TE Vwgh Beschluss 2022/3/1 Ra 2021/14/0303

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Veröffentlicht am 01.03.2022
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof

Norm

B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Grünstäudl sowie die Hofrätinnen Mag. Rossmeisel und Dr.in Sembacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Gnilsen, in der Revisionssache des S S, vertreten durch Mag. Gabriele Vierziger, Rechtsanwältin in 5671 Bruck an der Großglocknerstraße, Waagstraße 1, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Juli 2021, W166 2180214-1/21E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Afghanistans, stellte am 16. Oktober 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005, den er im Wesentlichen mit einer Bedrohung seiner Familie durch die Taliban begründete.

2        Mit Bescheid vom 24. November 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl diesen Antrag sowohl in Bezug auf den Status des Asylberechtigten als auch den Status des subsidiär Schutzberechtigten ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.

3        Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die dagegen erhobene Beschwerde - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - als unbegründet ab und sprach aus, dass die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

4        In seiner Beweiswürdigung verwies das Bundesverwaltungsgericht - soweit für das vorliegende Verfahren relevant - insbesondere auf die völlig unterschiedlichen Angaben des Revisionswerbers bei der Erstbefragung zur Bedrohung der Familie durch die Taliban einerseits, die in weiterer Folge vorgebrachten gewalttätigen Übergriffe des spielsüchtigen Vaters des Revisionswerbers und die inhaltlich und zeitlich unterschiedlichen Angaben zu Vergewaltigungen sowie betreffend die unterstellte Homosexualität durch die Familie im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht andererseits. Die Vorbringen seien sehr vage und widersprüchlich gestaltet gewesen, auch auf Nachfragen habe der Revisionswerber keine genaueren Angaben gemacht. Zudem würden sich etwa die Angaben des Revisionswerbers zu seinen Verletzungen durch den Vater im Rahmen der Befragungen deutlich von jenen, vom Revisionswerber im Rahmen der Befundaufnahme durch den medizinischen Sachverständigen getätigten Angaben unterscheiden, wonach er noch nie in einem Krankenhaus gewesen und auch nicht operiert worden sei, weder regelmäßig Medikamente zu sich genommen noch einen Knochen gebrochen habe und keine Narben oder Verletzungen am Körper aufweise. Das Bundesverwaltungsgericht gelangte dabei zum Ergebnis, dass der Revisionswerber im Herkunftsland weder einer relevanten Bedrohung ausgesetzt gewesen sei, noch dass ihm eine solche im Fall der Rückkehr drohe.

5        Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser hob die angefochtene Entscheidung mit Erkenntnis vom 29. November 2021, E 3459/2021-12, soweit sie die Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan, die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen, die Erlassung einer Rückkehrentscheidung, den Ausspruch der Zulässigkeit der Abschiebung nach Afghanistan unter Setzung einer zweiwöchigen Frist für die freiwillige Ausreise betraf, wegen Verletzung in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf. Im Übrigen - sohin hinsichtlich der Nichtzuerkennung des Status der Asylberechtigten - lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

6        In der Folge erhob der Revisionswerber die vorliegende - erkennbar gegen die Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten gerichtete - Revision.

7        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

9        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

10       In der Begründung ihrer Zulässigkeit wendet sich die Revision gegen die Beweiswürdigung des Bundesverwaltungsgerichts und bringt zusammengefasst vor, der Revisionswerber habe konkret vorgebracht, den Herkunftsstaat aus wohlbegründeter Furcht verlassen zu haben, da er vergewaltigt und vom Vater misshandelt worden sowie von den Taliban rekrutiert worden sei. Völlig unverständlich erscheine daher die Annahme, dass ihm im Falle der Rückkehr keine asylrelevante Verfolgung drohe, obwohl die bei einer Rückkehr drohende Tötung von Rückkehrern durch die Taliban eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK darstelle. Schon aus den Medienberichten und den entsprechenden Länderberichten lasse sich ein solches Risiko ableiten. Das Bundesverwaltungsgericht habe eine unrichtige und nicht nachvollziehbare Gesamtbetrachtung aller wesentlichen Umstände vorgenommen.

11       Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dieser als Rechtsinstanz tätig und im Allgemeinen nicht zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Einzelfall berufen. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 12.1.2022, Ra 2021/14/0319, mwN).

12       Das Bundesverwaltungsgericht hat sich nach Durchführung einer Verhandlung, in der es sich einen persönlichen Eindruck vom Revisionswerber verschaffen konnte, ausführlich und in nicht unschlüssiger Weise mit dem Fluchtvorbringen des Revisionswerbers befasst. Es zeigte im Einzelnen auf, warum es dem Vorbringen die Glaubwürdigkeit absprach. Dass die beweiswürdigenden Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichts in ihrer Gesamtheit unvertretbar wären, vermag die Revision mit ihren bloß allgemein gehaltenen Ausführungen nicht aufzuzeigen.

13       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 1. März 2022

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021140303.L00

Im RIS seit

24.03.2022

Zuletzt aktualisiert am

11.04.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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