Index
E1PNorm
AVG §37Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, die Hofräte Dr. Doblinger und Mag. Feiel sowie die Hofrätinnen Dr. Koprivnikar und Mag. Schindler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Dr. Hotz, über die außerordentliche Revision des Mag. A B in C, vertreten durch die B&S Böhmdorfer Schender Rechtsanwälte GmbH in 1040 Wien, Gußhausstraße 6, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 8. Juni 2021, 1. W116 2241025-1/8E und 2. W116 2241898-1/8E, betreffend 1. vorläufige Suspendierung und 2. Suspendierung nach § 112 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesministerin für Justiz [ad. 1.], Bundesdisziplinarbehörde [ad. 2.]; weitere Partei: Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlicher Dienst und Sport [ad. 2.]),
Spruch
I. zu Recht erkannt:
Das angefochtene Erkenntnis wird im Umfang seines Spruchpunktes A)1) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
II. den Beschluss gefasst:
Im Übrigen - soweit sie sich gegen Spruchpunkt A)2) des angefochtenen Erkenntnisses wendet - wird die Revision zurückgewiesen.
Begründung
1. Verfahrensgang:
1 1.1. Der 1963 geborene Revisionswerber steht als Leiter der im Wesentlichen für die legistischen Angelegenheiten des Strafgesetzbuchs, der strafgerichtlichen Nebengesetze und des Strafverfahrensrechts zuständigen Sektion des Bundesministeriums für Justiz in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Einzelstrafsachen sowie berichtspflichtige Strafsachen fallen nicht (mehr) in die Zuständigkeit der vom Revisionswerber geleiteten Sektion.
2 1.2. Mit Bescheid der Dienstbehörde (Bundesministerin für Justiz) vom 25. Februar 2021 wurde der Revisionswerber gemäß § 112 Abs. 1 Z 3 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 (BDG 1979) mit sofortiger Wirkung vorläufig vom Dienst suspendiert.
3 Dies wurde zusammengefasst damit begründet, dass der Revisionswerber von der Staatsanwaltschaft Wien im Verfahren 48 St 22/21k als Beschuldigter verdächtigt werde, am 24. Juni 2019 in Wien als damaliger Generalsekretär und Leiter der vormaligen Sektion IV des Bundesministeriums für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz ein ihm ausschließlich kraft seines Amtes anvertrautes oder zugänglich gewordenes Geheimnis offenbart zu haben, dessen Offenbarung geeignet gewesen sei, ein öffentliches Interesse zu verletzen, indem er Dr. D E mitgeteilt habe, dass in dem von der Zentralen Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption (WKStA) zu 62 St 1/19x geführten Ermittlungsverfahren gegen (u.a.) den Unternehmer DDr. F G am 25. Juni 2019 eine gerichtlich bewilligte Durchsuchung von dessen Geschäftsräumlichkeiten stattfinden werde. Gegen ihn liege daher der Verdacht vor, das Vergehen der Verletzung des Amtsgeheimnisses nach § 310 Abs. 1 StGB begangen zu haben.
4 Die Dienstbehörde stützte ihre Feststellungen dabei auf die ihr am selben Tag anlässlich einer in den Räumlichkeiten des Justizministeriums durchgeführten Sicherstellung zur Kenntnis gelangte Sicherstellungsanordnung der Staatsanwaltschaft Wien vom 25. Februar 2021.
5 Würde sich - so führte die Dienstbehörde rechtlich aus - der derzeit bestehende Verdacht bewahrheiten, läge eine gravierende Dienstpflichtverletzung des Revisionswerbers im Kernbereich seines damaligen Aufgabengebiets vor. Schon der Verdacht der Verletzung des Amtsgeheimnisses durch einen Amtsträger in leitender Funktion sei offenkundig geeignet, das Ansehen des Amtes und darüber hinaus auch der Strafverfolgungsbehörden insgesamt zu gefährden.
6 1.3. Gegen diesen Bescheid erhob der Revisionswerber Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.
7 1.4. Die Dienstbehörde teilte die vorläufige Suspendierung gemäß § 112 Abs. 2 BDG 1979 der Bundesdisziplinarbehörde mit und machte gemäß § 91 Abs. 1 BDG 1979 den darin behandelten Vorwurf zum Gegenstand der Disziplinaranzeige vom 1. März 2021 wegen des Verdachts der Verletzung der Dienstpflichten nach den §§ 43 und 46 BDG 1979 [Tatvorwurf 1].
8 1.5. Mit Nachtragsdisziplinaranzeige vom 14. März 2021 zeigte die Dienstbehörde der Bundesdisziplinarbehörde an, der Revisionswerber stehe ferner im begründeten Verdacht,
1. am 15. und 16. Dezember 2020 in Wien einer namentlich genannten Redakteurin der Tageszeitung „Kurier“ die zu diesem Zeitpunkt nicht öffentlich bekannte Information offenbart zu haben, dass mehrere Oberstaatsanwältinnen und Oberstaatsanwälte der WKStA gegen eine namentlich genannte Journalistin der Tageszeitung „Die Presse“ wegen eines näher bezeichneten Artikels Strafanzeige erstattet hätten, die Staatsanwaltschaft Wien jedoch beabsichtige, von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abzusehen, und die Redakteurin dabei ersucht habe, über die weitere Vorgehensweise bei der Veröffentlichung dieser Information noch mit ihm Rücksprache zu halten, weil bei verfrühtem Bekanntwerden offensichtlich gewesen wäre, „wer geleakt hätte“ [Tatvorwurf 2];
2. am 24. Februar 2021 in Wien den Kabinettschef im Bundesministerium für Finanzen über die Mobiltelefon-Applikation „Signal“ mit u.a. den Worten „Das ist ein Putsch“ und „Die spielen unfair; nur eine Beschwerde hilft ...“ geraten zu haben, Rechtsmittel gegen eine von der WKStA im Verfahren 17 St 5/19d vollzogene Hausdurchsuchung im Finanzministerium sowie Dienstaufsichtsbeschwerde gegen die zuständigen Sachbearbeiter zu erheben, ihm rechtliche und prozesstaktische Überlegungen dazu mitgeteilt und sich erkundigt zu haben, wer den Bundesminister für Finanzen auf seine Beschuldigtenvernehmung vorbereite, nachdem ihm der Kabinettschef Fotos einer anlässlich der Hausdurchsuchung erhaltenen Sicherstellungsanordnung übermittelt gehabt habe [Tatvorwurf 3];
3. es im Februar 2021 treuepflichtwidrig unterlassen zu haben, die wiederkehrende Zusendung von ungeschwärzten Aktenbestandteilen aus verschiedenen Verfahren, für deren Bearbeitung er nicht zuständig gewesen sei - jedenfalls teilweise durch den Leiter oder allenfalls einen anderen Mitarbeiter der Oberstaatsanwaltschaft Wien - zu unterbinden, obwohl dies der Zielsetzung der mit 1. September 2020 durch Aufteilung der Zuständigkeiten für Straflegistik und Einzelstrafsachen auf zwei Sektionen vollzogenen Organisationsänderung im Bundesministerium für Justiz zuwider gelaufen sei [Tatvorwurf 4];
und dadurch schuldhaft seine Dienstpflichten gemäß § 43 Abs. 1 und 2 BDG 1979, zu 1. überdies nach § 46 Abs. 1 BDG 1979, verletzt zu haben.
