Entscheidungsdatum
08.03.2022Index
41/02 Passrecht FremdenrechtNorm
NAG 2005 §54Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seine Richterin Dr.in Luchner über die Beschwerde des AA, geb am **.**.****, Adresse 1, **** Z, vertreten durch die Rechtsanwälte BB, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Z vom 22.06.2021 zu Zahl ***,
zu Recht:
1. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
2. Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Vorverfahren, Sachverhalt:
Der Beschwerdeführer hat am 26.06.2015 einen Asylantrag beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eingebracht.
Am 12.02.2018 ist eine Rückkehrentscheidung (§ 52 FPG) ergangen.
In dieser Rückkehrentscheidung wurde die Abschiebung für zulässig erklärt und auch eine Frist für die freiwillige Ausreise gesetzt. Dagegen wurde Beschwerde erhoben.
Der Beschwerdeführer hat am 25.03.2019 eine Aufenthaltsberechtigungskarte Weiß (§ 51 Asylgesetz) erhalten.
In § 13 Asylgesetz 2005 ist ausgeführt wie folgt:
„Aufenthaltsrecht
§ 13. (1) Ein Asylwerber, dessen Asylverfahren zugelassen ist, ist bis zur Erlassung einer durchsetzbaren Entscheidung, bis zur Einstellung oder Gegenstandslosigkeit des Verfahrens oder bis zum Verlust des Aufenthaltsrechtes (Abs. 2) zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt. Ein auf Grund anderer Bundesgesetze bestehendes Aufenthaltsrecht bleibt unberührt.
(2) Ein Asylwerber verliert sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet, wenn
1. dieser straffällig geworden ist (§ 2 Abs. 3),
2. gegen den Asylwerber wegen einer gerichtlich strafbaren Handlung, die nur vorsätzlich begangen werden kann, eine Anklage durch die Staatsanwaltschaft eingebracht worden ist,
3. gegen den Asylwerber Untersuchungshaft verhängt wurde (§§ 173 ff StPO, BGBl. Nr. 631/1975) oder
4. der Asylwerber bei der Begehung eines Verbrechens (§ 17 StGB) auf frischer Tat betreten worden ist.
Der Verlust des Aufenthaltsrechtes ist dem Asylwerber mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Wird ein Asylwerber in den Fällen der Z 2 bis 4 freigesprochen, tritt die Staatsanwaltschaft von der Verfolgung der Straftat zurück (§§ 198 ff StPO) oder wird das Strafverfahren eingestellt, lebt sein Aufenthaltsrecht rückwirkend mit dem Tage des Verlustes wieder auf.
(3) Hat ein Asylwerber sein Recht auf Aufenthalt im Bundesgebiet gemäß Abs. 2 verloren, kommt ihm faktischer Abschiebeschutz (§ 12) zu.
(4) Das Bundesamt hat im verfahrensabschließenden Bescheid über den Verlust des Aufenthaltsrechtes eines Asylwerbers abzusprechen.“
Im gegenständlichen Fall ist zur Straffälligkeit des Beschwerdeführers auszuführen, dass er beim Landesgericht Y zu Zahl *** vom 07.08.2019, rechtskräftig am 13.08.2019 wegen § 270 Abs 1 StGB zu einer Geldstrafe von 150 Tagsätzen zu je 4,00 Euro (600,00 Euro) im Nichteinbringungsfall 75 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, davon Geldstrafe von 100 Tagsätzen zu je 4,00 Euro (400,00 Euro) im Nichteinbringungsfall 50 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, bedingt, Probezeit 3 Jahre verurteilt worden ist.
Am 07.07.2020 wurde der unbedingte Teil der Geldstrafe vollzogen. Der bedingt nachgesehene Teil der Geldstrafe wurde am 11.08.2020 widerrufen.
Der Beschwerdeführer wurde am 11.08.2020, rechtskräftig am 11.08.2020, zu LG Y *** wegen § 84 Abs 4 StGB zu einer Geldstrafe von 540 Tagen zu je 4,00 Euro (2.160,00 Euro) im Nichteinbringungsfall 270 Tage Ersatzfreiheitsstrafe verurteilt.
Das BFA hat sich gemäß § 55 NAG mit der Angelegenheit AA früherer Name CC, geb am **.**.**** im Irak befasst. Es war die Frage zu klären, ob die Gefährdung aus Gründen der öffentlicher Ordnung und Sicherheit vorliegen würde.
