TE Lvwg Erkenntnis 2022/1/13 VGW-031/076/18259/2021

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Veröffentlicht am 13.01.2022
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Entscheidungsdatum

13.01.2022

Index

90/01 Straßenverkehrsordnung
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

StVO 1960 §7 Abs4
StVO 1960 §9 Abs1
StVO 1960 §24 Abs1 litn
VStG 1991 §45 Abs1 Z1

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seine Richterin Mag. Nussgruber über die Beschwerde des Herrn Mag. A. B., Wien, C.-gasse 4, gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 67, vom 29.11.2021, Zahl MA67/…/2021, wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 24 Abs. 1 lit. n Straßenverkehrsordnung (StVO),

zu Recht e r k a n n t:

I. Gemäß § 50 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes - VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben, das Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG eingestellt.

II. Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG hat der Beschwerdeführer keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten.

III. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 – VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 des Bundesverfassungsgesetzes – B-VG unzulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I. 1. Das angefochtene Straferkenntnis vom 29.11.2021, Zahl MA67/…/2021, enthält folgenden Spruch:

„1. Datum/Zeit: 22.09.2021, 19:36 Uhr

    Ort:                               Wien, C.-gasse 8

    Betroffenes Fahrzeug:         Kennzeichen: W-... (A)

    Funktion:                        Lenker/in

Sie haben auf einer Straßenstelle, die nur durch Verletzen eines gesetzlichen Verbotes erreicht werden kann, nämlich auf einer Fahrbahn mit durch Sperrlinie getrennten Fahrstreifen am linken Fahrbahnrand, gehalten.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt:

1. § 24 Abs. 1 lit. n StVO

Wegen dieser Verwaltungsübertretung(en) wird (werden) über Sie folgende Strafe(n) verhängt:

Geldstrafe von   falls diese uneinbringlich ist,    […]      Gemäß

Ersatzfreiheitsstrafe von

1. € 78,00               0 Tage(n) 18 Stunde(n)    § 99 Abs. 3 lit. a StVO

0 Minute(n)    

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG zu zahlen:

€ 10,00 als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10% der Strafe, jedoch mindestens € 10 für jedes Delikt.

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher

€ 88,00“

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass auf Grund der eigenen dienstlichen Wahrnehmung des Parkraumüberwachungsorgans der Landespolizeidirektion Wien sowie der im Zuge der Beanstandung angefertigten Fotos ersichtlich sei, dass das Kraftfahrzeug mit dem behördlichen Kennzeichen W-... auf einer Straßenstelle, welche nur durch Verletzen eines gesetzlichen Verbots der Straßenverkehrsordnung - StVO erreicht werden könne, nämlich auf einer Fahrbahn mit durch Sperrlinie getrennten Fahrstreifen am linken Fahrbahnrand, abgestellt worden sei. Der Beschwerdeführer habe unter Beachtung des Rechtsfahrgebotes gemäß § 7 StVO entweder beim Zufahren, spätestens jedoch beim Abfahren die Sperrlinie überfahren müssen, um sich wieder korrekt in den Fließverkehr einordnen zu können. Es läge kein Rechtfertigungsgrund vor, welcher das tatbestandsmäßige Verhalten ausnahmsweise erlaubt gehabt hätte bzw. die Strafbarkeit aufheben würde. Ferner habe der Beschwerdeführer sein fehlendes Verschulden an der Verwirklichung des objektiven Tatbestandes nicht glaubhaft machen können.

2. In der dagegen formgerecht und rechtzeitig eingebrachten Beschwerde bringt der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, dass er am Abend, 22.09.2021, gegen 19:15 Uhr, sein Kraftfahrzeug in der Nähe seiner Wohnung, in der C.-gasse 4, am linken Fahrbahnrand abgestellt habe. Dabei sei er von der D.-gasse kommend etwa auf Höhe des Hauses C.-gasse 4/6 gefahren, um dann die Fahrbahn zu wechseln und rückwärts in die Parklücke einzufahren. Zu diesem Zweck habe er etwa eine Fahrzeuglänge retourgeschoben, um in die Parklücke zu gelangen. Die in Rede stehende Sperrlinie ende knapp hinter der Busstation und der Beschwerdeführer habe diese nicht berührt oder überfahren, da er rückwärts eingeparkt habe und die Sperrlinie an dieser Stelle nicht mehr vorhanden sei.

