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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
B-VG Art133 Abs4Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und den Hofrat Mag. Novak sowie die Hofrätin Dr.in Wiesinger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision des Finanzamts Braunau (nunmehr: Finanzamt Österreich - Dienststelle Braunau Ried Schärding) in 5280 Braunau am Inn, Stadtplatz 60, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 9. Jänner 2020, Zl. RV/5101635/2017, betreffend Einkommensteuer 2015 (mitbeteiligte Partei: H J in R, vertreten durch die LeitnerLeitner GmbH, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater in 4040 Linz, Ottensheimer Straße 32), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Mitbeteiligte war in Österreich als Arzt tätig und führte eine Ordination als Einzelunternehmen. Mit Gesellschaftsvertrag vom 11. November 2015 errichtete der Mitbeteiligte (Seniorpartner) gemeinsam mit Z (Juniorpartner) eine offene Gesellschaft (OG) zum Betrieb einer Ordination, wobei Z als bloßer Arbeitsgesellschafter nicht am Gesellschaftsvermögen beteiligt war. Im Hinblick auf die Einlagen und künftigen Arbeitsleistungen vereinbarten der Mitbeteiligte und Z zunächst eine bloße Ertragsbeteiligung von 66,67% des Mitbeteiligten und von 33,33% des Z. Die Gesellschaft begann am 14. November 2015, mit ihrer Eintragung ins Firmenbuch. Als Einlage wird im Gesellschaftsvertrag die vom Mitbeteiligten auf Basis eines Zusammenschlussvertrages auf die OG zu übertragende Ordination genannt. Laut Gesellschaftsvertrag sollte die OG bei Einhaltung der Bestimmungen des oberösterreichischen Gruppenpraxis-Gesamtvertrags idgF, der unstrittig unter anderem die Beteiligung des Juniorpartners an der OG von mindestens 30% vorsah, einen Kassenvertrag von 1. Jänner 2016 bis 31. März 2020 erhalten. Laut Antrag auf Eintragung in das Firmenbuch war der Gesellschaftsvertrag der oberösterreichischen Ärztekammer zur Prüfung und Genehmigung vorgelegt worden. Standesrechtlich bestanden keine Bedenken gegen den Vertragsinhalt und die Eintragung ins Firmenbuch.
2 Mit Zusammenschlussvertrag ebenfalls vom 11. November 2015 vereinbarten der Mitbeteiligte und Z einen Zusammenschluss zu einer Gemeinschaftspraxis in Form einer OG nach Art. IV UmgrStG mit Zusammenschlussstichtag 31. Dezember 2015. Der Mitbeteiligte übertrug darin seine bisher als Einzelunternehmen geführte Ordination auf die OG auf Grundlage einer innerhalb von neun Monaten zu erstellenden Zusammenschlussbilanz. Übertragen wurden alle aktiven und passiven Vermögenswerte, der mangels steuerlicher Anschaffungskosten nicht bilanzierte Patientenstock (Firmenwert), sowie die Arbeits- und Dienstverhältnisse mit Mitarbeitenden. Zurückbehalten und in das steuerliche Sonderbetriebsvermögen des Mitbeteiligten überführt wurden ein Ordinationsgebäude, ein PKW, Wertpapiere, Forderungen und „Halbfertige“ zum Zusammenschlussstichtag (31. Dezember 2015). Z brachte seine Arbeitsleistung in die Gesellschaft ein.
3 In einer weiteren, im zeitlichen Zusammenhang mit den erwähnten Verträgen abgeschlossenen Abtretungsvereinbarung (zugleich Gesellschaftsvertragsnachtrag) kamen der Mitbeteiligte und Z überein, mit Wirkung zum 1. Jänner 2016 die Vermögensbeteiligung des Mitbeteiligten am Gesellschaftsvermögen auf 66,67% herabzusetzen und gleichzeitig jene des Z auf 33,33% zu erhöhen. Als Gegenleistung für die Herabsetzung seiner Vermögensbeteiligung verpflichtete sich Z zur Zahlung eines Abfindungsbetrags von 17.950 € an den Mitbeteiligten.