Die Bezirkshauptmannschaft Z hat diesbezüglich ein Schreiben vom 19.03.2021 an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl übersandt. In der Begründung wurde ausgeführt, dass sich der Beschwerdeführer seit Juni 2015 in Österreich aufhält und am 20.11.2020 die portugiesische Staatsbürgerin DD, geb am **.**.****, beim Standesamt in **** Z geheiratet habe. Bei der Heirat wären Dokumente vorgelegt worden, aus welchen hervorgehe, dass der eigentliche Name AA und nicht wie im Verfahren beim BFA CC lauten würde. Weiters würden Verurteilungen des Landesgerichtes Y aufscheinen und eine Übertretung nach dem Meldegesetz (Strafverfügung Euro 50,00 Bezirkshauptmannschaft Z) vorliegen. Es gäbe keine Anhaltspunkte die auf eine Aufenthaltsehe hindeuten würden.
Festgehalten wird, dass zum Datum 19.03.2021 eine aufrechte Rückkehrentscheidung bestanden hat.
Am 22.06.2021 ist durch die Bezirkshauptmannschaft Z ein Bescheid zur Zahl *** erlassen worden, mit welchem der Antrag des Beschwerdeführers auf Ausstellung einer Aufenthaltskarte als Angehöriger einer EWR-Bürgerin bis zur Entscheidung des BFA in X zur Frage des § 55 NAG ausgesetzt wurde.
Dagegen hat der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde.
II. Rechtliche Bestimmungen:
Niederlassungs und Aufenthaltsgesetz (NAG) in der Fassung :
„Aufenthaltskarten für Angehörige eines EWR-Bürgers
§ 54
(1) Drittstaatsangehörige, die Angehörige von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern (§ 51) sind und die in § 52 Abs. 1 Z 1 bis 3 genannten Voraussetzungen erfüllen, sind zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt. Ihnen ist auf Antrag eine Aufenthaltskarte für die Dauer von fünf Jahren oder für die geplante kürzere Aufenthaltsdauer auszustellen. Dieser Antrag ist innerhalb von vier Monaten ab Einreise zu stellen. § 1 Abs. 2 Z 1 gilt nicht.
(2) Zum Nachweis des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts sind ein gültiger Personalausweis oder Reisepass, die Anmeldebescheinigung oder die Bescheinigung des Daueraufenthalts des zusammenführenden EWR-Bürgers sowie folgende Nachweise vorzulegen:
1. nach § 52 Abs. 1 Z 1: ein urkundlicher Nachweis des Bestehens der Ehe oder eingetragenen Partnerschaft;
2. nach § 52 Abs. 1 Z 2 und 3: ein urkundlicher Nachweis über das Bestehen einer familiären Beziehung sowie bei Kindern über 21 Jahren und Verwandten des EWR-Bürgers, seines Ehegatten oder eingetragenen Partners in gerader aufsteigender Linie ein Nachweis über die tatsächliche Unterhaltsgewährung.
(3) Das Aufenthaltsrecht der Angehörigen gemäß Abs. 1 bleibt trotz Tod des EWR-Bürgers erhalten, wenn sie sich vor dem Tod des EWR-Bürgers mindestens ein Jahr als seine Angehörigen im Bundesgebiet aufgehalten haben und nachweisen, dass sie die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Z 1 bis 2 erfüllen.
(4) Das Aufenthaltsrecht von minderjährigen Kindern eines unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgers, die Drittstaatsangehörige sind, bleibt auch nach dem Tod oder nicht bloß vorübergehenden Wegzug des EWR-Bürgers bis zum Abschluss der Schulausbildung an einer öffentlichen Schule oder einer rechtlich anerkannten Privatschule erhalten. Dies gilt auch für den Elternteil, der Drittstaatsangehöriger ist, sofern dieser die Obsorge für die minderjährigen Kinder tatsächlich wahrnimmt.
(5) Das Aufenthaltsrecht der Ehegatten oder eingetragenen Partner, die Drittstaatsangehörige sind, bleibt bei Scheidung oder Aufhebung der Ehe oder Auflösung der eingetragenen Partnerschaft erhalten, wenn sie nachweisen, dass sie die für EWR-Bürger geltenden Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Z 1 oder 2 erfüllen und
1. die Ehe bis zur Einleitung des gerichtlichen Scheidungs- oder Aufhebungsverfahrens mindestens drei Jahre bestanden hat, davon mindestens ein Jahr im Bundesgebiet;
2. die eingetragene Partnerschaft bis zur Einleitung des gerichtlichen Auflösungsverfahrens mindestens drei Jahre bestanden hat, davon mindestens ein Jahr im Bundesgebiet;
3. ihnen die alleinige Obsorge für die Kinder des EWR-Bürgers übertragen wird;
4. es zur Vermeidung einer besonderen Härte erforderlich ist, insbesondere weil dem Ehegatten oder eingetragenem Partner wegen der Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Interessen ein Festhalten an der Ehe oder eingetragenen Partnerschaft nicht zugemutet werden kann, oder
5. ihnen das Recht auf persönlichen Umgang mit dem minderjährigen Kind zugesprochen wird, sofern das Pflegschaftsgericht zur Auffassung gelangt ist, dass der Umgang – solange er für nötig erachtet wird – ausschließlich im Bundesgebiet erfolgen darf.
