TE Lvwg Erkenntnis 2022/3/8 LVwG-2019/44/1471-10

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Veröffentlicht am 08.03.2022
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Entscheidungsdatum

08.03.2022

Index

83 Naturschutz Umweltschutz

Norm

AWG 2002 §25a Abs2
AWG 2002 §25a Abs6

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Mag. Spielmann über die Beschwerde der AA, Adresse 1, **** Z, vertreten durch Rechtsanwalt BB, Adresse 2, ****  Y, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol als Abfallrechtsbehörde vom 06.06.2019, Zahl ***, betreffend der Entziehung der Erlaubnis für die Sammlung und Behandlung von Abfällen nach dem AWG 2002, nach  Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung,

zu Recht:

1.       Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

2.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahren:

Mit Bescheid der Abfallrechtsbehörde vom 03.04.2017, Zahl ***, wurde der Beschwerdeführerin die Erlaubnis zum Sammeln und Behandeln gefährlicher und nicht gefährlicher Abfallarten erteilt. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 06.06.2019 wurde ihr gemäß § 25a Abs 2 Ziffer 3 und Abs 6 AWG 2002 die Erlaubnis zum Sammeln und Behandeln dieser Abfallarten wieder entzogen. Der Beschwerdeführerin sei nämlich die Zulieferung von Abfällen auf ihr Betriebsareal in Adresse 1, **** Z, untersagt worden, sämtliche Lagerbereiche in dieser Betriebsanlage seien überbelegt und es stünden keine freien Kapazitäten und Manipulationsflächen mehr zur Verfügung. Es bestehe ein rechtskräftiges und aufrechtes Anlieferungsverbot für Abfälle in diese Betriebsanlage. Zudem sei die wasserrechtliche Bewilligung für die Entwässerung durch Fristablauf erloschen. Die Anlage sei somit nicht mehr geeignet, um Abfälle im Sinne des §  25a Abs 2 Ziffer 3 AWG 2002 Abfälle zu sammeln und zu behandeln. Trotz des aufrechten Anlieferungsverbotes würden weiterhin Abfälle zu dieser Betriebsanlage geführt. Die Beschwerdeführerin verfüge über keine anderen geeigneten und genehmigten Zwischenlager oder Behandlungsanlagen. Gemäß § 25a Abs 6 AWG 2002 sei ihr daher die Erlaubnis zum Sammeln und Behandeln der Abfälle zu entziehen.

Dagegen hat die Beschwerdeführerin das fristgerechte Rechtsmittel vom 10.07.2019 eingebracht. Zusammengefasst sei sie nach wie vor in der Lage, ihre Betriebsanlage ordnungsgemäß zu betreiben. Sie benötige die entzogene Sammler- und Behandlerbewilligung weiterhin, um die Abfälle aus ihrer Betriebsanlage zu entfernen. Es sei auch nicht richtig, dass die Betriebsanlage aufgrund der Überkapazitäten nicht mehr für das Behandeln von Abfällen geeignet sei. Zur Aufrechterhaltung ihres Betriebes sei es außerdem unumgänglich, weiterhin Material anzuliefern. Durch den angefochtenen Bescheid werde der Beschwerdeführerin die Möglichkeit genommen, das bereits in der Anlage befindliche Material einer ordnungsgemäßen Behandlung zuzuführen, um eine Wiederverwendung oder sonstige Verwertung der Abfälle sicherzustellen. Im Ergebnis müsste das Material dann einer Beseitigung zugeführt werden. Dies widerspreche der Intention des AWG 2002. Im Übrigen sei die Verfristung der wasserrechtlichen Bewilligung unbeachtlich, da die Entwässerung der Betriebsanlage von der AWG-Bewilligungen gedeckt sei.

