TE Vwgh Erkenntnis 1996/7/10 95/15/0141

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Veröffentlicht am 10.07.1996
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Index

32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;
32/04 Steuern vom Umsatz;
63/01 Beamten-Dienstrechtsgesetz;
72/01 Hochschulorganisation;
72/16 Sonstiges Hochschulrecht;

Norm

Abgeltung von Lehr- und Prüfungstätigkeiten 1974 §1;
BDG 1979 §179;
BDG 1979 §180;
EStG 1988 §2;
EStG 1988 §22 Z1;
EStG 1988 §25;
KHSchOrgG §9 Abs1 Z4;
KHSchOrgG §9 Abs1 Z5;
UOG 1975 §23 Abs1;
UOG 1975 §23;
UOG 1975 §38 Abs4;
UOG 1975 §38;
UOG 1975 §40;
UOG 1975 §43 Abs3;
UStG 1972 §2 Abs1;
UStG 1972 §2;
UStG 1994 §2 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Wetzel, Dr. Steiner, Dr. Mizner und Dr. Zorn als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hajicek, über die Beschwerde des Präsidenten der Finanzlandesdirektion für Steiermark gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Steiermark (Berufungssenat) vom 22. Juni 1995, Zl. B 98-3a/94, betreffend Umsatzsteuer 1992 (mitbeteiligte Partei: Dr. W in G), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Die Mitbeteiligte ist Universitätsassistent an der medizinischen Fakultät der Universität Graz. Dort war er im Wintersemester 1991/92 und im Sommersemester 1992 auch im Rahmen eines nicht remunerierten Lehrauftrages im Ausmaß von zwei Wochenstunden tätig; dadurch erzielte er im Jahr 1992 eine Kollegiengeldabgeltung in Höhe von S 50.016,--.

In der Berufung gegen den Umsatzsteuerbescheid wandte sich der Mitbeteiligte gegen die umsatzsteuerliche Erfassung der Kollegiengelder. Zur Begründung führte er aus, die Lehrauftragstätigkeit werde im engsten Konnex zum Dienstverhältnis innerhalb der Dienstzeit und mit örtlicher Bindung an die Hörsäle des Institutes über Auftrag des Institutsvorstandes ausgeübt.

Das Finanzamt wies die Berufung mit Berufungsvorentscheidung ab. Die Erteilung eines Lehrauftrages führe nach § 43 Abs. 3 UOG nicht zu einem Dienstverhältnis des Lehrbeauftragten. Da der Lehrbeauftragte in der Regel von den Weisungen der Hochschul- und Unterrichtsbehörde frei sei und sowohl das Ausmaß der von ihm für die Vorbereitung seiner Vorträge aufzuwendenden Zeit als auch der Umfang der mit seiner Tätigkeit zusammenhängenden Aufwendungen in seinem Belieben stehe, beziehe er Einkünfte aus selbständiger Arbeit, die der Umsatzsteuer zu unterwerfen seien.

Im Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz führte der Mitbeteiligte aus, ein Lehrbeauftragter stehe dann in einem Dienstverhältnis, wenn er fest in den Betrieb eines Hochschulinstitutes eingegliedert sei und dort gleich den anderen am betreffenden Institut als Arbeitnehmer beschäftigten Personen tätig sei. Seien die zeitliche und örtliche Bindung des Lehrbeauftragten an eine bestimmte Arbeitsstätte und seine Abhängigkeit vom Institutsbetrieb bereits so groß, daß sie sich faktisch nicht mehr von der eines Dienstnehmers unterschieden, so dürfe dies auch umsatzsteuerlich nicht anders beurteilt werden. Der Mitbeteiligte sei an dem Institut, an dem er seine Lehrtätigkeit absolviere, als Dienstnehmer tätig. Er absolviere den Lehrauftrag in engstem Konnex zum Dienstverhältnis innerhalb der Dienstzeit mit örtlicher Bindung an die Hörsäle des Institutes und über Auftrag des Institutsvorstandes.

Über Anfrage der belangten Behörde teilte die Universtität Graz mit, für den Fall einer teilweisen Nichtabhaltung von Lehrveranstaltungen werde für die Berechnung der Kolleggeldabgeltung nur die tatsächliche Lehrtätigkeit als Grundlage herangezogen.

