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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
VwGG §46 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. Beck als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schwarzgruber, über den Antrag des N in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur aufgetragenen Ergänzung der Beschwerde gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 29. Dezember 1994, Zl. UVS-02/32/00063/94-16, betreffend Zurückweisung einer Maßnahmenbeschwerde in einer Angelegenheit der Schubhaft, den Beschluß gefaßt:
Spruch
Dem Antrag wird nicht stattgegeben.
Begründung
Mit Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. Juni 1996, Zl. 95/02/0548, wurde das Verfahren betreffend den nunmehrigen Antragsteller gegen einen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien gemäß § 34 Abs. 2 in Verbindung mit § 33 Abs. 1 VwGG eingestellt, weil dem Mängelbehebungsauftrag des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. Jänner 1996 nach erfolgter Abweisung des Antrages auf Gewährung von Verfahrenshilfe (hg. Beschluß vom 29. März 1996), nicht fristgerecht nachgekommen wurde.
Mit Schriftsatz vom 7. Juni 1996 wurde der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der angeführten Mängelbehebungsfrist gestellt.
Als Begründung hiefür wird im wesentlichen ausgeführt, daß in der Einleitung des hg. Beschlusses betreffend Abweisung des Antrages auf Verfahrenshilfe der Hinweis, daß "über den Antrag des ... (Beschwerdeführers) zur Erhebung der Beschwerde gegen den Bescheid ..." ein Beschluß gefaßt werde, enthalten gewesen sei. Nach Einlangen dieses Beschlusses sei - in der irrtümlichen Annahme, es sei noch eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof offen - in der Kanzlei des Beschwerdevertreters "versehentlich die Beschwerdefrist des § 26 Abs. 1 VwGG" im Kalender eingetragen worden. Die Eintragung von Fristen "im Verwaltungsverfahren" sei für das Kanzleipersonal Routine und bedürfe hinsichtlich dieser Angelegenheit "keinerlei besonderen Überwachung". Über Jahre hinaus seien keine Fehler vorgekommen und sei auch bei probeweise durchgeführten Kontrollen keinerlei Fehler hinsichtlich der Eintragung von Fristen im verwaltungsgerichtlichen Verfahren entdeckt worden.
Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, daß sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Wie der Verwaltungsgerichtshof unter anderem in seinem Erkenntnis vom 28. Juli 1995, Zl. 95/02/0168, zu den Voraussetzungen der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausgeführt hat, trifft nach der ständigen hg. Rechtsprechung das Verschulden des Parteienvertreters die von diesem vertretene Partei. Der Begriff des minderen Grades des Versehens wird als leichte Fahrlässigkeit im Sinne des § 1332 ABGB verstanden. Der Wiedereinsetzungswerber (oder sein Vertreter) darf also nicht auffallend sorglos gehandelt, somit nicht im Verkehr mit Gerichten die für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche oder ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer acht gelassen haben. Dabei ist an berufliche rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen, als an rechtsunkundige oder bisher noch nie an gerichtlichen Verfahren beteiligte Personen. Für die richtige Berechnung der jeweiligen Rechtsmittelfrist in einem bestimmten Fall ist in einer Rechtsanwaltskanzlei stets der Anwalt selbst verantwortlich. Der Rechtsanwalt selbst hat die entsprechende Frist festzusetzen, ihre Vormerkung anzuordnen sowie die richtige Eintragung im Kalender entweder selbst auszuführen oder im Rahmen der ihm gegenüber seinen Kanzleiangestellten gegebenen Aufsichtspflicht zu überwachen (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 26. April 1976, Slg. Nr. 9040/A).
Wie im Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausgeführt wird, hat der Rechtsvertreter des Antragstellers die Frist - entgegen der dargestellten hg. Judikatur - nicht selbst festgesetzt, sondern durch Angestellte seiner Kanzlei festsetzen und in den Kalender eintragen lassen. Schon deshalb, aber auch angesichts der Komplexität des vorliegenden Falles (Ergänzungsauftrag des Verwaltungsgerichtshofes zur vom Verfassungsgerichtshof abgetretenen Beschwerde, gestellter Antrag auf Gewährung von Verfahrenshilfe innerhalb der aufgetragenen Verbesserungsfrist, Abweisung des Antrages auf Gewährung von Verfahrenshilfe) kann mangels erfolgter Festsetzung und entsprechender Anordnung der Eintragung dieser Frist durch den Rechtsvertreters des Antragstellers nicht mehr von einem minderen Grad des Versehens die Rede sein. Auf einen allfälligen Irrtum des Kanzleipersonals infolge des sich ausschließlich auf die Entscheidung über den gestellten Antrag auf Gewährung von Verfahrenshilfe beziehenden hg. Beschlusses vom 29. März 1996 kam es daher im gegenständlichen Fall nicht an, weshalb dem vorliegenden Antrag nicht stattzugeben war.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1996020285.X00Im RIS seit
20.11.2000