9 1.6. Mit Bescheid vom 25. März 2021 sprach die Bundesdisziplinarbehörde aus, dass der Revisionswerber gemäß § 112 Abs. 2 BDG 1979 nicht vom Dienst suspendiert werde.
10 Dies begründete sie im Wesentlichen damit, dass hinsichtlich des in der Disziplinaranzeige vom 1. März 2021 erhobenen Vorwurfs keine hinreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass der Revisionswerber Träger des Amtsgeheimnisses gewesen sei und es offenbart habe. Aus Tatvorwurf 2 ergebe sich zwar der Verdacht einer Dienstpflichtverletzung, die aber nicht so schwerwiegend sei, dass sie eine Suspendierung erforderlich mache. Zu Tatvorwurf 3 verneinte die Bundesdisziplinarbehörde das Vorliegen eines begründeten Verdachts einer Dienstpflichtverletzung, weil der Revisionswerber seit der Organisationsänderung nur mehr für die Straflegistik und nicht mehr auch für Einzelstrafsachen zuständig sei. Deshalb könne ein besonderer Funktionsbezug im Zusammenhang mit diesem Vorwurf nicht angenommen werden. Ein allgemeiner Funktionsbezug, wie etwa bei unsachlicher öffentlicher Kritik, liege vor, wenn Verhaltensweisen unabhängig von der Stellung des jeweiligen Beamten eine unsachliche Amtsführung befürchten ließen. Im konkreten Fall habe der Revisionswerber jedoch bloß in privaten Nachrichten Kritik am Vorgehen der Staatsanwaltschaft geübt sowie rechtliche und prozesstaktische Überlegungen zur Erhebung von Rechtsmitteln mitgeteilt, sodass von einer unsachlichen öffentlichen Kritik nicht ausgegangen werden könne. Bei Tatvorwurf 4 könne angesichts oben genannter Organisationsänderung kein Zusammenhang mit den dienstlichen Aufgaben des Revisionswerbers erkannt werden. Ebenso wenig könne eine Beeinträchtigung des Vertrauens der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben (Strafrechtslegistik) angenommen werden. Ob durch die Zusendung ungeschwärzter Aktenbestandteile öffentliche oder berechtigte private Interessen verletzt worden seien, was allenfalls zu einer Verletzung der Meldepflicht nach § 53 Abs. 1 BDG 1979 führen könnte, sei erst im anhängigen Strafverfahren gegen den Leiter der Oberstaatsanwaltschaft Wien zu prüfen. Derzeit könne nicht vom Verdacht einer schwerwiegenden Dienstpflichtverletzung ausgegangen werden.
11 1.7. Gegen diesen Bescheid erhob der Disziplinaranwalt beim Bundesministerium für Justiz Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.
2. Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts
12 2.1. Mit dem angefochtenen, nach Durchführung einer über beide Beschwerden gemeinsam durchgeführten mündlichen Verhandlung ergangenen, Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde des Revisionswerbers gegen den Bescheid der Dienstbehörde vom 25. Februar 2021 gemäß § 28 Abs. 1 und 2 Z 1 VwGVG in Verbindung mit § 112 Abs. 1 Z 3 BDG 1979 als unbegründet ab [Spruchpunkt A)1)], und sprach über die Beschwerde des Disziplinaranwalts beim Bundesministerium für Justiz gegen den Bescheid der Bundesdisziplinarbehörde vom 25. März 2021 gemäß § 28 Abs. 1 und 2 Z 1 VwGVG aus, dass dieser stattgegeben, der Bescheid behoben und der Revisionswerber gemäß § 112 Abs. 2 BDG 1979 vom Dienst suspendiert werde [Spruchpunkt A)2)]. Die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig.
13 2.2.1. Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht nach Darstellung des Verfahrensverlaufs unter „Feststellungen“ zu Tatvorwurf 1 aus, dass auf Grundlage der vorliegenden Beweismittel für eine Suspendierung nach § 112 BDG 1979 aktuell kein ausreichend begründeter Verdacht bestehe, dass der Revisionswerber am 24. Juni 2019 als damaliger Generalsekretär und Leiter der vormaligen Sektion IV des Bundesministeriums für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz, somit als Beamter, ein ihm ausschließlich kraft seines Amtes anvertrautes oder zugänglich gewordenes Geheimnis offenbart habe, dessen Offenbarung geeignet gewesen sei, ein öffentliches Interesse zu verletzen, indem er Dr. E mitgeteilt habe, dass in den von der WKStA zu 62 St 1/19x geführten Ermittlungsverfahren gegen den Unternehmer und weitere Beschuldigte am 25. Juni 2019 eine gerichtlich bewilligte Durchsuchung von dessen Geschäftsräumlichkeiten stattfinden werde. In dieser Angelegenheit sei von der Staatsanwaltschaft Wien gegen den Revisionswerber ein strafgerichtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet worden, in dem er wegen § 302 StGB als Beschuldigter geführt werde. Dieses Strafverfahren sei nach wie vor anhängig.
14 2.2.2. Hinsichtlich Tatvorwurf 2 bestehe der ausreichend begründete Verdacht, dass der Revisionswerber am 15. und 16. Dezember 2020 in Wien der Redakteurin der Tageszeitung „Kurier“ die zu diesem Zeitpunkt nicht öffentlich bekannte Information offenbart habe, dass mehrere Oberstaatsanwältinnen und Oberstaatsanwälte der WKStA gegen eine Journalistin der Tageszeitung „Die Presse“ wegen ihres Artikels mit dem Titel „Weniger Intimes darf in die Akten“ Strafanzeige erstattet hätten, die Staatsanwaltschaft Wien jedoch beabsichtige, von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abzusehen und er die Redakteurin dabei ersucht habe, über die weitere Vorgehensweise bei der Veröffentlichung dieser Information noch mit ihm Rücksprache zu halten, weil bei verfrühtem Bekanntwerden offensichtlich gewesen wäre, „wer geleakt hätte“. In dieser Angelegenheit sei von der Staatsanwaltschaft Wien gegen den Revisionswerber als Beschuldigten wegen § 310 Abs. 1 StGB ein nach wie vor anhängiges strafgerichtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet worden.
