TE OGH 2022/1/26 3Ob221/21b

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Veröffentlicht am 26.01.2022
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun-Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei A * GmbH, *, vertreten durch Dr. Volker Riepl, Rechtsanwalt in Linz, gegen die verpflichtete Partei W*, vertreten durch Dr. Herbert Schrittesser, Rechtsanwalt in Mödling, wegen 25.177 EUR sA, über den Revisionsrekurs der betreibenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Linz als Rekursgericht vom 22. September 2021, GZ 14 R 142/21g-5, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Urfahr vom 29. Juli 2021, GZ 12 E 2032/21s-2, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die verpflichtete Partei hat die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung:

[1]       Der Verpflichtete und seine Ehegattin sind je zur Hälfte Miteigentümer einer Liegenschaft. Ob dem Hälfteanteil des Verpflichteten ist im Lastenblatt des Grundbuchs ein rechtsgeschäftliches Belastungs- und Veräußerungsverbot zugunsten seiner Ehefrau einverleibt. Hinsichtlich dieser Liegenschaft ist bereits ein von einem anderen betreibenden Gläubiger aufgrund eines von ihm gegen beide Miteigentümer erwirkten (Solidar-)Titels eingeleitetes Zwangsversteigerungsverfahren anhängig.

[2]       Die Betreibende beantragte aufgrund eines (nur) gegen den Verpflichteten bestehenden Zahlungstitels die Bewilligung der Zwangsversteigerung seines Liegenschaftsanteils durch Beitritt zum anhängigen Versteigerungsverfahren.

[3]       Das Rekursgericht wies den Exekutionsantrag ab. Ein im Grundbuch eingetragenes rechtsgeschäftliches Veräußerungsverbot stehe der Bewilligung der Zwangsversteigerung entgegen. Dies gelte auch im Fall des Beitritts zu einem bereits anhängigen Zwangsversteigerungsverfahren. Dass der Verpflichtete und die Verbotsberechtigte Gesamtschuldner der betriebenen Forderung seien, werde im Exekutionsantrag nicht behauptet.

[4]       Das Rekursgericht ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zur Frage zu, ob dann, wenn das führende Versteigerungsverfahren aufgrund einer Solidarschuld des Verpflichteten und des Verbotsberechtigten eingeleitet worden sei, das Veräußerungsverbot dem Beitritt zu dieser Zwangsversteigerung entgegenstehe, wenn sich der im Beitrittsverfahren durchzusetzende Titel nur gegen einen der Miteigentümer richte.

Rechtliche Beurteilung

[5]            Der Revisionsrekurs der Betreibenden ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, aber nicht berechtigt.

[6]            1. Nach ständiger Rechtsprechung steht ein rechtswirksam einverleibtes, dem Pfand- oder Befriedigungsrecht des betreibenden Gläubigers vorausgehendes Veräußerungsverbot der Bewilligung der Zwangsversteigerung der Liegenschaft grundsätzlich entgegen; anderes gilt dann, wenn der Verbotsberechtigte der Zwangsversteigerung zustimmt (vgl RS0002625), oder wenn der Verpflichtete und der Verbotsberechtigte die betriebene Forderung nach dem Exekutionstitel als Gesamtschuldner zu leisten haben (vgl RS0010734).

[7]       2.1 Gemäß § 139 Abs 1 EO kann nach Anmerkung der Einleitung des Versteigerungsverfahrens, solange dieses im Gang ist, zu Gunsten weiterer vollstreckbarer Forderungen ein besonderes Versteigerungsverfahren hinsichtlich derselben Liegenschaft nicht mehr eingeleitet werden. Alle Gläubiger, denen während der Anhängigkeit eines Versteigerungsverfahrens die Zwangsversteigerung derselben Liegenschaft bewilligt wird, treten gemäß § 139 Abs 2 EO damit dem bereits eingeleiteten Versteigerungsverfahren bei; sie müssen dieses in der Lage annehmen, in der es sich zur Zeit ihres Beitritts befindet.

