TE Lvwg Erkenntnis 2022/3/7 LVwG-2022/22/0468-2

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Veröffentlicht am 07.03.2022
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Entscheidungsdatum

07.03.2022

Index

50/01 Gewerbeordnung

Norm

GewO 1994 §26

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Dr. Triendl über die Beschwerde des Herrn AA, geb. XX.XX.XXXX, Z, v.d. BB Rechtsanwälte-Partnerschaft, Z, gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Z vom 26.1.2022, Zl. *** wegen Abweisung eines Antrages auf Nachsicht vom Gewerbeausschluss wegen gerichtlicher Verurteilung zum Zwecke der Ausübung des Gewerbes „Gastgewerbe in der Betriebsart Verabreichung von Speisen in einfacher Art und Ausschank von nichtalkoholischen Getränken und von Bier in handelsüblichen verschlossenen Gefäßen, wenn hierbei nicht mehr als acht Verabreichungsplätze (zum Genuss von Speisen und Getränken bestimmte Plätze) bereitgestellt werden“

zu Recht:

1.  Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

2. Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag auf Nachsicht vom Gewerbeausschluss wegen gerichtlicher Verurteilung vom 27.9.2021 des Gewerbes „Gastgewerbe in der Betriebsart Verabreichung von Speisen in einfacher Art und Ausschank von nichtalkoholischen Getränken und von Bier in handelsüblichen verschlossenen Gefäßen, wenn hierbei nicht mehr als acht Verabreichungsplätze (zum Genuss von Speisen und Getränken bestimmte Plätze) bereitgestellt werden“ abgewiesen („verweigert“).

Begründend führte die belangte Behörde aus wie folgt:

„Der Antragsteller weist eine Verurteilung eines inländischen Gerichtes auf, wobei dieses die im § 13 Abs. 1 Ziffer 1 lit. b GewO 1994 angegebene Grenze von drei Monaten Freiheitsstrafe bzw. 180 Tagessätzen überschreitet. Der Antragssteller wurde seitens eines inländischen Gerichtes wie folgt verurteilt:

01) LG Z *** vom 17.11.2014 RK 14.01.2016

§ 12 3. Fall StGB § 115 (1) FPG

§§ 114(1), 114(3) Z 2, 114(4) 1. Fall FPG

Datum der (letzten) Tat 30.04.2013

Freiheitsstrafe 10 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre

Geldstrafe von 300 Tags zu je 4,00 EUR (1.200,00 EUR)

In erster Linie muss derjenige, der einen Ausschlussgrund verwirklicht hat, die Konsequenzen und Nachteile tragen und abwarten, bis die strafrechtlichen Verurteilungen getilgt sind. Lediglich in Ausnahmefällen soll eine Nachsicht gewährt werden, wenn zB eine lange Zeit der Unbescholtenheit (im Vergleich zum Zeitraum über die Straftaten begangen wurden) vorliegt und eine positive Persönlichkeitsentwicklung erkennbar ist. Dies dient im Allgemeinen dazu, dass der Verurteilte sein Wohlverhalten „beweisen“ kann und in der Folge wieder jenes Maß an Vertrauenswürdigkeit genießen darf, das im Geschäftsverkehr als Unternehmer sowie gegenüber Arbeitnehmern und Konsumenten wichtig und notwendig ist. Die Nachsicht ist erst zu erteilen, wenn die in § 26 Abs. 1 GewO 1994 genannte Befürchtung gar nicht besteht (zB. VwGH 20.05.2015, Ra 2015/04/0031; 18.2.2015, Ra 2014/04/0035).

Herr AA hat bereits vor der Antragstellung auf Nachsicht vom Gewerbeausschluss einen Antrag auf Gewerbeanmeldung unter der Aktenzahl *** gestellt und dabei angegeben, dass in seinem Fall keine Gewerbeausschlussgründe vorliegen. Das Formular „Erklärung betreffend Gewerbeausschlussgründe“ wurde am 24.08.2021 vor Ort in der Behörde von ihm selbst unterschrieben, wohlwissend, dass in seinem Fall ein Gewerbeausschlussgrund vorliegt, wodurch Zweifel an der Glaubwürdigkeit von Herrn AA aufkommen. Das Ansuchen wurde per Bescheid negativ erledigt, es wurde keine Beschwerde eingereicht und erst im Anschluss wurde ein Antrag auf Nachsicht vom Gewerbeausschlussgrund gestellt.

