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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
B-VG Art133 Abs4Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Enzenhofer und die Hofrätin Mag. Dr. Zehetner sowie den Hofrat Dr. Terlitza als Richterin und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, in der Revisionssache des M R, vertreten durch Mag. Rainer Hochstöger, MBA, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Breitwiesergutstraße 10, gegen das am 8. Juli 2019 mündlich verkündete und am 7. August 2019 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien, VGW-002/007/7155/2019-9, betreffend Übertretungen des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Wien), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Bescheid vom 11. März 2019 stellte die belangte Behörde gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 VStG das mit Aufforderung zur Rechtfertigung vom 24. Oktober 2018 eingeleitete Verwaltungsstrafverfahren gegen den Revisionswerber wegen vierfacher Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 vierter Fall Glücksspielgesetz - GSpG ein.
2 Das Verwaltungsgericht Wien (Verwaltungsgericht) gab mit dem angefochtenen Erkenntnis der dagegen erhobenen Beschwerde des (damaligen) Finanzamtes für den 4., 5. und 10. Bezirk nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung statt. Es änderte den Spruch des genannten Bescheides insoweit ab, als es der Revisionswerber als handelsrechtlicher Geschäftsführer der J GmbH und somit als zur Vertretung nach außen Berufener gemäß § 9 Abs. 1 VStG zu verantworten habe, dass diese Gesellschaft ein näher bezeichnetes Lokal an die F Kft untervermietet habe, wodurch es der F Kft ermöglicht worden sei, an diesem Ort vier näher bezeichnete Glücksspielgeräte in Verbindung mit einem dazugehörenden Ein- und Auszahlungsgerät als Unternehmerin auf eigene Rechnung und eigenes Risiko zu betreiben. Über den Revisionswerber wurden gemäß § 52 Abs. 2 dritter Strafsatz GSpG vier Geldstrafen in der Höhe von je EUR 6.000,-- (samt Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt. Weiters wurde dem Revisionswerber gemäß § 64 VStG ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vorgeschrieben (Spruchpunkt I.). Das Verwaltungsgericht sprach aus, dass kein Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen sei (Spruchpunkt II.) und dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei (Spruchpunkt III.).
3 Der Revisionswerber erhob gegen dieses Erkenntnis zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluss vom 25. Februar 2020, E 3523/2019-11, deren Behandlung ablehnte und die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
4 In der Folge erhob der Revisionswerber die vorliegende außerordentliche Revision.
5 Mit Beschluss vom 27. April 2020, Ra 2020/17/0013, legte der Verwaltungsgerichtshof dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gemäß Art. 267 AEUV im Zusammenhang mit dem - auch im vorliegenden Revisionsfall anzuwendenden - § 52 Abs. 2 dritter Strafsatz GSpG stehende Fragen zur Vorabentscheidung vor.
6 In der Folge setzte der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 29. September 2020 das Revisionsverfahren bis zur Vorabentscheidung durch den EuGH in der Rechtssache C-231/20 über die mit Vorlageentscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. April 2020, EU 2020/0002 (Ra 2020/17/0013), vorgelegten Fragen aus.
7 Der EuGH entschied mit Urteil vom 14. Oktober 2021, MT, C-231/20, über die ihm vorgelegten Fragen.
8 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
9 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
10 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision - gesondert - vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
11 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit zunächst vor, dass ein Verstoß gegen die ständige Judikatur des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) zur dynamischen Kohärenzprüfung vorliege. Das Verwaltungsgericht habe im Hinblick auf die amtswegige Beurteilung der Unionsrechtskonformität des GSpG lediglich Unterlagen aus dem Zeitraum 2010 bis 2016 zu Grunde gelegt, die vom Revisionswerber vorgelegten Unterlagen seien unberücksichtigt geblieben.
12 Dazu ist auszuführen, dass die Anforderungen an eine Prüfung der Unionsrechtskonformität im Zusammenhang mit einer Monopolregelung im Glücksspielsektor durch die nationalen Gerichte geklärt sind (vgl. EuGH 15.9.2011, Dickinger und Ömer, C-347/09, Rn. 83 f; 30.4.2014, Pfleger, C-390/12, Rn. 47 ff; 30.6.2016, Admiral Casinos & Entertainment AG, C-464/15, Rn. 31, 35 ff; 28.2.2018, Sporting Odds Ltd., C-3/17, Rn. 28, 62 ff; sowie 6.9.2018, Gmalieva s.r.o. u.a., C-79/17, Rn. 22 ff). Diesen Anforderungen ist der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 16. März 2016, Ro 2015/17/0022, durch die Durchführung der nach der Rechtsprechung des EuGH erforderlichen Gesamtwürdigung nachgekommen. Der Verwaltungsgerichtshof hat an dieser Gesamtwürdigung mit Erkenntnis vom 11. Juli 2018, Ra 2018/17/0048, 0049, mit näherer Begründung festgehalten. Von dieser Rechtsprechung ist das Verwaltungsgericht im Revisionsfall nicht abgewichen. Entgegen dem weiteren Vorbringen steht die angefochtene Entscheidung daher nicht im Widerspruch zum Urteil des EuGH vom 30. April 2014, Pfleger, C-390/12. Darüber hinaus wird die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels nicht aufgezeigt (vgl. VwGH 14.10.2021, Ra 2020/17/0080, mwN).
