TE Vwgh Beschluss 2022/2/24 Ra 2022/05/0003

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Veröffentlicht am 24.02.2022
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Index

L10014 Gemeindeordnung Gemeindeaufsicht Gemeindehaushalt Oberösterreich
L37154 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag Oberösterreich
L81704 Baulärm Umgebungslärm Oberösterreich
L82004 Bauordnung Oberösterreich
L82304 Abwasser Kanalisation Oberösterreich
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof

Norm

BauO OÖ 1994 §2 Abs1 Z1
BauPolZuständigkeitsübertragung OÖ 2003 §2
B-VG Art133 Abs4
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mairinger und die Hofrätinnen Mag. Liebhart-Mutzl und Dr.in Sembacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kieslich, in der Revisionssache der Oberösterreichischen Landesregierung, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom 1. Oktober 2021, LVwG-153232/9/JS - 153234/2, betreffend Behebung eines baupolizeilichen Auftrages wegen Unzuständigkeit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf; mitbeteiligte Parteien: 1. J O, 2. S O und 3. N O, alle in R und alle vertreten durch die Mag. Dr. Christian Janda Rechtsanwalts KG in 4550 Kremsmünster, Herrengasse 1), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

2        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

3        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

4        Mit Bescheid vom 5. Juli 2021 untersagte die Bezirkshauptmannschaft K. (belangte Behörde) den mitbeteiligten Parteien gemäß § 44 Abs. 2 Z 1 der Oö. Bauordnung 1994 (Oö. BauO 1994) die Benützung der Zufahrt zu einem mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde R. vom 25. Oktober 2016 baubewilligten Büro mit Betriebswohnung und Garage auf einem näher bezeichneten Grundstück der KG V.. Die in Rede stehende bauliche Anlage (Zufahrt) sei nicht fertiggestellt, da diese nicht staubfrei im Sinne des Auflagenpunktes 15 des Baubewilligungsbescheides vom 25. Oktober 2016 hergestellt worden sei; auch eine aufrechte Fertigstellungsmeldung liege diesbezüglich nicht vor.

5        Mit dem angefochtenen Erkenntnis hob das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (LVwG) diesen Bescheid wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde auf (I.) und sprach aus, dass dagegen eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei (II.).

6        Begründend führte es dazu zusammengefasst, soweit hier wesentlich, aus, der Erstmitbeteiligte und die Zweitmitbeteiligte hätten am 18. Juli 2016 die Erteilung einer Baubewilligung für den Neubau eines Büros mit Betriebswohnung und Garage auf dem Baugrundstück beantragt. Mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde R. vom 25. Oktober 2016 sei ihnen diese Baubewilligung unter Vorschreibung von Auflagen (u.a. Auflagenpunkt 15 „Die im Freien geplanten KFZ-Stellplätze und Zufahrten sind staubfrei zu befestigen und mit dauerhaften Bodenmarkierungen zu kennzeichnen“) bewilligt worden. Die dagegen von Nachbarn erhobenen Berufungen seien mit Bescheid des Gemeinderates der Gemeinde R. vom 31. März 2017 abgewiesen, in der Folge erhobene Beschwerden der Nachbarn zunächst mit Beschluss des LVwG vom 19. Jänner 2018 als unzulässig zurückgewiesen worden. Dieser Beschluss sei vom Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 27. Februar 2019, Ra 2018/05/0043, aufgehoben worden, woraufhin mit Erkenntnis des LVwG vom 18.2.2020 die Beschwerden der Nachbarn im zweiten Rechtsgang als unbegründet abgewiesen worden seien.