4 Mit Bescheid vom 7. September 2017 hob das Finanzamt den erklärungsgemäß ergangenen Einkommensteuerbescheid 2015 vom 24. Oktober 2016 gemäß § 299 BAO auf und setzte die Einkommensteuer neu fest (Erfassung eines Veräußerungserlöses von 43.379,55 € bzw. nach Abzug des Freibetrags nach § 24 Abs. 4 EStG 1988 von 36.079,55 €). In der Begründung führte das Finanzamt aus, Anwendungsvoraussetzung des Art. IV UmgrStG sei, dass die Vermögensübertragung ausschließlich gegen Gewährung von Gesellschafterrechten erfolge. Aufgrund der Abgeltung der Substanzbeteiligung liege eine unzulässige Gegenleistung vor, weshalb Art. IV UmgrStG nicht zur Anwendung gelange, sodass sämtliche stillen Reserven der Besteuerung unterlägen.
5 Der Mitbeteiligte erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde und brachte vor, dass ein Zusammenschluss nach Art. IV UmgrStG mit Buchwertfortführung vorliege.
6 Mit Beschwerdevorentscheidung vom 3. Oktober 2017 wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab.
7 Der Mitbeteiligte beantragte die Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht.
8 Mit dem angefochtenen Erkenntnis entschied das Bundesfinanzgericht über die Beschwerde und anerkannte den Vorgang dem Beschwerdevorbringen folgend als unter Art. IV UmgrStG fallend. Es sprach aus, dass eine Revision beim Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei.
9 Nach Wiedergabe des Verfahrensgeschehens führte das Bundesfinanzgericht im Wesentlichen aus, die Voraussetzungen für die Anwendung des Art. IV UmgrStG seien in Zusammenschau des Zusammenschlussvertrages und des Gesellschaftsvertrages zu beurteilen. Diese beiden Verträge seien als Einheit zu sehen. Aus ihnen ergebe sich, dass die Beteiligung am Vermögen der OG einer Gewährung von Gesellschafterrechten an den Mitbeteiligten als Gegenleistung für die von ihm getätigte Vermögensübertragung gleichzusetzen sei. Hingegen folge aus diesen Verträgen nicht, dass dem Mitbeteiligten anstatt oder zusätzlich auch Geldleistungen gewährt worden seien. Die im Abtretungsvertrag vereinbarte Gegenleistung des Z sei für die Herabsetzung der Vermögensbeteiligung des Mitbeteiligten zugunsten einer Vermögensbeteiligung des Z, sohin als Gegenleistung für eine Anteilsverschiebung erfolgt, die erst nach Gründung der OG überhaupt möglich gewesen sei. Diese Vorgehensweise spiegle die wirtschaftliche Realität wieder und sei aus triftigen wirtschaftlichen Gründen gewählt worden. Ein steuerlicher Missbrauchsverdacht bestehe nicht.
10 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die Revision des Finanzamts.
11 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
12 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
13 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
14 Zur Zulässigkeit wird in der Revision geltend gemacht, das Verwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes betreffend die Anwendung der wirtschaftlichen Betrachtungsweise zur Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 23 UmgrStG abgewichen. In wirtschaftlicher Betrachtungsweise seien der Zusammenschlussvertrag, der darauf basierende Gesellschaftsvertrag und der Abtretungsvertrag als Einheit zu qualifizieren.
15 Mit diesem Vorbringen wird eine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht dargetan.
16 Gemäß Art. IV UmgrStG liegt ein Zusammenschluss im Sinne des genannten Gesetzes vor, wenn Vermögen (das sind Betriebe, Teilbetriebe und Mitunternehmeranteile iSd § 12 Abs. 2 UmgrStG), das einen positiven Verkehrswert besitzt, ausschließlich gegen Gewährung von Gesellschafterrechten auf Grundlage eines Zusammenschlussvertrages (Gesellschaftsvertrages) einer Personengesellschaft tatsächlich übertragen wird (§ 23 UmgrStG).
17 Nach § 23 Abs. 4 UmgrStG sind auf Zusammenschlüsse die §§ 24 bis 26 UmgrStG anzuwenden. Gemäß § 24 Abs. 2 UmgrStG ist die Buchwertfortführung in Anwendung des § 16 Abs. 1 UmgrStG nur zulässig, wenn für die weitere Gewinnermittlung Vorsorge getroffen wird, dass es bei den am Zusammenschluss beteiligten Steuerpflichtigen durch den Vorgang der Übertragung zu keiner endgültigen Verschiebung der Steuerbelastung kommt.
