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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
B-VG Art133 Abs4Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer sowie den Hofrat Mag. Nedwed und die Hofrätin Dr.in Gröger als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, über die Revision der A A, vertreten durch Mag. Georg J. Tusek, Rechtsanwalt in 4150 Rohrbach, Hanriederstraße 8/16, als bestellter Verfahrenshelfer, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. Juni 2021, W123 2205618-1/14E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Die Revisionswerberin ist afghanische Staatsbürgerin. Sie gehört der Volksgruppe der Tadschiken an und ist sunnitische Muslima. Sie lebte verwitwet mit ihren vier Kindern in ländlicher Umgebung in der Provinz Baghlan. Gemeinsam mit ihrer ältesten Tochter kam sie nach Österreich; der Verbleib des ältesten Sohnes ist unbekannt; die beiden anderen Kinder sowie die anderen Verwandten der Revisionswerberin leben im Iran. In Afghanistan hat sie keine Verwandte.
2 Am 24. Dezember 2016 stellte sie einen Antrag auf internationalen Schutz, den sie zusammengefasst damit begründete, dass man in Afghanistan ständig in der Angst lebe, von den Taliban getötet zu werden. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wies den Antrag auf Zuerkennung des Status einer Asylberechtigten ab (Spruchpunkt I.), erkannte den Status einer subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt II.) und erteilte eine befristete Aufenthaltsberechtigung (Spruchpunkt III.).
3 Gegen Spruchpunkt I. erhob die Revisionswerberin Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) und brachte vor, sie wäre als westlich orientierte Frau in Afghanistan asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt. In einer Stellungnahme vom 10. Juni 2021 führte sie ergänzend aus, dass sie als alleinstehende und verwitwete Frau im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan einem Klima ständiger latenter Bedrohung, struktureller Gewalt und unmittelbarer Einschränkungen ausgesetzt wäre. Sie unterliege einem erhöhten Gefährdungsrisiko, weil ihre persönliche Wertehaltung im Gegensatz zu den in Afghanistan vorherrschenden, traditionell-religiösen Werten stehe.
4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das BVwG die Beschwerde als unbegründet ab und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.
5 Begründend führte es aus, es habe nicht festgestellt werden können, dass die Revisionswerberin während ihres Aufenthalts in Österreich eine Lebensweise angenommen hätte, die einen deutlichen und nachhaltigen Bruch mit den allgemein verbreiteten gesellschaftlichen Werten in Afghanistan darstellen würde. Sie habe nicht glaubhaft machen können, dass sie selbst oder ihre Familie von den Taliban bedroht worden sei oder dass sie bei einer allfälligen Rückkehr nach Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer wie immer gearteten Verfolgung ausgesetzt wäre. Einer allfälligen Gefährdung mangels familiärer Anknüpfungspunkte in Afghanistan werde durch die Gewährung subsidiären Schutzes Rechnung getragen.
6 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
7 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
10 Die Revision macht zu ihrer Zulässigkeit zunächst geltend, dass das BVwG bei Durchführung der erforderlichen Ermittlungen zur Lebenssituation der Revisionswerberin zum Ergebnis kommen hätte müssen, dass sie ein vergleichsweises westliches Leben führe. Dabei legt die Revision aber nicht dar, welche (konkrete) „westliche“ Lebensweise die Revisionswerberin angenommen hat, deren Fortsetzung in Afghanistan das BVwG bezogen auf seinen Entscheidungszeitpunkt zu dem Schluss hätte kommen lassen müssen, der Revisionswerberin drohe bei Rückkehr asylrelevante Verfolgung.
11 Schließlich wendet sich die Revision gegen die Beweiswürdigung des BVwG, insbesondere gegen die Schlussfolgerung, dass eine Verfolgung durch die Taliban nicht gedroht habe, weil sich die Revisionswerberin durch Verstecken in ihrem Haus der Bedrohung entzogen habe. Das BVwG hat seine Feststellungen jedoch nachvollziehbar darauf gestützt, dass die Angaben der Revisionswerberin zu den geschilderten Angriffen inkonsistent waren. Eine unvertretbare, die Rechtssicherheit beeinträchtigende Beweiswürdigung, die eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufwerfen könnte, wird damit nicht dargetan (vgl. etwa VwGH 10.9.2021, Ra 2021/18/0227, mwN).
12 Nur der Vollständigkeit halber sei nochmals hervorgehoben, dass der Revisionswerberin bereits vom BFA subsidiärer Schutz gewährt worden ist, womit den existenzbedrohenden Unsicherheiten der Lage in Afghanistan und den zum Zeitpunkt der Entscheidung konkret abschätzbaren Entwicklungen fallbezogen hinreichend Rechnung getragen wurde.
13 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan. Es werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Sie war daher zurückzuweisen.
Wien, am 24. Februar 2022
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021180280.L00Im RIS seit
25.03.2022Zuletzt aktualisiert am
25.03.2022