Da sowohl vor als auch hinter seinem Kraftfahrzeug andere Kraftfahrzeuge eingeparkt gewesen seien, hätte er auch auf keine andere Art und Weise, wie die von ihm dargelegte, einparken können. Er habe beim Rückwärtseinparken die Fahrbahn zwei Fahrzeuge vor der angepeilten Parklücke gewechselt, den Rückwärtsgang eingelegt, sich in parallele Position zum davor geparkten Auto gebracht, eingeschlagen und eingeparkt. Beim Parkvorgang habe er keine Straßenbenützer der Gegenfahrbahn behindert.

Am Morgen, 23.09.2021, seien die Parkplätze vor seinem Auto frei gewesen. Er sei mit seinem Auto am Parkstreifen vorgerollt, habe angehalten und habe daraufhin die Spur gewechselt, um sich zügig in den Fließverkehr korrekt einzuordnen. Er habe dabei keinen Straßenbenützer gefährdet und auch nicht gegen das Rechtsfahrgebot verstoßen.

Die Annahme der belangten Behörde, die von ihm gewählte Parklücke sei nur durch Verletzten eines gesetzlichen Verbotes zu erreichen gewesen, sei aufgrund der örtlichen Umstände und den angefertigten Fotos falsch. Betrachte man die Parklücke und die Sperrlinie vor Ort bzw. auf seiner im Einspruch angefertigten Skizze, so sei ersichtlich, dass die Parklücke jedenfalls auch ohne Überfahren der Sperrlinie erreicht werden könne. Er habe das Rechtsfahrgebot beachtet und sein Kraftfahrzeug lediglich für den Einparkvorgang auf die linke Fahrbahnseite gelenkt. Zum Zweck des Einparkens sei es erlaubt, auf die linke Fahrbahnseite zu wechseln.

3.1. Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens wird folgender Sachverhalt als erwiesen angenommen:

Der Beschwerdeführer hatte am 22.09.2021, um 19:36 Uhr, das Fahrzeug mit dem Kennzeichen W-... (A) in Wien, C.-gasse 8, abgestellt gehabt.

Die Zufahrt zum Fahrbahnrand und zum gegenständlichen Abstellort erfolgte dabei von der rechten Fahrbahn aus durch Linkszufahren.

Es kann weder festgestellt werden, dass es sich bei der vom Beschwerdeführer als Abstellort gewählten Straßenstelle im Allgemeinen um eine solche Straßenstelle handelt, welche nur durch Verletzung eines gesetzlichen Verbotes erreicht werden kann, noch, dass der Beschwerdeführer im konkreten Fall die Straßenstelle durch Verletzen eines gesetzlichen Verbotes erreicht hätte.

Es handelt sich bei der C.-gasse weder um eine Vorrangstraße im Ortsgebiet, noch befinden sich dort Fahrbahnen mit Gleisen von Schienenfahrzeugen; bei dem vom Beschwerdeführer gewählten Abstellort handelt es sich auch nicht um eine unübersichtliche Straßenstelle. Darüber hinaus konnte nicht festgestellt werden, dass beim Zufahren des Beschwerdeführers zum linken Fahrbahnrand andere Straßenbenützer gefährdet oder behindert wurden, starker Verkehr herrschte oder der Beschwerdeführer im Zuge des Linkszufahrens eine Sperrlinie überfuhr.