18 Das Bundesfinanzgericht erachtete - wie in Rn. 10 wiedergegeben - den Zusammenschlussvertrag und den Gesellschaftsvertrag als Einheit, die die Voraussetzungen eines Zusammenschlusses nach Art. IV UmgrStG erfüllte. Die sodann abgeschlossene Abtretungsvereinbarung setze bereits die Gründung der OG voraus; die darin vereinbarte Gegenleistung sei für die Verschiebung der Vermögensbeteiligung (Anteilsabtretung) erfolgt, nicht aber für die Übertragung des Einzelunternehmens, sodass keine unzulässige Gegenleistung vorliege.
19 Im Hinblick auf den wirtschaftlichen Gehalt der Gestaltung ist darauf zu verweisen, dass fallbezogen ein vergleichbares wirtschaftliches Ergebnis durch die Abtretung einer Quote des Betriebes des Mitbeteiligten zum 31. Dezember 2015 (um den Preis von 17.950 €) hätte erzielt werden können (siehe etwa Rz. 1368 UmgrSt-Richtlinien), also im Wege der Umkehrung des Vorganges durch eine zunächst vorzunehmende Veräußerung einer Quote des Einzelunternehmens mit nachfolgender Vergesellschaftung. Auch im vorliegenden Fall wurde vom Mitbeteiligten ein Gewinn aus der Veräußerung des Mitunternehmeranteils erzielt und (in vergleichbarer Höhe wie bei vorangehender Betriebsquotenveräußerung) versteuert und können dem Mitbeteiligten die stillen Reserven aus dem ihm verbliebenen Mitunternehmeranteil zugeordnet werden. Hingegen hätte die vom Finanzamt vertretene Sichtweise eine Aufdeckung sämtlicher stiller Reserven des Betriebes zur Folge.
20 Aus dem von der Revision ins Treffen geführten Ziel einer Mindestbeteiligung von 30% des Juniorpartners nach § 3 des oberösterreichischen Gruppenpraxis-Gesamtvertrags lässt sich für die Frage, ob durch die gewählte Umsetzung dieses Ziels ein Zusammenschluss iSd Art. IV UmgrStG verwirklicht wurde, nichts ableiten.
21 Vor diesem Hintergrund stößt es im Revisionsfall auf keine vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifende Bedenken, dass das Bundesfinanzgericht die Vergesellschaftung als Vorgang nach Art. IV UmgrStG gewertet hat und die rechtsgeschäftliche Anteilsabtretung als gesonderten und nachfolgenden Vorgang. Die Gründung der Personengesellschaft und Einbringung des Betriebs durch den Mitbeteiligten war Voraussetzung für den Abtretungsvertrag. Z trat als reiner Arbeitsgesellschafter ein, was zu keiner Verschiebung der stillen Reserven führte und den Zusammenschluss verwirklichte. Mit der danach erfolgten Herabsetzung der Vermögensbeteiligung des Mitbeteiligten auf 66,66% - unter gleichzeitiger Erhöhung jener des Z auf 33,33% - wurden 33,33% der stillen Reserven aufgedeckt und versteuert. Das Bundesfinanzgericht ist in nicht rechtswidriger Weise davon ausgegangen, dass es sich dabei nicht um eine unzulässige Gegenleistung für die Einbringung des Einzelunternehmens handelte.
22 Wenn die Revision sich zur Zulässigkeit weiters darauf stützt, dass Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu einem vergleichbaren Sachverhalt fehle, ist auf die ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach der bloße Umstand, dass eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zu einem (der Entscheidung des Verwaltungsgerichts zu Grunde liegenden) vergleichbaren Sachverhalt (zu einer bestimmten Rechtsnorm) fehlt, noch keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung begründet (vgl. VwGH 28.04.2016, Ro 2015/07/0041, mwN).
23 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 3. März 2022
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2020150024.L00Im RIS seit
28.03.2022Zuletzt aktualisiert am
21.04.2022