Entscheidungsdatum
31.08.2021Index
82/02 Gesundheitsrecht allgemeinNorm
EpidemieG 1950 §15 Abs1 Z2 idF 2021/I/90Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seine Richterin Mag. Nussgruber über die Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG 1.) der Frau Dr. A. B., …, vertreten durch Herrn Dr. C. D., Rechtsanwalt, …, 2.) des Herrn Dr. C. D., …, und 3.) des Herrn DI Dr. E. F., vertreten durch Herrn Dr. C. D., Rechtsanwalt, …, wegen Verletzung im Recht auf persönliche Freiheit durch Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch deren Festnahme am 20.03.2021, in Wien, R. und nachfolgende Anhaltung im Polizeianhaltezentrum T., für die Dauer von jeweils rund 6 Stunden, gegen die Landespolizeidirektion Wien als belangte Behörde,
zu Recht e r k a n n t :
I. Gemäß § 28 Abs. 1 und 6 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes - VwGVG werden die Beschwerden als unbegründet abgewiesen.
II. Die Beschwerdeführer haben gemäß §§ 35 Abs. 4 Z 3 und 53 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes - VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 i.d.g.F., in Verbindung mit § 1 VwG-Aufwandersatzverordnung - VwG-AufwErsV, BGBl II Nr. 517/2013, dem Bund als Rechtsträger der belangten Behörde jeweils 57,40 Euro für Vorlageaufwand, jeweils 368,80 Euro für Schriftsatzaufwand und 461,00 Euro für Verhandlungsaufwand, insgesamt jeweils 579,87 Euro an Aufwandersatz, binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu leisten.
III. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. 1.1. Die Beschwerdeführer 1.) Frau Dr. A. B. und 2.) Herr Dr. C. D. haben jeweils mit Email vom 21.03.2021 und 3.) Herr DI Dr. E. F. mit E-Mail vom 31.03.2021 beim Verwaltungsgericht Wien Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG wegen Verletzung in ihrem Recht auf persönliche Freiheit durch Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch deren Festnahme sowie ihrer nachfolgenden Anhaltung am 20.03.2021 eingebracht. Die Beschwerde sind nahezu wortident und haben folgenden Inhalt:
Die Beschwerdeführer seien am 20.03.2021, um 15:42 Uhr, in Wien, R., festgenommen worden. Frau Dr. B. sei am 20.03.2021, von 15:42 Uhr bis 21:45 Uhr, Herr Dr. D. am 20.03.2021, von 15:42 Uhr bis 21:30 Uhr, und Herr DI Dr. F. am 20.03.2021, von 15:42 Uhr bis 22:10 Uhr, angehalten worden.
Der Grund für die Anhaltung sei eine vermeintliche Teilnahme an einer Versammlung in Wien, R., gewesen. Tatsache sei, dass die Beschwerdeführer an keiner Versammlung teilgenommen haben. Nach Kenntnis der Beschwerdeführer sei an dem bezeichneten Ort weder eine Versammlung angemeldet worden, noch habe dort eine spontane Versammlung stattgefunden. Es sei lediglich mitgeteilt worden, dass der Behördenleiter den gegenständlichen Bereich zu einem Versammlungsort erklärt habe. Dadurch werde eine Örtlichkeit noch nicht zu einem Versammlungsort. Dieser werde grundsätzlich durch die Person bestimmt, welche die Versammlung anzeige und nicht durch die Behörde. Für die Beschwerdeführer sei lediglich eine Versammlung in rund 200 Meter Entfernung, in Richtung S., erkennbar gewesen, welche von Beamten, offenbar rechtswidrig, eingekesselt worden sei. Diesen Ort zu erreichen, sei für die Beschwerdeführer aber aufgrund des rechtswidrigen und massiv gewalttätigen Vorgehens der Behörde nicht möglich gewesen.
Ferner sei es unklar, warum die Versammlung, sofern eine solche angenommen werde, von der Behörde aufgelöst worden sei. Es seien keine Gründe ersichtlich, weshalb das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Versammlungsfreiheit nach Art. 11 EMRK und Art. 12 StGG hier in dieser Art und Weise eingeschränkt worden sei. In den gegenüber den Beschwerdeführern ergangenen Straferkenntnissen würden sich keine Gründe entnehmen lassen, indes seien Zeitangaben in der Begründung zu finden. Weshalb Zeitangaben festgehalten worden seien, jedoch nicht die Gründe für die Auflösung der Versammlung, somit für die Begründung der Verhinderung der Ausübung eines Grundrechts selbst, sei unerfindlich.
Völlig unerklärbar sei vor allem die Dauer der Anhaltungen. Warum diese fast/rund/über 6 Stunden andauern mussten, sei völlig unverständlich und durch nichts, außer durch Willkür, erklärbar. Aufgrund des Bundes-Verfassungsgesetzes vom 29.11.1988 über den Schutz der persönlichen Freiheit würden sich weder Gründe für die Festnahme überhaupt ergeben, noch für die Dauer der Anhaltungen in diesem Ausmaß. Eine Notwendigkeit habe diesbezüglich in keiner Hinsicht bestanden.
Der Behörde sei es nur darum gegangen, den Beschwerdeführern das ihnen zustehende Versammlungsrecht, insbesondere durch Einschränkung, vorzuenthalten. Allein das Polizeiaufgebot beweise dies eindrücklich. Die Botschaft laute hier, dass das sich friedliche Versammeln unter allen Umständen verhindert werden soll.
Die Beschwerdeführer seien dadurch in ihrem Recht auf persönliche Freiheit verletzt worden.
Es werde daher beantragt, die Anhaltungen der Beschwerdeführer am 20.03.2021, in den eingangs erwähnten Zeiträumen, für rechtswidrig zu erklären und den Bund schuldig zu erkennen, den Beschwerdeführern die ihnen durch das verwaltungsgerichtliche Verfahren entstandenen Kosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
2.1. Die Landespolizeidirektion Wien (im Folgenden: belangte Behörde) erstattete mit Schreiben vom 14.05.2021 und 02.06.2021 Gegenschriften zu den Beschwerdevorbringen, wonach Folgendes entgegengehalten wurde:
Gegenschrift zu VGW-102/076/4060/2021:
„I. SACHVERHALT
Am 20.03.2021 fanden in Wien zahlreiche Versammlungen statt. Unter all diesen Versammlungen bildeten jene der Coronamaßnahmen-Gegner die Versammlungen mit der weitaus größten Teilnehmerzahl. Eine dieser Versammlungen bildete sich im Bereich S.. Nachdem sich diese Versammlung wiederholt in Bewegung gesetzt und kürzere Strecken zurückgelegt hatte, kam sie schließlich wieder zum Stillstand. Sie setzte sich danach neuerlich in Richtung U. in Bewegung. Bereits zuvor war es beim S. zu Gewalttätigkeiten seitens diverser Demonstrationsteilnehmer gekommen. Der Demonstrationszug wurde unter anderem vom Behördenvertreter, Mag. G. begleitet. Dieser hielt auch Kontakt mit dem an diesem Tag als oberstes Entscheidungsgremium eingerichteten Einsatzstab unter der Leitung des Landespolizeipräsidenten.
