TE Vwgh Beschluss 2022/3/1 Ra 2020/02/0150

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Veröffentlicht am 01.03.2022
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
86/01 Veterinärrecht allgemein

Norm

B-VG Art133 Abs4
TierschutzG 2005 §37 Abs2
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Dr. Köller sowie die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober und den Hofrat Mag. Straßegger als Richter und Richterin, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schörner, über die Revision des A in R, vertreten durch Dr. Paul Delazer, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Maximilianstraße 2/1, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 8. Juni 2020, LVwG-2020/12/0836-6, betreffend Abnahme gemäß § 37 Abs. 2 zweiter Satz Tierschutzgesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Innsbruck), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Am 28. April 2020 wurden dem Revisionswerber als Tierhalter von der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck zurechenbaren Organen gemäß § 37 Abs. 2 zweiter Satz TSchG 36 Rinder abgenommen.

2        Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol (Verwaltungsgericht) wurde die dagegen erhobene Maßnahmenbeschwerde des Revisionswerbers abgewiesen. In seiner Begründung stellte das Verwaltungsgericht zusammengefasst fest, dass der Amtstierarzt Dr. K. am 20. April 2020 im Zuge einer Impfung am Hof des Revisionswerbers auf ein näher bestimmtes Jungrind aufmerksam geworden sei, welches für jedermann erkennbar gelahmt und unter starken Schmerzen gelitten habe. Das Tier sei drei Wochen zuvor von einem anderen Jungtier gestoßen worden, dennoch sei es nicht tierärztlich versorgt worden. Bei der Nachkontrolle zwei Tage später sei ein schlechter Ernährungszustand des Tieres, hochgradige Lahmheit der linken hinteren Extremität und ein schmerzhafter Zustand des linken Knies durch den Amtstierarzt Dr. O. und den Betreuungstierarzt Dr. K. festgestellt worden. Das Tier habe dann euthanasiert werden müssen. Der Revisionswerber habe keine Einsicht zu den getroffenen tierärztlichen Maßnahmen gezeigt. Laut histologischer Untersuchung habe die Entzündung seit mindestens drei Wochen bestanden. Am 23. April 2020 sei der Revisionswerber vom Amtstierarzt Dr. O. in Anwesenheit von u.a. Dr. K. aufgrund des erneut festgestellten schwerwiegenden Tierschutzverstoßes und unter Berücksichtigung von in der Vergangenheit stattgefundener - näher ausgeführter - Verstöße über die behördliche Abnahme des Tierbestandes am 28. April 2020 nach § 37 Abs. 2 zweiter Satz TSchG und die Kosten der Unterbringung informiert worden. Der Revisionswerber habe keine Einsicht gezeigt, dass kranke Tiere zu behandeln seien und entsprechende Maßnahmen getroffen werden müssten, um ungerechtfertigte Qualen im Sinne von Schmerzen, Leiden und Schäden von diesen Tieren abzuhalten. Aufgrund dieser fehlenden Einsicht und der manifesten Nicht-Erfüllung der Sorgfaltspflicht als Tierhalter sei der Amtstierarzt davon ausgegangen, dass der Revisionswerber auch in Zukunft kranke oder verletzte Tiere keiner tierärztlichen Behandlung unterziehen werde, sodass deren Wohlbefinden gefährdet sei. Am 28. April seien die 36 gehaltenen Rinder abtransportiert worden. Der Ernährungszustand der Jungrinder im Außengatter sei mittelgut, der Kühe im Stall gut bis sehr gut gewesen. Die 36 Rinder seien vor deren Abnahme nicht mehr tierärztlich begutachtet bzw. untersucht worden. Die im Nachhinein in der Notpflegestelle A zu Tage getretenen minderguten Pflegezustände der Tiere und festgestellten Befunde einiger Tiere (insbesondere mangelnde Klauenpflege, Lahmheiten, akute Nabelentzündungen) seien den Amtstierärzten im Zeitpunkt der Tierabnahme nicht bekannt gewesen. Dem Revisionswerber sei in der Vergangenheit bereits eine Reihe von (näher angeführten) Verstößen gegen das TSchG (insbesondere Übertretungen nach § 5) wegen Vernachlässigung und insbesondere Unterlassung von tierärztlich gebotener Versorgung zur Last gelegt worden.

