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32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;Norm
BAO §167 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Wetzel, Dr. Steiner, Dr. Mizner und Dr. Zorn als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hajicek, über die Beschwerde des H in L, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Steiermark vom 10. Dezember 1993, B 165-167-5/90, betreffend Vermögensteuer zum 1. Jänner 1986, 1. Jänner 1987 und 1. Jänner 1988, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.860,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
In den Vermögensteuererklärungen je zum 1. Jänner 1986, 1987 und 1988 wies der Beschwerdeführer unter den anderen Kapitalforderungen die Position "Verrechnungskonto HT in T-GmbH" mit S 8,587.576,-- (1986) S 9,057.602,70 (1987) und S 7,828.097,-- (1988) und die Position "Verrechnungskonto IT in T-GmbH" (betreffend die Ehefrau des Beschwerdeführers) mit S 425.164,-- (1986), S 432.769,-- (1987) und S 582.769,-- (1988) aus. Bei der Festsetzung der Vermögensteuer für die Jahre 1986 bis 1988 berücksichtigte das Finanzamt die erwähnten Beträge als Forderungen zum Nennwert.
In der gegen diese Bescheide erhobenen Berufung beantragte der Beschwerdeführer, "die Verrechnungskonten mit
S 5,903.000,-- (1986), S 5,741.000,-- (1987) und S 4,979.000,-- (1988) als Vermögenspost anzusetzen". Er legte dar, die T-GmbH sei überschuldet, wobei er die Zusammensetzung der Aktiva und Passiva im einzelnen ziffernmäßig darstellte. Die Schulden seien durch Vermögenswerte nur im Ausmaß von 65,5 % (31. August 1985), 60,5 % (31. August 1986), und 59,2 % (31. August 1987) gedeckt. Die Verrechnungskonten der Gesellschafter - des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau - seien bestenfalls in jenem Ausmaß einbringlich, als den Schulden Aktiva gegenüberstünden. Die dargestellte Bewertung setze den Weiterbestand des Betriebes voraus. Für den Fall einer Liquidation wären die in Rede stehenden Verrechnungskonten noch wesentlich niedriger zu bewerten, weil unter den Verbindlichkeiten noch bevorrechtete Gläubiger bilanziert seien, deren Befriedigung die Rechte der Gesellschafter weiter schmälern werde. Im Berufungsverfahren legte der Beschwerdeführer weiters dar, das Verrechnungskonto als Schuldpost in der T-GmbH sei dadurch entstanden, daß die GmbH einen Teil der Gegenleistung für die Übertragung des Einzelunternehmens des Beschwerdeführers nicht erfüllt habe. Es sei zwar beabsichtigt gewesen, die Kaufpreisschuld von rund
S 9,000.000,-- nach Maßgabe der Möglichkeiten der GmbH so kurzfristig als möglich abzustatten. Die GmbH habe jedoch entsprechende Gewinne nicht erwirtschaften und so die Mittel zur Abstattung der Schuld nicht aufbringen können. Auch eine Mittelaufbringung durch Kreditaufnahme sei nicht möglich.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Nach Darstellung des Verfahrensganges und Hinweisen auf die Rechtslage legte die belangte Behörde begründend dar, im Zuge einer beim Beschwerdeführer und der T-GmbH durchgeführten Betriebsprüfung sei festgestellt worden, daß die wirtschaftliche Lage der GmbH als äußerst angespannt zu beurteilen sei. Dies zeige sich unter anderem in dem von der Betriebsprüfung festgestellten gemeinen Wert der Anteile zum 1. Jänner 1986 und in der 50 %igen Reduktion der an die GmbH verrechneten Miete ab 1987. Es lägen keine Vereinbarungen zwischen der GmbH und den Gesellschaftern über eine Reduktion der Verrechnungskonten (Verzicht, Schenkung, Vergleich usw.) vor. Außerdem seien die Verrechnungskonten für die oben angeführten Zeiträume sowohl beim Schuldner, der T-GmbH, als auch beim Gläubiger, dem Beschwerdeführer, mit dem Nennwert angesetzt worden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Zwischen den Parteien des Beschwerdeverfahrens ist nicht strittig, daß der auf den Verrechnungskonten des Beschwerdeführers ausgewiesene und in den Vermögensteuererklärungen als Kapitalforderung bezeichnete Betrag jeweils den Nennwert jener Kaufpreisforderung darstellt, die aus der Veräußerung des Unternehmens des Beschwerdeführers an die T-GmbH resultiert. Es handelt sich somit um eine Kapitalforderung, die nach § 14 BewG zu bewerten ist.