15 2.2.3. Zu Tatvorwurf 3 bestehe der ausreichend begründete Verdacht, dass der Revisionswerber am 24. Februar 2021 in Wien dem Kabinettschef im Bundesministerium für Finanzen, über die Mobiltelefon-Applikation „Signal“ mit unter anderem den Worten „Das ist ein Putsch“ und „Die spielen unfair; nur eine Beschwerde hilft ...“ geraten habe, Rechtsmittel gegen eine von der WKStA im Verfahren zu 17 St 5/19d vollzogene Hausdurchsuchung im Finanzministerium sowie Dienstaufsichtsbeschwerde gegen die zuständigen Sachbearbeiter zu erheben, ihm rechtliche und prozesstaktische Überlegungen dazu mitgeteilt und sich erkundigt zu haben, wer den Bundesminister für Finanzen auf seine Beschuldigtenvernehmung vorbereite, nachdem ihm der Kabinettschef Fotos einer anlässlich einer Hausdurchsuchung an das Bundesministerium für Finanzen gerichteten Sicherstellungsanordnung der WKStA vom 19. Februar 2021 übermittelt habe. Das von der Staatsanwaltschaft Wien in dieser Angelegenheit gegen den Kabinettschef eingeleitete strafgerichtliche Ermittlungsverfahren wegen § 310 Abs. 1 StGB sei nach wie vor anhängig.
16 2.2.4. Auch bei Tatvorwurf 4 bestehe der ausreichend begründete Verdacht, dass es der Revisionswerber im Februar 2021 unterlassen habe, die wiederkehrende Zusendung von ungeschwärzten Aktenbestandteilen aus verschiedenen Verfahren für deren Bearbeitung er nicht zuständig gewesen sei, jedenfalls teilweise durch den Leiter oder allenfalls einen anderen Mitarbeiter der Oberstaatsanwaltschaft Wien, zu unterbinden und gemäß § 53 Abs. 1 BDG 1979 eine Meldung an den Leiter der Dienststelle zu erstatten. In dieser Angelegenheit sei von der Staatsanwaltschaft Wien gegen den Leiter der Oberstaatsanwalt Wien ein strafgerichtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet worden, in dem er wegen § 310 Abs. 1 StGB als Beschuldigter geführt werde. Dieses Strafverfahren sei nach wie vor anhängig.
17 2.3.1. Beweiswürdigend führte das Bundesverwaltungsgericht zu Tatvorwurf 1 zusammengefasst aus, dass sich dieser vor allem auf die Anordnung zur Sicherstellung der Staatsanwaltschaft Wien vom 25. Februar 2021 stütze.
18 Die Staatsanwaltschaft habe die Sicherstellungsanordnung im Wesentlichen damit begründet, dass die Kriminalpolizei und die WKStA, als sie am 25. Juni 2019 zur Durchführung der Hausdurchsuchung die Geschäftsräumlichkeiten des Unternehmers aufsuchten, von diesem und dessen Rechtsanwältin in Kenntnis des genauen Termins bereits erwartet worden seien. Die Auswertung des sichergestellten Mobiltelefons des Dr. E habe mehrere Chatprotokolle zwischen diesem und dem Revisionswerber hervorgebracht, wonach Dr. E zumindest seit Einleitung des Verfahrens durch die WKStA im Jänner 2019 für den Unternehmer in dieser Sache beim Revisionswerber interveniert und zwischen Jänner und April 2019 mindestens dreimal mit dem Revisionswerber, der damals Generalsekretär im Bundesministerium für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz gewesen sei, Gespräche über das Verfahren gegen den Unternehmer geführt habe. Am Tag vor der Hausdurchsuchung habe es mehrere (allenfalls nur versuchte) Telefongespräche zwischen Dr. E und dem Unternehmer und dessen Nachricht an diesen um 15:40 Uhr gegeben: „Bin gerade im BMJ melde mich sobald möglich.“ 90 Minuten vor der Hausdurchsuchung habe er ihm noch unter anderem geschrieben: „Wenn die heute kommen: ganz ruhig bleiben ... Rechtsmittel gegen diese HD machen absolut Sinn. ...“. Die Chatprotokolle würden nach Ansicht der WKStA belegen, dass Dr. E, der in den Jahren 2013 bis 2017 Bundesminister für Justiz gewesen sei und in dieser Zeit eng mit dem Revisionswerber - dem damaligen Leiter der Strafrechtssektion - zusammengearbeitet habe, seine guten Kontakte zu Letztgenanntem genutzt habe, um in mindestens drei Treffen/Gesprächen für den Unternehmer im Zusammenhang mit dem von der WKStA gegen diesen geführten Verfahren zu intervenieren.