II.      Sachverhalt:

Die Beschwerdeführerin ist Inhaberin einer abfallrechtlichen Betriebsanlage auf dem Grundstück Nr **1, KG Z, in Adresse 1, **** Z. Mit Bescheid der Abfallrechtsbehörde vom 03.04.2017, Zahl ***, wurde ihr die Erlaubnis zum Sammeln und Behandeln folgender gefährlicher und nicht gefährlicher Abfallarten erteilt:

SN

SP

G

Abfallbezeichnung

Spezifizierung

S

B

17201

 

 

Holzemballagen und Holzabfälle, nicht verunreinigt

 

X

 

17202

 

 

Bau- und Abbruchholz

 

X

 

31423

 

g

ölverunreinigte Böden

 

X

x

31423

36

 

ölverunreinigte Böden

Bodenaushubmaterial sowie ausgehobenes Schüttmaterial, KW-verunreinigt, nicht gefährlich

x

x

31424

 

g

sonstige verunreinigte Böden

 

x

 

31424

 

g

sonstige verunreinigte Böden eingeschränkt auf PAK-Verunreinigung

 

x

x

31424

37

 

sonstige verunreinigte Böden eingeschränkt auf PAK-Verunreinigung

Bodenaushubmaterial sowie ausgehobenes Schüttmaterial, sonstig verunreinigt, nicht gefährlich

x

x

35203

 

gn

Fahrzeuge, Arbeitsmaschinen und -teile, mit umweltrelevanten Mengen an gefährlichen Anteilen oder Inhaltsstoffen (zB Starterbatterie, Bremsflüssigkeit, Motoröl)

 

x

 

35204

 

 

Fahrzeuge, Arbeitsmaschinen und -teile, ohne umweltrelevante Mengen an gefährlichen Anteilen oder Inhaltsstoffen

 

x

 

54701

 

g

Sandfanginhalte, öl- oder kaltreinigerhaltig

 

x

x

54701

88

 

Sandfanginhalte, öl- oder kaltreinigerhaltig

ausgestuft

x

x

54926

 

g

gebrauchte Ölbindematerialien

 

x

 

54926

88

 

gebrauchte Ölbindematerialien

ausgestuft

x

 

54930

 

g

feste fett- und ölverschmutzte Betriebsmittel (Werkstätten-, Industrie- und Tankstellenabfälle)

 

x

 

91206

 

 

Baustellenabfälle (kein Bauschutt)

 

x

 

Dieser Erlaubnisbescheid stützte sich unter anderem darauf, dass die Beschwerdeführerin für die erlaubten Abfallarten über ein genehmigtes und geeignetes Zwischenlager bzw über eine genehmigte und geeignete Behandlungsanlage verfügt. Gleichzeitig wurde aber der Erlaubnisantrag für weitere Abfallarten als unbegründet abgewiesen, da das diesbezügliche Zwischenlager vollständig belegt war und keine freien Kapazitäten mehr zur Verfügung standen.

Bereits mit Schreiben der Abfallrechtsbehörde vom 27.09.2017, Zahl ***, wurde die Beschwerdeführerin aufgefordert, keine weiteren Abfälle zu übernehmen, da im Bereich der Bioremediationsanlage der Betriebsanlage in X keine freien Flächen zur Behandlung verunreinigter Böden bzw Sandfanginhalte mehr vorhanden waren und auch die Zwischenlagerung von Baustellenabfällen aufgrund nicht vorhandener freier Flächen nicht möglich war.

Mit Bescheid der Abfallrechtsbehörde vom 24.01.2018, Zahl ***, wurde der Beschwerdeführerin jede weitere Zulieferung von Abfällen auf ihr Betriebsareal in X untersagt. Zudem wurde ihr gemäß § 62 Abs 2 AWG 2002 aufgetragen, ca 450 m³ verunreinigtes Erdreich und ca 600 m³ Baustellenabfälle bis längstens 28.02.2018 zu entfernen, da diese Abfälle in der Betriebsanlage nicht konsensgemäß zwischengelagerten wurden. Da die Beschwerdeführerin dieser bescheidgemäßen Verpflichtung nicht nachgekommen ist, hat das Landesverwaltungsgericht mit Erkenntnissen vom 09.12.2019, Zahl ***, gegenüber der Beschwerdeführerin gemäß § 4 VVG die Ersatzvornahme angeordnet.

Mit Bescheid der Abfallrechtsbehörde vom 08.08.2018, Zahl ***, wurde der Beschwerdeführerin gemäß § 62 Abs 2 AWG 2002 aufgetragen, ca 150 m³ verunreinigte Böden bis längstens 20.09.2018 zu entfernen, da diese Abfälle in der Betriebsanlage nicht konsensgemäß zwischengelagerten wurden. Da die Beschwerdeführerin auch dieser bescheidgemäßen Verpflichtung nicht nachgekommen ist, hat das Landesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 09.12.2019, Zahl ***, gegenüber der Beschwerdeführerin gemäß § 4 VVG die Ersatzvornahme angeordnet.

