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32/01 Finanzverfahren allgemeines AbgabenrechtNorm
BAO §205 Abs3Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und den Hofrat Mag. Novak sowie die Hofrätin Dr.in Wiesinger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision des Dr. H S in S, vertreten durch Dr. Constanze Emesz, Rechtsanwältin in 5020 Salzburg, Fischbachstraße 17, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 21. August 2017, Zl. RV/6100598/2010, betreffend Einkommensteuer 2008, den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber erzielt Einkünfte aus selbständiger Arbeit. Zum 1. Jänner 2007 ist er von der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG 1988 auf die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG 1988 übergegangen, was zu einem - im Wesentlichen auf die Erfassung von Honorarforderungen zurückzuführenden - Übergangsgewinn von 19.123 € führte. Aus der Eröffnungsbilanz zum 1. Jänner 2007 ergibt sich ein Stand des Eigenkapitals von 147.214,17 €. Die Bilanz zum 31. Dezember 2007 weist ein Eigenkapital von 466.769,09 €, die Bilanz zum 31. Dezember 2008 ein Eigenkapital von 346.782,63 €.
2 Im Rahmen der Veranlagung für 2007 beantragte der Revisionswerber gemäß § 11a Abs. 1 EStG 1988, dass der laufende Gewinn bis zu dem in diesem Wirtschaftsjahr eingetretenen Anstieg des Eigenkapitals, maximal aber 100.000 €, mit dem ermäßigten Steuersatz nach § 37 Abs. 1 EStG 1988 versteuert werde. Im Einkommensteuerbescheid 2007 wurde die beantragte Begünstigung (für den Betrag von 100.000 €) gewährt.
3 Der Revisionswerber beantragte auch für 2008 die begünstigte Besteuerung eines Teiles des Gewinnes nach § 11a EStG 1988. Im Einkommensteuerbescheid 2008 verweigerte das Finanzamt die Besteuerung nach § 11a Abs. 1 EStG 1988. Das Finanzamt ging vielmehr von einem im Jahr 2008 eingetretenen Sinken des Eigenkapitals aus und nahm daher gemäß § 11a Abs. 3 EStG 1988 eine Nachversteuerung des für das Jahr 2007 begünstigt besteuerten Betrages vor.
4 In der gegen den Einkommensteuerbescheid 2008 erhobenen Berufung (nunmehr Beschwerde) wurde eingewendet, das Eigenkapital zum 31. Dezember 2007 sei rechnerisch um das - vom Revisionswerber als „bloß buchungstechnisch ausgewiesenes Kapital“ bezeichnet - Anfangskapital zum 1. Jänner 2007 (sowie den Übergangsgewinn) zu mindern; diese Berechnung habe zur Folge, dass vom 31. Dezember 2007 (rechnerisch verminderter Eigenkapitalstand: 300.431,85 €) bis zum 31. Dezember 2008 kein Absinken des Eigenkapitals, sondern ein Anstieg des Eigenkapitals anzunehmen sei. Außerdem sei zu beachten, dass der in der Bilanz zum 31. Dezember 2008 ausgewiesene Stand des Eigenkapitals deshalb so niedrig sei, weil im Jahr 2008 - neben kleineren Privatentnahmen - im Wesentlichen Zahlungen an Einkommensteuer 2006 (97.569,65 €) und Einkommensteuer 2007 (149.310 €) sowie Einkommensteuervorauszahlungen für das Jahr 2008 (75.000 €) geleistet worden seien. Die Einkommensteuerzahlungen seien nicht als Entnahme iSd § 11a EStG 1988 zu werten. Es dürfe im Übrigen keine Auswirkung auf die Besteuerung haben, in welchem Zeitpunkt (also im Jahr 2008 oder früher) die Einkommensteuerzahlungen geleistet würden.
5 Mit dem angefochtenen Bescheid wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde ab und erklärte die Revision für nicht zulässig. In der Begründung wird ausgeführt, dass das „Beginnkapital“ zum 1. Jänner 2007 keine „buchungstechnische Einlage“ sei und bei der Entwicklung des Eigenkapitalstandes nicht außer Betracht bleiben könne. Die Einkommensteuerzahlungen seien entgegen der Ansicht des Revisionswerbers als Entnahmen anzusetzen. Gemäß § 4 Abs. 1 EStG 1988 seien Entnahmen alle nicht betrieblich veranlassten Abgänge von Werten. Gemäß § 20 Abs. 1 Z 6 EStG 1988 dürften Steuern vom Einkommen nicht bei den Einkünften abgezogen werden. Wenn der Revisionswerber einwende, die Gewährung der Begünstigung des § 11a EStG 1988 könne nicht davon abhängen, in welchem Zeitpunkt die Einkommensteuerzahlungen geleistet würden, sei darauf zu verweisen, dass Entnahmen zum „Zeitpunkt der tatsächlichen Kapitalveränderung“ wirksam würden. Werde das (rechnerisch um den Übergangsgewinn 2007 von 19.123 € geminderte) Eigenkapital zum 31. Dezember 2007 dem Eigenkapital zum 31. Dezember 2008 gegenübergestellt, ergebe sich im Jahr 2008 ein den Betrag von 100.000 € übersteigender Eigenkapitalabfall.
6 Die in der gegen dieses Erkenntnis erhobenen Revision enthaltene Zulässigkeitsbegründung betrifft die Frage, ob Steuerzahlungen als willentliche Entnahmen in die Berechnung des Eigenkapitalanstieges bzw -abfalles iSd § 11a EStG 1988 einzubeziehen seien und daher der Zeitfaktor, wann die Festsetzung der Einkommensteuernachforderung erfolge (bzw von welchem Konto aus die Einkommensteuer bezahlt werde), Auswirkung auf die Begünstigung bzw die Nachversteuerung nach § 11a Abs. 1 bzw. 3 EStG 1988 habe.