19 Aus dem E-Mail-Verkehr ergebe sich jedoch, dass die zuständige Bearbeiterin bei der Oberstaatsanwaltschaft den am 21. Juni 2019 per Boten von der WKStA übermittelten Informationsbericht am 25. Juni 2019 um 13:19 Uhr per E-Mail an den Leiter der Oberstaatsanwaltschaft Wien übermittelt habe, der die E-Mail um 14:58 Uhr an den Revisionswerber weitergeleitet habe. Daraus ergebe sich zweifelsfrei, dass dem Revisionswerber der Informationsbericht der WKStA betreffend Anordnung und Vollzug der Hausdurchsuchung bei dem Unternehmer entgegen der Annahme der Staatsanwaltschaft Wien erst am 25. Juni 2019 nach Beginn des Vollzugs übermittelt worden sei. Es könne zwar nicht ausgeschlossen werden, dass der Revisionswerber bereits vorher auf anderem Weg Kenntnis von der geplanten Hausdurchsuchung erlangt habe, konkrete Anhaltspunkte dafür lägen jedoch nicht vor. Darüber hinaus hätten die weiteren Erhebungen der Dienstbehörde im Auftrag der Bundesdisziplinarbehörde ergeben, dass Dr. E am 24. Juni 2019 um 16:00 Uhr einen Termin beim damaligen Bundesminister für Justiz gehabt habe, was seinen Aufenthalt im Justizministerium grundsätzlich erkläre. Es könne zwar auch hier nicht ausgeschlossen werden, dass er zuvor oder danach im Justizministerium mit dem Revisionswerber zusammengetroffen sei, jedoch fehlten auch dafür konkrete Anhaltspunkte. Schließlich spreche auch der Bericht der Rechtsanwältin des Unternehmers an die WKStA vom 24. Juni 2019 gegen die Annahme, dass der Revisionswerber die Information betreffend die geplante Hausdurchsuchung am Nachmittag des 24. Juni 2019 an Dr. E weitergegeben habe, weil die Rechtsanwältin bereits in diesem Bericht, der nachweislich am 24. Juni 2019 um 09:04 Uhr per ERV an die WKStA übermittelt worden sei, ausdrücklich ausgeführt habe, dass sie nunmehr die Information bekommen habe, dass die Hausdurchsuchung definitiv diese Woche stattfinden werde. Die verbleibenden greifbaren Anhaltspunkte, die für den gegenständlichen Verdacht sprächen, seien lediglich die gesicherten Chat-Verläufe zwischen Dr. E und dem Unternehmer, aus welchen sich ergebe, dass Dr. E zuvor mehrmals beim Revisionswerber in der Strafsache gegen den Unternehmer interveniert habe. Für die Annahme, dass der Revisionswerber schon vor dem 25. Juni 2019 Kenntnis von der geplanten Hausdurchsuchung und ihrem konkreten Termin gehabt habe und diese Information am Nachmittag des 24. Juni 2019 an Dr. E im Justizministerium weitergegeben habe, lägen auf Grundlage der aktuell vorliegenden Beweismittel jedoch keine ausreichend greifbaren Anhaltspunkte vor, die den Verdacht einer Dienstpflichtverletzung, welche eine Suspendierung rechtfertige, begründen könnten. Eine Beurteilung, ob die Verdachtslage für die Durchführung eines strafgerichtlichen Verfahrens ausreichend sei, stehe dem Bundesverwaltungsgericht nicht zu.
20 2.3.2. Die Feststellungen zu Tatvorwurf 2 - so führte das Verwaltungsgericht beweiswürdigend zusammengefasst weiter aus - ergäben sich unter anderem im Wesentlichen aus dem Chat-Verlauf zwischen dem Revisionswerber und der Journalistin der Tageszeitung „Kurier“ vom 15. und 16. Dezember 2020, die der Revisionswerber zunächst am 15. Dezember 2020 persönlich getroffen und ihr dabei offenbar von der zu diesem Zeitpunkt nicht öffentlich bekannten Strafanzeige mehrerer Oberstaatsanwältinnen und Oberstaatsanwälte der WKStA gegen die Redakteurin der Presse erzählt habe. Am darauffolgenden Tag habe er ihr ergänzend mitgeteilt, dass die Staatsanwaltschaft Wien beabsichtige, in dieser Sache von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abzusehen. So habe er ihr am 15. Dezember 2020 um 20:16 Uhr geschrieben „... hoffe, Sie sind auch bald zu Hause; habe mich gefreut, Sie zu sehen.“, worauf diese geantwortet habe „Bin schon zu Hause. Aber das mit der [...] ist schlimm - irgendwie stasi Methode“, worauf der Revisionswerber geantwortet habe, „Absolut, Kritik zu kriminalisieren geht gar nicht, bin noch am überlegen, was ich mit diesem Wissen mache.“. Am nächsten Tag habe der Revisionswerber der Redakteurin, die ihm ein Bild des Zeitungsartikels übermittelt habe, bestätigt „... ja, das ist der Artikel; zur weiteren Vorgehensweise möchte ich noch mit Ihnen sprechen, weil es schon möglich, dass das gar nicht öffentlich wird, weil die StA Wien kein Verfahren einleiten will, in welchem Fall [...] gar nicht verständigt wird“.
21 Die Nachfrage der Journalistin und die Antwort des Revisionswerbers sprächen dafür, dass dieser im Zuge des Treffens die Information weitergegeben habe und gegen seine Verantwortung, wonach er im Zuge einer Recherche von dieser auf die Information angesprochen worden wäre. Zudem lege es den Schluss nahe, dass dem Revisionswerber zu diesem Zeitpunkt bewusst gewesen sei, dass es sich dabei um eine nicht öffentlich bekannte Information gehandelt habe, für deren Geheimhaltung zumindest ein berechtigtes privates Interesse vorgelegen sei. Auf die weitere Frage „Das heißt die StA Wien ist anderer Meinung als die WKStA“, habe der Revisionswerber geantwortet: „Ja, das Ganze liegt bei der OStA, so wäre klar, wer geleakt hätte“. Auf die folgende Mitteilung „Verstehe. Ich mache eh nichts“, habe der Revisionswerber geantwortet: „Habe ich auch nicht angenommen, wollte das nur erklären; vielleicht geht das auf anderem Weg (parl. Anfrage); dann wäre ich froh, wenn Sie was machen ....“. Daraus ergebe sich der ausreichend begründete Verdacht, dass der Revisionswerber der Journalistin auch mitgeteilt habe, dass die Staatsanwaltschaft zu diesem Zeitpunkt beabsichtigt habe, kein Verfahren gegen die Redakteurin durchzuführen und er unter bestimmten Umständen durchaus ein Interesse an der medialen Verwertung der Information gehabt hätte.
22 2.3.3. Tatvorwurf 3 ergebe sich zweifelsfrei aus der Auswertung des Mobiltelefons des Revisionswerber und seines Signal-Chat-Verlaufs mit dem Generalsekretär des Finanzministeriums vom 24. Februar 2021, wonach dieser ihm zunächst eine Sicherstellungsanordnung der WKStA vom 19. Februar 2021 betreffend die Sicherstellung konkret genannter Daten des Finanzministeriums im Zuge eines gegen mehrere Personen geführten strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens übermittelt habe. Darauf habe der Revisionswerber mit der Nachricht: „Das ist ein Putsch!!, lauter Mutmaßungen, es muss Beschwerde gegen HD eingelegt werden, wer vorbereitet [den Bundesminister für Finanzen] auf seine Vernehmung?“ reagiert. Wenig später habe er geschrieben: „Was da steht ist ein schlichter Skandal; rate dringend zur Dienstaufsichtsbeschwerde an VK H“, und „Meine bisherige Einschätzung zu Verdacht und Verhältnismäßigkeit bleibt aufrecht ...“. Nach kurzen rechtlichen Kommentaren zum Inhalt des Sicherstellungsbeschlusses laute seine nächste Nachricht „Die spielen unfair; nur eine Beschwerde hilft ....“, worauf jener mit „Ja du hast völlig recht“, reagiert habe. Danach seien noch vier weitere Nachrichten des Revisionswerbers gefolgt: „Meine Empfehlung wäre. Das BMF sucht auf Grund der Ao das dazu Passende heraus. Wenn das der StA nicht genügt, muss sie sehen, wie sie zu mehr kommt ...“; „Zusammengefasst: In Wahrheit ist man auf die Kooperation mit dem BMF angewiesen; mit Zwangsgewalt werden die angestrebten Beweismittel von Externen kaum zu finden sein ...“; „Einspruch wäre dennoch anzuraten ...“; „Vernünftig und der einzige Weg, aus der Misere herauszukommen; man darf ja nicht übersehe(n), dass Weisung des Beschuldigten, nicht auszufolgen, strafgesetzwidrig und daher nicht zu befolgen wäre ... Einspruch würde ich dennoch empfehlen.“.
