Entscheidungsdatum
03.03.2022Index
83 Naturschutz UmweltschutzNorm
AWG 2002 §52 Abs7Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Mag. Spielmann über die Beschwerde des AA, Adresse 1, **** Z, vertreten durch Rechtsanwalt BB, Adresse 2, **** Z, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Z vom 20.04.2021, Zahl ***, betreffend eines Strafverfahrens nach dem AWG 2002, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung,
zu Recht:
1. Der Beschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.
2. Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Verfahren:
Dem Beschwerdeführer wurde mit dem angefochtenen Straferkenntnis in Zusammenhang mit einer mobilen Behandlungsanlage der CC GmbH am Standort Abfallwirtschaftszentrum DD, Adresse 3, **** Y, folgende Verwaltungsübertretung zur Last gelegt:
„Sie, Herr AA, geboren am XX.XX.XXXX, haben es als abfallrechtlicher Geschäftsführer gemäß § 26 Abfallwirtschaftsgesetz 2002 idgF der CC GmbH in **** Y, Adresse 3, zu verantworten, dass entgegen der Bestimmung des § 52 Abs 7 AWG 2002 kein Betriebstagebuch betreffend das Jahr 2019 geführt wurde.“
Er sei daher gemäß § 79 Abs 2 Z 14 AWG 2002 mit einer Geldstrafe in der Höhe von € 2.500,- (Ersatzfreiheitstrafe: 100 Stunden) zu bestrafen. Zusätzlich habe er einen Verfahrenskostenbeitrag gemäß § 64 VStG in Höhe von € 250,- zu leisten.
Dagegen richtet sich seine fristgerechte Beschwerde vom 27.05.2021. Er habe nicht gewusst, dass es um die Führung des Betriebstagebuches geht. Er sei aufgrund der Aufforderung zur Rechtsfertigung davon ausgegangen, dass ein Ermittlungsverfahren wegen der Einhaltung der zulässigen Betriebsstunden geführt werde. Daher habe er auch die Vorlage des Betriebstagebuches nicht für erforderlich erachtet.
II. Sachverhalt:
Mit Schreiben vom 26.05.2020 hat der Landeshauptmann von Tirol als Abfallrechtsbehörde der CC GmbH, Adresse 3, **** Y, mitgeteilt, dass ihre mobile Behandlungsanlage EE, Seriennummer ***, entgegen dem Bewilligungsbescheid des Landeshauptmannes von X vom 21.09.2018, Zl ***, an einem Standort länger als 100 Stunden pro Jahr betrieben worden sein soll. Die CC GmbH wurde daher aufgefordert, binnen zwei Wochen Auszüge aus dem Betriebstagebuch des Jahres 2019 für den Standort DD zur Verfügung zu stellen.
Nachdem die CC GmbH auf diese Schreiben nicht reagiert hat, erging mit Schreiben des Landeshauptmannes vom 09.12.2020 erneut die Aufforderung, binnen einer Woche Auszüge aus dem Betriebstagebuch für das Jahr 2019 zu übermitteln. Widrigenfalls werde der Sachverhalt der Bezirkshauptmannschaft Z mit dem Ersuchen um Überprüfung einer allfälligen verwaltungsstrafrechtlichen Relevanz weitergeleitet.
Mit Schreiben vom 19.03.2021 hat die Bezirkshauptmannschaft Z dem Beschwerdeführer folgende Aufforderung zur Rechtfertigung übermittelt:
„Ihnen, Herr AA, wird als abfallrechtlicher Geschäftsführer iSd § 26 AWG der CC GmbH, Adresse 3, **** Y, zur Last gelegt, dass die mobile Behandlungsanlage „EE, Seriennummer ***“ am Standort Adresse 3, **** Y, im Jahr 2019 entgegen der Nebenbestimmung des Bescheides des Landeshauptmannes von X vom 21.09.2018, Zl. ***, an einem Standort länger als 100 Stunden im Jahr betrieben worden ist.
Entsprechend dem Genehmigungsbescheid des Landeshauptmannes von X vom 21.09.2018, Zl. ***, ist gemäß Spruchpunkt III. B) 8. der Behörde bekannt zu geben, sollte die Behandlungsanlage an einem Standort länger als 100 Stunden im Jahr betrieben werden.
Für die Abfallbehandlungsanlage am Standort DD ist der Betrieb einer stationären Behandlungsanlage nicht genehmigt.“
Bis zur Erlassung des nunmehr angefochtenen Straferkenntnisses vom 20.04.2021 wurde gegenüber dem Beschwerdeführer keine Verfolgungshandlung gesetzt, die sich auf den Tatvorwurf bezieht, dass im Jahr 2019 kein Betriebstagebuch geführt worden sei.
III. Beweiswürdigung:
Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem Behördenakt und ist unstrittig. Insbesondere konnte die belangte Behörde in der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht am 03.03.2022 nur die Schreiben des Landeshauptmannes vom 26.05.2020 und vom 09.12.2020 sowie die Aufforderung zur Rechtfertigung vom 19.03.2021 als Verfolgungshandlung nennen.
IV. Erwägungen:
Gemäß § 31 Abs 1 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen einer Frist von einem Jahr keine Verfolgungshandlung iSd § 32 Abs 2 VStG vorgenommen wird. Diese Frist ist von dem Zeitpunkt zu berechnen, an dem die strafbare Tätigkeit abgeschlossen worden ist oder das strafbare Verhalten aufgehört hat. Auch das AWG 2002 sieht in seinem § 81 Abs 1 eine Verfolgungsverjährungsfrist von einem Jahr vor.