Nach § 14 Abs. 1 BewG sind Kapitalforderungen, die nicht im § 13 bezeichnet sind, und Schulden mit dem Nennwert anzusetzen, wenn nicht besondere Umstände einen höheren oder geringeren Wert begründen. Nach Abs. 2 leg. cit. bleiben Forderungen, die uneinbringlich sind, außer Ansatz.
Bei Forderungen ist somit die Bewertung mit dem Nennwert die Regel, von der nur in Ausnahmsfällen - nämlich wenn besondere Umstände einen höheren oder geringeren Wert begründen - eine Abweichung zulässig ist. Als besondere Umstände sind solche anzusehen, die vom Normalfall - gemessen an den im Wirtschaftsleben durchschnittlich geltenden Konditionen - erheblich abweichen (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 31. Mai 1995, Zl. 93/16/0045). Solche besonderen Umstände liegen beispielsweise vor, wenn eine Forderung uneinbringlich ist; diesfalls bleibt sie - wie § 14 Abs. 2 BewG ausdrücklich anordnet - gänzlich außer Ansatz. Für teilweise einbringliche Forderungen sind lediglich die voraussichtlich einbringlichen Beträge anzusetzen. Für die Beurteilung, inwieweit eine Forderung einbringlich ist, sind die Verhältnisse am Stichtag maßgebend. Tatsachen, die erst nach dem Stichtag bekannt werden, können zwar bei der Bewertung berücksichtigt werden, aber nur dann, wenn sie am Stichtag schon bestanden haben. Der nachträgliche Eintritt von Umständen, die am Stichtag noch nicht vorhanden waren, muß bei der Bewertung für den Stichtag außer Ansatz bleiben. Die Uneinbringlichkeit einer Forderung läßt sich in der Regel erst längere Zeit nach ihrem Eintritt nachweisen. Daher wäre die Berücksichtigung des besonderen Umstandes der Uneinbringlichkeit, wollte man sie von einem strengen Nachweis abhängig machen, an einem diesem Nachweis vorangehenden Stichtag schlechthin unmöglich. Es stellt daher nicht erst die erwiesene Uneinbringlichkeit, sondern schon die Tatsache, daß der Einbringlichkeit am Stichtag ein begründeter Zweifel entgegensteht (dubiose Forderung), einen besonderen Umstand dar, der eine niedrigere Bewertung dieser Forderung rechtfertigt (vgl. die Erkenntisse vom 9. September 1955, Zl. 3235/53 und vom 23. Mai 1996, Zl. 92/15/0065).
Ist somit - nach den Verhältnissen am Stichtag - zweifelhaft, ob eine Kapitalforderung in voller Höhe bezahlt werden kann, so ist dies ein Umstand, der den Ansatz eines geringeren Wertes als des Nennwertes begründet. Wann eine Kapitalforderung als zweifelhaft angesehen werden muß, ist eine nach den Umständen des Einzelfalles zu beurteilende Tatfrage. Dies hängt in erster Linie von den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Schuldners ab (vgl. Rössler/Troll, BewG16, § 12, Rz 14); auf allfällige persönliche und sachliche Sicherheiten ist Bedacht zu nehmen. Unsichere Forderungen sind mit ihrem wahrscheinlichen Wert anzusetzen (Gürsching/Stenger, BewG, § 12 BewG Anm. 69).
