TE Vwgh Erkenntnis 1996/7/11 94/18/0918

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Veröffentlicht am 11.07.1996
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AufG 1992 §13 Abs1;
AufG 1992 §5 Abs1;
MRK Art8;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Robl, Dr. Rigler und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. M. Fellner, über die Beschwerde der A in W, vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 5. Oktober 1994, Zl. 102.022/2-III/11/94, betreffend Versagung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 5. Oktober 1994 wies der Bundesminister für Inneres (die belangte Behörde) den Antrag der Beschwerdeführerin, einer rumänischen Staatsangehörigen, vom 25. Oktober 1993 auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 5 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz ab.

Begründend führte die belangte Behörde aus, die Beschwerdeführerin sei im Besitz eines bis 30. November 1993 gültigen Sichtvermerkes gewesen und habe fristgerecht einen "Verlängerungsantrag" gestellt. Gemäß § 4 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz könne Fremden eine Aufenthaltsbewilligung erteilt werden, sofern kein Ausschließungsgrund gemäß § 5 leg. cit. vorliege. "Ihrem Gatten wurde vom Sozialamt/MA 62 eine monatliche Geldleistung zur Sicherung des Unterhaltes in der Höhe von S 7.502,-- zuerkannt. Sie selbst verfügen über kein eigenes Einkommen. Die Mietkosten belaufen sich auf

S 1.500,--. Aufgrund des Sozialhilferichtsatzes würde Ihr Gatte abzüglich der Miete etc. über ein Einkommen von S 6.848,-- verfügen". Da das Einkommen unter dem Sozialhilferichtsatz liege, könne gemäß § 5 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz keine Bewilligung erteilt werden. Zu den persönlichen Verhältnissen der Beschwerdeführerin sei zu sagen, daß ihr Ehegatte in Österreich lebe, jedoch aufgrund des oben angeführten Ausschließungsgrundes den öffentlichen Interessen Priorität gegenüber den privaten Interessen einzuräumen sei.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Heranziehung des Sozialhilferechtes des betreffenden Bundeslandes für die Beurteilung der Frage des nicht gesicherten Unterhaltes für die Dauer einer Bewilligung im Sinn des § 5 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz begegnet an sich keinen Bedenken (zur diesbezüglichen Maßstabfunktion des Sozialhilferechtes des betreffenden Bundeslandes vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 21. März 1996, Zl. 95/18/0502, mwN). Die von der belangten Behörde für ihre abweisende Entscheidung angegebene Begründung (siehe oben I.1.) ist für den Verwaltungsgerichtshof nicht nachvollziehbar und hindert ihn an der Überprüfung der bekämpften Entscheidung auf ihre inhaltliche Rechtmäßigkeit.

2. Unter der Annahme, der genannte Sichtvermerksversagungsgrund sei von der belangten Behörde zu Recht bei der Versagung der Aufenthaltsbewilligung herangezogen worden, leidet der angefochtene Bescheid an inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

Wie der Verfassungsgerichtshof in seinen Erkenntnissen vom 16. März 1995, B 2259/94, und vom 12. Juni 1995, B 1599/94, ua, dargetan hat, ist die Behörde (auch) bei Anwendung der in § 5 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz besonders hervorgehobenen Versagungstatbestände der für die Dauer der Bewilligung nicht gesicherten ortsüblichen Unterkunft oder des nicht gesicherten Lebensunterhaltes in Fällen, in denen durch die Versagung der Bewilligung in das durch Art. 8 MRK gewährleistete Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens eingegriffen würde, verhalten, die Notwendigkeit der Versagung der Bewilligung aus den in Art. 8 Abs. 2 MRK umschriebenen öffentlichen Interessen zu prüfen und dabei auch auf die privaten und familiären Interessen des Bewilligungswerbers Bedacht zu nehmen. Der Verwaltungsgerichtshof hat sich dieser Rechtsauffassung angeschlossen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. September 1995, Zl. 95/18/0936).

Bei dieser im vorliegenden Fall vorgenommenen Interessenabwägung erachtete die belangte Behörde zu Unrecht die öffentlichen Interessen als schwererwiegend. Nach dem unwidersprochen gebliebenen (und im übrigen durch den vorgelegten Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 7. November 1994, Zl. IV-648.186/FrB/94, bescheinigten) Beschwerdevorbringen hielt sich die am 14. März 1990 eingereiste Beschwerdeführerin aufgrund erteilter Sichtvermerke bis zum 30. November 1993 rechtmäßig im Bundesgebiet auf. Vor Ablauf des zuletzt gültigen Sichtvermerkes beantragte sie fristgerecht die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung unter sinngemäßer Anwendung der für die Verlängerung von Bewilligungen geltenden Vorschriften (§ 13 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz). Die Beschwerdeführerin war zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides knapp 66 Jahre alt, lebt im gemeinsamen Haushalt mit ihrem Ehegatten und verfügt über kein eigenes Einkommen.

Indem die belangte Behörde dennoch den privaten Interessen der Beschwerdeführerin geringeres Gewicht als den entgegenstehenden öffentlichen Interessen beimaß, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

3. Da die inhaltliche Rechtswidrigkeit jener infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vorgeht (vgl. die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, Seite 572, angeführte Rechtsprechung), war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 Abs. 1, 48 Abs. 1 VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1994180918.X00

Im RIS seit

02.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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