13 Die Revision rügt in ihrem Zulässigkeitsvorbringen weiters, das Verwaltungsgericht habe nicht festgestellt, dass die J GmbH als Vermieterin Kenntnis davon gehabt habe, dass „der Mieter und Betreiber des Lokals genau mit 4 Geräten verbotene Ausspielungen durchführt“. Daher könne den Revisionswerber auch keine „Haftung“ für eine Übertretung mit genau vier Glücksspielautomaten und somit auch vier Strafen treffen.
14 Ob das Verwaltungsgericht in jeder Hinsicht seiner Begründungs- und Ermittlungspflicht gerecht wurde, insbesondere ob es seiner Begründungspflicht in Ansehung der Tatfrage genügt hat, stellt eine einzelfallbezogene Frage des Verfahrensrechtes dar, welcher nur dann grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn tragende Grundsätze des Verfahrensrechts verletzt wurden bzw. wenn die in der angefochtenen Entscheidung getroffene Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre und zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Ergebnis geführt hätte (vgl. etwa VwGH 8.6.2021, Ra 2020/17/0096).
15 Das Verwaltungsgericht ist im Revisionsfall nicht nur von der Kenntnis der Organe der J GmbH von den Vorgängen in dem vermieteten Lokal, sondern auch von einem gezielten Zusammenwirken zwischen der J GmbH und der F Kft ausgegangen und hat dies u.a. mit dem Vorliegen von 49 einschlägigen „Bescheide/Straferkenntnisse“ (ohne Haftungsverfahren) der F Kft allein beim Verwaltungsgericht in den letzten 1,5 Jahren begründet. Die Vorakten beträfen dieselben Beteiligten in ähnlichen bzw. identen Konstellationen. Zuletzt seien von der Staatsanwaltschaft Leoben u.a. eine Anordnung zur Festnahme und eine Anordnung zur Hausdurchsuchung im Zusammenhang mit strafrechtlichen Ermittlungen gegen Personen im Umfeld der J GmbH übermittelt worden. Aus diesen Dokumenten ergäben sich ein Geflecht von Scheinfirmen und ebenfalls ein Nachweis der wissentlichen Tätigkeit/Beteiligung an der Veranstaltung von Glücksspielen durch die J GmbH.
16 Die Revision bestreitet in ihrer Zulässigkeitsbegründung weder die Richtigkeit dieser Feststellungen noch tritt sie dem daraus gezogenen beweiswürdigenden Schluss auf die Kenntnis der Organe der J GmbH und insbesondere des Revisionswerbers von den verbotenen Ausspielungen in dem genannten Lokal entgegen. Dass im Revisionsfall die Beurteilung des Verwaltungsgerichtes grob fehlerhaft erfolgt wäre oder zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Ergebnis geführt hätte, ist nicht ersichtlich und wird von der Revision auch nicht aufgezeigt. Auf die von der Revision vermissten Feststellungen kommt es bei Zugrundelegung der vom Verwaltungsgericht festgestellten Umstände nicht an.
17 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit weiters vor, es liege ein Verstoß gegen die Judikatur zu § 16 Abs. 2 VStG vor, weil zwischen den jeweils verhängten Geldstrafen (je EUR 6.000,--) und den jeweiligen Ersatzfreiheitsstrafen (jeweils 5 Tage) ein unverhältnismäßiger Unterschied (nämlich 20 % bzw. 35,71 % der jeweiligen Höchststrafe) bestehe. Das LVwG hätte daher seine Entscheidung begründen müssen. Da dies nicht erfolgt sei, habe das LVwG den Strafausspruch mit Rechtswidrigkeit belastet.
18 Nach dem VStG gibt es keinen festen Umrechnungsschlüssel von Geld- und Ersatzfreiheitsstrafen. Eine analoge Anwendung des § 19 StGB ist ausgeschlossen (vgl. neuerlich VwGH 8.6.2021, Ra 2020/17/0096, mwN).
19 Mit dem angefochtenen Erkenntnis verhängte das Verwaltungsgericht ausgehend von einem Strafrahmen von EUR 3.000,-- bis EUR 30.000,-- pro Glücksspielgerät vier Geldstrafen in der Höhe von jeweils EUR 6.000,-- und Ersatzfreiheitsstrafen in der Höhe von jeweils 5 Tagen. Damit wurde im Revisionsfall die Höchststrafe in Bezug auf die Geldstrafen mit je 20 % und in Bezug auf die Ersatzfreiheitsstrafen mit je 35,71 % ausgeschöpft. Dass sich daraus ein auffallendes Missverhältnis zwischen der verhängten Geldstrafen und den festgesetzten Ersatzfreiheitsstrafen ergäbe, ist im Revisionsfall nicht ersichtlich, zumal das Verwaltungsgericht die (im Verhältnis) niedrige Geldstrafe mit einer schlechten Einkommenslage und mit Vermögenslosigkeit des Revisionswerbers begründet hat (vgl. wieder VwGH 8.6.2021, Ra 2020/17/0096, dem dieselben Verhältniszahlen zugrunde lagen).
20 In der Revision werden somit insgesamt keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1iVm Abs. 3 VwGG mit Beschluss zurückzuweisen.
21 Von der Durchführung einer Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.
Wien, am 23. Februar 2022
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2020170077.L00Im RIS seit
23.03.2022Zuletzt aktualisiert am
28.03.2022