In der mündlichen Berufungsverhandlung gab der Mitbeteiligte an, er sei als nicht habilitierter Assistent tätig und gegenüber dem Institutsvorstand weisungsgebunden. Die zwei Wochenstunden des Lehrauftrages seien faktisch Überstunden eines Assistenten. Lehraufträge könnten nicht abgelehnt werden. Die Themen würden streng vorgeschrieben, Skripten würden beigegeben. Es handle sich um ein bloßes Vorlesen im Rahmen eines Dienstverhältnisses.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung Folge. Der Mitbeteiligte habe vorgebracht, die Eingliederung in den Betrieb eines Hochschulinstitutes ergebe sich im gegenständlichen Fall daraus, daß er hinsichtlich der mit Kollegiengeldern abgegoltenen Lehraufträge über Anweisung des Institutsvorstandes eine Lehrtätigkeit wahrnehmen habe müssen, deren Themen streng vorgegeben und für die Skripten beigestellt worden seien. Derartige Lehraufträge könnten vom Assistenten nicht abgelehnt werden. Die Lehrauftragstätigkeit sei daher Teil des Dienstverhältnisses des Mitbeteiligten. Dieser Argumentation trete die belangte Behörde bei. Der Tätigkeit des Mitbeteiligten komme das Merkmal der Selbständigkeit im Sinn des § 2 Abs. 1 UStG 1972 nicht zu. Der Mitbeteiligte könne sich faktisch dem Lehrauftrag nicht entziehen, es bestehe ein Sachzusammenhang zwischen der Lehrtätigkeit und der nichtselbständigen Tätigkeit des Mitbeteiligten.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die auf § 292 BAO gestützte Beschwerde des Präsidenten der Finanzlandesdirektion für Steiermark.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor. Der Mitbeteiligte erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 2 Abs. 1 UStG 1972 ist Unternehmer, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Nicht selbständig ist die im Rahmen eines Dienstverhältnisses ausgeübte Tätigkeit. Nach Lehre und Rechtsprechung sind wesentliche Kriterien für die Abgrenzung zwischen selbständiger und nichtselbständiger Tätigkeit das Vorliegen eines Unternehmerwagnisses, einer Weisungsgebundenheit, die die Entschlußfreiheit über die ausdrücklich übernommenen Vertragspflichten hinaus beschränkt, und der organisatorischen Eingliederung in den Betrieb des Arbeitgebers. Unter diesen Gesichtspunkten ist das Gesamtbild einer Tätigkeit darauf zu untersuchen, ob die Merkmale der Selbständigkeit oder jene der Unselbständigkeit überwiegen (vgl. hg. Erkenntnis vom 22. Februar 1996, 94/15/0123).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist ein Dienstverhältnis eines Lehrbeauftragten dann anzunehmen, wenn der Lehrbeauftragte fest in den Betrieb eines Hochschulinstitutes eingegliedert und dort gleich den anderen am betreffenden Institut als Arbeitnehmer beschäftigten Personen tätig ist. Ist die zeitliche und örtliche Bindung des Lehrbeauftragten an eine bestimmte Arbeitsstätte und seine Abhängigkeit vom Institutsbetrieb bereits so groß, daß sie sich faktisch nicht mehr von der eines Dienstnehmers unterscheidet, so ist sie auch steuerlich nicht anders zu beurteilen (vgl. nochmals hg. Erkenntnis 94/15/0123 m.w.N.).

Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 11. August 1993, 92/13/0089, über die Beschwerde eines Universitätsassistenten entschieden, dessen Tätigkeit im Rahmen eines nicht remunerierten Lehrauftrages im angefochtenen Bescheid als selbständig (und umsatzsteuerpflichtig) behandelt worden ist. Der Gerichtshof hat für wesentlich gehalten, daß der Beschwerdeführer an dem Institut, an welchem er seine Lehrtätigkeit absolviert hat, als Dienstnehmer tätig gewesen ist und den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben, weil die belangte Behörde verkannt hat, daß es für die Frage der Selbständigkeit wesentlich auf die Eingliederung des Beschwerdeführers in den Institutsbetrieb ankomme. Er hat sodann ausgeführt: Aufgrund dieser unrichtigen Rechtsauffassung hat es die belangte Behörde unterlassen, Feststellungen darüber zu treffen, aus welchen Gründen eine Eingliederung des als Universitätsassistent tätigen Beschwerdeführers in den Betrieb des Universitätsinstitutes hinsichtlich der in Rede stehenden Einnahmen allenfalls zu verneinen ist.