Bereits mit Bescheid vom 17.10.2011, Zahl ***, hat die Abfallrechtsbehörde der Vorgängerin der Beschwerdeführerin gemäß § 62 Abs 2 AWG 2002 aufgetragen, die zur Zwischenlagerung auf der Betriebsanlage nicht genehmigten Abfälle Rechengut, Bodenaushub und Holzasche sowie die auf der Betriebsanlage nicht konsensgemäß zwischengelagerten Mengen der Abfallarten Sandfanginhalte und Rückstände aus der Baustellensortierung bis längstens 15.11.2011 zu entfernen. Mit Bescheid vom 30.10.2015 hat die Abfallrechtsbehörde der Vorgängerin der Beschwerdeführerin weiters aufgetragen, Bodenaushub im Ausmaß von 10.000 m³, Baustellenabfälle im Ausmaß von 250 m³, Sandfanginhalte im Ausmaß von 6.000 m³ und Rückstände aus der Baustellenabfallsortierung im Ausmaß von 2.500 m³, die noch nicht vom Entfernungsauftrag vom 17.10.2011 erfasst waren, bis zum 01.03.2016 zu entfernen. Da die Beschwerdeführerin auch diesen Verpflichtungen nicht nachgekommen ist, hat das Landesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 09.12.2019, Zahl ***, gegenüber der Beschwerdeführerin gemäß § 4 VVG die Ersatzvornahme angeordnet.

Mit Erkenntnis vom 06.10.2020, Zahl ***, hat das Landesverwaltungsgericht der Beschwerdeführerin gemäß § 4 Abs 2 VVG die Vorauszahlung der Kosten für die mit den genannten Erkenntnissen vom 09.12.2019 angeordneten Ersatzvornahmen gegen nachträgliche Verrechnung in Höhe von € 2.088.011,35 zuzüglich Mehrwertsteuer aufgetragen. Mit Erkenntnis vom 06.08.2021, Zahl ***, hat das Landesverwaltungsgericht den diesbezüglichen Ratenzahlungsantrag der Beschwerdeführerin als unzulässig zurückgewiesen. Am 09.03.2021 hat die Bezirkshauptmannschaft Y als Vollstreckungsbehörde beim Bezirksgericht Y die Exekution betreffend der Vorauszahlungskosten beantragt.

Die Bezirkshauptmannschaft führt als Vollstreckungsbehörde in der Betriebsanlage der Beschwerdeführerin die Ersatzvornahme nach dem VVG durch. Dabei wurde festgestellt, dass ca 37.000 Tonnen Abfall zu entfernen sind. Teile der Betriebsanlage wurden auf Grundlage des VVG gesperrt, um das durchzuführende Vergabeverfahren für die Ersatzvornahme zu sichern. Dennoch wurde bei einer polizeilichen Kontrolle am 29.04.2021 festgestellt, dass die Beschwerdeführerin Abfallmanipulationen in den gesperrten Bereichen der Betriebsanlage durchgeführt hat.

Mit Bescheid der Abfallrechtsbehörde vom 23.10.2017, Zahl ***, wurde der Beschwerdeführerin die Erlaubnis zur Bestellung von CC als abfallrechtlicher Geschäftsführer erteilt. Hinsichtlich seiner Person weist das Verwaltungsstrafregister lediglich eine ungetilgte Verwaltungsstrafe (nach der GewO) auf.

Am 31.03.2019 ist das von der Bezirkshauptmannschaft mit Bescheid vom 13.11.2013, Zahl ***, erteilte Wasserrecht für die Entwässerung der Betriebsanlage abgelaufen. Dieses Wasserrecht wurde nicht neu verliehen.

Am 18.11.2021 wurde beim Landesgericht Y unter der Zahl *** das Konkursverfahren über die Beschwerdeführerin eröffnet. Mit Beschluss vom 21.12.2021 wurde gemäß § 114a Abs 2 Insolvenzordnung die Schließung des Unternehmens angeordnet. Zudem hat der Masseverwalter angezeigt, dass die Insolvenzmasse nicht ausreicht, um die Masseforderungen zu erfüllen (Masseunzulänglichkeit).