Die meisten der Versammlungsteilnehmer missachteten ihre Pflicht zum Tragen einer FFP 2 -Maske. Dies war schließlich der entscheidende Grund dafür, die Versammlung behördlich aufzulösen. Die Auflösung wurde von Mag. G. durchgeführt und über Lautsprecherwagen mehrmals bekanntgegeben. Bei den Durchsagen wurde auf die Pflicht der Versammlungsteilnehmer auseinanderzugehen und auf die Konsequenzen der Nichtbefolgung hingewiesen.
Bei jeder Durchsage wurde auch ein Zeitraum verkündet, innerhalb dessen die Anwesenden auseinanderzugehen hätten. Erst nach etwa einer halben Stunde - bis dahin war durchgehend die Möglichkeit gegeben, den Versammlungsort ohne Nachweis der Identität zu verlassen - wurde tatsächlich mit der Überprüfung der Identität zum Zweck der verwaltungsstrafrechtlichen Anzeigeerstattung begonnen.
Auch wenn die BF sich nicht beim Hauptkontingent der Versammlungsteilnehmer aufgehalten haben sollte, sondern ein wenig außerhalb, gehörte sie zur in Rede stehenden Demonstration. Als Teilnehmerin an der Versammlung unterließ sie es trotz wiederholter Aufforderungen und Abmahnungen, die Versammlungsörtlichkeit zu verlassen. Sie wurde deshalb von KontrInsp. H. gemäß § 35 Z 3 VStG festgenommen.
Danach erfolgte per Arrestantenwagen die Überstellung der BF und weiterer Mithäftlinge in das Polizeianhaltezentrum (nachfolgend kurz: „PAZ"). Nach Durchführung des Aufnahmeprozedere und der amtsärztlichen Untersuchung wurde die BF in eine Zelle gebracht. Mit ihr wurde danach (wie auch mit weiteren in dieser Zeit inhaftierten Verwaltungsstrafhäftlingen) vom Zentraljournaldienst eine Strafverhandlung durchgeführt. Danach wurde sie sogleich - nach Durchführung der Entlassungsformalitäten - auf freien Fuß gesetzt.
Beweis: vorgelegte Verwaltungsakten
II. RECHTSLAGE
Die BF erachtet ihre Festnahme und Anhaltung bis 21.30 Uhr für rechtswidrig.
Wie sich aus der Sachverhaltsdarstellung ergibt, hatte die BF die in der Anzeige genannte Verwaltungsübertretung gesetzt.
Gemäß Art. 2 Abs. 1 Z 3 Pers FrG darf die persönliche Freiheit einem Menschen auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise zum Zweck seiner Vorführung vor die zuständige Behörde wegen des Verdachts einer Verwaltungsübertretung, bei der er auf frischer Tat betreten wird, entzogen werden, sofern die Festnahme zur Sicherung der Strafverfolgung oder zur Verhinderung weiteren gleichartigen strafbaren Handelns erforderlich ist.
§ 35 Z 3 VStG normiert den Festnahmegrund des Verharrens in der strafbaren Handlung bzw. des Versuchs, sie zu wiederholen.
Der einschreitende EB konnte vertretbarer Weise vom Vorliegen der in derAnzeige angeführten Verwaltungsübertretung (§ 14 Abs. 1 VersG) ausgehen. Da die BF trotz mehrmaliger Abmahnungen weiterhin in der strafbaren Handlung verharrte, wurde die Festnahme zu Recht auf diesen Haftgrund gestützt.
Die Dauer der Anhaltung war mit weniger als 6 Stunden schon für sich genommen nicht über Gebühr lang.
Dazu kommen noch die konkreten Umstände am Festnahmeort (Großdemonstration mit zahlreichen, auch gewalttätigen Teilnehmern, Notwendigkeit der Identitätsfeststellung bei mehreren hundert Demonstranten, Koordination der Tätigkeit verschiedener Gliederungen von Sicherheitsorganen im Rahmen einer wiederholt zum Tumult ausgearteten Versammlung) und der dadurch, dass mehr als zehn Häftlinge innerhalb kurzer Zeit in das PAZ eingeliefert wurden, entstandene erhöhte Zeitbedarf.
Die Landespolizeidirektion Wien stellt sohin den
ANTRAG,
die Beschwerde kostenpflichtig als unbegründet abzuweisen.
An Kosten werden
• Schriftsatzaufwand und
• Vorlageaufwand
gemäß § 1 der VwG-AufwErsV“
Gegenschrift zu VGW-102/076/4061/2021:
„I. SACHVERHALT
Am 20.03.2021 fanden in Wien zahlreiche Versammlungen statt. Unter all diesen Versammlungen bildeten jene der Coronamaßnahmen-Gegner die Versammlungen mit der weitaus größten Teilnehmerzahl. Eine dieser Versammlungen bildete sich im Bereich des S.. Nachdem sich diese Versammlung wiederholt in Bewegung gesetzt und kürzere Strecken zurückgelegt hatte, kam sie schließlich wieder zum Stillstand. Sie setzte sich danach neuerlich in Richtung U. in Bewegung. Bereits zuvor war es beim S. zu Gewalttätigkeiten seitens diverser Demonstrationsteilnehmer gekommen. Der Demonstrationszug wurde unter anderem vom Behördenvertreter, Mag. G. begleitet. Dieser hielt auch Kontakt mit dem an diesem Tag als oberstes Entscheidungsgremium eingerichteten Einsatzstab unter der Leitung des Landespolizeipräsidenten.
Die meisten der Versammlungsteilnehmer missachteten ihre Pflicht zum Tragen einer FFP 2 -Maske. Dies war schließlich der entscheidende Grund dafür, die Versammlung behördlich aufzulösen. Die Auflösung wurde von Mag. G. durchgeführt und über Lautsprecherwagen mehrmals bekanntgegeben. Bei den Durchsagen wurde auf die Pflicht der Versammlungsteilnehmer auseinanderzugehen und auf die Konsequenzen der Nichtbefolgung hingewiesen.
Bei jeder Durchsage wurde auch ein Zeitraum verkündet, innerhalb dessen die Anwesenden auseinanderzugehen hätten. Erst nach etwa einer halben Stunde - bis dahin war durchgehend die Möglichkeit gegeben, den Versammlungsort ohne Nachweis der Identität zu verlassen - wurde tatsächlich mit der Überprüfung der Identität zum Zweck der verwaltungsstrafrechtlichen Anzeigeerstattung begonnen.