Beim Nachsichtsantrag hat Herr AA angeführt, dass in seinem Strafregister keine Verurteilungen sind, die Strafe bereits getilgt wurde und er lediglich Hilfestellung bei Fluchtbemühungen leisten wollte und er nur Beitragstäter gewesen wäre. Dem widerspricht das Urteil, woraus klar hervorgeht, dass Herr AA weit mehr als nur Beitragstäter mit dem bloßen Wunsch, Menschen zu helfen, war. Es wurden Vorleistungen durch Geld von den Betroffenen verlangt, was dem bloßen Wunsch zu helfen widerspricht. Die Zweifel an der Glaubwürdigkeit von Herrn AA werden hierdurch verstärkt.

In Hinblick auf den Schweregrad der Tat ist nach Ansicht der erkennenden Behörde der Zeitraum zwischen der Verurteilung und der Antragstellung nicht lange genug um ein Wohlverhalten bzw. eine wiederhergestellte Vertrauenswürdigkeit zu beurteilen. Die Schwere der Tat drückt sich auch darin aus, dass es nicht bloß zu einer Mindeststrafe kam, sondern die Verurteilung über diese sogar hinausgeht.

Da an der Glaubwürdigkeit von Herrn AA gezweifelt wird, keine Reue zu erkennen ist und die Taten verharmlost oder sogar abgestritten werden, lässt dies keine positive Beurteilung zur Persönlichkeitsentwicklung zu. Die Behörde kann nicht mit Sicherheit ausschließen, dass eine gleiche oder ähnliche Tat erneut ausgeführt wird, da die Glaubwürdigkeit von Herrn AA in Frage steht.

Da somit die gesetzlichen Voraussetzungen gemäß § 26 Abs. 1 GewO 1994 für die Erteilung der Nachsicht nicht vorliegen, war spruchgemäß zu entscheiden.“

In der dagegen rechtzeitig und zulässig eingebrachten Beschwerde wurde zusammenfassend vorgebracht, die Prognose der belangten Behörde in Bezug auf das zukünftige Verhalten des Beschwerdeführers sei verfehlt.

Beweis wurde aufgenommen durch Einsichtnahme in den behördlichen Akt

II.      Sachverhalt:

Mit Urteil des Landesgerichtes Z vom 17.11.2014, ***(rechtskräftig am 14.1.2016 – Urteil OLG Z ***), wurde AA schuldig gesprochen, er (und Frau CC) habe nach Punkt I. des zitierten Urteiles in Z und an anderen Orten im Zeitraum September 2012 bis April 2013 im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit den abgesondert verfolgten DD und EE sowie im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit den abgesondert verfolgten, im Iran agierenden Schleppern FF und GG und als Mitglieder einer kriminellen Vereinigung, die – infolge gefälschter oder erschlichener Schengentouristenvisa, welche von europäischen Botschaften in Unkenntnis der beabsichtigten Niederlassung in Österreich an iranische Staatsbürger erteilt wurden – rechtswidrige Einreise und Durchreise iranischer Staatsbürger nach und durch Österreich, sohin in einen Mitgliedstaat der Europäischen Union, durch die nachfolgend angeführten Handlungen mit dem Vorsatz gefördert, sich oder einen Dritten durch ein dafür gelistetes Entgelt (wird näher ausgeführt) unrechtmäßig zu bereichern und zwar

(…) AA nach Punkt I. B) des zitierten Urteils unmittelbar nach Ankunft der von FF und von GG nach Österreich geschleppten Personen in Z, durch Abholung und Verbringung der Migranten in eine vorab organisierte Unterkunft bzw. durch Organisation der Weiterreise in eine Asylantragstelle (Polizeidienststelle, Y) hinsichtlich näher genannter Zeiträume und Personen und

nach Punkt II. des zitierten Urteiles mit dem Vorsatz, sich oder einen Dritten durch ein dafür geleistetes, nicht bloß geringfügiges Entgelt, nämlich den unter Pkt. I. genannten Lohn in Höhe von rund Euro 1000 pro Person, unrechtmäßig zu bereichern, Fremden den unbefugten Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates der Europäischen Union erleichtert, und zwar AA dadurch, dass er zu den unter Punkt II. A angeführten Taten beitrug, indem er das vom geschleppten JJ für die Tat per Western Union für CC entrichtet Entgelt in Höhe von Euro 400 in Empfang nahm und weiterleite

dadurch zu I. B (a) bis c) die Verbrechen der Schlepperei nach § 114 Abs 1, Abs 4 1. Fall FPG und zu II.B) das Vergehen der entgeltlichen Beihilfe zum unbefugten Aufenthalt nach §§ 12 3. Alt. StGB, 115 Abs 1 FPG begangen.