III.    Beweiswürdigung:

Das Landesverwaltungsgericht hat am 14.11.2019 und 04.08.2021 öffentliche mündliche Verhandlungen samt einem Lokalaugenschein und der Einvernahme eines abfalltechnischen Amtssachverständigen durchgeführt. Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich zudem aus dem Akt, insbesondere aus den zitierten rechtskräftigen Bescheiden und Erkenntnissen. Der Sachverhalt ist auch weitgehend unstrittig. Die Beschwerdeführerin hat lediglich bestritten, dass die Abfallmanipulationen während des Vollstreckungsverfahrens in dem von der Behörde abgesperrten Bereichen stattgefunden haben. Dem steht jedoch die Aussage des als Zeugen einvernommen Organwalters der Vollstreckungsbehörde (DD) entgegen. Er hat am 04.08.2021 schlüssig und nachvollziehbar erläutert, dass die Behörde bereits am 23.11.2020 Teile der Anlage auf Grundlage des VVG gesperrt hat, um das durchzuführende Vergabeverfahren für die Ersatzvornahme zu sichern. Die Behörde hat festgestellt, dass 37.000 Tonnen Abfall zu entfernen sind. Die Beschwerdeführerin ist ihrer Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Entfernung dieser Abfälle nicht nachgekommen. Im Zuge der Überwachungstätigkeiten durch die Polizeiinspektion Z wurde am 09.04.2021 festgestellt, dass in einem von der Behörde gesperrten Bereich, konkret in der Box 6.2, der Abfall großteils geräumt worden ist. Der Geschäftsführer der Beschwerdeführerin hat der Behörde erklärt, dass die Abfälle lediglich in die benachbarte Box verbracht wurden. Daher hat die Behörde eine einstweilige Verfügung mit dem Inhalt erlassen, dass sämtliche Tätigkeiten der Beschwerdeführerin in Zusammenhang mit der Ersatzvornahme zu unterlassen sind. Der Staatsanwaltschaft wurde der Sachverhalt zur strafrechtlichen Beurteilung übermittelt (Verdacht des Siegelbruchs, der Vereitelung der Vollstreckung und der Entwendung von Abfällen). Am 16.06.2021 hat die Behörde festgestellt, dass trotzdem ca 50 % der Abfälle aus dem gesperrten Bereich EE entfernt und Baggerarbeiten durchgeführt wurden. Daraufhin wurde mit Verfahrensanordnung das Betriebsareal großteils mittels Bauzaun gesperrt. Die Mitarbeiter der Beschwerdeführerin dürften die gesperrten Bereiche nur mehr nach Absprache mit der Vollstreckungsbehörde betreten.

IV.      Rechtslage:

Abfallwirtschaftsgesetz 2002 (AWG 2002):

„Bestimmungen für die Erlaubnis für die Sammlung oder Behandlung von Abfällen

§ 25a. (…)

(2) Die Erlaubnis ist zu erteilen, wenn:

1.       die Art der Sammlung oder Behandlung den §§ 15, 16 sowie 23 Abs. 1 und 2 und den Zielen und Grundsätze (§ 1 Abs. 1 und 2) entspricht sowie den öffentlichen Interessen (§ 1 Abs. 3) nicht widerspricht,

2.       die Art der Sammlung oder Behandlung für die jeweiligen Abfälle geeignet ist,

3.       die Lagerung und Behandlung gefährlicher Abfälle in einer geeigneten genehmigten Anlage sichergestellt ist;

a)       jedenfalls hat ein Abfallsammler gefährlicher Abfälle über ein geeignetes genehmigtes Zwischenlager zu verfügen, ein Abfallbehandler gefährlicher Abfälle eine geeignete genehmigte Behandlungsanlage zu betreiben; dies gilt nicht für einen Abfallbehandler, der zulässigerweise vor Ort Sanierungen, wie Asbestsanierungen, Bodenluftabsaugungen oder eine Grundwasserreinigung, durchführt;

b)       erforderlichenfalls kann die Behörde verlangen, dass ein Abfallbehandler nicht gefährlicher Abfälle über eine geeignete genehmigte Behandlungsanlage verfügt;

Von einer geeigneten genehmigten Behandlungsanlage ist jedenfalls auszugehen, wenn die beantragten Abfallarten und Behandlungstätigkeiten von den in das Register gemäß § 22 übertragenen Genehmigungsinhalten der Behandlungsanlage umfasst sind,

4.       die Verlässlichkeit in Bezug auf die auszuübende Tätigkeit gegeben ist,

5.       die fachlichen Kenntnisse und Fähigkeiten zur Sammlung oder Behandlung der Abfälle, für welche die Erlaubnis beantragt wird, nachgewiesen sind.

