.
27 Der vom Verwaltungsgericht angenommene Grund für die Nichtigerklärung der angefochtenen Ausschreibung liegt daher im Ergebnis vor.
28 4.4. Die Revision war somit - da ihr Inhalt erkennen ließ, dass die von der Revisionswerberin behauptete Rechtswidrigkeit in dem behandelten Punkt nicht vorliegt - gemäß § 35 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen (vgl. VwGH 19.12.2018, Ra 2018/03/0122), ohne dass auf die weiteren für die Nichtigerklärung der Ausschreibung herangezogenen Gründe des angefochtenen Erkenntnisses einzugehen war.
Wien, am 1. März 2022
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2019040139.L00Im RIS seit
28.03.2022Zuletzt aktualisiert am
11.04.2022