7        Mit Bescheid vom 5. Juli 2021 habe die belangte Behörde den mitbeteiligten Parteien gemäß § 44 Abs. 2 Z 1 Oö. BauO 1994 die Benützung der Zufahrt zum Büro mit Betriebswohnung untersagt, da diese nicht staubfrei im Sinne des Auflagenpunktes 15 des Baubewilligungsbescheides vom 25. Oktober 2016 hergestellt worden sei. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bestehe bei zulässigen Beschwerden keine Beschränkung der Prüf- und Entscheidungsbefugnis der Verwaltungsgerichte; eine Unzuständigkeit sei von Amts wegen und ungeachtet einer Möglichkeit der Verletzung sonstiger subjektiv-öffentlicher Rechte wahrzunehmen (Verweis auf VwGH 27.3.2018, Ra 2015/06/0072). Die belangte Behörde gründe ihre Zuständigkeit auf die Oö. Bau-Übertragungsverordnung. Nach § 1 der genannten Verordnung habe die Gemeinde R. ab 1. April 2018 die Besorgung der im § 2 umschriebenen Angelegenheiten der örtlichen Baupolizei auf die belangte Behörde übertragen. Nach § 2 der Verordnung gelte diese Übertragung jedoch nur für bauliche Anlagen, für die eine gewerbebehördliche Betriebsanlagengenehmigung erforderlich sei. Dies treffe auf das dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegende Bauvorhaben nicht zu; wie bereits vom Verwaltungsgerichtshof im Vorerkenntnis vom 27. Februar 2019 zu Ra 2018/05/0043 ausgesprochen, bedürfe das gegenständliche Bauvorhaben gerade keiner gewerbebehördlichen Betriebsanlagengenehmigung (wird näher ausgeführt). Damit sei der belangten Behörde keine Zuständigkeit zum Vollzug der Angelegenheiten der örtlichen Baupolizei und damit zur Erlassung eines Bauauftrages hinsichtlich des dem Bescheid zugrunde liegenden Bauvorhabens, das einen bloßen Bürobetrieb zum Gegenstand habe, zugekommen, weshalb der Bauauftrag wegen Unzuständigkeit aufzuheben sei. Der von den mitbeteiligten Parteien erwähnte „Bescheid vom 16.09.2019“, mit dem den erst- und zweitmitbeteiligten Parteien die noch nicht rechtskräftige Baubewilligung für die Errichtung einer LKW-Einstellhalle auf dem Baugrundstück erteilt worden sei, sei nicht verfahrensgegenständlich. Die genannte LKW-Einstellhalle sei vom Bauauftrag nicht erfasst und als eigenständige bauliche Anlage bei der Beurteilung der Zuständigkeit nach der Oö. Bau-Übertragungsverordnung nicht zu berücksichtigen.

8        In der Zulässigkeitsbegründung der dagegen erhobenen außerordentlichen Revision bringt die Amtsrevisionswerberin zusammengefasst vor, es existiere in Bezug auf § 2 Abs. 1 der Oö. Bau-Übertragungsverordnung keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes „zur Frage der behördlichen Zuständigkeit bei baulichen Anlagen, die zwar per se betriebsanlagenrechtlich nicht genehmigungspflichtig“ seien, „die aber in einem (funktionalen) Zusammenhang mit einer gewerbebehördlich genehmigungspflichtigen Betriebsanlage stehen“. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 16. September 2019 sei dem Erstmitbeteiligten die Betriebsanlagengenehmigung für die Errichtung und den Betrieb einer Einstellhalle für LKW auf dem näher bezeichneten Grundstück der KG V. erteilt worden. Das vom LVwG angeführte Erkenntnis zu Ra 2018/05/0043 sei nicht einschlägig (wird näher ausgeführt); ab 16. September 2019 liege für die Betriebsanlage „Einstellhalle für LKW“, die in einem funktionalen Zusammenhang mit dem revisionsgegenständlichen Bauvorhaben „Büro mit Betriebswohnung und Garage“ stehe, eine gewerbebehördliche Betriebsanlagengenehmigung vor.

9        Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt dann, wenn die Rechtslage nach den in Betracht kommenden Normen klar und eindeutig ist, eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des
Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht vor, und zwar selbst dann nicht, wenn zu einer der anzuwendenden Normen noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erging (vgl. VwGH 14.9.2021, Ra 2021/06/0112, 23.12.2020, Ra 2019/06/0164, oder auch 28.12.2021, Ra 2021/03/0297, jeweils mwN).

10       Dies ist hier der Fall:

11       Gemäß § 1 der Oö. Bau-Übertragungsverordnung, LGBl. Nr. 61/2003 in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 22/2018 wurde die Besorgung der im § 2 umschriebenen Angelegenheiten der örtlichen Baupolizei der Gemeinde R. mit Wirksamkeit vom 1. April 2018 auf die belangte Behörde übertragen.

