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66 SozialversicherungNorm
B-VG Art144 Abs1 / AnlaßfallSpruch
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in seinen Rechten verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Soziales und Konsumentenschutz) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit € 2160,-- bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Der Beschwerdeführer führt auf eigene Rechnung und Gefahr einen landwirtschaftlichen Betrieb. Im Kalenderjahr 2004 hat er auch persönliche Dienstleistungen mit Maschineneinsatz als Holzakkordant für andere Forstbetriebe erbracht.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 12. August 2006 stellte der Landeshauptmann von Kärnten die monatliche Beitragsgrundlage des Beschwerdeführers in der Kranken- und Pensionsversicherung der Bauern für das Jahr 2004 fest; als Beitragsgrundlage wurde hiebei der für das Jahr 2004 maßgebliche - aus dem Einheitswert errechnete - Versicherungswert des Betriebes zuzüglich Einnahmen aus land(forst)wirtschaftlichen Nebentätigkeiten in Form von Dienstleistungen für andere land- und forstwirtschaftliche Betriebe (€ 9.309,02) in Ansatz gebracht.
2. Gegen diesen - keinem weiteren Rechtszug unterliegenden - Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde. Darin behauptet der Beschwerdeführer, in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz sowie in Rechten wegen Anwendung verfassungswidriger Gesetze verletzt zu sein, und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Für den Fall der Abweisung der Beschwerde oder der Ablehnung ihrer Behandlung stellt er den Antrag, die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abzutreten.
3. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie den angefochtenen Bescheid verteidigt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Auch die am Beschwerdeverfahren beteiligte Sozialversicherungsanstalt der Bauern erstattete eine schriftliche Äußerung, in welcher sie den angefochtenen Bescheid verteidigt.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1. Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 12. Juni 2007, G3/07, die Wortfolge "3.2 und" in §294 Abs3 BSVG, BGBl. 559/1978 idF BGBl. I 105/2004 und I 119/2004, als verfassungswidrig aufgehoben.
2. Gemäß Art140 Abs7 B-VG wirkt die Aufhebung eines Gesetzes auf den Anlassfall zurück. Es ist daher hinsichtlich des Anlassfalles so vorzugehen, als ob die als verfassungswidrig erkannte Norm bereits zum Zeitpunkt der Verwirklichung des dem Bescheid zugrunde gelegten Tatbestandes nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte.
Dem in Art140 Abs7 B-VG genannten Anlassfall (im engeren Sinn), anlässlich dessen das Gesetzesprüfungsverfahren tatsächlich eingeleitet worden ist, sind all jene Beschwerdefälle gleichzuhalten, die zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Gesetzesprüfungsverfahren (bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung) beim Verfassungsgerichtshof bereits anhängig waren (VfSlg. 10.616/1985, 11.711/1988). Im - hier allerdings nicht gegebenen - Fall einer Beschwerde gegen einen Bescheid, dem ein auf Antrag eingeleitetes Verwaltungsverfahren vorausgegangen ist, muss dieser verfahrenseinleitende Antrag überdies vor Bekanntmachung des dem unter Pkt. II.1. genannten Erkenntnis zugrunde liegenden Prüfungsbeschlusses des Verfassungsgerichtshofes eingebracht worden sein (VfGH 15.10.2005, B844/05).
3. Die nichtöffentliche Beratung im Gesetzesprüfungsverfahren begann am 12. Juni 2007. Die vorliegende Beschwerde ist beim Verfassungsgerichtshof am 10. Oktober 2006 eingelangt, war also zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung schon anhängig; der ihr zugrunde liegende Fall ist somit einem Anlassfall gleichzuhalten.
Die belangte Behörde wendete bei Erlassung des angefochtenen Bescheides die als verfassungswidrig aufgehobene Gesetzesbestimmung an. Es ist nach Lage des Falles offenkundig, dass diese Gesetzesanwendung für die Rechtsstellung des Beschwerdeführers nachteilig war. Der Beschwerdeführer wurde somit wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in seinen Rechten verletzt.
Der Bescheid war daher aufzuheben.
III. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde gemäß §19 Abs4 Z3 VfGG abgesehen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 360,-- enthalten. Die Eingabegebühr war wegen der sachlichen Abgabenfreiheit des Verfahrens (§44 Abs1 Z2 lita BSVG) nicht zu ersetzen.
Schlagworte
VfGH / AnlaßfallEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2007:B1743.2006Dokumentnummer
JFT_09929388_06B01743_00