Gemäß § 32 Abs 2 VStG ist eine Verfolgungshandlung jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung (Ladung, Vorführungsbefehl, Vernehmung, Ersuchen um Vernehmung, Beratung, Strafverfügung u. dgl.), und zwar auch dann, wenn die Behörde zu dieser Amtshandlung nicht zuständig war, die Amtshandlung ihr Ziel nicht erreicht oder der Beschuldigte davon keine Kenntnis erlangt hat.
Eine Verfolgungshandlung, die gegen einen zur Vertretung nach außen Berufenen (§ 9 Abs 1 VStG) gerichtet ist, gilt gemäß § 32 Abs 3 VStG auch als Verfolgungshandlung gegen die anderen zur Vertretung nach außen Berufenen und die verantwortlichen Beauftragten. Eine Verfolgungshandlung, die gegen den Unternehmer (§ 9 Abs 3 VStG) gerichtet ist, gilt auch als Verfolgungshandlung gegen die verantwortlichen Beauftragten.
Die besondere Bedeutung der Verfolgungshandlung in Hinblick auf die Verjährung liegt darin, dass die Verfolgungshandlung eine Konkretisierung des Tatvorwurfs insbesondere in zeitlicher und räumlicher Hinsicht enthält. Die dem Beschuldigten vorgeworfene Tat muss dabei unverwechselbar konkretisiert sein, damit dieser in die Lage versetzt wird, auf den Vorwurf zu reagieren und damit sein Rechtsschutzinteresse zu wahren (vgl VwGH 27.06.2014, 2012/02/0171).
Eine – die Verfolgungsverjährung nach § 31 Abs 1 VStG unterbrechende – Verfolgungshandlung nach § 32 Abs 2 VStG hat sich auf eine bestimmte physische Person als Beschuldigten, eine bestimmte Tatzeit, den ausreichend zu konkretisierenden Tatort und sämtliche Tatbestandselemente der durch die Tat verletzten Verwaltungsvorschrift zu beziehen (VwGH 18.09.2019, Ra 2019/04/0086).
In Bezug auf den Beschwerdeführer hat das Ermittlungsverfahren ergeben, dass lediglich die Aufforderung zur Rechtfertigung vom 19.03.2021 als Verfolgungshandlung gegenüber seiner Person gesetzt wurde. Gegenstand dieser Verfolgungshandlung war nur die Betriebsdauer der mobilen Behandlungsanlage im Jahr 2019, nicht jedoch die Führung eines Betriebstagebuches.
Die Schreiben der Abfallrechtsbehörde vom 26.05.2020 und vom 09.12.2020 an die CC GmbH richten sich zunächst an keine bestimmte physische Person als Beschuldigten. Daher kann eine fristgerechte Verfolgungshandlung gegenüber dem Beschwerdeführer auch nicht auf § 32 Abs 3 VStG gestützt werden, da keine Verfolgungshandlung gegenüber einer zur Vertretung nach außen berufenen Person gerichtet wurde. Abgesehen davon wurde die CC GmbH mit diesen Schreiben lediglich aufgefordert, Auszüge aus dem Betriebstagebuch des Jahres 2019 vorzulegen. Diese Aufforderung kann nicht als taugliche Verfolgungshandlung iSd § 32 Abs 2 VStG hinsichtlich des Tatvorwurfes angesehen werden, im Jahr 2019 kein Betriebstagebuch geführt zu haben.
Bis zum angefochtenen Straferkenntnis vom 20.04.2021 wurde betreffend den Beschwerdeführer keine Verfolgungshandlung gemäß § 32 Abs 2 VStG vorgenommen, die den Tatvorwurf der fehlenden Betriebstagebuchführung im Jahr 2019 zum Gegenstand gehabt hätte. Die Verjährungsfrist des § 31 Abs 1 VStG hat mit Ablauf des Jahres 2019 zu laufen begonnen. Mit Ablauf des Jahres 2020 ist somit Verfolgungsverjährung eingetreten. Der Eintritt der Verfolgungsverjährung ist vom Verwaltungsgericht von Amts wegen wahrzunehmen (vgl VwGH 18.03.1998, 96/09/0079). Das Verwaltungsgericht hat in einem solchen Fall das bekämpfte Straferkenntnis zu beheben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG einzustellen (vgl VwGH 19.12.1996, 95/09/0255).
V. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Soweit die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof in Wien für zulässig erklärt worden ist, kann innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung dieser Entscheidung eine ordentliche Revision erhoben werden. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision kann innerhalb dieser Frist nur die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.
Wenn allerdings in einer Verwaltungsstrafsache oder in einer Finanzstrafsache eine Geldstrafe von bis zu Euro 750,00 und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu Euro 400,00 verhängt wurde, ist eine (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichthof wegen Verletzung in Rechten nicht zulässig.
Jedenfalls kann gegen diese Entscheidung binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, erhoben werden.
Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Verwaltungsgericht einzubringen.
Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.
Für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist im Fall der Zulassung der ordentlichen Revision beim Verwaltungsgericht einzubringen. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision ist der Antrag auf Verfahrenshilfe beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen; dabei ist im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.
Zudem besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.
Landesverwaltungsgericht Tirol
Mag. Spielmann
(Richter)
Schlagworte
VerfolgungsverjährungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGTI:2022:LVwG.2021.44.2146.6Zuletzt aktualisiert am
25.03.2022