AA wurde dafür zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 15 (fünfzehn) Monaten (5 Monate unbedingt) verurteilt. Das OLG Z bestätigte im Urteil vom 14.1.2016, *** den Schuldspruch, gab jedoch der Berufung in Bezug auf die Strafhöhe insofern Folge, als nunmehr eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe in der Dauer von 10 (zehn) Monaten und eine Geldstrafe von 300 (dreihungert) Tagessätzen, im Uneinbringlichkeitsfall 150 Tage Ersatzfreiheitsstrafe verhängt wurde.

Begründend führte das OLG Z aus wie folgt:

„Soweit der Angeklagte AA in seiner Berufung behauptet, er habe sich auch vor Gericht „reumütig und zur Gänze geständig“ gezeigt, ist ihm seine Verantwortung anlässlich der Hauptverhandlung am 6.10.2014 entgegenzuhalten. Auf die Frage, ob er sich schuldig, nicht schuldig oder teilweise schuldig bekenne, gab er dort an, dass er nicht wisse, was er sagen soll. Er sei offenbar schuldig, weil er heute hier sei. In weiterer Folge behauptete er, nichts von der Schlepperei gewusst zu haben und keinen iranischen Schlepper namens KK zu kennen (ON 213 AS 5,9).

Hingegen kommt seinem Geständnis vor der Polizei entgegen der Ansicht der Staatsanwaltschaft maßgebliches Gewicht zu, wurde dieses doch den Urteilsfeststellungen zugrunde gelegt (US 37).

Berücksichtigt man weiters die – in der Berufung der Staatsanwaltschaft bei Wiedergabe der erstrichterlichen Strafzumessungsgründe außer Acht gelassene – untergeordnete Beteiligung des Angeklagten AA, so erscheint bei ihm der unmittelbare Vollzug einer Freiheitsstrafe nicht erforderlich. Mit Blick auf die besonderen Erschwerungs- und Milderungsgründe, die allgemeinen Strafbemessungsgrundsätze (§ 32 StGB) sowie generalpräventive Erwägungen war nach Ausscheidung des § 43a Abs 3 StGB sowie unter Anwendung des § 43a Abs 2 StGB eine unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe von zehn Monaten und eine zu vollziehende Geldstrafe von 300 Tagessätzen, im Uneinbringlichkeitsfall 150 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, zu verhängen.

Nach seinen Angaben anlässlich der Berufungsverhandlung ist AA bei der Fa. LL als Verkaufshilfe teilzeitbeschäftigt und erzielt dabei ein monatliches Nettoeinkommen von EUR 707,-- (14 mal jährlich). Darüber hinaus arbeitet er fünfeinhalb Stunden wöchentlich als Küchenhilfe in der Kantine des Landestheaters, wo er EUR 192,-- monatlich verdient. Er besitzt einen PKW der Marke Ford, Baujahr 2009, und ist für mittlerweile drei Kinder sorgepflichtig. Seine Gattin, die Angeklagte CC, erzielt ein eigenes Erwerbseinkommen. Ausgehend von den persönlichen Verhältnissen und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Angeklagten AA war der einzelne Tagessatz gemäß § 19 Abs 2 StGB mit dem Mindestbetrag von EUR 4,-- zu bemessen.“

Dem aktuellen Strafregisterauszug vom 24.2.2022 ist zu entnehmen, dass die gegenständliche Verurteilung am 8.2.2027 getilgt ist. Es liegen keine Verwaltungsstrafvormerkungen in Tirol vor.

III.     Beweiswürdigung:

Dieser Sachverhalt ergibt sich aus dem Akt der belangten Behörde, aus dem eingeholten Strafregisterauszug sowie den tirolweiten Verwaltungsstrafvormerkungen.

IV.      Rechtliche Grundlagen:

Folgende Bestimmung der Gewerbeordnung 1994, BGBl 194 (GewO 1994) zuletzt geändert durch BGBl I 2015/155 (Hervorhebungen durch den Gefertigten):

„§ 13.