Zudem sei am 12. Mai 2020 gegen den Revisionswerber nach mündlicher Androhung im Zuge einer Tierschutzerhebung am 24. Mai 2019 durch den Amtstierarzt Dr. O. und nach Ersuchen des Amtstierarztes Dr. K. in dessen Gutachten vom 9. Jänner 2020 dann ein Verfahren zur Erlassung eines Tierhaltungsverbotes eingeleitet worden.

3        Zur Rechtmäßigkeit der Abnahme nach § 37 Abs. 2 zweiter Satz TSchG führte das Verwaltungsgericht aus, dass eine solche unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit bereits dann zulässig sei, wenn eine rechtswidrige Handlung oder Unterlassung des Halters vorliege und die Abnahme zur Sicherung des Wohlbefindens notwendig sei, somit wenn das Wohlbefinden des Tieres im Falle seines Verbleibens beim Halter nicht gewährleistet werden könne. Die Maßnahme sei rechtmäßig, weil sie einerseits verhältnismäßig gewesen sei, zumal andere Vorgangsweisen, etwa das mittlerweile eingeleitete Verfahren zur Verhängung eines Tierhaltungsverbots, aufgrund der mit Blick auf mögliche Rechtsmittelverfahren nicht abschätzbaren Verfahrensdauer nicht das Wohlbefinden der Tiere mit sofortiger Wirkung sicherstellen könnten. Andererseits habe der Revisionswerber wiederholt durch (näher ausgeführte) mangelnde Versorgung seiner Tiere gegen § 5 TSchG verstoßen und sei dafür rechtskräftig verwaltungsbehördlich bestraft worden. Vorliegend sei wieder ein offensichtlich leidendes Tier nicht tierärztlich versorgt worden und habe deshalb euthanasiert werden müssen. Der Revisionswerber habe damit zweifelsfrei gegen § 5 TSchG verstoßen. Die Tierabnahme sei aber auch für das Wohlbefinden der Tiere erforderlich gewesen. Angesichts der mangelnden Einsicht des Revisionswerbers sei die Prognose des Amtstierarztes nachvollziehbar gewesen, wonach dieser nicht willens sei, seine Nutztiere tierschutzkonform zu halten und zu betreuen. Dieses Verhalten habe zu Schmerzen, Leiden und Schäden der Tiere geführt, sodass zur Verhinderung weiteren Tierleides und damit auch für das Wohlbefinden der Tiere die Tierabnahme erforderlich gewesen sei. Auch wenn nach dem Wissensstand der einschreitenden Organe im maßgeblichen Zeitpunkt der Abnahme keine akute tierärztliche Versorgung bei anderen Tieren erforderlich gewesen sei, könne mit Blick auf das bisherige Verhalten und die nachhaltig mangelnde Einsicht des Revisionswerbers bei einem größeren Tierbestand jederzeit ein Krankheits- oder Verletzungsfall eintreten. Die Abnahme sei daher rechtmäßig erfolgt.

4        Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

5        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

6        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

7        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8        In der demnach zur Beurteilung der Zulässigkeit allein maßgebenden Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden Revision bringt der Revisionswerber vor, die angefochtene Entscheidung des Verwaltungsgerichts weiche von der „Entscheidung 2011/07/0191“ des Verwaltungsgerichtshofes ab. Dieses Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. Juni 2013 betraf die Anordnung eines Bundesministers an ein Sammel- und Verwertungssystem, einen Betrieb nicht mehr mit Elektroaltgeräten zu beliefern, und erweist sich schon deshalb als nicht einschlägig, weil im Revisionsfall - anders als dort - ein bekämpfbarer Rechtsakt vorliegt.

Auch mit seinem sonstigen Vorbringen in der Zulässigkeitsbegründung zeigt der Revisionswerber keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Hinblick auf die fallbezogen getroffene Ermessensentscheidung auf.

9        In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 1. März 2022

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2020020150.L00

Im RIS seit

25.03.2022

Zuletzt aktualisiert am

28.03.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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