23 2.3.4. Tatvorwurf 4 - so führte das Bundesverwaltungsgericht zusammengefasst beweiswürdigend weiter aus - ergebe sich aus dem Informationsbericht der Staatsanwaltschaft Wien vom 8. März 2021, wonach im Zuge der Sicherung des am 25. Februar 2021 sichergestellten Mobiltelefons des Revisionswerbers ein Chat-Verlauf mit dem Leiter der Oberstaatsanwaltschaft Wien festgestellt worden sei, der darauf hindeute, dass dieser dem Revisionswerber auf inoffiziellem Weg vorab über bedeutende Verfahrensschritte in dem Verfahren der WKStA gegen den Unternehmer informiert haben könnte. So habe dieser am 25. Februar 2021 um 08.33 Uhr, und damit nur wenige Minuten vor der Sicherstellung des Mobiltelefons, einen Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 19. Februar 2021 in diesem Verfahren an den Revisionswerber über die Mobiltelefon-Applikation „Signal“ übermittelt, obwohl der Revisionswerber seit der Neuorganisation der Strafrechtsektion im Bundesministerium für Justiz mit Wirksamkeit vom 1. September 2020 nicht mehr mit der Fachaufsicht in Einzelstrafsachen betraut gewesen sei. Insofern sei es naheliegend, dass der Leiter der Oberstaatsanwaltschaft Wien den Revisionswerber auch im Juni 2019 vorab über die geplanten Hausdurchsuchungen informiert habe, zumal er damals noch die Fachaufsicht über die WKStA ausgeübt habe. Weitere Chat-Nachrichten zwischen den Genannten hätten nicht gesichert werden können, weil die Nachrichten in diesem Chat von „Signal“ nach zwölf Stunden automatisch gelöscht würden. Im Zuge der Datensicherung seien jedoch zahlreiche Aktenteile zumeist aus dem Verschlussakt der WKStA zu 17 St 5/19d gefunden worden, die dem Revisionswerber vermutlich auch durch mittlerweile gelöschte Nachrichten per „Signal“ übermittelt worden seien. Dem Revisionswerber seien daher offensichtlich auch lange nachdem er nicht mehr die Fachaufsicht in Einzelstrafsachen übergehabt habe, zahlreiche Dokumente aus Strafakten übermittelt worden.
24 Die Verantwortung des Revisionswerbers, dass er als Leiter der Sektion IV auch für die Erlässe betreffend die Anwendung der StPO zuständig und ihm das Dokument zur Qualitätssicherung übermittelt worden sei, sei nicht überzeugend, weil in einem solchen Fall auch die Übermittlung einer geschwärzten Ausfertigung gereicht hätte und zudem eine sinnvolle Weiterbearbeitung per selbstlöschender Nachrichten übermittelter und nur auf Vorschaubildern allenfalls wiederherstellbarer Dokumente durch den Revisionswerber oder Mitarbeiter seiner Sektion nur schwer vorstellbar sei.
25 2.4.1. Rechtlich beurteilte das Bundesverwaltungsgericht den festgestellten Sachverhalt - nach Darstellung maßgeblicher Rechtsvorschriften und von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - dahingehend, dass zu Tatvorwurf 1 keine ausreichend begründete Verdachtslage für den Ausspruch einer Suspendierung vorliege.
26 2.4.2. Hinsichtlich Tatvorwurf 2 stehe der Revisionswerber im Verdacht, mit der ihm hier zum Vorwurf gemachten Tathandlung gegen die Dienstpflicht der Amtsverschwiegenheit nach § 46 Abs. 1 BDG 1979 verstoßen zu haben. Unter die Verschwiegenheitspflicht des § 46 Abs. 1 BDG 1979 fielen alle einem Beamten ausschließlich aus seiner amtlichen Tätigkeit bekannt gewordenen Tatsachen, an deren Geheimhaltung ein gesetzliches Interesse bestehe. Lägen diese Voraussetzungen vor, sei der Beamte gegenüber jedermann, dem er über solche Tatsachen nicht eine amtliche Mitteilung zu machen habe, zur Verschwiegenheit verpflichtet. Voraussetzung für die Verschwiegenheitspflicht sei das Vorliegen einer Tatsache, welche nur einem beschränkten Personenkreis bekannt sei. Davon sei hier auszugehen. Auch liege der Verdacht nahe, dass dem Revisionswerber diese Tatsache im Zuge seiner amtlichen Tätigkeit bekannt geworden sei. Es bestehe ferner der ausreichend begründete Verdacht, dass der Revisionswerber diese geheime Tatsache am 15. und 16. Dezember 2020 der Redakteurin, der jedenfalls keine amtliche Mitteilung darüber zu machen gewesen sei, offenbart habe. Zum Zeitpunkt dieser Weitergabe der Informationen sei die Entscheidung der Staatsanwaltschaft noch nicht endgültig gewesen, weil die Oberstaatsanwaltschaft Wien im Zuge der Prüfung des Berichts zu einem anderen Ergebnis hätte kommen und eine entsprechende Weisung an die Staatsanwaltschaft hätte erteilen können. Zum Tatzeitpunkt habe daher nach wie vor ein berechtigtes öffentliches Interesse an der Geheimhaltung dieser Tatsache zur Vorbereitung einer Entscheidung vorgelegen. Ob mit der Weitergabe des Geheimnisses Druck auf die Entscheidung habe ausgeübt werden sollen sei für diese Beurteilung irrrelevant. Auch ein berechtigtes privates Interesse der Anzeiger an der Geheimhaltung komme in Frage, insbesondere solange von der Staatsanwaltschaft Wien ein Strafverfahren nicht eingeleitet worden sei. Darüber hinaus könne ein berechtigtes rechtliches Interesse der Angezeigten nicht von vornherein ausgeschlossen werden. Jedenfalls im Verdachtsbereich sei daher vom Vorliegen entsprechender gesetzlicher Interessen an einer Geheimhaltung der gegenständlichen Tatsachen auszugehen.