(1) Natürliche Personen sind von der Ausübung eines Gewerbes ausgeschlossen, wenn sie

         1.       von einem Gericht verurteilt worden sind

         a)       wegen betrügerischen Vorenthaltens von Sozialversicherungsbeiträgen und Zuschlägen nach dem Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz (§ 153d StGB), organisierter Schwarzarbeit (§ 153e StGB), betrügerischer Krida, Schädigung fremder Gläubiger, Begünstigung eines Gläubigers oder grob fahrlässiger Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen (§§ 156 bis 159 StGB) oder

         b)       wegen einer sonstigen strafbaren Handlung zu einer drei Monate übersteigenden Freiheitsstrafe oder zu einer Geldstrafe von mehr als 180 Tagessätzen und

         2.       die Verurteilung nicht getilgt ist.

Von der Ausübung eines Gastgewerbes sind natürliche Personen ausgeschlossen, wenn gegen sie eine nicht getilgte gerichtliche Verurteilung wegen Übertretung der §§ 28 bis 31a des Suchtmittelgesetzes, BGBl. I Nr. 112/1997, in der jeweils geltenden Fassung, vorliegt. Bei Geldstrafen, die nicht in Tagessätzen bemessen sind, ist die Ersatzfreiheitsstrafe maßgebend. Bei Verhängung einer Freiheitsstrafe und einer Geldstrafe sind Freiheitsstrafe und Ersatzfreiheitsstrafe zusammenzuzählen. Dabei ist ein Monat dreißig Tagen gleichzuhalten. Die Bestimmungen dieses Absatzes gelten auch, wenn mit den angeführten Ausschlussgründen vergleichbare Tatbestände im Ausland verwirklicht wurden.

(…)“

§ 26.

(1) Die Behörde hat im Falle des Ausschlusses von der Gewerbeausübung gemäß § 13 Abs. 1 oder 2 die Nachsicht von diesem Ausschluß zu erteilen, wenn nach der Eigenart der strafbaren Handlung und nach der Persönlichkeit des Verurteilten die Begehung der gleichen oder einer ähnlichen Straftat bei Ausübung des Gewerbes nicht zu befürchten ist.

(2) Die Behörde hat im Falle des Ausschlusses von der Gewerbeausübung gemäß § 13 Abs. 3 oder 4 die Nachsicht von diesem Ausschluß zu erteilen, wenn auf Grund der nunmehrigen wirtschaftlichen Lage des Rechtsträgers erwartet werden kann, daß er den mit der Gewerbeausübung verbundenen Zahlungspflichten nachkommen wird.

(3) Die Behörde hat im Falle des Ausschlusses von der Gewerbeausübung gemäß § 13 Abs. 5 die Nachsicht von diesem Ausschluß zu erteilen, wenn auf Grund der Umstände, die zum Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens geführt haben und nach der Persönlichkeit der natürlichen Person erwartet werden kann, daß sie den mit der Gewerbeausübung verbundenen Zahlungsverpflichtungen nachkommen wird.

(4) Die Nachsicht gemäß Abs. 1, 2 oder 3 ist nicht zu erteilen, wenn andere Ausschlußgründe gemäß § 13 vorliegen als jene, für die die Nachsicht erteilt werden soll.“

V.       Erwägungen:

Der Beschwerdeführer wurde wegen des Verbrechens der Schlepperei nach § 114 Abs 1, Abs 4 1. Fall FPG und des Vergehens der entgeltlichen Beihilfe zum unbefugten Aufenthalt nach §§ 12 3. Alt. StGB, 115 Abs 1 FPG verurteilt. Schlussendlich wurde über ihn eine Freiheitsstrafe in der Dauer von 10 (zehn) Monaten (bedingt nachgesehen auf drei Jahre) und eine Geldstrafe von 300 (dreihundert) Tagessätzen, im Uneinbringlichkeitsfall 150 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, verhängt.

Somit sind beide Tatbestandsvoraussetzungen des § 13 Abs 1 Z 1 lit b GewO 1994 erfüllt. Ob das Gericht dabei die Freiheitsstrafe bedingt nachgesehen hat, ist – grundsätzlich – unerheblich (vgl Stolzlechner/Müller/Seider/Vogelsang/Höllbacher, Kommentar zur Gewerbeordnung 19944 (2020) § 13 Rz 6).