Auch wenn der BF sich nicht beim Hauptkontingent der Versammlungsteilnehmer aufgehalten haben sollte, sondern ein wenig außerhalb, gehörte er zur in Rede stehenden Demonstration. Als Teilnehmer an der Versammlung unterließ er es trotz wiederholter Aufforderungen und Abmahnungen, die Versammlungsörtlichkeit zu verlassen. Er wurde deshalb von KontrInsp. H. gemäß § 35 Z 3 VStG festgenommen.
Danach erfolgte per Arrestantenwagen die Überstellung des BF und weiterer Mithäftlinge in das Polizeianhaltezentrum (nachfolgend kurz: „PAZ"). Nach Durchführung des Aufnahmeprozedere und der amtsärztlichen Untersuchung wurde der BF in eine Zelle gebracht. Mit ihm wurde danach (wie auch mit weiteren in dieser Zeit inhaftierten Verwaltungsstrafhäftlingen) vom Zentraljournaldienst eine Strafverhandlung durchgeführt. Danach wurde er sogleich - nach Durchführung der Entlassungsformalitäten - auf freien Fuß gesetzt.
Beweis: vorgelegte Verwaltungsakten
II. RECHTSLAGE
Der BF erachtet ihre Festnahme und Anhaltung bis 21.30 Uhr für rechtswidrig.
Wie sich aus der Sachverhaltsdarstellung ergibt, hatte der BF die in der Anzeige genannte Verwaltungsübertretung gesetzt.
Gemäß Art. 2 Abs. 1 Z 3 Pers FrG darf die persönliche Freiheit einem Menschen auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise zum Zweck seiner Vorführung vor die zuständige Behörde wegen des Verdachts einer Verwaltungsübertretung, bei der er auf frischer Tat betreten wird, entzogen werden, sofern die Festnahme zur Sicherung der Strafverfolgung oder zur Verhinderung weiteren gleichartigen strafbaren Handelns erforderlich ist.
§ 35 Z 3 VStG normiert den Festnahmegrund des Verharrens in der strafbaren Handlung bzw. des Versuchs, sie zu wiederholen.
Der einschreitende EB konnte vertretbarer Weise vom Vorliegen der in der Anzeige angeführten Verwaltungsübertretung (§ 14 Abs. 1 VersG) ausgehen. Da der BF trotz mehrmaliger Abmahnungen weiterhin in der strafbaren Handlung verharrte, wurde die Festnahme zu Recht auf diesen Haftgrund gestützt.
Die Dauer der Anhaltung war mit weniger als 6 Stunden schon für sich genommen nicht über Gebühr lang.
Dazu kommen noch die konkreten Umstände am Festnahmeort (Großdemonstration mit zahlreichen, auch gewalttätigen Teilnehmern, Notwendigkeit der Identitätsfeststellung bei mehreren hundert Demonstranten, Koordination der Tätigkeit verschiedener Gliederungen von Sicherheitsorganen im Rahmen einer wiederholt zum Tumult ausgearteten Versammlung) und der dadurch, dass mehr als zehn Häftlinge innerhalb kurzer Zeit in das PAZ eingeliefert wurden, entstandene erhöhte Zeitbedarf.
Die Landespolizeidirektion Wien stellt sohin den
ANTRAG,
die Beschwerde kostenpflichtig als unbegründet abzuweisen.
An Kosten werden
• Schriftsatzaufwand und
• Vorlageaufwand
gemäß § 1 der VwG-AufwErsV in der geltenden Fassung verzeichnet“
Gegenschrift zu VGW-102/076/4699/2021:
„I. SACHVERHALT
Am 20.03.2021 fanden in Wien zahlreiche Versammlungen statt. Unter all diesen Versammlungen bildeten jene der Coronamaßnahmen-Gegner die Versammlungen mit der weitaus größten Teilnehmerzahl. Eine dieser Versammlungen bildete sich im Bereich des S.. Nachdem sich diese Versammlung wiederholt in Bewegung gesetzt und kürzere Strecken zurückgelegt hatte, kam sie schließlich wieder zum Stillstand. Sie setzte sich danach neuerlich in Richtung U. in Bewegung. Bereits zuvor war es beim S. zu Gewalttätigkeiten seitens diverser Demonstrationsteilnehmer gekommen. Der Demonstrationszug wurde unter anderem vom Behördenvertreter, Mag. G. begleitet. Dieser hielt auch Kontakt mit dem an diesem Tag als oberstes Entscheidungsgremium eingerichteten Einsatzstab unter der Leitung des Landespolizeipräsidenten.
Die meisten der Versammlungsteilnehmer missachteten ihre Pflicht zum Tragen einer FFP 2 -Maske. Dies war schließlich der entscheidende Grund dafür, die Versammlung behördlich aufzulösen. Die Auflösung wurde von Mag. G. durchgeführt und über Lautsprecherwagen mehrmals bekanntgegeben. Bei den Durchsagen wurde auf die Pflicht der Versammlungsteilnehmer auseinanderzugehen und auf die Konsequenzen der Nichtbefolgung hingewiesen.
Bei jeder Durchsage wurde auch ein Zeitraum verkündet, innerhalb dessen die Anwesenden auseinanderzugehen hätten. Erst nach etwa einer halben Stunde - bis dahin war durchgehend die Möglichkeit gegeben, den Versammlungsort ohne Nachweis der Identität zu verlassen - wurde tatsächlich mit der Überprüfung der Identität zum Zweck der verwaltungsstrafrechtlichen Anzeigeerstattung begonnen.
Auch wenn der BF sich nicht beim Hauptkontingent der Versammlungsteilnehmer aufgehalten haben sollte, sondern ein wenig außerhalb, gehörte er zur in Rede stehenden Demonstration. Als Teilnehmer an der Versammlung unterließ er es trotz wiederholter Aufforderungen und Abmahnungen, die Versammlungsörtlichkeit zu verlassen. Er wurde deshalb von KontrInsp. H. gemäß § 35 Z 3 VStG festgenommen.
Danach erfolgte per Arrestantenwagen die Überstellung des BF und weiterer Mithäftlinge in das Polizeianhaltezentrum (nachfolgend kurz: „PAZ"). Nach Durchführung des Aufnahmeprozedere und der amtsärztlichen Untersuchung wurde der BF in eine Zelle gebracht. Mit ihm wurde danach (wie auch mit weiteren in dieser Zeit inhaftierten Verwaltungsstrafhäftlingen) vom Zentraljournaldienst eine Strafverhandlung durchgeführt. Danach wurde er sogleich - nach Durchführung der Entlassungsformalitäten - auf freien Fuß gesetzt.