7 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
10 § 11a EStG 1988 lautet in der hier maßgeblichen Fassung vor dem 2. AbgÄG 2014, BGBl. I Nr. 105/2014, auszugsweise:
„Begünstigte Besteuerung für nicht entnommene Gewinne
§ 11a. (1) Natürliche Personen, die den Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich ermitteln, können den Gewinn, ausgenommen Übergangsgewinne (§ 4 Abs. 10) und Veräußerungsgewinne (§ 24), bis zu dem in einem Wirtschaftsjahr eingetretenen Anstieg des Eigenkapitals, höchstens jedoch 100 000 EUR, mit dem ermäßigten Steuersatz nach § 37 Abs. 1 versteuern (begünstigte Besteuerung). Der Höchstbetrag von 100.000 Euro steht jedem Steuerpflichtigen im Veranlagungszeitraum nur einmal zu. Der Anstieg des Eigenkapitals ergibt sich aus jenem Betrag, um den der Gewinn, ausgenommen Übergangsgewinne und Veräußerungsgewinne, die Entnahmen (§ 4 Abs. 1) übersteigt. Einlagen (§ 4 Abs. 1) sind nur insoweit zu berücksichtigen, als sie betriebsnotwendig sind.
(2) (...)
(3) Sinkt in einem folgenden Wirtschaftsjahr in sinngemäßer Anwendung des Abs. 1 unter Außerachtlassung eines Verlustes das Eigenkapital, ist insoweit eine Nachversteuerung vorzunehmen. Nachzuversteuern ist höchstens jener Betrag, der in den vorangegangenen sieben Wirtschaftsjahren nach Abs. 1 begünstigt besteuert worden ist. Die Nachversteuerung ist zunächst für den begünstigten Betrag des zeitlich am weitest zurückliegenden Wirtschaftsjahres vorzunehmen. Die Nachversteuerung hat mit dem Steuersatz gemäß § 37 Abs. 1 des Jahres der Inanspruchnahme der Begünstigung zu erfolgen. Der Nachversteuerungsbetrag erhöht nicht den Gesamtbetrag der Einkünfte.“
11 Bei der Festlegung des „Anstiegs“ des Eigenkapitals in § 11a Abs. 1 EStG 1988 und aufgrund des Verweises in Abs. 3 auf Abs. 1 leg cit bei der Festlegung des „Sinkens“ des Eigenkapitals stellt das Gesetz auf den Begriff der Entnahme iSd § 4 Abs. 1 EStG 1988 ab.
12 § 4 Abs. 1 EStG 1988 definiert Entnahmen als „alle nicht betrieblich veranlassten Abgänge von Werten (zB von Bargeld, Waren, Erzeugnissen und anderen Wirtschaftsgütern des Umlaufvermögens, von Leistungen, von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens oder von Nutzungen solcher Wirtschaftsgüter).“
13 Gemäß § 20 Abs. 1 Z. 6 EStG 1988 dürfen bei den einzelnen Einkünften unter anderem Steuern vom Einkommen nicht abgezogen werden.
14 Die Einkommensteuer ist nicht betrieblich veranlasst, sondern in der Person des Steuerpflichtigen selbst begründet (Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuerhandbuch, § 20 Tz 2; Kofler/Wurm in Doralt et al, EStG20, § 20 Tz 139/1). Die Zahlung von Personensteuern aus betrieblichen Mitteln stellt somit unzweifelhaft eine Entnahme dar (vgl. Langheinrich/Ryda, Die steuerliche Behandlung von außerbetrieblich veranlassten Wertveränderungen des Betriebsvermögens, Entnahmen und Einlagen, FJ 2000, 310 [312]).
15 Die Entnahme von notwendigem Betriebsvermögen erfolgt durch die endgültige betriebsfremde Verwendung (vgl. VwGH 9.9.2004, 2001/15/0215; Mayr in Doralt et al, EStG14, § 6 Tz 335). Im Erkenntnis vom 7. August 2001, 96/14/0150, hat der Verwaltungsgerichtshof in Bezug auf die Entnahme eines Teiles eines Betriebsgebäudes ausgesprochen, die Entnahme erfolge durch eine Entnahmehandlung, die Entnahme setze regelmäßig ein tatsächliches, nach außen in Erscheinung tretendes Verhalten des Abgabepflichtigen voraus. In Bezug auf die Zahlung an das Finanzamt zur Tilgung von Einkommensteuerschulden folgt daraus, dass die Entnahme in dem Zeitpunkt getätigt wird, in dem Geldmittel dem Betriebsvermögen entzogen werden.
16 Es trifft zu, dass der Zeitpunkt der Entnahme Auswirkungen auf den jährlichen Betrag des Eigenkapitalanstieges bzw. Eigenkapitalabfalls hat. In Bezug auf den in der Revision eingewendeten Zeitpunkt der Einkommensteuerzahlungen ist dem Unternehmer ein gewisser Gestaltungsspielraum eingeräumt, etwa durch die Möglichkeit der Anzahlungen nach § 205 Abs. 3 BAO.
17 Für die Ermittlung des Eigenkapitalzuwachses macht es einen Unterschied, ob der Unternehmer die Einkommensteuer aus Mitteln des Betriebsvermögens oder solchen des Privatvermögens verwendet. Von welchem Konto die Einkommensteuer bezahlt wird, wie dies in der Revision formuliert wird, kann daher durchaus von Relevanz sein.
18 Dem Zulässigkeitsvorbringen der Revision gelingt es somit nicht, eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG aufzuzeigen. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 3. März 2022
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2020150033.L00Im RIS seit
28.03.2022Zuletzt aktualisiert am
21.04.2022