Der in § 13 Abs 1 GewO normierte Ausschluss von der Ausübung eines Gewerbes bei Vorliegen der tatbestandsmäßigen Voraussetzungen tritt unabhängig davon ein, ob im Einzelfall die gewerberechtliche Zuverlässigkeit der betroffenen Person in Zweifel gezogen werden muss oder nicht (VwGH 21.03.1995, 94/04/0151). Die in dieser Gesetzesstelle angeführten Verurteilungen müssen nicht Delikte betreffen, die bei Ausübung oder im Zusammenhang mit der Ausübung des Gewerbes begangen wurden (VwGH 17.10.1980, 1646/79).

Im Zuge der Erteilung von Nachsichten von diesem Gewerbeausschlussgrund erwartet sich der Gesetzgeber eine strenge Handhabung über die Prognose des zukünftigen Verhaltens der vom Ausschlussgrund betroffenen Person. In seinem Erkenntnis vom 25.09.2012, 2012/04/0113, führte der Verwaltungsgerichtshof aus, dass die Nachsicht gemäß § 26 Abs 1 GewO erst dann zu erteilen ist, wenn die in dieser Bestimmung genannte Befürchtung gar nicht besteht. Bei der Prüfung der Frage, ob die Begehung der gleichen oder einer ähnlichen Straftat bei Ausübung des Gewerbes zu befürchten ist, hat die Behörde sowohl auf die Eigenart der strafbaren Handlung als auch auf das Persönlichkeitsbild des Verurteilten Bedacht zu nehmen. Bei der Prognoseentscheidung gemäß § 26 Abs 1 GewO 1994 ist auf die Hintergründe und Absichten des Beschwerdeführers bei der Begehung der strafbaren Handlungen nicht einzugehen (VwGH 28.09.2011, 2011/04/0148 bis 0151). Der Bedachtnahme auf mit einer Resozialisierung im Zusammenhang stehende Umstände kommt bei der Beurteilung des Tatbestandes der Persönlichkeit des Verurteilten keine Entscheidungsrelevanz zu.

Der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist zu entnehmen, dass bei der Würdigung der Persönlichkeit des Beschwerdeführers die von der belangten Behörde angenommene Befürchtung der Begehung der gleichen oder einer ähnlichen Straftat wegen der zeitlichen Situierung der Tatbegehung bzw der seither verstrichenen Zeit je nach Lage des Einzelfalls von 6 bis 11 Jahren nicht rechtswidrig ist (vgl. die Nachweise bei Stolzlechner/Müller/Seider/Vogelsang/Höllbacher, aaO, § 26 Rz 8 und 12). Die Tatbegehung ereignete sich beim Beschwerdeführer vor ca 9 ½ Jahren. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Umwandlung der zunächst teilbedingt ausgesprochenen Freiheitsstrafe in eine auf drei Jahre bedingte Freiheitsstrafe von 10 Monaten vom OLG Z mit dem oben zitierten Urteil vom 14.1.2016 erfolgte und die Nachsicht dieser bedingten Freiheitsstrafe sohin erst im Jahre 2019 (genauer am 17.1.2019 – siehe den oben zitierten Strafregisterauszug). Dem Beschwerdeführer war daher die gegenständliche Causa stets bewusst. Dazu kommt noch, dass er einerseits – und entgegen den Ausführungen in der Beschwerde - die Schwere der Tat bis heute sehr wohl verharmlost und andererseits falsche Angaben bei der Gewerbeanmeldung bzw. dem Antrag um Nachsicht macht. Wenngleich das OLG Z die Strafe herabsetzt, verbleibt immer noch eine bedingte Freiheitsstrafe von 10 Monaten samt Ersatzfreiheitsstrafe von 150 Tagen. Und auch wenn das OLG Z davon spricht, dass die Beteiligung des Beschwerdeführers an der „gesamten“ Tat untergeordnet ist, hat er immerhin durch seine Abholung und Verbringung der Migranten in eine vorab organisierte Unterkunft, bzw. durch Organisation der Weiterreise in eine Asylantragstelle hinsichtlich insgesamt acht iransicher Staatsangehöriger maßgeblich am Funktionieren des Schlepperringes mitgewirkt. Seine verharmlosende Argumentation (siehe den Antrag auf „Nachsicht vom Gewerbeausschluss“ vom 27.9.2021: „nur Beitragstäter“, „war mir Strafbarkeit nicht bewusst“ „Hilfestellung für Fluchtbemühungen im Verwandten und- Bekanntenkreis“) stehen im Widerspruch zu den Feststellungen in den oben zitierten Gerichtsurteilen. Er hat vorsätzlich gehandelt und auch einen entsprechende „Lohn“ erhalten. Vor diesem Hintergrund stellen seine oben zitierten Angaben im Antrag vom 27.9.2021 selbstredend eine Verharmlosung der Taten dar und entbehren überdies jeder Grundlage. Natürlich hat er gewusst, dass sein Handeln strafbar ist und handelte es sich bei seiner bezahlten Tätigkeit um keine „Hilfestellung“ im Familien- und Bekanntenkreis.

