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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
AsylG 2005 §7 Abs1 Z1Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Mag. Nedwed und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, über die Revision des I A, vertreten durch Mag. Eva Velibeyoglu, Rechtsanwältin in 1100 Wien, Columbusgasse 65/22, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 31. August 2021, W236 1304507-4/6E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger der Russischen Föderation, stellte am 18. August 2004, vertreten durch seine Mutter, einen Antrag auf internationalen Schutz. Der Unabhängige Bundesasylsenat gewährte ihm mit Bescheid vom 21. Dezember 2007 Asyl (durch Erstreckung) und stellte fest, dass ihm kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukomme.
2 Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 4. November 2015 wurde der Revisionswerber wegen des Verbrechens der terroristischen Vereinigung gemäß § 278b Abs. 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt.
3 Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG) vom 19. November 2018 wurde dem Revisionswerber in Bestätigung eines entsprechenden Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) der Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) aberkannt, gemäß § 7 Abs. 4 AsylG 2005 festgestellt, dass ihm die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukomme, der Status des subsidiär Schutzberechtigten sowie ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt und gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen. Weiters wurde festgestellt, dass seine Abschiebung in die Russische Föderation zulässig sei, und ein unbefristetes Einreiseverbot erlassen. Der Beschwerde des Revisionswerbers wurde insoweit stattgegeben, als eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt wurde. Zudem wurde ihr bezüglich der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde stattgegeben und der entsprechende Spruchpunkt ersatzlos behoben.
4 Am 17. Dezember 2020 stellte der Revisionswerber aus dem Stande der Schubhaft den gegenständlichen zweiten Antrag auf internationalen Schutz, den er im Wesentlichen damit begründete, dass er in Tschetschenien wegen seiner Verurteilung bedroht und verhaftet würde. Sein Vater sei zudem ein Widerstandskämpfer gewesen, weshalb ihm Gefahr drohe. Seine alten Fluchtgründe seien aufrecht. Zudem sei er in Österreich aufgewachsen, habe seine Familie in Österreich und niemanden mehr in Tschetschenien. Außerdem habe er bereits zwei Schlaganfälle erlitten.
5 Mit Bescheid vom 23. Juli 2021 wies das BFA den Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück.
6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das BVwG die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
7 Begründend hielt das BVwG - zusammengefasst - fest, dass weder eine maßgebliche Änderung der asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat, noch der vom Revisionswerber vorgebrachten Fluchtgründe seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung vorliege. Der Revisionswerber habe zudem kein neues Vorbringen erstattet, welches einen glaubhaften Kern aufweise. Der Revisionswerber leide an keinen schweren, akut oder in seinem Herkunftsstaat nicht behandelbaren Krankheiten, er sei arbeitsfähig und gerate bei seiner Rückkehr nicht in eine existenzbedrohende Lage.
8 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der ihre Behandlung gemäß Art. 144 Abs. 2 B-VG mit Beschluss vom 29. November 2021, E 3803/2021-6, ablehnte und sie an den Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
9 Dagegen wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zur Zulässigkeit geltend macht, das angefochtene Erkenntnis widerspreche „deutlich der herrschenden Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes“, ohne eine solche näher anzuführen. Angesprochen wird im Folgenden lediglich das Urteil des EuGH vom 9. September 2021, C-18/20, aus dem die Revision ableitet, dass im gegenständlichen Fall das Vorbringen des Revisionswerbers „einer inhaltlichen Würdigung unterzogen hätte werden müssen“. Die Beurteilung der Frage des Vorhandenseins eines „glaubwürdigen Kerns“ gehöre - so die Revision weiter - zum § 68 AVG, welcher aber durch die Verfahrensrichtlinie 2013/32/EU nicht angewendet werden dürfe. Es habe auch keinen gesetzlichen Grund gegeben, von einer mündlichen Beschwerdeverhandlung abzusehen.
10 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan.
11 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
12 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
13 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
14 Da der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG nur im Rahmen der dafür in der Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG gesondert vorgebrachten Gründe zu überprüfen hat, ist er weder verpflichtet, solche anhand der übrigen Revisionsausführengen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit der Revision hätten führen können, aufzugreifen. Dementsprechend erfolgt die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision durch den Verwaltungsgerichtshof ausschließlich anhand des Vorbringens in der Zulassungsbegründung. In der gesonderten Zulassungsbegründung ist konkret darzulegen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht bzw. konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat. Lediglich pauschale Behauptungen erfüllen diese Voraussetzungen nicht (vgl. VwGH 13.10.2021, Ra 2021/14/0320, mwN).
15 Die Revision legt in ihrer Zulässigkeitsbegründung weitgehend nicht konkret dar, von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes das BVwG im gegenständlichen Fall abgewichen sein sollte, und zeigt insofern keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auf.
16 Soweit sie geltend macht, das angefochtene Erkenntnis weiche von den rechtlichen Grundsätzen ab, die sich aus dem Urteil des EuGH vom 9. September 2021, Rs. XY, C-18/20, ergeben, ist ihr lediglich zu erwidern, dass der dort beurteilte Sachverhalt mit dem gegenständlichen Fall nicht vergleichbar ist und diese Entscheidung daher für die Lösung des Revisionsfalles nicht einschlägig ist. Nur der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass der EuGH die Zulässigkeit der Beurteilung des „glaubhaften Kerns“ des Vorbringens bei Folgeanträgen in dieser Entscheidung nicht behandelt hat. Er ist daher auch nicht zu dem Schluss gekommen, dass diese Beurteilung im Lichte des Unionsrechts unzulässig wäre.
17 Wenn die Revision schließlich eine Verletzung der Verhandlungspflicht ins Treffen führt, ist ihr entgegenzuhalten, dass die Verhandlungspflicht im Zulassungsverfahren - wozu auch Beschwerden gegen eine vor Zulassung des Verfahrens ausgesprochene Zurückweisung eines Antrages auf internationalen Schutz nach § 68 AVG zählen - besonderen Verfahrensvorschriften, nämlich § 21 Abs. 3 und Abs. 6a BFA-VG, folgt (vgl. VwGH 7.6.2021, Ra 2020/18/0391, mwN). Dass das BVwG von den in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aufgestellten Leitlinien zur Verhandlungspflicht im Zulassungsverfahren abgewichen wäre, vermag die Revision nicht aufzuzeigen.
18 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 17. Februar 2022
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022180018.L00Im RIS seit
25.03.2022Zuletzt aktualisiert am
25.03.2022