TE Vwgh Erkenntnis 1984/6/26 84/04/0065

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Veröffentlicht am 26.06.1984
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Index

GewerbeO
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren
50/01 Gewerbeordnung

Norm

AVG §45 Abs2
GewO 1973 §13 Abs1
GewO 1973 §13 Abs1 Z1
GewO 1973 §27
GewO 1973 §28 Abs1
GewO 1973 §28 Abs1 Z2
VwGG §41 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Kobzina und die Hofräte Dr. Baumgartner, Dr. Griesmacher, Dr. Weiss und Dr. Stoll als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Gyenge, über die Beschwerde des GW in W, vertreten durch Dr. Heinrich Nesvadba, Rechtsanwalt in Wien VI, Königsklostergasse 7/6, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 29. Februar 1984, Zl. MA 63 - W 75/84, betreffend Nachsicht von der Erbringung eines Befähigungsnachweises nach der Gewerbeordnung 1973, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.400,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 29. Februar 1984 wurde dem Beschwerdeführer die Nachsicht von der Erbringung des Befähigungsnachweises für das Handelsgewerbe gemäß § 103 Abs. 1 lit. b Z. 25 GewO 1973, beschränkt auf den Handel mit Tapeten, Bodenbelägen und Vorhängen, im Standort Wien, P-gasse „gemäß § 28 Abs. 1 Z. 1 und 2 im Zusammenhang mit § 13 Abs. 1 Z. 1 der GewO 1973“ verweigert.

Begründend führte der Landeshauptmann unter Hinweis auf die Vorschrift des § 13 Abs. 1 Z. 1 GewO 1973 aus, der Beschwerdeführer sei mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 27. Mai 1980, 8 c Vr 470/80, des Verbrechens des versuchten schweren Betruges nach §§ 12, 15, 146, 147 Abs. 3 StGB für schuldig erkannt und zu fünfzehn Monaten Freiheitsstrafe verurteilt worden. Die verhängte Strafe sei rechtskräftig und nicht getilgt. Den Entscheidungsgründen dieses Urteiles sei zu entnehmen, daß der Beschwerdeführer vor dem 28. September 1976 an P. J. eine inhaltlich unrichtige Lohnbestätigung zwecks Vorlage bei der Krediteinreichung zur Verfügung gestellt, den Rückruf der Kreditanstalt entgegengenommen und wahrheitswidrig beantwortet habe. Ihm sei bei Ausstellung der Lohnbestätigung bewußt gewesen, daß mit Hilfe dieser unrichtigen Bestätigung einer Bank bzw. einer Spar-Casse ein Kredit herausgelockt werden sollte. Er hätte für seine Mitwirkung an den Betrugshandlungen nach Kreditauszahlung einen höheren Geldbetrag erhalten sollen. Ihm sei es völlig gleichgültig gewesen, ob der Erstangeklagte seine Kreditraten bezahle oder nicht, ob er sie überhaupt bezahlen werde können oder nicht. Trotz all dieser Umstände habe er die unrichtige Lohnbestätigung ausgestellt und an den Zeugen S. zur Weiterleitung übergeben. Die selbständige Ausübung des angestrebten Gewerbes würde die Begehung einer gleichen oder ähnlichen Straftat sicherlich begünstigen. Nach der Eigenart der strafbaren Handlung und der Persönlichkeit des Verurteilten (auf welche der der Verurteilung zugrundeliegende Sachverhalt schließen lasse), hege die Behörde die Befürchtung, daß der Beschwerdeführer einer sich bietenden Gelegenheit zur Begehung der gleichen oder einer ähnlichen Straftat nicht widerstehen könne. Schließlich sei er zur Tatzeit bereits im 32. Lebensjahr, einem Alter, wo die Entwicklung seiner Persönlichkeit bereits gereift war, gewesen. Überdies sei den Entscheidungsgründen des Gerichtsurteiles zu entnehmen, daß der Beschwerdeführer, abgesehen von dem der Verurteilung zugrundeliegenden Sachverhalt, bereits mehrfach unrichtige Lohnbestätigungen zur Erlangung eines Kredites durch ihm unbekannte Personen ausgestellt habe. Darüberhinaus ließen zwei vorangegangene Verurteilungen des Beschwerdeführers durch das Strafbezirksgericht vom 28. November 1974, nach § 3 Exekutionsvereitelungsgesetz und vom 13. Juli 1976, gemäß § 271 Abs. 1 StGB wegen Verstrickungsbruch) einen Mangel des Verurteilten an sittlicher Hemmung erkennen. Daß die Verurteilung wegen des Verbrechens des versuchten schweren Betruges als Beteiligter nur bedingt erfolgt sei und das Gericht nach drei Jahren Probezeit die bedingte Strafnachsicht erteilt habe, stehe der Ausschließung nicht entgegen. Ebensowenig, daß das Gericht den Beschwerdeführer nicht seines „Gewerbescheines“ als Werbegestalter für verlustig erklärt habe, zumal der Beschwerdeführer die Betrugshandlung, wie er in seiner Berufung selbst ausgeführt habe, nicht als selbständiger Gewerbetreibender begangen habe, sondern als Angestellter in einem familiennahen Betrieb. Im übrigen sei während der Anhängigkeit des gerichtlichen Strafverfahrens bereits ein gewerbebehördliches Verfahren zur Entziehung wegen Nichtausübung des Gewerbes „Werbegestalter“ durch den Beschwerdeführer durchgeführt worden und es sei dieses Gewerbe auch in der Folge mit Bescheid des Magistrates vom 11. Juni 1980 entzogen worden. Letztlich seien seit der Verurteilung erst etwa vier Jahre vergangen und es könne nach dieser relativ kurzen Zeitspanne noch nicht auf einen nachhaltigen Sinneswandel des Beschwerdeführers geschlossen werden. Die Behörde sei nach der einleitend wiedergegebenen Rechtslage nicht ermächtigt, auf bereits vorgenommene Investitionen des Beschwerdeführers im Zusammenhang mit dem angestrebten Gewerbe Bedacht zu nehmen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer erachtet sich in dem Recht auf antragsgemäße Nachsichtserteilung verletzt.