27 Zusammengefasst bestehe somit der ausreichend begründete Verdacht, dass der Revisionswerber mit der ihm hier zum Vorwurf gemachten Handlung in objektiver Hinsicht gegen die Dienstpflicht des § 46 Abs. 1 BDG 1979 verstoßen habe. Zudem sei im Verdachtsbereich von vorsätzlichem Handeln des Revisionswerbers auszugehen. Es sei auch ein gerichtliches Strafverfahren nach § 310 Abs. 1 StGB (Verrat eines Amtsgeheimnisses) anhängig. Bei einer Verurteilung wäre das Vorliegen eines disziplinären Überhangs nach § 43 Abs. 2 BDG 1979 zu prüfen. Das Redaktionsgeheimnis nach § 31 Abs. 2 Mediengesetz schütze - entgegen dem Einwand des Revisionswerbers - lediglich Medieninhaber, Herausgeber, Medienmitarbeiter und Arbeitnehmer eines Medienunternehmens oder Mediendienstes, nicht aber Beamte.
28 2.4.3. Bei Tatvorwurf 3 sei zu prüfen, ob der Revisionswerber mit dieser Handlung allenfalls ein Verhalten gesetzt habe, das geeignet sei, das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben zu erschüttern, und damit gegen § 43 Abs. 2 BDG 1979 verstoßen habe. Im konkreten Fall habe der Revisionswerber in privaten Nachrichten Kritik am Vorgehen der Staatsanwaltschaft geübt sowie rechtliche und prozesstaktische Überlegungen zur Erhebung von Rechtsmitteln mitgeteilt. Von einer unsachlichen öffentlichen Kritik könne daher nicht ausgegangen werden. Der Tatvorwurf beschränke sich jedoch nicht auf die Äußerung unsachlicher Kritik. Dem Revisionswerber werde darüber hinaus der Vorwurf gemacht, er habe dem Kabinettschef im Finanzministerium über die Mobiltelefon-Applikation „Signal“ mit unter anderem den Worten „Das ist ein Putsch“ und „Die spielen unfair; nur eine Beschwerde hilft ...“ geraten, Rechtsmittel gegen eine von der WKStA im Bundesministerium für Finanzen vollzogene Hausdurchsuchung sowie Dienstaufsichtsbeschwerde gegen die zuständigen Sachbearbeiter zu erheben, ihm rechtliche und prozesstaktische Überlegungen dazu mitgeteilt und sich erkundigt, wer den Finanzminister auf seine Beschuldigtenvernehmung vorbereite, nachdem ihm der Kabinettschef Fotos einer anlässlich einer Hausdurchsuchung an das Bundesministerium für Finanzen gerichteten Sicherstellungsanordnung der WKStA vom 19. Februar 2021 übermittelt habe. Es sei anzuzweifeln, dass der Revisionswerber vor dem Hintergrund der konkreten Umstände davon habe ausgehen können, dass es sich dabei lediglich um eine Kommunikation mit einem Freund handle, von der er habe annehmen können, dass sie über den Kreis der Kommunikationspartner nicht hinausgehen werde, habe es sich dabei doch um eine Kommunikation mit dem Kabinettschef eines anderen Ministeriums gehandelt, in der er Ratschläge im Zusammenhang mit einem Verfahren der WKStA erteilt habe, das nicht gegen diesen, sondern unter anderem auch gegen den Finanzminister geführt worden sei. Vor dem Hintergrund des § 43 Abs. 2 BDG 1979 und der dazu ergangenen Rechtsprechung sei daher die Frage, ob es das Vertrauen der Allgemeinheit in die konkrete Erfüllung der allgemeinen Dienstpflichten im Sinn des § 43 Abs. 1 BDG 1979 gefährde, wenn bekannt werde, dass ein für allgemeine Strafrechtsangelegenheiten zuständiger Sektionschef des Justizministeriums dem Kabinettschef eines anderen Ministeriums in der dargestellten Art und Weise Ratschläge erteile, wie in einem laufenden strafrechtlichen Ermittlungsverfahren am besten gegen konkrete Maßnahmen der WKStA, aber auch gegen handelnde Justizorgane vorgegangen werden könne, zu bejahen. Für eine funktionierende Verwaltung sei nicht nur die Beachtung der geltenden Rechtsordnung Grundvoraussetzung, sondern auch das Vertrauen der Allgemeinheit, dass die handelnden Organe in ihrem Amt rechtmäßig und unparteilich agierten. Dies gelte besonders für den Bereich der Justiz, weil die Handlungen und Entscheidungen ihrer Organe mitunter weitreichende Auswirkungen auf die Rechte und Pflichten von Normadressaten hätten. Dabei müssten sich auch die Organe der Justizverwaltung, besonders wenn sie eine hochrangige Funktion bekleideten, ihrer Verantwortung für die Aufrechterhaltung eines solchen Vertrauens bewusst sein, weil deren Handeln in der Öffentlichkeit oft zu Rückschlüssen auf das ganze Justizsystem führten.
29 Die dem Revisionswerber hier vorgeworfenen Handlungen erschienen insofern geeignet, das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben zu erschüttern, als sie in der Öffentlichkeit den Schluss zuließen, dass der Revisionswerber auch bei Erfüllung seiner unmittelbaren Aufgaben andere Interessen über jene seines Dienstes stellen könnte, und damit generell nicht treu und unparteilich agiere. Gerade in einem derart brisanten Strafverfahren mit entsprechendem Medieninteresse wie dem hier betroffenen, würde sich die Öffentlichkeit von einem unparteiischen hohen Funktionsträger der Justizverwaltung erwarten, dass er sich zumindest jeder aktiven, gegen Organe der eigenen Behörden gerichteten Einmischung enthalte. In einer solchen Anforderung könne auch kein mit Art. 10 EMRK unvereinbares Verbot, sachliche Kritik am Vorgehen der WKStA zu üben, erblickt werden.