Verfehlt ist auch die Annahme in der Beschwerde, der Antragsteller sei vorrangig Beitrittstäter gewesen. Beitragstäter war er nur beim Vergehen nach §§ 12 3. Alt. StGB, 115 Abs 1 FPG, das für den Strafausspruch selbstredend maßgebliche Verbrechen der Schlepperei beging er als unmittelbarer Täter. Die Verharmlosung der Tat bestätigt sich auch in der fehlenden Angabe des vorliegenden Gewerbeausschießungsgrundes der gerichtlichen Verurteilung. Wenn er sich dazu auf eine Strafregisterbescheinigung bezieht, in der diese Verurteilung nicht aufscheint, ist ihm entgegenzuhalten, dass allgemein bekannt ist, dass bestimmte Verurteilungen bei einem „privat“ angeforderten Strafregisterauszug (sog. „beschränkte Auskunft“ nach § 6 Tilgungsgesetz 1972) nicht aufscheinen. Tatsächlich ist die gegenständliche Verurteilung erst am 8.2.2027 getilgt (siehe den vorliegenden Strafregisterauszug vom 4.2.2002 sowie § 3 Abs 2 Tilgungsgesetz 1972). Er wusste natürlich (siehe die Ausführungen oben) von seiner Verurteilung und hätte sich daher z.B. bei der zuständigen Gewerbebehörde vorab darüber informieren müssen, inwieweit er diese – tatsächlich noch nicht getilgte – gerichtliche Verurteilung in seinen Anträgen (Gewerbeanmeldung und Antrag um Nachsicht) angeben hätte müssen.

Vor diesem Hintergrund kann bei der Beurteilung seines Persönlichkeitsbildes nicht die Prognose abgegeben werden, dass keinerlei Befürchtung besteht, dass er nicht wieder gerichtlich strafbare Handlungen begehen werde. Die Wohlverhaltenszeit seit der letzten Straftat ist dafür zu kurz. Da die Nachsicht gemäß § 26 Abs 1 GewO erst dann zu erteilen ist, wenn die in dieser Bestimmung genannte Befürchtung gar nicht besteht, ist im Hinblick auf die der gegenständlichen Verurteilung zugrundeliegenden Straftat die bekämpfte Entscheidung der belangten Behörde im Einklang mit § 26 Abs 1 GewO ergangen. Die durchzuführende Zukunftsprognose beim Beschwerdeführer kann daher zusammenfassend nur eine schlechte sein. Es ist aufgrund seines bisherigen Verhaltens, wie die belangte Behörde richtig ausgeführt hat, zu befürchten, dass der Beschwerdeführer auch im Zusammenhang mit der Ausübung des beantragten Gewerbes gleiche oder ähnliche Straftaten begehen wird. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

In der gegenständlichen Beschwerdesache konnte im Sinne des § 24 Abs 4 VwGVG eine Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol deshalb entfallen, da vorliegend einerseits weder ein diesbezüglicher Antrag gestellt wurde und andererseits bloß eine reine Rechtsfrage zu beantworten war, wogegen der Sachverhalt als geklärt angesehen werden konnte, sodass eine mündliche Erörterung eine weitere Klärung der vorliegenden Rechtssache nicht erwarten ließ. Einem Entfall der Verhandlung standen auch weder Art 6 Abs 1 EMRK noch Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegen (vergleiche VwGH 3.10.2013, 2012/06/0221 und 21.03.2014, 2011/06/0024).

VI.      Unzulässigkeit der ordentlichen Revision

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Die Zulässigkeit der ordentlichen Revision war daher auszuschließen.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen, und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.

Sie haben die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Dr. Triendl

(Richter)

Schlagworte

Nachsicht,
Ausschluss Gewerbeausübung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2022:LVwG.2022.22.0468.2

Zuletzt aktualisiert am

23.03.2022
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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