TE Vwgh Beschluss 2022/2/24 Ra 2021/10/0029

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Veröffentlicht am 24.02.2022
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Index

L92104 Behindertenhilfe Rehabilitation Oberösterreich
001 Verwaltungsrecht allgemein
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
66/03 Sonstiges Sozialversicherungsrecht

Norm

BPGG 1993
B-VG Art133 Abs4
ChancengleichheitG OÖ BeitragsV 2018 §1 Abs1
ChancengleichheitG OÖ BeitragsV 2018 §1 Abs2
ChancengleichheitG OÖ BeitragsV 2018 §1 Abs3
ChancengleichheitG OÖ BeitragsV 2018 §1 Abs4
ChancengleichheitG OÖ BeitragsV 2018 §10
ChancengleichheitG OÖ BeitragsV 2018 §2 Abs2 Z4
ChancengleichheitG OÖ BeitragsV 2018 §3
ChancengleichheitG OÖ BeitragsV 2018 §4
ChancengleichheitG OÖ BeitragsV 2018 §7
ChancengleichheitG OÖ 2008 §20 Abs1
VwGG §34 Abs1
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler sowie die Hofräte Dr. Lukasser und Dr. Hofbauer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Derfler, über die Revision des S S in L, vertreten durch die Auer Bodingbauer Leitner Stöglehner Rechtsanwälte OG in 4020 Linz, Spittelwiese 4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom 18. Dezember 2020, Zl. LVwG-350908/6/GS/TO, betreffend Kostenbeitrag nach dem Oö. Chancengleichheitsgesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Landeshauptstadt Linz), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 4. September 2020 wurde dem Revisionswerber ein Kostenbeitrag gemäß § 20 Abs. 1 Oberösterreichisches Chancengleichheitsgesetz (Oö. ChG) für die ihm (im Ausmaß von durchschnittlich 200 Stunden pro Monat für den Zeitraum vom 29. Juli 2020 bis zum 28. Juli 2021) zuerkannte Hauptleistung Persönliche Assistenz gemäß § 13 Oö. ChG in der Höhe von € 8,91 pro Stunde (dies seien 20 % der tatsächlich entstandenen Kosten für Persönliche Assistenz) vorgeschrieben.

2        Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom 18. Dezember 2020 wurde die dagegen vom Revisionswerber erhobene Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Weiters wurde ausgesprochen, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

3        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

4        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

5        Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muss sich die Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung, die nach Ansicht des Revisionswerbers die Zulässigkeit der Revision begründet, aus der gesonderten Darstellung der Zulässigkeitsgründe ergeben. Der Verwaltungsgerichtshof überprüft die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG sohin (nur) im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe. Eine wesentliche Rechtsfrage gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG liegt nur dann vor, wenn die Beurteilung der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes von der Lösung dieser Rechtsfrage „abhängt“. Dies ist dann der Fall, wenn das rechtliche Schicksal der Revision von der behaupteten Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängt. In der Revision muss daher gemäß § 28 Abs. 3 VwGG konkret dargetan werden, warum das rechtliche Schicksal der Revision von der behaupteten Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängt (vgl. VwGH 30.3.2020, Ra 2019/10/0180-0182, 0187; 25.3.2020, Ra 2020/10/0015; 27.2.2020, Ra 2019/10/0121).

6        In den Zulässigkeitsausführungen der vorliegenden außerordentlichen Revision wird zunächst geltend gemacht, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes „zur Beitragspflicht nach dem Oö. Chancengleichheitsgesetz, insbesondere jedoch zur Frage, was unter ‚Verfolgung von Ansprüchen gegen Dritte, bei deren Erfüllung die Leistungsfinanzierung nach diesem Landesgesetz nicht oder nicht in diesem Ausmaß erforderlich wäre‘ zu verstehen“ sei. Es sei nach der Textierung des § 20 Abs. 2 Z 2 Oö. ChG nicht nachvollziehbar, ob damit das Bundespflegegeld gemeint sei oder nur allfällige Regressansprüche gegen Dritte. Es fehle auch Judikatur zur Frage, ob das Pflegegeld als Einkommen der behinderten Person gemäß § 20 Abs. 2 Z 1 Oö. ChG für eine Beitragspflicht nach der Oö. ChG-Beitragsverordnung heranzuziehen sei.

7        Mit diesem Vorbringen wird eine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG, von deren Lösung das rechtliche Schicksal der vorliegenden Revision abhängt, nicht aufgezeigt:

8        Dem Revisionswerber wurde - wie sich bereits aus dem Beitragsbescheid der belangten Behörde ergibt - ein Kostenbeitrag gemäß § 20 Abs. 1 Oö. ChG unter Heranziehung des § 7 Oö. ChG-Beitragsverordnung vorgeschrieben. Nach der zuletzt genannten Bestimmung errechnete sich, wenn einem Menschen mit Beeinträchtigungen Persönliche Assistenz gewährt wird und ein Pflegebedarf im Sinn des Bundespflegegeldgesetzes (BPGG) vorliegt bzw. sonstige pflegebezogene Geldleistungen gewährt werden, der Beitrag daraus wie folgt: 20 % der tatsächlich entstandenen Kosten. Dass diese Voraussetzungen im Revisionsfall nicht vorgelegen hätten, wird in der Revision nicht konkret behauptet.

