TE Vwgh Beschluss 2022/2/24 Ra 2022/18/0026

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Veröffentlicht am 24.02.2022
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Mag. Nedwed und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, über die Revision des S A, vertreten durch Mag.a Nadja Lindenthal, Rechtsanwältin in 1070 Wien, Siebensterngasse 23/3, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. August 2021, L503 2186492-1/9E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der Revisionswerber, ein irakischer Staatsangehöriger aus Kirkuk, der Volksgruppe der Araber zugehörig sowie Angehöriger der sunnitischen Glaubensrichtung, stellte am 12. Oktober 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Begründend führte er im Wesentlichen aus, seine Familie sei in Kirkuk von Mitgliedern des Islamischen Staates (IS) bedroht worden. Zudem habe er als Angehöriger des Militärs nicht an Kampfhandlungen teilnehmen wollen und sei desertiert, weshalb man ihn töten wolle.

2        Mit Bescheid vom 16. Jänner 2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl diesen Antrag zur Gänze ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 Asylgesetz 2005, erließ eine Rückkehrentscheidung gegen ihn, sprach aus, dass seine Abschiebung in den Irak zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.

3        Die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.

4        Begründend führte das BVwG - soweit für das vorliegende Verfahren wesentlich - aus, der IS habe im Gouvernement Kirkuk eine militärische Niederlage erlitten und eine Wiedererlangung der Kontrolle sei nicht wahrscheinlich, weshalb der Revisionswerber bei seiner Rückkehr nicht mit der Gefahr von Übergriffen durch Kämpfer des IS konfrontiert sei. Selbst wenn es nach wie vor zu Auseinandersetzungen komme, sei nicht von einer gezielten Verfolgung von Einzelpersonen wie dem Revisionswerber auszugehen. Im Hinblick auf die UNHCR-Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus dem Irak fliehen, sei festzuhalten, dass der Revisionswerber als Kraftwagenfahrer lediglich eine untergeordnete Tätigkeit im Militär verrichtet habe, weshalb ihm keine Gefahr aufgrund eines spezifischen Risikoprofils im Sinne der UNHCR-Erwägungen drohe.

5        Der Revisionswerber erhob zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Mit Erkenntnis vom 30. November 2021, E 3746/2021-9, hob der Verfassungsgerichtshof die angefochtene Entscheidung in Bezug auf die Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten und die darauf aufbauenden Spruchpunkte wegen Verletzung des Rechts auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander auf. Im Übrigen lehnte er die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. Begründend führte der Verfassungsgerichtshof im Wesentlichen aus, das BVwG gehe in seiner Entscheidung davon aus, dass die Sicherheitslage im Gouvernement Kirkuk nicht als dermaßen prekär eingeschätzt werden könne, dass praktisch jeder der Gefahr einer Verletzung der durch Art. 2 und 3 EMRK gewährleisteten Rechte ausgesetzt sei. Gleichzeitig habe das Verwaltungsgericht aber Länderfeststellungen getroffen, wonach der IS in dieser Region weiterhin Anschläge gegen Sicherheitskräfte und Zivilpersonen verübe. Vor diesem Hintergrund könne dem BVwG nicht gefolgt werden, wenn es den Herkunftsort Kirkuk für eine Rückkehr des Revisionswerbers als hinreichend sicher erachte. Das BVwG habe in seiner Entscheidung somit die Gefährdungslage für den Revisionswerber aktenwidrig beurteilt.

6        Die vorliegende außerordentliche Revision wendet sich nur mehr gegen die Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten und macht zur Zulässigkeit zusammengefasst geltend, das BVwG habe - wie der Verfassungsgerichtshof bereits erkannt habe - aktenwidrig keine Gefährdung für den Revisionswerber bei Rückkehr nach Kirkuk angenommen. Aus den Länderberichten ergebe sich, dass der IS zunehmend an Stärke und Einfluss gewinne, wohingegen das BVwG zu dem Ergebnis gekommen sei, dass dem Revisionswerber keine Gefährdung durch verbliebene Anhänger des IS drohe. Der Verfahrensfehler sei relevant, weil der Revisionswerber nach den Feststellungen des BVwG beim Militär gewesen sei, weshalb er einem Risikoprofil des UNHCR laut seinen Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus dem Irak fliehen (Mai 2019) entspreche und sohin im Falle seiner Rückkehr nach Kirkuk mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit der Gefahr einer asylrelevanten Verfolgung durch Anhänger des IS ausgesetzt wäre, weshalb ihm der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen sei. Das BVwG habe nicht begründet dargelegt, warum es zu einer anderen Einschätzung der Lage im Herkunftsstaat in Bezug auf den Revisionswerber gekommen sei.