Beweis: vorgelegte Verwaltungsakten
II. RECHTSLAGE
Der BF erachtet ihre Festnahme und Anhaltung bis 21.30 Uhr für rechtswidrig.
Wie sich aus der Sachverhaltsdarstellung ergibt, hatte der BF die in der Anzeige genannte Verwaltungsübertretung gesetzt.
Gemäß Art. 2 Abs. 1 Z 3 Pers FrG darf die persönliche Freiheit einem Menschen auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise zum Zweck seiner Vorführung vor die zuständige Behörde wegen des Verdachts einer Verwaltungsübertretung, bei der er auf frischer Tat betreten wird, entzogen werden, sofern die Festnahme zur Sicherung der Strafverfolgung oder zur Verhinderung weiteren gleichartigen strafbaren Handelns erforderlich ist.
§ 35 Z 3 VStG normiert den Festnahmegrund des Verharrens in der strafbaren Handlung bzw. des Versuchs, sie zu wiederholen.
Der einschreitende EB konnte vertretbarer Weise vom Vorliegen der in der Anzeige angeführten Verwaltungsübertretung (§ 14 Abs. 1 VersG) ausgehen. Da der BF trotz mehrmaliger Abmahnungen weiterhin in der strafbaren Handlung verharrte, wurde die Festnahme zu Recht auf diesen Haftgrund gestützt.
Die Dauer der Anhaltung war mit weniger als 6 Stunden schon für sich genommen nicht über Gebühr lang.
Dazu kommen noch die konkreten Umstände am Festnahmeort (Großdemonstration mit zahlreichen, auch gewalttätigen Teilnehmern, Notwendigkeit der Identitätsfeststellung bei mehreren hundert Demonstranten, Koordination der Tätigkeit verschiedener Gliederungen von Sicherheitsorganen im Rahmen einer wiederholt zum Tumult ausgearteten Versammlung) und der - dadurch, dass mehr als zehn Häftlinge innerhalb kurzer Zeit in das PAZ eingeliefert wurden, entstandene - erhöhte Zeitbedarf.
Die Landespolizeidirektion Wien stellt sohin den
ANTRAG,
die Beschwerde kostenpflichtig als unbegründet abzuweisen.
An Kosten werden
• Schriftsatzaufwand und
• Vorlageaufwand
gemäß § 1 der VwG-AufwErsV in der geltenden Fassung verzeichnet“
2.2. Unter einem mit den Gegenschriften der belangten Behörde wurden die bezughabenden Verwaltungsstrafakten der Beschwerdeführer zu VStV/…6/21, VStV/…8/21 und VStV/…1/21, das Protokoll - Führungsstab vom 20.03.2021, GZ PAD/21/…5-GSOD-ID: …, die TKF-Dokumentation vom 20.03.2021 betreffend „Versammlungen/Veranstaltungen gegen Corona-Maßnahmen u.a. am 20.03.2021“ sowie TKF-Dokumentation vom 20.03.2021 betreffend Großkommandierung unter anderem zu „Coronamaßnahmen“ – sowie sonstige Kundgebungen, vorgelegt.
3.1. Im Hinblick auf das Vorbringen der Beschwerdeführer wurde am 18.08.2021 eine öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht durchgeführt, zu der die anwaltlich vertretene Beschwerdeführerin, Dr. A. B., der Beschwerdeführer, Dr. C. D., sowie der anwaltlich vertretene Beschwerdeführer, DI Dr. E. F., die belangte Behörde und die weiteren Zeugen Herr Mag. J. K., Herr Kontrollinspektor H. und Herr Mag. G. geladen wurden. Die belangte Behörde wurde durch Herrn Hofrat Dr. L. vertreten. Die Beschwerdeführer sind trotz ordnungsgemäßer Ladungen unentschuldigt nicht erschienen. Der Zeuge, Herr Mag. J. K., ist entschuldigt nicht erschienen. Alle übrigen geladenen Personen sind ordnungsgemäß erschienen.
Die mündliche Verhandlung am 18.08.2021 wurde in Abwesenheit der ordnungsgemäß geladenen Beschwerdeführer durchgeführt. Dies aus den nachstehenden Gründen:
3.2.1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (z.B. VwGH vom 27.11.2018, Ra 2018/14/0209, VwGH vom 30.11.2020, Ra 2020/19/0342, VwGH vom 03.03.2020, Ra 2020/04/0016, und VwGH vom 27.01.2021, Ra 2020/18/0428) hindert das Nichterscheinen einer ordnungsgemäß geladenen Partei die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht. Voraussetzung für die Durchführung der mündlichen Verhandlung in Abwesenheit der Partei ist somit eine „ordnungsgemäße Ladung“. Davon kann nicht gesprochen werden, wenn einer der in § 19 Abs. 3 AVG genannten - das Nichterscheinen des Geladenen rechtfertigenden - Gründe vorliegt. Eine rechtswirksam geladene Partei hat die zwingenden Gründe für ihr Nichterscheinen darzutun. Sie muss etwa im Fall einer Erkrankung nicht nur deren Vorliegen behaupten und dartun, sondern auch die Hinderung am Erscheinen bei der Verhandlung aus diesem Grund. Die Triftigkeit des Nichterscheinens muss überprüfbar sein (z.B. VwGH vom 11.11.2019, Ra 2019/18/0448 m.w.N.).
Die Verfügung des Präsidenten des Verwaltungsgerichtes Wien, GZ: VGW-PR-1261/2017-1, vom 22.12.2017, gemäß § 10 Abs. 4 VGWG betreffend Sicherheit, enthält u.a. folgende Anordnung:
„Gemäß § 10 Abs. 4 VGWG wird [...], die Vollziehung des § 10 Abs. 6 VGWG zur eigenverantwortlichen Aufgabenbesorgung übertragen.
Sie hat dabei für die Einhaltung aller relevanten Vorschriften, insbesondere der §§ 1-14 und 16 des Gerichtsorganisationsgesetzes (RGBl. Nr. 217/1896 idgF) sowie der Hausordnung des Verwaltungsgerichtes Wien, Sorge zu tragen und sich dabei der Kontrollorgane gemäß § 3 Abs. 1 GOG (= die von Sicherheitsunternehmern (§ 9 Abs. 1) mit der Vornahme der Sicherheitskontrollen Beauftragten) zu bedienen.“
Mit Email vom 29.06.2021 verfügte die Sicherheitsbeauftragte des Verwaltungsgerichtes Wien folgende Vorgehensweise:
„[...] Wenn sich Besucher des VGW weigern, gesetzliche Vorgaben (z.B. FFP 2 – Maskenpflicht gemäß § 5 Abs. 5 iVm Abs. 1 Z 1 und 2 sowie § 1 Abs. 1 Covid-19-Öffnungsverordnung oder Sicherheitskontrolle gemäß § 3 Abs. 1 Gerichtsorganisationsgesetz – GOG), die Hausordnung oder Maßnahmen der Sitzungspolizei (z.B. Verfügung der Entfernung von Verhandlungsteilnehmern gemäß § 34 Abs. 2 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG) zu befolgen, werden zuerst vom VGW die Kontrollorgane der G4S zum Einschreiten aufgefordert [...]. Dies erfolgt vorrangig durch deeskalierende Maßnahmen und als ultima ratio durch Anwendung unmittelbarer Zwangsgewalt.