Eine der Voraussetzungen der Nachsichtserteilung vom vorgeschriebenen Befähigungsnachweis ist nach § 28 Abs. 1 Z. 2 GewO 1973, daß keine Ausschließungsgründe gemäß § 13 vorliegen (soweit die belangte Behörde spruchgemäß auch die Bestimmung der Z. 1 des § 28 Abs. 1 leg. cit. erwähnt, handelt es sich, wie die übrigen Ausführungen im angefochtenen Bescheid zeigen, offenbar um ein Vergreifen im Ausdruck). Der § 28 Abs. 1 GewO 1973 ermächtigt entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers die Behörde nicht zur Ermessensübung (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. Mai 1980, Slg. Nr. 10 151/A).

Nach der von der belangten Behörde bezogenen Bestimmung des § 13 Abs. 1 Z. 1 GewO 1973 ist, wer wegen einer vorsätzlichen, mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedrohten Handlung von einem Gericht verurteilt worden ist, von der Ausübung des Gewerbes auszuschließen, wenn die Verurteilung noch nicht getilgt ist und nach der Eigenart der strafbaren Handlung und nach der Persönlichkeit des Verurteilten die Begehung der gleichen oder einer ähnlichen Straftat bei Ausübung des Gewerbes zu befürchten ist.

Daß es sich bei der vom Beschwerdeführer begangenen Tat, derentwegen er vom Gericht mit dem erwähnten Urteil vom 27. Mai 1980 verurteilt wurde, im Sinne der durch die Aktenlage gedeckten behördlichen Annahme um eine strafbare Handlung im Sinne der Z. 1 des § 13 Abs. 1 GewO 1973 handelt, wird auch seitens des Beschwerdeführers nicht bestritten; dies gilt insbesondere auch hinsichtlich der sich aus der diesbezüglichen Anführung der Voraussetzung der mangelnden Tilgung im Sinne des § 13 Abs. 1 Z. 1 GewO 1973 im angefochtenen Bescheid ergebenden dementsprechenden Annahme der belangten Behörde.