(6) Der Angehörige hat diese Umstände, wie insbesondere den Tod oder Wegzug des zusammenführenden EWR-Bürgers, die Scheidung der Ehe oder die Auflösung der eingetragenen Partnerschaft, der Behörde unverzüglich, bekannt zu geben.
(7) Liegt eine Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (§ 30), eine Zwangsehe oder Zwangspartnerschaft (§ 30a) oder eine Vortäuschung eines Abstammungsverhältnisses oder einer familiären Beziehung zu einem unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürger vor, ist ein Antrag gemäß Abs. 1 zurückzuweisen und die Zurückweisung mit der Feststellung zu verbinden, dass der Antragsteller nicht in den Anwendungsbereich des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts fällt.
Nichtbestehen, Fortbestand und Überprüfung des Aufenthaltsrechts für mehr als drei Monate
§ 55
(1) EWR-Bürgern und ihren Angehörigen kommt das Aufenthaltsrecht gemäß §§ 51, 52, 53 und 54 zu, solange die dort genannten Voraussetzungen erfüllt sind.
(2) Der Fortbestand der Voraussetzungen kann bei einer Meldung gemäß §§ 51 Abs. 3 und 54 Abs. 6 oder aus besonderem Anlass wie insbesondere Kenntnis der Behörde vom Tod des unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgers oder einer Scheidung überprüft werden.
(3) Besteht das Aufenthaltsrecht gemäß §§ 51, 52 und 54 nicht, weil eine Gefährdung aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit vorliegt, die Nachweise nach § 53 Abs. 2 oder § 54 Abs. 2 nicht erbracht werden oder die Voraussetzungen für dieses Aufenthaltsrecht nicht oder nicht mehr vorliegen, hat die Behörde den Betroffenen hievon schriftlich in Kenntnis zu setzen und ihm mitzuteilen, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hinsichtlich einer möglichen Aufenthaltsbeendigung befasst wurde. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ist unverzüglich, spätestens jedoch gleichzeitig mit der Mitteilung an den Antragsteller, zu befassen. Dies gilt nicht in einem Fall gemäß § 54 Abs. 7. Während eines Verfahrens zur Aufenthaltsbeendigung ist der Ablauf der Frist gemäß § 8 VwGVG gehemmt.
(4) Unterbleibt eine Aufenthaltsbeendigung (§ 9 BFA-VG), hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dies der Behörde mitzuteilen. Sofern der Betroffene nicht bereits über eine gültige Dokumentation verfügt, hat die Behörde in diesem Fall die Dokumentation des Aufenthaltsrechts unverzüglich vorzunehmen oder dem Betroffenen einen Aufenthaltstitel zu erteilen, wenn dies nach diesem Bundesgesetz vorgesehen ist.
(5) Unterbleibt eine Aufenthaltsbeendigung von Drittstaatsangehörigen, die Angehörige sind, aber die Voraussetzungen nicht mehr erfüllen, ist diesen Angehörigen ein Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ quotenfrei zu erteilen.
(6) Erwächst eine Aufenthaltsbeendigung in Rechtskraft, ist ein nach diesem Bundesgesetz anhängiges Verfahren einzustellen. Das Verfahren ist im Fall der Aufhebung einer Aufenthaltsbeendigung fortzusetzen, wenn nicht neuerlich eine aufenthaltsbeendende Maßnahme gesetzt wird.