3.2. Bei der Beweiswürdigung waren folgende Erwägungen maßgeblich:

Die Sachverhaltsfeststellungen gründen sich auf den unbedenklichen Akteninhalt. Der konkrete Abstellort ergibt sich aus den im vorgelegten Akt inne liegenden Fotos, welche im Zuge der Beanstandung durch den Meldungsleger der Landespolizeidirektion Wien angefertigt wurden. Die Feststellungen, wonach es sich bei der C.-gasse um keine Vorrangstraße handelt, sich dort auch keine Fahrbahnen mit Gleisen von Schienenfahrzeugen befinden und es sich beim Abstellort auch um keine unübersichtliche Straßenstelle handelt, stützt sich auf eine Einsichtnahme in den Stadtplan Wiens (www.wien.gv.at/stadtplan/).

Die belangte Behörde stützt ihre Feststellung, wonach der Beschwerdeführer das Fahrzeug mit dem Kennzeichen W-... (A) am 22.09.2021, um 19:36 Uhr, auf einer Straßenstelle abgestellt habe, die nur durch Verletzen eines gesetzlichen Verbotes erreicht werden könne, ausschließlich auf Vermutungen und ging auf das Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach er erst nach Ende der Sperrlinie die Straßenseite gewechselt habe und rückwärts – wie auf der beigebrachten Skizze ersichtlich – in die Parklücke eingeparkt habe, nicht näher ein. Sie stellte weder konkrete Überlegungen an, wie im konkreten Fall die Zufahrt zum Abstellort tatsächlich erfolgte, noch wie sich die Verkehrslage im Tatzeitpunkt darstellte. Der Beschwerdeführer wurde beim Linkszufahren ausweislich des vorliegenden Akteninhaltes auch nicht vom Meldungsleger beobachtet, sodass es sich bei den Ausführungen der belangten Behörde, wonach der Beschwerdeführer unter Beachtung des Rechtsfahrgebotes gemäß § 7 StVO entweder beim Zufahren, spätestens aber beim Abfahren die Sperrlinie überfahren musste, um sich wieder korrekt in den Fließverkehr einzuordnen, um reine Mutmaßungen handelt.

Aufgrund dieses Umstandes und der insoweit glaubhaften - und den Feststellungen der belangten Behörde widersprechenden - Ausführungen des Beschwerdeführers, wonach er abends gegen 19:15 Uhr eingeparkt und keine anderen Verkehrsteilnehmer gefährdet respektive behindert habe, sowie dass er den gegenständlichen Parkplatz ohne Überfahren der Sperrlinie erreicht bzw. verlassen habe, konnte letztlich nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer das in Rede stehende Fahrzeug auf einer Straßenstelle, die nur durch Verletzen eines gesetzlichen Verbotes erreicht werden kann, abstellte.

II. Die hier maßgebliche Rechtslage stellt sich wie folgt dar:

Gemäß § 7 Abs. 4 StVO dürfen andere Straßenbenützer beim Zufahren zum linken Fahrbahnrand und beim Abfahren vom linken Fahrbahnrand nicht gefährdet oder behindert werden. Bei starkem Verkehr, auf unübersichtlichen Straßenstellen, auf Vorrangstraßen im Ortsgebiet und auf Fahrbahnen mit Gleisen von Schienenfahrzeugen ist das Zufahren zum linken Fahrbahnrand, außer in Einbahnstraßen, verboten.

Gemäß § 9 Abs. 1 StVO dürfen Sperrlinien nicht überfahren werden.

Gemäß § 24 Abs. 1 lit. n StVO ist das Halten und Parken auf Straßenstellen, die nur durch Verletzen eines gesetzlichen Verbots (z.B. nach § 7 Abs. 4 StVO oder nach § 52 Z 1 StVO) erreicht werden können, verboten.

Gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Verwaltungsübertretung bildet.

III. 1. Nach der Tatanlastung des angefochtenen Straferkenntnisses vom 1.2.2021 wird dem Beschwerdeführer vorgeworfen, er habe am 22.09.2021, um 19:36 Uhr, in Wien, C.-gasse 8, das Fahrzeug mit dem Kennzeichen W-... (A) auf einer Straßenstelle abgestellt, die nur durch Verletzen eines gesetzlichen Verbotes erreicht werden könne, da das Fahrzeug auf einer Fahrbahn mit durch Sperrlinie voneinander getrennten Fahrstreifen am linken Fahrbahnrand gehalten habe.