Bei der Prüfung der Frage der Erfüllung des im letzten Halbsatz des § 13 Abs. 1 GewO 1973 vorgesehenen Tatbestandsmerkmales der Befürchtung, der Verurteilte werde die gleiche oder eine ähnliche Straftat bei Ausübung des Gewerbes begehen, ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa das Erkenntnis vom 18. Juni 1982, Zl. 81/04/0195) zufolge der im Zusammenhang damit getroffenen gesetzlichen Anordnung sowohl auf die Eigenart der strafbaren Handlung als auch auf die Persönlichkeit des Verurteilten Bedacht zu nehmen (die zur Gewerbeordnung 1859 ergangenen, vom Beschwerdeführer bezogenen Erkenntnisse vom 13. März 1956, Slg. Nr. 4018/A, vom 7. Februar 1968, Zl. 1354/66, und vom 1. April 1970, Zl. 1245/69, weisen gleichfalls in diese Richtung). Im Beschwerdefall war in Ansehung des Tatbestandsmerkmales der Eigenart der strafbaren Handlung davon auszugehen, daß die gerichtliche Verurteilung des Beschwerdeführers wegen des Verbrechens des versuchten schweren Betruges als Beteiligter im Zusammenhang mit der Ausstellung einer inhaltlich unrichtigen Lohnbestätigung erfolgte und daher mit Rücksicht auf die Art der Straftat Umstände vorliegen, die im Sinne der Annahme der belangten Behörde die Befürchtung (schon diese allein genügt entgegen der offenbaren Ansicht des Beschwerdeführers, sodaß weitere Verfahrensschritte in Hinsicht darauf, ob der Beschwerdeführer Gelegenheiten zu strafbaren Handlungen „nicht widerstehen“ könnte, entbehrlich waren) der Begehung der gleichen oder einer ähnlichen Straftat in Hinsicht auf die durch das in Rede stehende Gewerbe gebotenen Gelegenheiten nicht als rechtswidrig erkennen lassen. Was aber die im Zusammenhang damit weiters erforderliche Würdigung der Persönlichkeit des Beschwerdeführers anlangt, so ist die von der belangten Behörde angenommene Befürchtung schon im Hinblick auf das durch die der Straftat zugrundeliegende Vorgangsweise in Verbindung damit, daß der Beschwerdeführer nach dem erwähnten Gerichtsurteil vom 27. Mai 1980 bereits mehrfach unrichtige Lohnbestätigungen zur Erlangung eines Kredites ausgestellt hatte, ersichtlich gewordene Persönlichkeitsbild des Beschwerdeführers als nicht rechtswidrig zu erkennen, mag es auch nur beim Versuch der gerichtlich strafbaren Tat geblieben sein. Es kommt daher dem von der belangten Behörde in Hinsicht auf das Persönlichkeitsbild aus den beiden Verurteilungen wegen Exekutionsvereitelung und Verstrickungsbruch gezogenen Schluß nicht mehr das vom Beschwerdeführer beigemessene Gewicht zu, sodaß die im Verwaltungsverfahren unterbliebene Erörterung dieser beiden Vorstrafen, insbesondere in Hinsicht auf die ihnen zugrundeliegenden Taten, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht zu bewirken vermag.

Die Einholung einer (förmlichen) Leumundsnote war mangels normativer Grundlage entbehrlich.

In diesem Zusammenhang kann entgegen der in der Beschwerde zum Ausdruck gebrachten Meinung dem Umstand, daß sich der Beschwerdeführer nach seinem Vorbringen seit der der erwähnten gerichtlichen Verurteilung vom 27. Mai 1980 zugrundeliegenden Tat wohlverhalten habe, auch nach den allgemeinen Erfahrungsgrundsätzen noch nicht das Gewicht zugemessen werden, das etwa die in Rede stehende Annahme der belangten Behörde als rechtsirrig erscheinen ließe. Zu Unrecht beruft sich der Beschwerdeführer in dieser Richtung auf die Bestimmung des § 27 GewO 1973, weil diese lediglich auf die Ausschlußbestimmungen des § 13 Abs. 6 und Abs. 7 Bezug nimmt und ein Anhaltspunkt für eine dem Beschwerdeführer offenbar vorschwebende analoge Anwendung für den vorliegenden Beschwerdefall nicht gegeben ist.

Der Beschwerdeführer bringt auch vor, das Gericht habe es trotz der Straftat nicht für notwendig befunden, „die Gewerbeausübung zu untersagen“, die nur bedingt ausgesprochene Strafe sei endgültig nachgesehen worden und es habe das Gericht auch keinerlei Weisungen erteilt; bei einer zehnjährigen Höchststrafe sei der Beschwerdeführer lediglich zu fünfzehn Monaten verurteilt worden. Zu diesem Vorbringen ist darauf hinzuweisen, daß im Nachsichtsverfahren gemäß § 28 Abs. 1 GewO 1973, in dem als Ausschließungsgrund eine strafgerichtliche Verurteilung im Sinne des § 13 Abs. 1 Z. 1 leg. cit. in Frage steht, zwar die Bindung der Behörde an das in Betracht kommende rechtskräftige Urteil anzunehmen ist, der Gewerbebehörde allerdings ausgehend davon die selbständige Beurteilung obliegt, ob alle weiteren gesetzlichen Voraussetzungen hinsichtlich der Nachsicht gegeben sind (vgl. hiezu sinngemäß die entsprechenden Ausführungen im hg. Erkenntnis vom 4. Dezember 1981, Zl. 81/04/0035, zum Entziehungsverfahren gemäß § 87 Abs. 1 Z. 1 GewO 1973). Die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Umstände waren daher - entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers - bei der von der belangten Behörde zu treffenden Entscheidung nicht von Relevanz.

Die Beschwerde war sohin gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 als unbegründet abzuweisen, wobei von der beantragten mündlichen Verhandlung aus den Gründen des § 39 Abs. 2 lit. f leg. cit. abgesehen werden konnte.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 221/1981.

Wien, am 26. Juni 1984

Schlagworte

Beschwerdepunkt Beschwerdebegehren Entscheidungsrahmen und Überprüfungsrahmen des VwGH Ermessensentscheidungen Beweiswürdigung Ermessen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1984:1984040065.X00

Im RIS seit

24.03.2022

Zuletzt aktualisiert am

24.03.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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