Wird den Kontrollorganen oder anderen Personen dann mit Gewalt oder gefährlicher Drohung (z.B. Abwehr der einschreitenden Kontrollorgane durch Anschreien, Fuchteln, Abschütteln, …) begegnet, ist die LPD Wien (Notrufnummer: 133) zu Hilfe zu rufen.
Besteht eine akute Gefährdung oder ist eine solche absehbar, sind sofort die Kontrollorgane und die LPD Wien zu Hilfe zu rufen. [...]“
Mit Email vom 02.08.2021 verfügte die Sicherheitsbeauftragte des Verwaltungsgerichtes Wien betreffend die Prüfung der Glaubhaftigkeit von ärztlichen Attesten - Befreiung von der Maskenpflicht, dass „gegenwärtig [...] an der Sicherheitsschleuse die Atteste des Herrn Dr. M. und der Frau Dr. A. B. nicht anerkannt [werden].“ Begründend ist hierzu festzuhalten, dass diese Verfügung aufgrund der von der Österreichischen Ärztekammer bekanntgegebenen Berufsverbote der genannten Ärzte getroffen wurde.
Im diesem Zusammenhang ist zudem zu erwähnen, dass gemäß § 4 Abs. 2 iVm Abs. 1 Z 1 und § 1 Abs. 1 der am 28.06.2021 verlautbarten 2. COVID-19-Öffnungsverordnung von 01.07.2021 bis 31.8.2021 in Verwaltungsgerichten bei Parteienverkehr von Besuchern ein den Mund- und Nasenbereich abdeckenden und enganliegende mechanischen Schutzvorrichtung zu tragen ist.
3.2.2. Vor Beginn der mündlichen Verhandlung am 18.08.2021, somit vor Aufruf der Beschwerdesachen, wurde der Verhandlungsleiterin von einem Kontrollorgan der G4S und einem Mitarbeiter des Präsidiums des Verwaltungsgerichtes Wien persönlich mitgeteilt, dass die Beschwerdeführer respektive der Beschwerdeführervertreter, Herr Rechtsanwalt Dr. C. D., und die Beschwerdeführerin, Frau Dr. A. B., vor der Sicherheitsschleuse des Verwaltungsgerichtes Wien eingetroffen seien und sich weigern würden, eine den Mund- und Nasenbereich abdeckende und enganliegende mechanische Schutzvorrichtung zu tragen. Des Weiteren seien ausschließlich Atteste von Herrn Dr. M. respektive Frau Dr. A. B. für die Unzumutbarkeit des Tragens von MNS-Masken vorgezeigt worden, welche vom Verwaltungsgericht Wien nicht anerkannt werden.
Da die gesetzlichen Voraussetzungen gemäß § 4 Abs. 2 iVm Abs. 1 Z 1 und § 1 Abs. 1 der am 28.06.2021 verlautbarten 2. COVID-19-Öffnungsverordnung nicht eingehalten und ausschließlich Atteste von Herrn Dr. M. bzw. Frau Dr. A. B. für die Unzumutbarkeit des Tragens von MNS-Masken vorgezeigt worden seien (vgl. Verfügung des Sicherheitsbeauftragten des Verwaltungsgerichtes Wien vom 02.08.2021), seien den zuvor genannten Beschwerdeführern respektive dem Beschwerdeführervertreter der Zutritt in das Verwaltungsgerichtes Wien verweigert worden.
3.2.3. Bei Aufruf der Beschwerdesachen ist keine der ordnungsgemäß geladenen beschwerdeführenden Parteien erschienen. Die Beschwerdeführer haben vor Durchführung der mündlichen Verhandlung weder behauptet, dass sie nicht ordnungsgemäß geladen worden wären, noch dass einer der in § 19 Abs. 3 AVG genannten Gründe ihr Nichterscheinen gerechtfertigt hätte, weshalb die mündliche Verhandlung am 18.08.2021 in Abwesenheit der Beschwerdeführer durchgeführt wurde.
Ergänzend ist zu festzuhalten, dass die Nichteinhaltung der gesetzlichen Bestimmungen gemäß § 4 Abs. 2 iVm Abs. 1 Z 1 und § 1 Abs. 1 der am 28.06.2021 verlautbarten 2. COVID-19-Öffnungsverordnung sowie die Nichtbeachtung der Verfügungen des Verwaltungsgerichtes Wien respektive der Sicherheitsbeauftragten des Verwaltungsgerichtes Wien betreffend die Notwendigkeit der Vorlage eines anerkannten Attests für die Befreiung von der Maskenpflicht, kein begründetes Hindernis gemäß § 19 Abs. 3 AVG ist, um vom Erscheinen abgehalten zu werden sowie den ordnungsgemäßen Ladungen zur mündlichen Verhandlung Folge zu leisten.
3.3. Das Beweisverfahren wurde nach Durchführung der mündlichen Verhandlung abgeschlossen. Von der Einvernahme des - entschuldigt - nicht erschienenen Zeugen konnte Abstand genommen werden, da die entscheidungsrelevanten Fragen zum Beweisthema der Dauer der Anhaltungen der Beschwerdeführer vom Behördenvertreter der belangten Behörde umfassend beantwortet werden konnte.
4.1. Das Verwaltungsgericht Wien nimmt als erwiesen an, dass am Samstag, 20.03.2021, eine nicht angemeldete Spontanversammlung ab 13:00 Uhr bis zu deren behördlichen Auflösung in der Zeit von 14:36 Uhr bis 14:53 Uhr durch mehrmalige Durchsage von zwei Taktischen-Kommunikations-Fahrzeugen (im Folgenden: TKF) der belangten Behörde stattfand, um den Unmut gegen den Bundeskanzler respektive über die Maßnahmen der Regierung gegen die Verhinderung der Verbreitung des Corona-Virus kundzutun.
Die Abhaltung dieser nicht angemeldeten Versammlung wurde - nach den Recherchen im Bereich der belangten Behörde - im Vorfeld in den sozialen Medien stark beworben, wobei ein konkreter Sammelort nicht bekannt war.