[8]       2.2 Der aus § 139 EO abzuleitende Grundsatz der Einheit des Versteigerungsverfahrens bedeutet, dass nur ein einziges Zwangsversteigerungsverfahren durchgeführt wird, auch wenn mehrere betreibende Gläubiger vorhanden sind. Dennoch gibt es mehrere gleichwertige Exekutionsbewilligungen. Ein „Beitritt“ im Sinn des § 139 Abs 2 EO ist damit nichts anderes als die Bewilligung der Zwangsversteigerung, die gegebenenfalls den – mit deklarativem Beschluss auszusprechenden (vgl 3 Ob 49/92 = RS0002779 [T1]) – Beitritt zu einem bereits eingeleiteten Versteigerungsverfahren zur Folge hat (vgl 3 Ob 80/04t mwN; vgl auch Angst in Angst/Oberhammer3 § 139 EO Rz 2). Folglich muss auch dann, wenn die Bewilligung einer Zwangsversteigerung beantragt wird, die zum Beitritt zu einem anhängigen Versteigerungsverfahren führt, der Exekutionsantrag den im § 54 EO festgelegten Erfordernissen entsprechen und die Exekutionsbewilligung die gemäß § 63 EO erforderlichen Angaben enthalten (vgl 3 Ob 49/92; vgl auch 3 Ob 80/04t = RS0002779 [T3, T4]).

[9]       3. Ausgehend von dieser Rechtslage ist das Rekursgericht zutreffend davon ausgegangen, dass das Belastungs- und Veräußerungsverbot der von der Betreibenden angestrebten Exekutionsbewilligung ungeachtet des bereits anhängigen Zwangsversteigerungsverfahrens entgegensteht (vgl 8 Ob 109/13g [zum Beitritt des Insolvenzverwalters bzw Treuhänders]; vgl auch 3 Ob 2226/96s).

[10]           3.1 Die Betreibende führt dagegen ins Treffen, die Rechtsprechung leite die Annahme eines Exekutionshindernisses daraus ab, dass in die Rechte des Verbotsberechtigten nicht unbegründet eingegriffen werden dürfe. Da bereits fest stehe, dass aufgrund des rechtskräftig bewilligten Versteigerungsverfahrens eine Veräußerung stattfinden werde, sei der Verbotszweck nicht mehr gegeben. Entgegen der Ansicht der Revisionsrekurswerberin steht allerdings noch nicht fest, dass die Liegenschaftshälfte
des Verpflichteten im bereits anhängigen Zwangsversteigerungsverfahren jedenfalls („unweigerlich“) verwertet werden wird. Allein aufgrund der Anhängigkeit des führenden Versteigerungsverfahrens kann ein schützenswertes Interesse der Verbotsberechtigten daher nicht verneint werden.

[11]           3.2 Entgegen der Auffassung im Revisionsrekurs kann keine Rede davon sein, dass das Veräußerungsverbot zugunsten der Ehefrau des Verpflichteten durch die Bewilligung der führenden Zwangsversteigerung „substituiert“ worden wäre. Dass sich die Verbotsberechtigte gegenüber dem betreibenden Gläubiger des führenden Verfahrens aufgrund ihrer titulierten Mithaftung nicht auf das Veräußerungsverbot berufen kann, hat nicht zur Folge, dass dieses damit automatisch auch gegenüber allen übrigen Gläubigern des Verpflichteten unwirksam (geworden) ist.

[12]           3.3 Auch der Hinweis darauf, dass Eigentumsveränderungen, die nicht auf vertraglicher Grundlage beruhen, sondern ex lege erfolgen, durch ein Veräußerungsverbot nicht gehindert werden (RS0010782; vgl auch RS0011977; RS0038250; RS0114512), vermag die beantragte Zwangsversteigerung durch Beitritt zum führenden Verfahren nicht zu rechtfertigen. Ein solcher Fall liegt hier nämlich nicht vor.

[13]     3.4 Die Entscheidung des Rekursgerichts erweist sich daher als frei von Rechtsirrtum und dem Revisionsrekurs kommt keine Berechtigung zu.

[14]     4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 78 EO iVm §§ 40, 50 ZPO. Von hier nicht vorliegenden Ausnahmen abgesehen ist das Exekutionsverfahren nach wie vor einseitig. Die vom Verpflichteten erstattete Revisionsrekurs-beantwortung ist zwar mangels gesetzlicher Anordnung nicht zurückzuweisen (RS0118686 [T11]), sie diente allerdings nicht der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung und ist daher nicht zu honorieren (RS0118686 [T12]).

Textnummer

E134196

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2022:0030OB00221.21B.0126.000

Im RIS seit

24.03.2022

Zuletzt aktualisiert am

24.03.2022
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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