Im gegenständlichen Fall bekämpft der beschwerdeführende Präsident die Sachverhaltsfeststellungen der belangten Behörde dahingehend, daß diese ohne ausreichende Ermittlungen angenommen habe, der Mitbeteiligte sei hinsichtlich der Lehrbeauftragtentätigkeit, bei der er nur aus Skripten vorgelesen habe, weisungsgebunden gewesen. In sachverhaltsmäßiger Hinsicht bleibt sohin unbekämpft, daß der Mitbeteiligte die mit Kollegiengeldern abgegoltenen Lehraufträge unter Anweisung des Institutsvorstandes aufzunehmen hatte und sich diesen Tätigkeiten somit nicht entziehen konnte, daß die Tätigkeit innerhalb der Dienstzeit ausgeübt worden ist, daß die Durchführung der Lehraufträge zeitlich und räumlich in gleicher Weise an den Institutsrahmen gebunden gewesen ist, wie dies bei den Tätigkeiten anderer Dienstnehmer der Fall war. Ebenfalls unbestritten ist, daß dem Mitbeteiligten die Themen streng vorgegeben gewesen sind.

In Anbetracht dieses unbestrittenen Sachverhaltes kann es der Verwaltungsgerichtshof nicht als rechtswidrig erkennen, wenn die belangte Behörde die Tätigkeit des Mitbeteiligten nicht als selbständig qualifiziert hat:

Der beschwerdeführende Präsident bringt unter Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 2. Februar 1977, 2360/76, vor, die Tätigkeit eines weisungsgebundenen Hochschulassistenten unterscheide sich so tiefgreifend von der selbständigen Lehrbeauftragtentätigkeit, daß beide Tätigkeiten gesondert zu beurteilen seien. Diesem Vorbringen ist entgegenzuhalten, daß die zitierte Aussage des angeführten Erkenntnisses primär zur Frage ergangen ist, ob im Sinne des § 38 Abs. 4 EStG 1972 eine Haupt- und eine Nebentätigkeit oder eine einheitliche Tätigkeit vorliege. Für die Frage der Eingliederung eines Universitätsassistenten mit Lehrbeauftragtentätigkeit kann diese Aussage jedenfalls nicht in dieser allgemeinen Form gelten. Aus den §§ 179 und 180 BDG ergibt sich, daß die Tätigkeiten in Forschung und Lehre zu den Dienstpflichten eines Universitätsassistenten gehören. Solcherart stellt die Lehrtätigkeit im Rahmen eines Lehrauftrages in der Regel eine bloße Erweiterung der vom Universitätsassistenten im Rahmen seines Dienstverhältnisses erbrachten Tätigkeiten dar (vgl. Ruppe, UStG, § 2 Tz. 92). Zudem ist im gegenständlichen Fall unbestritten, daß der Mitbeteiligte dem Lehrauftrag innerhalb seiner Dienstzeit als Universitätsassistent nachgekommen ist. Daß aber innerhalb der Dienstzeit (Lehr)Tätigkeiten frei von Bindung an Weisungen des Institutsvorstandes ausgeübt werden könnten, vermag der beschwerdeführende Präsident nicht darzutun.

Soweit in der Beschwerde unter Hinweis auf das

hg. Erkenntnis vom 11. Jänner 1984, 91/13/0171, darauf verwiesen wird, eine Lehrtätigkeit im Ausmaß von zwei Wochenstunden bewirke noch keine Eingliederung in den Betrieb eines Hochschulinstitutes, wird übersehen, daß das genannte Erkenntnis eine Person betraf, die nicht auch aufgrund eines Dienstverhältnisses am betreffenden Universitätsinstitut tätig war.

Der beschwerdeführende Präsident verweist auch auf § 38 Abs. 4 UOG, nach welcher Bestimmung durch die Erteilung eines Lehrauftrages ein Dienstverhältnis nicht begründet wird. Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis 94/15/0123 (zu § 9 Abs. 1 Z. 4 des Kunsthochschul-Organisationsgesetzes) ausgesprochen hat, macht es aber eine derartige Bestimmung nicht entbehrlich, das Rechtsverhältnis eines Steuerpflichtigen darauf zu untersuchen, ob die für oder die gegen die Selbständigkeit sprechenden Merkmale überwiegen.

Zum Unternehmerrisiko ist auszuführen, daß dieses beim unterrichtenden Universitätsassistenten auf der Kostenseite in der Regel nicht gegeben sein wird, weil die wissenschaftlichen und technischen Mittel des Institutes in Anspruch genommen werden (vgl. Ruppe, EStG, § 2 Tz. 91). Daß im gegenständlichen Fall anderes zuträfe, wird in der Beschwerde nicht behauptet. Darin, daß der Mitbeteiligte für einzelne nicht geleistete Stunden seines Lehrauftrages kein Entgelt erhalten hätte, kann, wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 10. Februar 1987, 86/14/0119, für eine unterrichtende Tätigkeit erkannt hat, noch kein ein Dienstverhältnis ausschließendes Unternehmerrisiko erblickt werden.

Die Beschwerde war sohin gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995150141.X00

Im RIS seit

20.11.2000

Zuletzt aktualisiert am

16.12.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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