9        Wie in der Zulässigkeitsbegründung selbst ausgeführt wurde, werden in § 2 Abs. 2 Z 4 Oö. ChG-Beitragsverordnung u.a. „pflegegeldbezogene Geldleistungen“ vom Einkommen ausgenommen. Eine Bemessung des Kostenbeitrages aufgrund von Einkommen nach § 1 Abs. 1 bis 3 Oö. ChG-Beitragsverordnung ist daher unter Ausklammerung dieser pflegegeldbezogenen Geldleistungen vorzunehmen. Allerdings sieht § 1 Abs. 4 Oö. ChG-Beitragsverordnung ausdrücklich vor, dass die Beiträge nach den §§ 3 ff zu leisten sind, wenn kein oder kein kostendeckender Beitrag gemäß § 1 Abs. 1 bis 3 Oö. ChG-Beitragsverordnung möglich ist. Die genannten §§ 3 ff Oö. ChG-Beitragsverordnung - wie auch der im Revisionsfall relevante § 7 leg. cit. - nehmen nun unmissverständlich auf einen „Pflegebedarf im Sinn des BPGG“ bzw. „sonstige pflegebezogenen Geldleistungen“ Bezug, wobei § 10 Oö. ChG-Beitragsverordnung eine Deckelung dahin vorsieht, dass die Summe der zu entrichtenden Beiträge „insgesamt nicht mehr als 80 % des jeweils gewährten Pflegegelds“ überschreiten darf. Es unterliegt demnach schon aufgrund des Wortlauts dieser Bestimmungen keinem Zweifel, dass insoweit Beiträge aus dem gewährten Pflegegeld vorgesehen sind. Ist die Rechtslage nach den in Betracht kommenden Normen aber klar und eindeutig, dann liegt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG vor, und zwar selbst dann, wenn zu einer der anzuwendenden Normen noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergangen ist (vgl. VwGH 21.5.2021, Ra 2021/10/0061; 5.11.2020, Ra 2020/10/0105; 12.10.2020, Ra 2020/10/0131).

10       Soweit in der Zulässigkeitsbegründung geltend gemacht wird, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, „unter welchen Umständen eine Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz oder Entwicklungsmöglichkeit bzw. eine besondere Härte gemäß dem § 20 Abs. 1 Oö. ChG“ vorliege, mangelt es an einer näheren Konkretisierung der zu lösenden Rechtsfrage im Hinblick auf den Revisionsfall. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes reicht ein pauschales oder nur ganz allgemein gehaltenes Vorbringen ohne Herstellung eines Fallbezuges und ohne jede fallbezogene Verknüpfung mit der angefochtenen Entscheidung nicht aus, eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufzuzeigen (vgl. VwGH 17.6.2021, Ra 2021/10/0074; 18.12.2020, Ra 2019/10/0087; 12.10.2020, Ra 2020/10/0131).

11       Hinsichtlich der in der Zulässigkeitsbegründung im Weiteren geltend gemachten Verfahrensfehler ist erneut auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen, wonach die Zulässigkeit der Revision neben einem eine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufwerfenden Verfahrensmangel voraussetzt, dass die Revision von der Lösung dieser geltend gemachten Rechtsfrage abhängt. Davon kann im Zusammenhang mit einem Verfahrensmangel nur dann ausgegangen werden, wenn auch die Relevanz des Mangels für den Verfahrensausgang dargetan wird, das heißt, dass dieser abstrakt geeignet sein muss, im Falle eines mangelfreien Verfahrens zu einer anderen Sachverhaltsgrundlage zu führen (vgl. VwGH 25.1.2021, Ra 2020/10/0177; 5.1.2021, Ra 2020/10/0028; 30.3.2020, Ra 2019/10/0180-0182, 0187). Es reicht nicht aus, die Außerachtlassung von Verfahrensvorschriften zu behaupten, ohne die Relevanz der genannten Verfahrensmängel darzulegen. Die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensfehler ist in konkreter Weise darzulegen (vgl. VwGH 7.9.2021, Ra 2020/10/0112; 27.4.2021, Ra 2021/10/0002-0003; 25.1.2021, Ra 2020/10/0157). Diesem Erfordernis einer hinreichenden Relevanzdarstellung behaupteter Verfahrensmängel wurde hier aber nicht entsprochen.

12       Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 24. Februar 2022

Schlagworte

Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut des Gesetzes VwRallg3/2/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021100029.L00

Im RIS seit

24.03.2022

Zuletzt aktualisiert am

11.04.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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