Aufenthaltsrecht für Angehörige von EWR-Bürgern
§ 52
(1) Auf Grund der Freizügigkeitsrichtlinie sind EWR-Bürger, die Angehörige von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern (§§ 51 und 53a) sind, zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt, wenn sie
1. Ehegatte oder eingetragener Partner sind;
2. Verwandter des EWR-Bürgers, seines Ehegatten oder eingetragenen Partners in gerader absteigender Linie bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres und darüber hinaus sind, sofern ihnen von diesen Unterhalt tatsächlich gewährt wird;
3. Verwandter des EWR-Bürgers, seines Ehegatten oder eingetragenen Partners in gerader aufsteigender Linie sind, sofern ihnen von diesen Unterhalt tatsächlich gewährt wird;
4. Lebenspartner sind, der das Bestehen einer dauerhaften Beziehung nachweist, oder
5. sonstige Angehörige des EWR-Bürgers sind,
a) die vom EWR-Bürger bereits im Herkunftsstaat Unterhalt tatsächlich bezogen haben,
b) die mit dem EWR-Bürger bereits im Herkunftsstaat in häuslicher Gemeinschaft gelebt haben, oder
c) bei denen schwerwiegende gesundheitliche Gründe die persönliche Pflege zwingend erforderlich machen.
Unionsrechtliches Aufenthaltsrecht von EWR-Bürgern für mehr als drei Monate
§ 51
(1) Auf Grund der Freizügigkeitsrichtlinie sind EWR-Bürger zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt, wenn sie
1. in Österreich Arbeitnehmer oder Selbständige sind;
2. für sich und ihre Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel und einen umfassenden Krankenversicherungsschutz verfügen, so dass sie während ihres Aufenthalts weder Sozialhilfeleistungen noch die Ausgleichszulage in Anspruch nehmen müssen, oder
3. als Hauptzweck ihres Aufenthalts eine Ausbildung einschließlich einer Berufsausbildung bei einer öffentlichen Schule oder einer rechtlich anerkannten Privatschule oder Bildungseinrichtung absolvieren und die Voraussetzungen der Z 2 erfüllen.
§ 38
Sofern die Gesetze nicht anderes bestimmen, ist die Behörde berechtigt, im Ermittlungsverfahren auftauchende Vorfragen, die als Hauptfragen von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten zu entscheiden wären, nach der über die maßgebenden Verhältnisse gewonnenen eigenen Anschauung zu beurteilen und diese Beurteilung ihrem Bescheid zugrunde zu legen. Sie kann aber auch das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage aussetzen, wenn die Vorfrage schon den Gegenstand eines anhängigen Verfahrens bei der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. beim zuständigen Gericht bildet oder ein solches Verfahren gleichzeitig anhängig gemacht wird.“
III. Rechtliche Erwägungen:
Die Erstinstanz hatte einen Antrag auf Ausstellung einer Aufenthaltskarte zugunsten des irakischen Staatsbürgers AA zu bearbeiten. Gegen diesen lag zum damaligen Zeitpunkt eine Rückkehrentscheidung vor, es war über die Beschwerde dagegen noch nicht entschieden worden.
Die Strafregisterauskunft des Beschwerdeführers weist zwei Eintragungen auf.
Die Erstinstanz hat in der Folge das BFA mit der Überprüfung des Aufenthaltsrechts des Beschwerdeführers für mehr als drei Monate in Inland befasst und hat, da die Frage des Aufenthaltsrechtes für mehr als 3 Monate eine positive Antwort auf Ausstellung einer Aufenthaltskarte voraussetzt, dieses Verfahren bis zur Klärung der Frage nach § 55 NAG ausgesetzt.
In § 55 Abs 3 NAG wird ausgeführt, dass wenn das Aufenthaltsrecht gemäß §§ 51, 52 und 54 nicht besteht, weil eine Gefährdung aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit vorliegt oder die Nachweise nach § 53 Abs 2 oder § 54 Abs 2 nicht erbracht werden, oder die Voraussetzungen für dieses Aufenthaltsrecht nicht oder nicht mehr vorliegen, die Behörde den Betroffenen hiervon schriftlich in Kenntnis zu setzen und ihm mitzuteilen hat, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hinsichtlich einer mündlichen Aufenthaltsbeendigung befasst wurde.
Während des Verfahrens zur Aufenthaltsbeendigung ist der Ablauf der Frist gemäß § 8 VwGVG gehemmt. In § 55 Abs 4 NAG ist ausgeführt, dass wenn eine Aufenthaltsbeendigung unterbleibt, das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dies der Behörde mitzuteilen hat. Sofern der Betroffene nicht bereits über eine gültige Dokumentation verfügt, hat die Behörde in diesem Fall die Dokumentation des Aufenthaltsrechts unverzüglich vorzunehmen oder dem Betroffenen einen Aufenthaltstitel zu erteilen, wenn dies nach diesem Bundesgesetz vorgesehen ist.