An der Versammlung am 20.03.2021 nahmen insgesamt zwischen 1.000 bis 1.500 Personen teil, wobei sich diese ab 13:00 Uhr – ad hoc - im V. nächst dem S. sammelten. Danach setzten sich die Versammlungsteilnehmer spontan in Bewegung. Die Route des geschlossenen Demonstrationszugs, welcher sich über eine Distanz von mehreren hundert Metern erstreckte, führte in Richtung U. - W. - V. - U. - Y. - U. und wurde Höhe R. ONr. ... respektive R., in Wien, von den Organen der belangten Behörde angehalten.
Es waren Megaphone im Einsatz sowie Sprechchöre der Kundgebungsteilnehmer zu hören (Inhalt: „Kurz muss weg“), es wurden Fahnen getragen und Transparente mit der Aufschrift z.B. „Kurz muss weg“ von den Kundgebungsteilnehmern mitgeführt.
Etwa 90 % der Versammlungsteilnehmer hielten kein Abstand zueinander ein und trugen keine den Mund- und Nasenbereich abdeckende Schutzvorrichtung („MNS“/FFP“-Masken). Es konnten nur vereinzelte Kundgebungsteilnehmer wahrgenommen werden, die eine MNS/FFP2-Masken trugen.
Um 14:05 Uhr gab der Behördenvertreter, Mag. G., dem Führungsstab der belangten Behörde telefonisch bekannt, dass es im Bereich S. schon zu „Rangeleien“ kam.
In der Zeit von 14:05 Uhr bis 15:48 Uhr waren die grünen Laufbandschriften der eingesetzten TKF aktiviert, welche folgenden Inhalt hatten: „An die Versammlungsteilnehmer: Halten Sie den Mindestabstand von 2 Metern zueinander ein und tragen Sie eine FFP2-Maske.“ Zudem wurde dieser Inhalt in der Zeit von 14:12 Uhr bis 14:19 Uhr fortlaufend durchgesagt. Diese Fahrzeuge („TKF“) begleiteten zunächst den Demonstrationszug der Versammlungsteilnehmer. Danach wurden die TKF verlegt, wobei das TKF 1 - nachdem der Demonstrationszug durch die Organe der belangten Behörde angehalten wurde - direkt hinter der Sperrkette der Organe quer zur Fahrbahn in Wien, R. …, und das TKF 2 in Wien, R. Höhe ONr. …, abgestellt wurde.
Um 14:28 Uhr gab der Behördenvertreter, Mag. G., dem Führungsstab bekannt, dass es im großen Ausmaß zu Verstößen gegen die COVID-19 Schutzmaßnahmen kam, insbesondere wurde von Kundgebungsteilnehmern überwiegend die FFP2-Maskenpflicht missachtet. Im Einvernehmen mit dem Einsatzleiter, dem Herrn Landespolizeipräsidenten, wurde die behördliche Auflösung der Versammlung gemäß § 13 des Versammlungsgesetzes 1953 in Verbindung mit Art. 11 Abs. 2 EMRK verfügt, weil die Abstandsregelungen von den Versammlungsteilnehmern überwiegend nicht eingehalten wurden und der MNS nicht getragen wurde.
Der Gesundheitsschutz überwog das Recht auf Versammlungsfreiheit.
Der in diesem Zusammenhang durchgeführten Lageanalyse der belangten Behörde lagen unter anderem die im zeitlichen Vorfeld der Versammlung erfolgte Korrespondenzen der belangten Behörde mit dem Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 15, über die epidemiologische Lage (ua Infektionsgeschehen, Gefahr der Verbreitung von Virusvarianten, etc.) zugrunde.
Dazu ist festzustellen, dass auf Nachfragen des Landespolizeipräsidenten für Wien von der zuständigen Projektleiterin des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 15, schriftlich zuletzt am 04.03.2021 unter Hinweis auf die bereits getroffenen Aussagen (siehe E-Mail vom 09.02.2021 und 27.01.2021) mitgeteilt wurde, dass auf die erhöhte Übertragbarkeit der SARS-CoV-2 Virus-Mutante B.1.1.7 und die sich daraus ergebende Gefahr eines neuerlichen starken exponentiellen Anstiegs der Fallzahlen hinzuweisen ist. Aufgrund des nach wie vor hohen Fallgeschehens, wurde empfohlen, die gesetzten präventiven Maßnahmen zur Kontaktreduktion weiter fortzusetzen. Zur epidemiologischen Situation mit einer steigenden Anzahl an Infektionen, bei denen die ersten Testergebnisse auf mutierte Varianten des SARS-CoV-2-Virus hinwiesen, wurde ausgeführt, dass in weiten Bereichen zum Schutz vor Ansteckung das Tragen von FFP2-Schutzmasken vorgeschrieben und der vorgeschriebene Mindestabstand auf 2 Meter ausgeweitet wurde. Weiters wurde die belangte Behörde darüber informiert, dass Erhebungen gezeigt haben, dass es bei den neuen Virusvarianten ohne Einhaltung des notwendigen Abstands und ohne Tragen von Schutzmasken aufgrund der erhöhten Übertragbarkeit in wenigen Tagen zu mehr Folgefällen kommen kann. Daher wurde weiters ausgeführt, dass Versammlungsteilnehmer, die den Virus ausscheiden, ohne den geforderten Abstand einzuhalten und ohne Mund-Nasenschutz zu tragen, insofern eine Gefahr für den Gesundheitsschutz darstellen, als es zu Übertragungen kommen kann, die speziell aufgrund der fehlenden Nachvollziehbarkeit von Kontakten, die Bemühungen zur Reduktion der Fallzahlen konterkarieren.
Aus den monatlich erfolgten Einschätzungen der zuständigen Projektleiterin der Magistratsabteilung 15, zuletzt am 04.03.2021, geht hervor, dass diese Empfehlungen und Informationen nach wie vor am 20.03.2021 Gültigkeit hatten.
Mit der behördlichen Auflösung der Versammlung erging weiters die Verfügung des Einsatzleiters besonders darauf zu achten, dass die Kundgebungsteilnehmer einzeln oder in kleinen Gruppen die aufgelöste Versammlung verlassen, wobei hierfür ein Zeitraum bis 15:00 Uhr festgelegt wurde.
Um 14:36 Uhr begannen zeitgleich die - zunächst zweimaligen - Durchsagen durch die TKF mit folgendem Inhalt: „Die LPD Wien gibt bekannt, dass diese Versammlung aufgelöst ist. Sie haben nun die Örtlichkeit einzeln oder in Kleingruppen zu verlassen und auseinanderzugehen. Die Polizei wird Ihre Personendaten aufnehmen – wirken Sie mit und halten Sie Ihre Ausweise bereit.“ In der Zeit von 14:40 Uhr bis 14:42 Uhr wurden diese Durchsagen mehrmals und fortlaufend wiederholt.