30 Es bestehe daher der ausreichend begründete Verdacht, dass der Revisionswerber mit den ihm hier zum Vorwurf gemachten Tathandlungen zumindest fahrlässig ein Verhalten gesetzt habe, das durchaus geeignet sei, das Vertrauen der Öffentlichkeit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben nicht unmaßgeblich zu erschüttern, womit er schuldhaft gegen seine Dienstpflicht nach § 43 Abs. 2 BDG 1979 verstoßen hätte.
31 2.4.4. In der Unterlassung, die wiederkehrende Zusendung von ungeschwärzten Aktenbestandteilen aus verschiedenen Verfahren für deren Bearbeitung er nicht zuständig gewesen sei, zu unterbinden - so führte das Verwaltungsgericht rechtlich zu Tatvorwurf 4 zusammengefasst aus - sei zwar keine Verletzung der Treuepflicht nach § 43 Abs. 1 BDG 1979 zu erkennen. Dies könne jedoch eine Verletzung der Meldepflicht gemäß § 53 Abs. 1 BDG 1979 darstellen, wonach jeder Beamte, dem in Ausübung seines Dienstes der begründete Verdacht einer von Amts wegen zu verfolgenden gerichtlich strafbaren Handlung bekannt werde, die den Wirkungsbereich seiner Dienststelle betreffe, dies unverzüglich deren Leiter/Leiterin zu melden habe. Ein solcher Verdacht einer gerichtlich strafbaren Handlung liege hier vor, weshalb die Staatsanwaltschaft Wien gegen den Leiter der Oberstaatsanwaltschaft auch ein strafgerichtliches Ermittlungsverfahren wegen § 310 Abs. 1 StGB eingeleitet habe. So habe sich am Mobiltelefon des Revisionswerbers ein ungeschwärzter Beschluss des Oberlandesgerichts Wien zu 21 Bs 28/20a sowie eine Vielzahl von Vorschaubildern von Dokumenten aus dem Verschlussakt 17 St 5/19d gefunden. Es sei davon auszugehen, dass es sich dabei um nicht allgemein bekannte Dokumente gehandelt habe. Ebenso sei vom Vorliegen berechtigter öffentlicher und/oder privater Interessen an der Geheimhaltung auszugehen. Ferner habe dem Revisionswerber zum Übermittlungszeitpunkt klar sein müssen, dass er in konkreten Einzelstrafsachen keine Zuständigkeit mehr habe, die die Übermittlung solcher Dokumente an ihn gerechtfertigt hätte. Sein Einwand, dass für ihn als Leiter der Sektion IV, die auch für Erlässe betreffend die Anwendung der Strafprozessordnung zuständig sei, ein dienstliches Interesse bestanden habe, überzeuge nicht, weil ihm in diesem Fall einerseits auch mit der Übermittlung von geschwärzten Ausfertigungen solcher Dokumente gedient gewesen wäre und andererseits eine sinnvolle weitere Bearbeitung bei Übersendung mittels selbstlöschender Nachrichten nur schwer vorstellbar sei. In Anbetracht der Tatsache, dass der Revisionswerber ein ausgewiesener Experte des Strafrechts sei, habe er auch die strafrechtliche Relevanz dieser Aktenübermittlung erkennen müssen, sodass ein ausreichend begründeter Verdacht bestehe, dass er es nach Erhalt der Dokumente pflichtwidrig unterlassen habe, dem Leiter der Dienststelle eine entsprechende Meldung gemäß § 53 Abs. 1 BDG 1979 zu erstatten.
32 2.5. Zusammengefasst bestehe somit der begründete Verdacht, dass der Revisionswerber mit den ihm zum Vorwurf gemachten Tathandlungen in drei Fällen seine Dienstpflichten schuldhaft verletzt habe, wobei insbesondere der Tatvorwurf 2 den Verdacht einer schwerwiegenden Dienstpflichtverletzung, die zudem auch den Verdacht einer gerichtlich strafbaren Handlung darstelle, begründe. Da die vorliegenden Beweismittel den Verdacht von insgesamt schwerwiegenden Pflichtverletzungen begründeten, sei bei einer Weiterbelassung des Revisionswerbers im Dienst bis zu einer endgültigen Klärung der strafrechtlichen und disziplinarrechtlichen Vorwürfe mit einer weiteren Gefährdung des Ansehens des Amtes zu rechnen. Es müsse eine weitere Schädigung des Vertrauens der Öffentlichkeit in die Justiz befürchtet werden, wenn ein derart hoher Funktionsträger der Justizverwaltung im Verdacht stehe, eine gerichtlich strafbare Handlung und mehrere Dienstpflichtverletzungen begangen zu haben und bis zur abschließenden Klärung der Angelegenheit seinen Dienst als Sektionschef und Vorgesetzter im Justizministerium weiter versehen würde. Bereits darin sei im gegenständlichen Fall ein ausreichendes gerechtfertigtes dienstliches Interesse im Sinn des § 112 Abs. 1 Z 3 BDG 1979 zu erkennen.
33 Da die gesetzlichen Voraussetzungen des § 112 Abs. 1 Z 3 BDG 1979 für eine Suspendierung des Revisionswerbers vorlägen, sei - so führte das Verwaltungsgericht zu Spruchpunkt A)2) aus - der Bescheid der Bundesdisziplinarbehörde zu beheben und der Revisionswerber gemäß § 112 Abs. 1 BDG 1979 vom Dienst zu suspendieren gewesen.
34 Zu Spruchpunkt A)1) führte das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die Dienstbehörde die vorläufige Suspendierung ausschließlich auf den Tatvorwurf 1 gestützt habe. Diesbezüglich sei dem Revisionswerber Recht zu geben, dass gemäß § 105 BDG 1979 die Bestimmungen der §§ 37 und 45 Abs. 3 AVG betreffend das Recht auf Parteiengehör auch im Suspendierungsverfahren anzuwenden seien. Die Dienstbehörde wäre daher verpflichtet gewesen, dem Revisionswerber vor Erlassung des Bescheids Gelegenheit zu geben, vom Ergebnis der Beweisaufnahme Kenntnis und dazu Stellung zu nehmen. Dem stehe auch § 109 Abs. 1 BDG 1979 nicht entgegen, wonach sich der Dienstvorgesetzte jeder weiteren Erhebung zu enthalten habe, wenn der Verdacht einer Dienstpflichtverletzung auch den Verdacht einer gerichtlich strafbaren Handlung begründe, weil die Einräumung von Parteiengehör nicht mit solchen Erhebungen gleichzusetzen sei. Die Verletzung des Rechts auf Parteiengehör werde jedoch durch ein mängelfreies Verfahren vor dem Verwaltungsgericht geheilt. In der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht sei dem Revisionswerber ausreichend Gelegenheit gegeben worden, zu den Ermittlungsergebnissen Stellung zu nehmen. Der gerügte Verfahrensmangel der belangten Behörde sei damit geheilt.