Außerdem ist der Rechtsprechung des VwGH vom 19.03.2009 zu Zahl 2009/18/0024 zu entnehmen, dass ein Fremder als drittstaatszugehöriger Ehegatte einer freizügigkeitsberechtigten EWR-Bürgerin gemäß § 54 Abs 1 iVm § 52 Z 1 NAG zur Niederlassung berechtigt sei, es sei denn, die Voraussetzungen für deren Beschränkung im Sinn des § 55 NAG wären gegeben, weil eine Gefährdung aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit vorliege oder weil die Nachweise nach § 53 Abs 2 oder § 54 Abs 2 NAG nicht erbracht werden.
Im gegenständlichen Fall hat eine Rückkehrentscheidung bestanden. Dann hat der Beschwerdeführer geheiratet, obwohl diese aufrechte Rückkehrentscheidung vorgelegen ist. Außerdem wurde er bereits zweimal straffällig.
Die Erstinstanz hat daher zurecht abgewartet, wie das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl nach der Befassung gemäß § 55 NAG entscheidet, da die Vorfrage ob eine Gefährdung aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit vorliegt, entscheidungswesentlich für die Ausstellung oder Nichtausstellung einer Aufenthaltskarte war.
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl in X konnte wiederum während des laufenden Verfahrens keine Stellungnahme zur Frage abgeben, ob nun eine Gefahr für die Öffentlichkeit und Sicherheit des Landes vom Beschwerdeführer ausgeht.
Da diese Vorfrage entscheidungswesentlich ist aufgrund der Vorgaben im Gesetz, insbesondere aufgrund § 55 Abs 3 NAG das Verfahren zu Recht ausgesetzt worden.
Zwischenzeitlich ist nun ein Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts ergangen und wurde die Rückkehrentscheidung sowie die Abschiebung in den Herkunftsstaat Irak bzw die Frist für die freiwillige Ausreise binnen 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung behoben.
Nunmehr wird die Bezirkshauptmannschaft Z über die Ausstellung einer Aufenthaltskarte entscheiden können und auch unverzüglich müssen.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist unter einer Vorfrage im Sinn des § 38 AVG eine, für die Entscheidung der Verwaltungsbehörde präjudizielle Rechtsfrage zu verstehen, über die als Hauptfrage von anderen Verwaltungsbehörden oder Gerichten oder auch von derselben Behörde, jedoch in einem Verfahren zu entscheiden ist (VwGH Ra 2020/11/0226 vom 25.01.2021).
Die Vorfrage ist eine Rechtsfrage deren Lösung eine unabdingbare Voraussetzung für die Lösung einer anderen Frage nämlich der jeweiligen Hauptfrage darstellt, sodass eine Vorfrage schon begrifflich nicht mit der Hauptfrage ident sein kann.
Eine Vorfrage liegt vielmehr bereits dann vor, wenn der relevante Tatbestand ein (explizit angeführtes ist oder durch Auslegung zur ermittelndes) Element enthält, dass für sich allein Gegenstand der bindenden Entscheidung einer anderen Behörde bzw eines Gerichts oder allenfalls zur selben Behörde einem anderen Verfahren sein kann.
So hat der Verwaltungsgerichtshof die Frage, ob jemand eine gerichtlich strafbare Handlung begangen hat, als Vorfrage im Sinn des § 38 AVG für die im Verwaltungsverfahren als Hauptfrage zu beurteilende Vertrauenswürdigkeit der betreffenden Person angesehen (VwGH 28.11.2013, 2013/03/0070, vom 25.01.2022, Ra 2020/11/0226).
Umgelegt auf den gegenständlichen Fall war die Frage, ob der Aufenthalt des Beschwerdeführers eine Gefährdung aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit darstelle, durchaus eine Vorfrage und war die Beantwortung dieser Vorfrage für das Hauptverfahren nämlich die Ausstellung einer Aufenthaltskarte als entscheidungswesentlich zu sehen.
Die Erstbehörde hat daher zurecht das Verfahren bis zur Entscheidung der Bezirkshauptmannschaft Z gemäß § 38 AVG ausgesetzt.
Die Entscheidung des BVwG gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl Regionaldirektion Vorarlberg vom 11.01.2018 erging am 11.10.2021 zur Zahl *** und hat oben angeführtes Ergebnis gezeigt.
Nunmehr muss das ausgesetzte Verfahren weitergeführt werden.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
IV. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.
Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.
Es besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.
Landesverwaltungsgericht Tirol
Dr.in Luchner
(Richterin)
Schlagworte
AussetzungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGTI:2022:LVwG.2021.17.2035.3Zuletzt aktualisiert am
23.03.2022