12       § 2 der Oö. Bau-Übertragungsverordnung, LGBl. Nr. 61/2003 in der, soweit hier von Relevanz, unverändert in Geltung stehenden Fassung LGBl. Nr. 124/2020, lautet:

§ 2

(1) Die Übertragung gilt nur für bauliche Anlagen, für die eine gewerbebehördliche Betriebsanlagengenehmigung erforderlich ist. Sie umfasst das Baubewilligungs- und Bauanzeigeverfahren, die Angelegenheiten der Bauausführung und Bauaufsicht sowie die baupolizeilichen Maßnahmen (§ 15 und §§ 24 bis 50 der Oö. Bauordnung 1994 [...]). [...]

(2) Bei einer Mischnutzung bzw. -verwendung gilt die Übertragung nur, wenn die betreffende bauliche Anlage überwiegend gewerblichen Zwecken dient. Die überwiegende Nutzung bzw. Verwendung ist anhand der Nutzfläche, bei diesbezüglichem Gleichstand anhand des umbauten Raumes (der Kubatur) zu beurteilen. Im Sinn dieser Bestimmung gilt als Nutzfläche bei Gebäuden die Netto-Gesamtgeschoßfläche, im Übrigen aber die tatsächlich für gewerbliche oder sonstige Zwecke genutzte Fläche.“

13       Dass für das am 25. Oktober 2016 vom Bürgermeister der Gemeinde R.baubewilligte Büro mit Betriebswohnung, dessen Baubewilligung die in Rede stehende Zufahrt nach deren Auflagenpunkt 15. (siehe oben Rz 6) zuzurechnen ist, eine gewerbebehördliche Betriebsanlagengenehmigung nicht erforderlich ist, ergibt sich bereits aus dem den revisionsgegenständlichen Sachverhalt betreffenden Vorerkenntnis des Verwaltungsgerichthofes vom 27. Februar 2019 zu Ra 2018/05/0043, und wird von der Amtsrevisionswerberin auch nicht in Abrede gestellt. Der Ausführung des LVwG weiters, dass es sich bei diesem Büro mit Betriebswohnung um eine andere bauliche Anlage handelt, als die mit Bescheid vom 16. September 2019 offenbar auf demselben Grundstück errichtete LKW-Einstellhalle, tritt die Amtsrevisionswerberin ebenfalls nicht entgegen.

14       Nach dem klaren Wortlaut des § 2 Abs. 1 der Oö. Bau-Übertragungsverordnung gilt die Übertragung jeweils (nur) „für bauliche Anlagen, für die eine gewerbebehördliche Betriebsanlagengenehmigung erforderlich ist“. Eine darüber hinausgehende Übertragung der Zuständigkeit im Sinne der Zulässigkeitsausführungen der Amtsrevisionswerberin, nämlich auf andere bauliche Anlagen, auf die die genannte Voraussetzung nicht zutrifft, sofern nur ein (funktionaler) Zusammenhang mit einer gewerbebehördlich genehmigungspflichtigen Betriebsanlage gegeben sei, ist der Verordnung (die in ihrem § 2 Abs. 2 sogar auch Vorsorge hinsichtlich des - hier nicht festgestellten und auch nicht ersichtlichen - Vorliegens einer Mischnutzung ein- und derselben baulichen Anlage trifft) hingegen eindeutig nicht zu entnehmen.

15       Auch aus § 2 Abs. 1 Z 1 der Oö. Bauordnung 1994 geht (ebenso wie aus allen Vorgängerfassungen der genannten Bestimmung) hervor, dass sich auf einem Grundstück oder Grundstücksteil unterschiedliche bauliche Anlagen befinden können („Im Sinn dieses Landesgesetzes bedeutet: 1. Bebautes Grundstück oder bebauter Grundstücksteil: Grundstücke oder Grundstücksteile, auf denen sich nach diesem Landesgesetz bewilligungspflichtige oder nach § 24a anzeigepflichtige bauliche Anlagen befinden“).

16       Angesichts der klaren Rechtslage wird in der Revision daher keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme; sie war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

17       Bei diesem Ergebnis erübrigte sich die Prüfung allfälliger anderer Zurückweisungsgründe.

Wien, am 24. Februar 2022

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022050003.L00

Im RIS seit

25.03.2022

Zuletzt aktualisiert am

25.03.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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