(3) Verlässlich im Sinne dieses Bundesgesetzes ist eine Person, deren Qualifikation und bisherige Tätigkeit die Annahme rechtfertigen, dass sie die beantragte Tätigkeit sorgfältig und sachgerecht ausüben und die gesetzlichen Verpflichtungen vollständig erfüllen wird. Keinesfalls als verlässlich gilt eine Person,

1.       der die Erlaubnis als Sammler oder Behandler von Abfällen oder als abfallrechtlicher Geschäftsführer (§ 26) innerhalb der letzten fünf Jahre entzogen wurde,

2.       die dreimal wegen einer Übertretung von Bundes- oder Landesgesetzen zum Schutz der Umwelt, wie insbesondere dieses Bundesgesetzes, der GewO 1994, des Wasserrechtsgesetzes 1959 (WRG 1959), BGBl. Nr. 215, oder der durch dieses Bundesgesetz aufgehobenen Rechtsvorschriften bestraft worden ist, solange die Strafen noch nicht getilgt sind; nicht einzubeziehen sind dabei geringfügige Verstöße gegen Formvorschriften.

(4) Unbeschadet Abs. 3 gilt weiters im Falle der Sammlung oder Behandlung von gefährlichen Abfällen, ausgenommen Asbestzement, eine Person keinesfalls als verlässlich

1.       die von einem Gericht verurteilt worden ist

a)       wegen betrügerischer Krida, Schädigung fremder Gläubiger, Begünstigung eines Gläubigers oder grob fahrlässiger Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen (§§ 156 bis 159 des Strafgesetzbuches (StGB), BGBl. Nr. 60/1974) oder

b)       wegen einer sonstigen strafbaren Handlung zu einer drei Monate übersteigenden Freiheitsstrafe oder zu einer Geldstrafe von mehr als 180 Tagessätzen und

die Verurteilung noch nicht getilgt ist. Dies gilt auch, wenn ein vergleichbarer Tatbestand im Ausland verwirklicht wurde,

2.       über deren Vermögen das Insolvenzverfahren mangels kostendeckenden Vermögens rechtskräftig nicht eröffnet wurde und der Zeitraum, in dem in der Insolvenzdatei Einsicht in den genannten Insolvenzfall gewährt wird, noch nicht abgelaufen ist. Dies gilt auch, wenn ein vergleichbarer Tatbestand im Ausland verwirklicht wurde, oder

3.       die wegen der Finanzvergehen des Schmuggels, der Hinterziehung von Eingangs- und Ausgangsabgaben, der Abgabenhehlerei nach § 37 Abs. 1 lit. a des Finanzstrafgesetzes, BGBl. Nr. 129/1958, in der jeweils geltenden Fassung, der Hinterziehung von Monopoleinnahmen, des vorsätzlichen Eingriffs in ein staatliches Monopolrecht oder der Monopolhehlerei nach § 46 Abs. 1 lit. a des Finanzstrafgesetzes von einer Finanzstrafbehörde bestraft worden ist und wegen eines solchen Finanzvergehens eine Geldstrafe von mehr als 726 Euro oder neben einer Geldstrafe eine Freiheitsstrafe verhängt wurde und wenn seit der Bestrafung noch nicht fünf Jahre vergangen sind. Dies gilt auch, wenn ein vergleichbarer Tatbestand im Ausland verwirklicht wurde.

(…)

(6) Wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht mehr vorliegen, ist die Erlaubnis ganz oder teilweise zu entziehen. Die Behörde ist berechtigt, die Erlaubnis nur für eine bestimmte Zeit zu entziehen, wenn nach den Umständen des Falles erwartet werden kann, dass diese Maßnahme ausreicht, um ein späteres einwandfreies Verhalten des Inhabers der Erlaubnis zu sichern. Die Bescheide gemäß Abs. 1 sind im Sinne des § 68 Abs. 4 Z 4 AVG mit Nichtigkeit bedroht, wenn der Nachweis der fachlichen Kenntnisse und Fähigkeiten oder die Angaben über die Verlässlichkeit unrichtig sind.“