Um 14:52 Uhr wurde den Versammlungsteilnehmern durch das TKF 1 und TKF 2 zeitgleich Folgendes mitgeteilt: „Die LPD Wien gibt nochmals bekannt, dass diese Versammlung aufgelöst ist. Sie haben nun die Möglichkeit, die Örtlichkeit zu verlassen und auseinanderzugehen. Ab 15:00 Uhr wird die Polizei damit beginnen, ihre Daten aufzunehmen und Anzeigen zu erstatten – wirken Sie dabei mit und halten Sie ihre Ausweise bereit. Aktuell ist es 14:53 Uhr.“
Am Standort des TKF in Wien, R. Höhe ONr. …, erfolgte in der Zeit von 15:00 Uhr bis 15:03 Uhr eine viermalige Durchsage, wonach die Polizei die Versammlungsteilnehmer aufforderte, an der Identitätsfeststellung mitzuwirken, da die Versammlung aufgelöst wurde. Weiters wurde mitgeteilt, die Ausweise bereit zu halten.
Die Beschwerdeführer befanden sich zum Zeitpunkt der behördlichen Auflösung der Versammlung im Bereich R. in Wien.
Herr Kontrollinspektor H. war am 20.03.2021 Zugskommandant … der Bereitschaftseinheit und hatte die Aufgabe des großen Sicherungs- und Ordnungsdienstes. Er bildete mit seinen Kollegen Kontaktteams, wenn Beanstandungen (z.B. Nichteinhaltung der Abstandsregelungen, Verletzung der Tragepflicht des MNS) erforderlich wurden. Sie hatten in diesem Zusammenhang den Auftrag, den Kontakt mit den Versammlungsteilnehmern herzustellen und aufklärende Gespräche zu führen.
Als der Demonstrationszug durch die Organe der belangten Behörde angehalten wurde, erhielt Herr Kontrollinspektor H. von Herrn Oberst N., Abschnittskommandant, den Auftrag, sich mit seinem Zug in den vorderen Bereich des Demonstrationszugs - mithin zur R., Wien – zu begeben, zumal dort bereits zahlreiche Identitätsfeststellungen und Anzeigenlegungen erfolgten und sich neuerlich eine Gruppe bereits angezeigter Personen bildete.
Dieser Anordnung folgend begab sich Herr Kontrollinspektor H. um etwa 15:30 Uhr zum näher bezeichneten Bereich und konnte feststellen, dass sich dort etwa 50 Personen aufhielten. Er veranlasste, dass eine Sperrkette errichtet wurde und erklärte den anwesenden Personen lautstark und somit gut hörbar, dass auch dieser Bereich von der behördlichen Auflösung der Versammlung erfasst ist, weshalb sie diesen Ort zu verlassen haben. Etwa 5 Personen kamen seiner Aufforderung nach und die verbleibenden Personen quittierten dies mit höhnischem Gelächter.
Die Beschwerdeführer befanden sich zu diesem Zeitpunkt als Teil dieser Gruppierung in der vorderen Reihe, nahmen die Erklärung des Herrn Kontrollinspektor H. ebenfalls lachend wahr und verhielten sich präpotent gegenüber dem Organ. Sie erklärten gegenüber Herrn Kontrollinspektor H., dass sie nicht darüber Bescheid wüssten, dass dieser Bereich zum aufgelösten Versammlungsort gehörte. Herr Kontrollinspektor H. ordnete daraufhin an, dass dieser Bereich aufgrund der aufgelösten Versammlung zu verlassen ist und stellte die Anzeigenerstattung in Aussicht, wenn seiner Anordnung nicht nachkommen wird.
Nach dieser Anordnung verließen weitere 5 bis 10 Personen den Bereich, sodass für Herrn Kontrollinspektor H. erkennbar wurde, welche Personen in ihrem Verhalten - somit in der Weigerung den Bereich der aufgelösten Versammlung zu verlassen - verharren würden, wozu auch die Beschwerdeführer zählten, welche nach wie vor im vordersten Teil der noch vorhandenen Personengruppe standen.
Herr Kontrollinspektor H. hatte den Eindruck, dass ein zu geringes Kräfteverhältnis gegenüber den noch anwesenden Versammlungsteilnehmern bestand, weshalb er die „Einsatzeinheit P.“ zur Unterstützung heranzog. Zu diesem Zeitpunkt zogen sich weitere Personen zurück und gegenüber den noch immer anwesenden Kundgebungsteilnehmern wurde neuerlich die Anzeigenlegung in Aussicht gestellt, wenn sie in ihrem Verhalten weiter verharren würden. Zudem wurde von Herrn Kontrollinspektor H. die Festnahme nach § 35 Z 3 VStG angedroht.
Dies wurde von den Beschwerdeführern wahrgenommen, worauf diese wieder ungläubig lachten und präpotente Aussagen von sich gaben. Vereinzelt wurde durch Aussagen, wonach sie den Ort nicht verlassen werden, klar zum Ausdruck gebracht, dass keine Absicht bestand, den Anordnungen Folge zu leisten. Daraufhin erfolgte die neuerliche Androhung der Festnahme, welche zu keinem veränderten Verhalten der Beschwerdeführer führte. Zu diesem Zeitpunkt standen die Beschwerdeführer in der ersten Reihe der noch anwesenden Personengruppe.
Herr Kontrollinspektor H. ordnete sodann die Absicherung des hinteren Bereichs durch seine Kollegen der „Einsatzeinheit P.“ an und sah für die Durchsetzung der Festnahmen nach § 35 Z 3 VStG in Verbindung mit § 14 Abs. 1 VersammlungsG für jede festzunehmende Person 3 bis 4 Kollegen seines Kontingentes vor.
All jene Personen, welche sich hinter den in weiterer Folge festgenommenen Personen befanden, entfernten sich sogleich, sodass nur noch 4 Personen, darunter die Beschwerdeführer, verblieben und um 15:42 Uhr festgenommen wurden, weil ihnen vorgeworfen wurde, dass sie es als Teilnehmer einer Versammlung zum Thema COVID-19 unterlassen haben, diese Versammlung sogleich zu verlassen und auseinander zu gehen, nachdem die Versammlung vom Behördenvertreter der LPD Wien aufgelöst wurde, da sie am Versammlungsort verblieben und ihn diesem Verhalten verharrten.
Festzuhalten ist, dass die Beschwerdeführer zu keinem Zeitpunkt gegenüber Herrn Kontrollinspektor H. die Ansicht vertraten, nicht an der Versammlung teilgenommen zu haben. Für Herrn Kontrollinspektor H. bestand auch kein Zweifel, dass die Beschwerdeführer Kundgebungsteilnehmer waren, da die Beschwerdeführer in der vordersten Reihe der beschriebenen Personengruppe standen, entsprechende Aussagen tätigten, sich über die Amtshandlung lustig machten und die Organe verhöhnten.
