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41/02 Melderecht;Norm
FrG 1993 §82 Abs1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Stoll, Dr. Riedinger, Dr. Holeschofsky und Dr. Beck als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schwarzgruber, über die Beschwerde des A, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 19. Juli 1994, Zl. UVS-02/32/00121/93-12, betreffend Festnahme und Anhaltung nach dem Fremdengesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid der belangten Behörde vom 19. Juli 1994 wurde die an diese gerichtete Beschwerde wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt nach dem Fremdengesetz (FrG) betreffend Festnahme des Beschwerdeführers am 10. Dezember 1993 um 22.35 Uhr und dessen bis zum 11. Dezember 1993 um 11.30 Uhr andauernde Anhaltung in Haft gemäß § 67a Abs. 1 Z. 2 in Verbindung mit § 67c Abs. 3 AVG als unbegründet abgewiesen.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher die Behandlung derselben mit Beschluß vom 28. Februar 1995, B 2185/94-3, ablehnte und sie mit Beschluß vom 26. April 1995, B 2185/94-5, dem Verwaltungsgerichtshof abtrat. Dieser hat erwogen:
Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem einfach gesetzlich gewährleisteten Recht, bei Fehlen der Festnahmegründe auch nicht festgenommen zu werden (§ 85 FrG), sowie in seinem Recht, daß die notwendige Anhaltedauer nicht so kurz wie möglich gehalten wurde, verletzt.
Unbestritten ist, daß der Beschwerdeführer im Zeitpunkt seiner Festnahme weder über eine Aufenthaltsbewilligung noch über einen gültigen Sichtvermerk verfügte und für ihn auch keine Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz bestand. Ferner ist unbestritten, daß der Beschwerdeführer in der Nacht des 10. Dezember 1993 ohne Legitimation (Ausweispapiere) im Bereich einer näher bezeichneten U-Bahnstation in Wien aufgegriffen und festgenommen wurde. Eine Anfrage der Behörde beim Zentralmeldeamt hat - wie sich nachträglich herausstellte - die unrichtige Auskunft ergeben, daß der Beschwerdeführer nicht gemeldet sei. Ferner stellte sich bei einer weiteren Anfrage der Behörde beim Bundesministerium für Inneres heraus, daß gegen den Beschwerdeführer ein rechtskräftiges Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren für das Bundesgebiet bestand.
Gemäß § 82 Abs. 1 Z. 1 FrG begeht derjenige eine Verwaltungsübertretung, der nach Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung nicht rechtzeitig ausreist.
Gemäß § 85 Abs. 2 FrG können die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes einen Fremden, den sie bei Begehung einer Verwaltungsübertretung nach den §§ 82 oder 83 Z. 2 lit. b leg. cit. betreten, zum Zwecke einer für die Sicherung des Verfahrens unerläßlichen Vorführung vor die Behörde festnehmen, es sei denn, es wäre aufgrund bestimmter Tatsachen anzunehmen, der Fremde werde das Bundesgebiet unverzüglich verlassen.
Allein schon die Feststellung des Bestehens eines rechtskräftigen Aufenthaltsverbotes gegen den Beschwerdeführer hat hinreichend die Annahme der einschreitenden Organwalter gerechtfertigt, daß der Beschwerdeführer bei Begehung einer Verwaltungsübertretung nach § 82 Abs. 1 Z. 1 FrG betreten wurde. Ob darüberhinaus eine aufrechte Meldung des Beschwerdeführers nach dem Meldegesetz bestanden hat, war für die Annahme des Vorliegens einer Verwaltungsübertretung nach § 82 Abs. 1 Z. 1 FrG nicht wesentlich, weshalb sich auch ein Eingehen auf die in diesem Zusammenhang vorgebrachten Rügen erübrigt. Die Rechtmäßigkeit der Festnahme des Beschwerdeführers war nämlich schon dann gegeben, wenn das einschreitende Sicherheitsorgan ein Verhalten unmittelbar selbst wahrnahm, das es zumindest vertretbarerweise als eine als Verwaltungsübertretung strafbare Tat qualifizieren konnte, wenn also das Organ mit gutem Grund annehmen konnte, daß eine Verwaltungsübertretung begangen wurde (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. Februar 1993, Zl. 92/18/0429, zu § 35 VStG).
Im Hinblick darauf kommt dem Einwand des Beschwerdeführers, der Verwaltungsgerichtshof habe mit Beschluß vom 3. September 1993, Zl. AW 93/18/0130, der gegen einen Bescheid betreffend Zurückweisung einer Berufung in Angelegenheit eines Antrages gemäß § 54 Abs. 1 FrG erhobenen Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt, bei dem von den einschreitenden Polizeibeamten an Ort und Stelle zu beurteilenden Sachverhalt von vornherein keine Relevanz zu, sodaß auf die rechtliche Wirkung des erwähnten hg. Beschlusses nicht näher eingegangen werden braucht.
Der Beschwerdeführer wendet schließlich eine unzulässig lange Anhaltedauer ein. Er bringt in diesem Zusammenhang vor, er habe bereits im Zeitpunkt der Identitätsfeststellung durch die Behörde dieser mitgeteilt, daß er mit einer Österreicherin zusammenwohne, dort gemeldet sei und diese Person seine Identität bestätigen könne.
Dem ist entgegenzuhalten, daß der Beschwerdeführer eine derartige Behauptung erstmals im Zuge des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens vorbringt, sodaß es sich um eine nach § 41 Abs. 1 VwGG unbeachtliche Neuerung handelt. Ein diesbezügliches Vorbringen ist insbesondere weder der Beschwerde an die belangte Behörde noch dem Protokoll über die vor der belangten Behörde am 19. Juli 1994 durchgeführte mündliche Verhandlung zu entnehmen. Dies gilt auch für die Behauptung des Beschwerdeführers, daß gerade das Kommissariat Innere Stadt der Bundespolizeidirektion Wien "über eine entsprechend hohe Anzahl an fremdsprachigen Beamten" verfüge, die schon wesentlich früher (gemeint: als am 11. Dezember 1993 ab 10.50 Uhr) zur Einvernahme des Beschwerdeführers verwendet werden hätten können.
Angesichts des von der belangten Behörde festgestellten Sachverhaltes ist bei einer Gesamtbetrachtung der von der Behörde während des gesamten Zeitraumes, begonnen von der Festnahme am Freitag, dem 10. Dezember 1993, um 22.35 Uhr bis zur Entlassung des Beschwerdeführers getroffenen Vielzahl von Maßnahmen (insbesondere zur Feststellung der Identität des ohne entsprechende Ausweispapiere angetroffenen Beschwerdeführers und zur Beschaffung eines geeigneten, nach Möglichkeit Bengali sprechenden Dolmetschers für die Einvernahme des Beschwerdeführers) eine unverhältnismäßige Dauer der Anhaltung des Beschwerdeführers nicht vorgelegen. Der angefochtene Bescheid war daher auch hinsichtlich der diesbezüglichen Abweisung des Begehrens des Beschwerdeführers nicht rechtswidrig.
Da sich der angefochtene Bescheid sohin als rechtmäßig erweist, war die dagegen gerichtete Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1995020203.X00Im RIS seit
20.11.2000