Der Beschwerdeführer hat im Abgabenverfahren die Unsicherheit seiner Forderung unter dem Gesichtspunkt der Überschuldung der GmbH geltend gemacht; die Überschuldung betreffend hat er detaillierte ziffernmäßige Angaben gemacht. Bei dieser Sachlage setzte eine ordnungsgemäße Bescheidbegründung eine an den Umständen des Einzelfalles orientierte Auseinandersetzung mit der Frage voraus, ob es nach den Verhältnissen am Stichtag angesichts der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Schuldners zweifelhaft erschien, daß die Forderung des Beschwerdeführers in voller Höhe realisiert werden kann. Die Darlegungen des angefochtenen Bescheides stellen keine hinreichende Auseinandersetzung mit den relevanten Umständen des Einzelfalles, insbesondere der Ertrags- und Vermögenslage der GmbH, und der Frage einer positiven Fortbestehensprognose dar.
Neben allgemeinen Darlegungen betreffend die Bewertung von Forderungen enthält die Bescheidbegründung zunächst den Hinweis, daß die wirtschaftliche Lage der GmbH als äußerst angespannt zu beurteilen sei; dies zeige schon der festgestellte gemeine Wert der Anteile zum 1. Jänner 1986 und eine Mietzinsreduktion. Dies kann zur Begründung der Auffassung, daß die Forderung des Beschwerdeführers gegenüber der GmbH mit dem Nennwert anzusetzen sei, nicht herangezogen werden; diese Darlegungen bieten vielmehr Anlaß zu Zweifeln an der Einbringlichkeit bzw. Sicherheit der Forderung.
Daß - wie in der Bescheidbegründung weiter dargelegt wird - Vereinbarungen zwischen den Gesellschaftern und der GmbH über eine Reduktion der Verrechnungskonten (Verzicht, Schenkung, Vergleich, usw.) nicht vorliegen, steht einer Bewertung der Forderung unter dem Nennwert im Falle ihrer Unsicherheit bzw. Uneinbringlichkeit nicht entgegen, weil die Unsicherheit bzw. Uneinbringlichkeit einer Forderung im Hinblick auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners auch ohne rechtsgeschäftliches Handeln von Gläubiger und Schuldner eintritt.
Auch der Hinweis, daß "die Verrechnungskonten für die angeführten Zeiträume sowohl beim Schuldner als auch beim Gläubiger mit dem Nennwert angesetzt wurden", vermag
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angesichts des Vorbringens des Beschwerdeführers im Abgabenverfahren und der von der belangten Behörde festgestellten "äußerst angespannten" Wirtschaftslage der GmbH
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die Beurteilung, die Forderung sei mit dem Nennwert anzusetzen, nicht zu tragen. Der Ansatz einer Verbindlichkeit im Nennwert im Rechenwerk des Schuldners ist im vorliegenden Zusammenhang nicht aussagekräftig; denn der Schuldner kann seine Schuld auch dann in voller Höhe ansetzen, wenn dieselbe vom Standpunkt des Gläubigers aus als nicht vollwertig, ja sogar als uneinbringlich anzusehen ist (vgl. Twaroch-Wittmann-Frühwald, BewG, 101 unter Hinweis auf das Erkenntis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. Mai 1955, Zl. 387/53; Gürsching/Stenger aaO Rz 33).
Worauf sich die belangte Behörde im vorliegenden Zusammenhang mit ihrem Hinweis bezieht, daß auch der Beschwerdeführer "das Verrechnungskonto mit dem Nennwert angesetzt" habe, ist nicht eindeutig erkennbar. Der Ausweis der entsprechenden Position in den Vermögenssteuererklärungen ersparte angesichts des Vorbringens des Beschwerdeführers im Abgabenverfahren eine an den Umständen des Einzelfalles orientierte Auseinandersetzung mit der Frage der Einbringlichkeit bzw. Sicherheit der Forderung nicht. Sollte sich die belangte Behörde mit dem soeben wiedergegebenen Teil der Bescheidbegründung auf Umstände des Einkommensteuerverfahrens beziehen, ist darauf hinzuweisen, daß die Bewertung einer Forderung in der Steuerbilanz, die der Einkommensteuerveranlagung zugrunde gelegt wird, für die Bewertung derselben Forderung bei der Bemessung der Vermögensteuer nicht bindend ist (vgl. Twaroch-Wittmann-Frühwald, aaO. 100a mwN).
Der angefochtene Bescheid ist somit rechtswidrig infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften; er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1994150037.X00Im RIS seit
14.01.2002