Nach der Festnahme wurde unter Einhaltung der Befehlskette der Arrestantenwagen bestellt. Da der gesamte Verkehr durch die Demonstration zum Erliegen kam, dauerte es zumindest 20 bis 30 Minuten bis dieser eintraf, um die Beschwerdeführer ins Polizeianhaltezentrum T. überstellen zu können.
Danach ergibt sich folgender zeitliche Ablauf hinsichtlich der Anhaltung der Beschwerdeführer:
Dr. B.
Dr. D.
DI Dr. F.
Festnahme
15:42 Uhr
15:42 Uhr
15:42 Uhr
Verfügung ZJ PAZ
16:09 Uhr
16:09 Uhr
16:09 Uhr
Ankunft „Frosch“
zw. 16:15 Uhr und 16:30 Uhr
zw. 16:15 Uhr und 16:30 Uhr
zw. 16:15 Uhr und 16:30 Uhr
Fahrzeit „Frosch“
ca. 30 – 45 Minuten
ca. 30 – 45 Minuten
ca. 30 – 45 Minuten
Ankunft PAZ
ca. 17:00 Uhr
ca. 17:00 Uhr
zwischen 17:00 und 17:30 Uhr
Zugang PAZ
17:16 Uhr
17:35 Uhr
17:50 Uhr
Kontaktaufnahme
RA
zwischen 17:35 Uhr und 17:40 Uhr
-
-
Amtsarzt - Untersuchung
17:52 Uhr
17:56 Uhr
18:08 Uhr
Zelle
ca. 3 ½ Stunden
ca. 3 Stunden
ca. 4 Stunden
Beginn Strafverhandlung
21:30 Uhr
21:08 Uhr
21:53 Uhr
Ende Strafverhandlung
21:35 Uhr
21:17 Uhr
21:55 Uhr
Entlassung
21:45 Uhr
21:30 Uhr
22:10 Uhr
*Frosch = Arrestantenwagen/PAZ = Polizeianhaltezentrum T.
Dazu ist zu bemerken, dass am 20.03.2021 750 Personen angezeigt und ihre Identitäten festgestellt wurden. Darüber hinaus wurden insgesamt 11 Personen festgenommen, welche mit 3 bis 4 Arrestantenwägen zum Polizeianhaltezentrum T. gebracht wurden und dort in der Zeit zwischen 17:00 Uhr und 17:30 Uhr eintrafen. Nach deren Eintreffen wurden das Aufnahmeprozedere („Aufnahmestraße“) vorgenommen, wobei die Personen nur einzeln eingelassen wurden.
Die Dauer der amtsärztlichen Untersuchungen der Beschwerdeführer wurde nicht dokumentiert, sodass die tatsächlichen Wartezeiten in der Zelle bis zum Beginn der mündlichen Verhandlungen nicht festgestellt werden konnte.
Nach den Verbringungen in die Zellen wurde mit der Erstattung der Anzeigen - auf Basis der stichwortartigen schriftlichen Zusammenfassungen der Sachverhalte des Meldungslegers - begonnen und dem Zentraljournal die Einvernahmefähigkeit der Angehaltenen mitgeteilt, welcher sodann die Aktenprüfung vornahm. Dem Zentraljournal wurde für die Vorbereitung der Verhandlungen eine Schreibkraft zur Verfügung gestellt, welche die vorbereiteten standardisierten Formulare zu befüllen hatte und sodann die eigentliche Schreibtätigkeit bei der Verhandlung vornahm.
Nach den Vorbereitungsarbeiten fanden die Einvernahmen der Beschwerdeführer zur angelasteten Verwaltungsübertretung statt, wonach den Beschwerdeführern zur Last gelegt wurde, dass sie am 20.03.2021, um 15:30 Uhr, als Teilnehmer einer Versammlung zum Thema COVID-19 es unterlassen haben, diese Versammlung entgegen § 14 Abs. 1 des Versammlungsgesetzes 1953 sogleich zu verlassen und auseinanderzugehen, nachdem die Versammlung vom Behördenvertreter der LPD Wien um 14:48 Uhr für aufgelöst erklärt worden sei, da sie zumindest bis 15:42 Uhr (= Zeitpunkt des Ausspruchs der Festnahme) am Versammlungsort verblieben seien.
Abschließend ist festzustellen, dass der Zentraljournal, welcher die Strafverhandlungen durchführte, am 20.03.2021 nicht nur die Verfahren der angehaltenen Beschwerdeführer, sondern weitere 4 bis 5 Strafverfahren zu führen hatte.
Von der belangten Behörde wurden personelle Maßnahmen getroffen, um eine unverzügliche Einvernahme zu gewährleisten, indem zusätzliche Juristen eingesetzt und eine Schreibkraft zur Verfügung gestellt wurde, sodass der Zentraljournal die Schreibtätigkeiten sowie standardisierten Eingaben nicht selbst vornehmen musste.
4.2. Diese Feststellungen gründen sich auf folgende Beweisergebnisse:
Bereits aus der TKF-Dokumentation vom 20.03.2021 kann entnommen werden, dass beim S. und im Bereich U. eine „unangemeldete Demo (Corona-Maßnahmengegner)“ stattfand. Der zeugenschaftlich einvernommene Behördenvertreter, welcher im Einvernehmen mit dem Einsatzleiter die Auflösung der Versammlung verfügte, bestätigte, dass es sich am 20.03.2021 um eine nicht angemeldete Spontanversammlung handelte, welche ihren Sammelort im V. hatte und sich der Demonstrationszug sodann ab 13:00 Uhr spontan in Bewegung setzte. Dass die behördliche Auflösung der Versammlung durch die TKF erfolgte, lässt sich aus den beiden vorliegenden und unbedenklichen TKF-Dokumentationen vom 20.03.2021 entnehmen, welche den genauen zeitlichen Ablauf der Durchsagen über die aufgelöste Versammlung, so wie dieser festgestellt wurde, enthalten. Diese Dokumentationen stimmen mit dem vorgelegten Protokoll des Führungsstabs vom 20.03.2021 „Corona-Demo“ überein, wobei sich daraus ergänzend die Vorgehensweise des Behördenvertreters im Einvernehmen mit dem Einsatzleiter, des Herrn Polizeipräsidenten, entnehmen lässt.
Der Behördenvertreter führte auch nachvollziehbar aus, dass es im Vorfeld Recherchen der belangten Behörde gab, wonach in den sozialen Medien diese Versammlung stark beworben wurde. Diese Aussage war angesichts der geschätzten Teilnehmeranzahl von etwa 1.000 bis 1.500 Personen (siehe Bericht CMG, GZ: LVT W-700, und dazu im Einklang stehende Zeugenaussage des Behördenvertreters) schlüssig.
Dass die Versammlungsteilnehmer ihren Unmut gegen den