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90/01 Straßenverkehrsordnung 1960Norm
B-VG Art89 Abs1, Art139 Abs1 Z1Leitsatz
Gesetzwidrigkeit einer Fahrverbotsverordnung einer Niederösterreichischen Bezirkshauptmannschaft für einen Streckenabschnitt auf der Landesstraße B1 betreffend Lastkraftfahrzeuge sowie mitgeführte Anhänger; mangelhafte Kundmachung der Verordnung durch signifikante Abweichung des Aufstellungsortes der Verkehrszeichen vom räumlichen Geltungsbereich der VerordnungRechtssatz
Gesetzwidrigkeit der Wort- und Zeichenfolgen ", - Fahrzeuge aus Richtung Westen kommend mit dem Fahrziel östlich von Kemmelbach" und ", bei km 119,864 Zusatz: 'Mit dem Fahrziel östlich von Kemmelbach'" sowie das Wort "jeweils" in der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Melk (BH) vom 28.04.2004, ZME-S1-V-04266, idF der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Melk vom 03.07.2008, ZMES1-V-0643/005. Im Übrigen: Zurückweisung der Anträge des Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (LVwG). Soweit sich der Antrag auf Aufhebung des Fahrverbotes für "Fahrzeuge aus Richtung Osten kommend mit dem Fahrziel westlich von Neumarkt an der Ybbs" richtet, betrifft er zwar Bestimmungen, die angesichts der Formulierung des Verordnungstextes in einem Regelungszusammenhang stehen (das Fahrverbot ist "zwischen" km 111,740 und km 119,864 angeordnet), die aber in den Anlassfällen offensichtlich nicht präjudiziell und auch trennbar sind. Die angefochtene Verordnung ist nur insoweit präjudiziell, als sie Fahrzeuge aus Richtung Westen kommend mit dem Fahrziel östlich von Kemmelbach betrifft, weil den Beschwerdeführern in den Anlassverfahren vor dem antragstellenden LVwG die Übertretung des Fahrverbotes (nur) in diese Fahrtrichtung zur Last gelegt wird. Da die Bestimmungen auch trennbar sind, erweist sich der Antrag nur insoweit als zulässig, als er sich auf Aufhebung des Fahrverbotes für Fahrzeuge aus Richtung Westen kommend mit dem Fahrziel östlich von Kemmelbach richtet.
Mit Verordnung der BH vom 03.07.2008, MES1-V-0643/005, erfolgte eine Änderung des Geltungsbereiches der Verordnung der BH vom 28.04.2004, ME-S1-V-04266. Das Fahrverbot für Lastkraftfahrzeuge mit einem höchsten zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 3,5 Tonnen sowie für mitgeführte Anhänger mit einem höchsten zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 3,5 Tonnen auf der Landesstraße B1 wurde nunmehr zwischen Straßenkilometer 111,740 (vormals 111,900) und Straßenkilometer 119,864 verordnet. Dementsprechend erfolgte auch eine Änderung des Kundmachungsstandortes (bei Straßenkilometer 111,740 mit dem Zusatz "Mit dem Fahrziel westlich von Neumarkt/Ybbs"). Der mit dieser Verordnung im Widerspruch stehende Passus der Verordnung vom 28.04.2004 wurde aufgehoben.
Laut den vom LVwG im Rahmen eines Ortsaugenscheins mit einem Laserentfernungsmessgerät durchgeführten Messungen befindet sich das Verkehrszeichen von Westen kommend in Richtung Kemmelbach "etwa bei Straßenkilometer 119,883" und damit 19 Meter von dem verordneten Geltungsbereich entfernt. Im Verfahren vor dem VfGH wurde diesem Messergebnis nicht entgegengetreten; vielmehr räumt die verordnungserlassende Behörde in einer im vorgelegten Verordnungsakt einliegenden Stellungnahme ein, dass bei der Kundmachung der angefochtenen Verordnung in natura "erhebliche Mängel" vorlägen und die Erhebungen des antragstellenden LVwG nicht in Zweifel gezogen würden. Der VfGH geht daher davon aus, dass das Straßenverkehrszeichen 19 Meter von dem in der angefochtenen Verordnung verordneten Geltungsbereich entfernt aufgestellt wurde. Auch wenn die Rsp des VfGH zur Kundmachung von Verordnungen iSd §44 Abs1 StVO 1960 je nach örtlichen Verkehrsverhältnissen eine bestimmte Fehlertoleranz vorsieht, bewirkt die festgestellte Abweichung von 19 Metern im vorliegenden Fall eine nicht ordnungsgemäße Kundmachung.
Mit Verordnung der BH Melk vom 28.01.2022, MES1-V-0643/005, wurde die angefochtene Verordnung aufgehoben und das Fahrverbot neu erlassen. Der VfGH hat daher festzustellen, dass die angefochtene Verordnung, soweit diese ein Fahrverbot für Fahrzeuge aus Richtung Westen kommend mit dem Fahrziel östlich von Kemmelbach verordnet, gesetzwidrig war. Der festgestellte Kundmachungsmangel betrifft ausschließlich die - im Ausgangsverfahren vor dem LVwG präjudiziellen - im Spruch genannten Teile der angefochtenen Verordnung. Da die angefochtene Verordnung eine davon trennbare weitere Verkehrsbeschränkung (ein Fahrverbot in der entgegengesetzten Fahrtrichtung auf derselben Wegstrecke) beinhaltet, die auf andere Weise, nämlich an einem anderen, näher bezeichneten Ort durch ein Verkehrszeichen mit einer anderslautenden Zusatztafel kundzumachen war, kommt eine Feststellung der Gesetzwidrigkeit der ganzen Verordnung gemäß Art139 Abs4 letzter Satz iVm Abs3 Z3 B-VG im vorliegenden Verfahren nicht in Betracht.
Entscheidungstexte
Schlagworte
Straßenverkehrszeichen, Verordnung Kundmachung, Fahrverbot, Geltungsbereich (örtlicher) einer Verordnung, VfGH / Gerichtsantrag, VfGH / Präjudizialität, VfGH / Verwerfungsumfang, StraßenpolizeiEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2022:V223.2021Zuletzt aktualisiert am
24.03.2022