7        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

9        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

10       Die Revision verweist darauf, dass der Verfassungsgerichtshof die Gefährdungslage in der Herkunftsregion des Revisionswerbers als nicht sicher erachtet und dem BVwG insoweit aktenwidrige Feststellungen vorgeworfen habe. Das trifft zwar zu, führt aber nicht dazu, dass dem Revisionswerber, wie die Revision vermeint, Asyl zu gewähren wäre.

11       Die Zuerkennung von Asyl würde nämlich voraussetzen, dass dem Revisionswerber bei Rückkehr in den Herkunftsstaat nicht bloß die vom Verfassungsgerichtshof problematisierte prekäre Sicherheitslage drohe, sondern eine asylrelevante Verfolgung seiner Person. Eine solche hat aber auch der Verfassungsgerichtshof in seiner Vorentscheidung nicht angenommen.

12       Soweit die Revision eine solche aus dem Risikoprofil des Revisionswerbers (ehemalige Tätigkeit als Kraftfahrer der irakischen Armee) laut den einschlägigen UNHCR-Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus dem Irak fliehen (Mai 2019) ableiten möchte, ist ihr Folgendes zu erwidern:

13       Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist den UNHCR-Richtlinien aufgrund des einschlägigen Unionsrechts besondere Beachtung zu schenken. Diese Indizwirkung bedeutet zwar nicht, dass die Asylbehörden in Bindung an entsprechende Empfehlungen des UNHCR internationalen Schutz gewähren müssten. Allerdings haben die Asylbehörden (und dementsprechend auch das BVwG) sich mit den Stellungnahmen, Positionen und Empfehlungen des UNHCR auseinanderzusetzen und, wenn sie diesen nicht folgen, begründet darzulegen, warum und gestützt auf welche entgegenstehenden Berichte sie zu einer anderen Einschätzung der Lage im Herkunftsstaat gekommen sind (vgl. VwGH 28.7.2021, Ra 2020/18/0523, mwN).

14       Diesen Erfordernissen hat das BVwG im gegenständlichen Fall entsprochen. Das BVwG berücksichtigte zunächst die Angaben des Revisionswerbers, dass es nie zu einer persönlichen Konfrontation mit Mitgliedern des IS gekommen sei, sodass nicht davon auszugehen sei, dass gerade der Revisionswerber bei einer Rückkehr in ihr Visier gerate. In Hinblick auf die UNHCR-Erwägungen führte das BVwG aus, dass nicht verkannt werde, dass Mitglieder des Sicherheitsapparates besonders gefährdet seien. Im konkreten Fall habe der Revisionswerber jedoch nur eine untergeordnete Tätigkeit als Kraftfahrer für das irakische Militär wahrgenommen und niemals an Kampfhandlungen teilgenommen, während sich die UNHCR-Erwägungen vorwiegend auf Anschläge auf höherrangige ehemalige Militärangehörige bezögen. Es sei daher nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit von einem drohenden gezielten Angriff auf den Revisionswerber auszugehen.

15       Es kann daher - entgegen den Behauptungen in der Revision - nicht gesagt werden, dass sich das BVwG ohne nähere Auseinandersetzung mit den UNHCR-Erwägungen über diese hinweggesetzt und in unschlüssiger Weise (vgl. zum diesbezüglichen Prüfmaßstab des Verwaltungsgerichtshofes VwGH 10.9.2021, Ra 2021/18/0201, mwN) eine asylrelevante Verfolgung des Revisionswerbers durch Anhänger des IS verneint hätte. Auch stehen die von der Revision zitierten Länderfeststellungen zur Sicherheitslage der getroffenen Beweiswürdigung im Hinblick auf eine drohende asylrelevante Verfolgung des Revisionswerbers nicht entgegen.

16       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 24. Februar 2022

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022180026.L00

Im RIS seit

25.03.2022

Zuletzt aktualisiert am

25.03.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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