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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
FrG 1993 §17 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Robl, Dr. Rigler und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. M. Fellner, über die Beschwerde des A in W, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 13. Februar 1996, Zl. SD 1498/95, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 13. Februar 1996 wurde der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, gemäß § 17 Abs. 1
Fremdengesetz - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ausgewiesen.
Der Beschwerdeführer habe laut seinen Angaben zuletzt im Jahr 1993 eine Aufenthaltsbewilligung beantragt. Der Landeshauptmann von Wien habe diesen Antrag mit in Rechtskraft erwachsenem Bescheid vom 18. März 1994 abgewiesen. Demnach halte sich der Beschwerdeführer nicht rechtmäßig im Bundesgebiet auf, womit - vorbehaltlich der Zulässigkeit nach § 19 FrG - die Ausweisung zu verfügen sei.
Zu § 19 leg. cit. habe der Beschwerdeführer vorgebracht, daß er sich seit ca. 20 Jahren in Österreich aufhielte und zwischenzeitig durch Jahre über eine Beschäftigungsbewilligung verfügt hätte. Er hätte sich in der Folge selbständig gemacht, das von ihm geführte Lokal wäre jedoch Ende 1994 in Konkurs gegangen. Seit dieser Zeit würde er von der Unterstützung seiner Verwandten (Tanten, Onkel, Cousins) leben, die in Österreich einer geregelten Beschäftigung nachgingen.
Dem Beschwerdeführer sei zuzustimmen, daß aufgrund des zwanzigjährigen legalen Aufenthaltes im Bundesgebiet von einem mit der Ausweisung verbundenen Eingriff in sein Privatleben auszugehen sei. Ungeachtet dessen sei die Ausweisung zulässig, weil sie im Hinblick auf die Ziele des Art. 8 Abs. 2 MRK (hier: eines geordneten Fremdenwesens als Bestandteil der öffentlichen Ordnung) dringend geboten sei. Obwohl dem Beschwerdeführer die Tatsache seines unrechtmäßigen Aufenthaltes seit mehr als eineinhalb Jahren bekannt sei und trotz der wegen des unerlaubten Aufenthaltes erfolgten Bestrafung, sei er nämlich nicht bereit, freiwillig aus Österreich auszureisen. Es gebe derzeit offensichtlich nur die Möglichkeit, den Beschwerdeführer auszuweisen, um die öffentliche Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens wiederherzustellen.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, der Sache nach inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aus diesem Grund kostenpflichtig aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. In der Beschwerde bleibt die - zutreffende - Ansicht der belangten Behörde, daß sich der Beschwerdeführer jedenfalls seit Erlassung des in Rechtskraft erwachsenen, eine Aufenthaltsbewilligung versagenden Bescheides des Landeshauptmannes von Wien vom 18. März 1994 nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte, unbekämpft.
2.1. Die Beschwerde vertritt indes die Auffassung, daß die belangte Behörde die Zulässigkeit der Ausweisung im Grunde des § 19 FrG zu Unrecht bejaht habe. Der Beschwerdeführer habe sich - von der belangten Behörde richtig festgestellt - 20 Jahre rechtmäßig in Österreich aufgehalten, somit fast die Hälfte seines Lebens, und habe damit hier zweifellos den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen. Demgegenüber stehe "lediglich ein geordnetes Fremdenwesen als Bestandteil der öffentlichen Ordnung". Die belangte Behörde hätte daher bei "ordnungsgemäßer" Abwägung zu dem Schluß kommen müssen, daß das private Interesse des Beschwerdeführers am Weiterverbleib in Österreich schwerer wiege als das öffentliche Interesse an seiner Ausweisung.
2.2. Wenngleich die mit diesem Vorbringen zum Ausdruck gebrachte Geringschätzung des öffentlichen Interesses an einem geordneten Fremdenwesen verfehlt ist und den hohen Stellenwert, der den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften und deren Befolgung aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung zukommt, entgegen der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. dazu etwa das Erkenntnis vom 11. April 1996, Zl. 96/18/0155, mwN) negiert, ist der Beschwerde im Ergebnis dennoch Erfolg beschieden. Die belangte Behörde hat nämlich bei ihrer Prüfung, ob die Ausweisung des Beschwerdeführers aus im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten öffentlichen Interessen notwendig und damit gemäß § 19 FrG zulässig sei, den gegenläufigen persönlichen Interessen des Beschwerdeführers nicht das ihnen gebührende Gewicht beigemessen. Hätte sie dies getan, so wäre sie - unbeschadet des gewichtigen für eine Ausweisung sprechenden öffentlichen Interesses - aufgrund des von ihr festgestellten bereits zwanzigjährigen rechtmäßigen Aufenthaltes des Beschwerdeführers im Bundesgebiet, seiner gleichfalls festgestellten vieljährigen teils unselbständigen, teils selbständigen Tätigkeit in Österreich und des daraus resultierenden hohen Ausmaßes an Integration zu dem Ergebnis gelangte, daß im vorliegenden Fall der mit einer Ausweisung verbundene Eingriff in das Privatleben des Fremden eine Intensität erreicht, die es geboten erscheinen läßt, diese fremdenrechtliche Maßnahme als zum Schutz der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 MRK) nicht notwendig und daher nach § 19 FrG nicht zulässig anzusehen (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 23. November 1995, Zl. 94/18/0904).
3. Bezugnehmend auf ein in der Gegenschrift der belangten Behörde enthaltenes Vorbringen, wonach "sich aus den Aktenunterlagen nichts darüber ergibt, wie lange der Beschwerdeführer sich im Bundesgebiet aufgehalten hat, während welcher Zeit ein allfälliger Aufenthalt rechtmäßig war und ob, wo und wie lange er einer Beschäftigung nachgegangen ist", und weiters, daß der Beschwerdeführer auch in der Berufung "keine diesbezüglichen Nachweise vorgelegt hat", sieht sich der Gerichtshof veranlaßt festzuhalten, daß diesen Ausführungen von der belangten Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides getroffene dezidierte, auf Angaben des Beschwerdeführers im Verfahren gründende Feststellungen entgegenstehen. Es besteht demnach kein Grund, der Überprüfung des bekämpften Bescheides nicht diese Sachverhaltsfeststellungen zugrunde zu legen.
4. Da sich nach dem Gesagten der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig erweist, war er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG iVm der Verordnung
BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens beruht darauf, daß zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung Stempelgebühren lediglich in der Höhe von S 420,-- (Eingabengebühr S 360,--, Beilagengebühr S 60,--) zu entrichten waren.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1996180180.X00Im RIS seit
20.11.2000