2.1. Eine Bestrafung kann nur erfolgen, wenn mit der dafür erforderlichen Sicherheit feststeht, dass das der Bestrafung zugrundeliegende strafbare Verhalten auch tatsächlich von der beschuldigten Person verwirklicht worden ist.

2.2. Die dem Beschwerdeführer zur Last gelegte Verwaltungsübertretung kann nicht mit der erforderlichen Sicherheit als erwiesen erachtet werden, und zwar aus folgenden Gründen:

Entgegen den diesbezüglichen Ausführungen der belangten Behörde im angefochtenen Straferkenntnis konnte im vorliegenden Fall nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer tatsächlich die gegenständliche Tatörtlichkeit nur durch Verletzen eines gesetzlichen Verbotes erreichen konnte. Insbesondere konnte ein Verstoß gegen § 7 Abs. 4 StVO nicht festgestellt werden, da es sich bei der C.-gasse weder um eine Vorrangstraße im Ortsgebiet, noch um Fahrbahnen mit Gleisen von Schienenfahrzeugen handelt und sich auch bei der konkreten Abstellörtlichkeit keine unübersichtliche Straßenstelle befindet, bei welcher ein Linkszufahren verboten wäre. Auch dafür, dass im gegenständlichen Fall starker Verkehr vorgelegen wäre oder durch das Einparkmanöver des Beschwerdeführers konkret andere Straßenbenützer gefährdet oder behindert worden wären, finden sich im vorliegenden Akteninhalt keinerlei Anhaltspunkte und sind solche auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht hervorgekommen. Darüber hinaus konnte letztlich auch ein Verstoß gegen § 9 Abs. 1 StVO, wonach das Überfahren von Sperrlinien verboten ist, nicht mit der für das Verwaltungsstrafverfahren erforderlichen Sicherheit festgestellt werden. Auch ein rein hypothetisches Gefährdungspotenzial für andere Verkehrsteilnehmer im Zuge des Abfahrens vom gegenständlichen Abstellort vermag – ohne jegliche Auseinandersetzung mit den konkreten Umständen des Falles – das Vorliegen einer Verwaltungsübertretung nach § 24 Abs. 1 lit. n StVO nicht zu begründen.

Es konnte daher im Ergebnis weder ein Verstoß des Beschwerdeführers gegen § 7 Abs. 4 StVO, noch gegen § 9 Abs. 1 StVO, noch gegen ein sonstiges gesetzliches Verbot festgestellt werden, sodass zugunsten des Beschwerdeführers zu entscheiden, der Beschwerde daher Folge zu geben, das Straferkenntnis zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren spruchgemäß einzustellen war.

3. Gemäß § 44 Abs. 2 VwGVG konnte eine öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht entfallen, da bereits auf Grund der Aktenlage feststand, dass das mit Beschwerde angefochtene Straferkenntnis aufzuheben war. Die belangte Behörde hat zudem in ihrem Vorlageschreiben vom 29.12.2021 auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

4. Die Kostenentscheidung stützt sich auf die im Spruch zitierte Gesetzesstelle.

5. Eine ordentliche Revision beim Verwaltungsgerichtshof ist nicht zulässig, weil keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfragen vor. Die Strafbemessung erfolgte anhand einer einzelfallbezogenen Abwägung, die nach den in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entwickelten Grundsätzen vorgenommen wurde, und warf daher keine Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung auf.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Zufahren zum linken Fahrbahnrand; Abfahren vom linken Fahrbandrand; Sperrlinie; Halten und Parken auf Straßenstellen, die nur durch Verletzen eines gesetzlichen Verbots erreicht werden können; erforderliche Sicherheit; Einstellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2022:VGW.031.076.18259.2021

Zuletzt aktualisiert am

24.03.2022
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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