V.       Erwägungen:

Gemäß § 25a Abs 6 AWG 2002 ist die Erlaubnis für die Sammlung und Behandlung von Abfällen ganz oder teilweise zu entziehen, wenn die Voraussetzungen des § 25a Abs 2 AWG 2002 nicht mehr vorliegen. Nach Abs 2 Ziffer 4 ist die Erlaubnis etwa zu entziehen, wenn die Verlässlichkeit in Bezug auf die auszuübende Tätigkeit nicht mehr gegeben ist. Nach § 25a Abs 3 AWG 2002 ist eine Person verlässlich, deren Qualifikation und bisherige Tätigkeit die Annahme rechtfertigt, dass sie die Tätigkeit sorgfältig und sachgerecht ausübt und die gesetzlichen Verpflichtungen vollständig erfüllt. Eine Verlässlichkeit der Beschwerdeführerin in diesem Sinn ist im vorliegenden Fall schon allein deshalb auszuschließen, weil über sie am 18.11.2021 beim Landesgericht Y das Konkursverfahren eröffnet wurde und mit Beschluss vom 21.12.2021 die Schließung des Unternehmens gemäß § 114a Abs 2 Insolvenzordnung angeordnet wurde. Zudem hat der Masseverwalter angezeigt, dass die Insolvenzmasse nicht ausreicht, um die Masseforderungen zu erfüllen (Masseunzulänglichkeit). Eine vollständige Erfüllung ihrer gesetzlichen Verpflichtungen als Sammlerin und Behandlerin von Abfällen ist ihr damit nicht mehr möglich.

Nach § 25a Abs 3 Ziffer 2 AWG 2002 gilt eine Person insbesondere auch dann als unverlässlich, wenn sie dreimal wegen einer Übertretung von Bundes- oder Landesgesetzen zum Schutz der Umwelt bestraft worden ist. Zwar weist der seit dem Jahr 2017 tätige abfallrechtliche Geschäftsführer der Beschwerdeführerin nur eine ungetilgte Verwaltungsstrafe auf. Jedoch ist auf Grund der wiederholten und langjährigen Missachtung der abfallrechtlichen Behördenaufträge und der Abfallmanipulation trotz Sperrung der Betriebsanlage durch die Vollstreckungsbehörde von einer Unzuverlässlichkeit des abfallrechtlichen Geschäftsführers auszugehen. Bei der Prüfung der Verlässlichkeit iSd § 25a Abs 3 AWG 2002 ist nämlich ein strenger Maßstab anzulegen (VwGH 16.11.2017, Ro 2015/07/0025).

Nach § 25a Abs 2 Ziffer 3 lit a AWG 2002 hat ein Sammler gefährlicher Abfälle über ein geeignetes genehmigtes Zwischenlager zu verfügen; ein Behandler gefährlicher Abfälle hat eine geeignete genehmigte Behandlungsanlage zu betreiben. Im vorliegenden Fall ist das aber schon allein aufgrund der abfallrechtlichen Behördenaufträge samt anhängiger Ersatzvornahme und des behördlichen Anlieferungsverbotes faktisch nicht mehr möglich. Dem erforderlichen Betrieb der Behandlungsanlage steht zudem die Schließung des Unternehmens gemäß § 114a Abs 2 Insolvenzordnung entgegen. Und aufgrund des Erlöschens der wasserrechtlichen Bewilligung der Abwasserentsorgung kann ohnehin von keiner vollständig genehmigten Anlage mehr ausgegangen werden. Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und ist abzuweisen.

VI.      Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Soweit die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof in Wien für zulässig erklärt worden ist, kann innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung dieser Entscheidung eine ordentliche Revision erhoben werden. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision kann innerhalb dieser Frist nur die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

Wenn allerdings in einer Verwaltungsstrafsache oder in einer Finanzstrafsache eine Geldstrafe von bis zu Euro 750,00 und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu Euro 400,00 verhängt wurde, ist eine (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichthof wegen Verletzung in Rechten nicht zulässig.

Jedenfalls kann gegen diese Entscheidung binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, erhoben werden.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Verwaltungsgericht einzubringen.

Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.

Für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist im Fall der Zulassung der ordentlichen Revision beim Verwaltungsgericht einzubringen. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision ist der Antrag auf Verfahrenshilfe beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen; dabei ist im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.

Zudem besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Mag. Spielmann

(Richter)

Schlagworte

Entziehung
Sammlerbewilligung
Behandlerbewilligung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2022:LVwG.2019.44.1471.10

Zuletzt aktualisiert am

23.03.2022
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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