35 Hinsichtlich des der vorläufigen Suspendierung zugrundeliegenden Tatvorwurfs 1 bestehe kein ausreichend begründeter Verdacht, um eine vorläufige Suspendierung gemäß § 112 Abs. 1 Z 3 BDG 1979 zu rechtfertigen. Die weiteren Anschuldigungspunkte (Tatvorwürfe 2 bis 4) seien dem Revisionswerber erst mit Nachtragsdisziplinaranzeige vom 14. März 2021 zum Vorwurf gemacht worden und noch nicht Gegenstand der vorläufigen Suspendierung gewesen. Vor dem Hintergrund der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 28 VwGVG könne dieser Umstand jedoch nicht automatisch zu einer ersatzlosen Behebung des Bescheids führen. Das Verwaltungsgericht habe nämlich grundsätzlich in der Sache zu entscheiden und seine Entscheidung dabei an der zum Zeitpunkt seiner Entscheidung maßgeblichen Sach- und Rechtslage auszurichten. Das gegenständliche Verfahren habe auf Grundlage der aktuell vorliegenden Sach- und Rechtslage jedoch ergeben, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Suspendierung nach § 112 Abs. 1 Z 3 BDG 1979 insgesamt vorlägen, weshalb die Beschwerde des Revisionswerbers abzuweisen gewesen sei.
36 2.6. Die Unzulässigkeit der Revision begründete das Bundesverwaltungsgericht mit dem Fehlen einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung.
37 3. Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 22. September 2021, E 2773/2021-12, ablehnte und sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
38 4. In der nach § 26 Abs. 4 VwGG eröffneten Frist erhob der Revisionswerber außerordentliche Revision wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts sowie infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. In dem vom Verwaltungsgerichtshof durchgeführten Vorverfahren erstattete die Dienstbehörde eine Revisionsbeantwortung.
39 Der Revisionswerber führt zur Zulässigkeit seiner Revision zusammengefasst aus, das Bundesverwaltungsgericht habe die durch die Dienstbehörde ausgesprochene vorläufige Suspendierung nur anhand der weiteren Anschuldigungspunkte (Tatvorwürfe 2 bis 4) bestätigt, während jene die vorläufige Suspendierung ausschließlich auf den Tatvorwurf 1 gestützt gehabt habe. Hinsichtlich dieses Tatvorwurfs sei vom Bundesverwaltungsgericht kein ausreichend begründeter Verdacht gesehen worden, der eine vorläufige Suspendierung gemäß § 112 Abs. 1 Z 3 BDG 1979 rechtfertige. Es fehle in diesem Zusammenhang an Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob eine vorläufige Suspendierung nur auf Grund weiterer Anschuldigungspunkte (Tatvorwürfe) bestätigt werden dürfe, die der vorläufigen Suspendierung noch nicht zugrunde gelegen seien und Gegenstand eines anderen Verfahrens ohne vollständiger Parteienidentität seien.
40 Ferner habe das Verwaltungsgericht zwar „in der Sache selbst“ zu entscheiden, eine „Auswechslung des Tatvorwurfs“ sei jedoch unzulässig. Bei einem Abspruch über eine Angelegenheit, die noch nicht Gegenstand der Entscheidung der Verwaltungsbehörde gewesen sei, überschreite das Verwaltungsgericht die Sache des Verfahrens und nehme eine ihm nach dem Gesetz nicht zustehende Kompetenz in Anspruch, wodurch es seine Entscheidung mit Rechtswidrigkeit belaste. Indem das Bundesverwaltungsgericht die vorläufige Suspendierung, welcher ausschließlich der Tatvorwurf 1 zugrunde gelegen sei, auf die Tatvorwürfe 2 bis 4 gestützt habe, wechsle es den Tatvorwurf aus und überschreite damit die „Sache“ des Beschwerdeverfahrens. Darüber hinaus sieht der Revisionswerber dadurch das - einen tragenden Grundsatz des Verfahrensrechts darstellende - Überraschungsverbot verletzt. Damit, dass das Bundesverwaltungsgerichts bei der vorläufigen Suspendierung jene Anschuldigungspunkte heranziehe, die nicht Gegenstand dieses Verfahrens gewesen seien, habe er nicht rechnen müssen. In diesem Zusammenhang sei auch sein rechtliches Gehör verletzt worden, weil ihm in diesem Verfahren keine Möglichkeit zu einer Stellungnahme zu den Tatvorwürfen 2 bis 4 eingeräumt worden sei.
41 Des Weiteren fehle höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage, ob im Suspendierungsverfahren ein wesentlicher Verfahrensmangel im Verfahren über eine (hier: vorläufige) Suspendierung vor der Dienstbehörde wie die Verletzung im Recht auf Parteiengehör durch das Verfahren samt mündlicher Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht geheilt werde. Dies besonders auch im Hinblick darauf, dass § 112 Abs. 7 BDG 1979 die aufschiebende Wirkung der Beschwerde ausschließe. Mit seiner dahingehenden Ansicht weiche das Bundesverwaltungsgericht überdies von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Hinweis auf VwGH 13.12.2018, Ra 2018/09/0156; 7.4.2020, Ra 2019/09/0135) ab, in der ausgesprochen worden sei, dass im Suspendierungsverfahren dem Bediensteten das Recht auf Parteiengehör zustehe. Gelte dies nicht bereits für das Verfahren vor der Dienstbehörde, entstünde eine eklatante Rechtsschutzlücke.
42 Schließlich wird zur Zulässigkeit der Revision ins Treffen geführt, dass das Bundesverwaltungsgericht zu prüfen gehabt hätte und dazu Feststellungen hätte treffen müssen, ob hinreichend konkrete Anhaltspunkte für sämtliche Tatbestandsmerkmale der jeweiligen Anschuldigungspunkte, sowohl hinsichtlich des äußeren als auch des inneren Tatbildes vorlägen. Dies habe das Bundesverwaltungsgericht zumindest hinsichtlich des inneren Tatbildes unterlassen. So setze die Verletzung des Amtsgeheimnisses gemäß § 310 StGB als Vorsatzdelikt einen Vorsatz auf sämtliche Tatbestandsmerkmale voraus. Das Bundesverwaltungsgericht habe beispielsweise bei Tatvorwurf 2 keinerlei Feststellungen dazu getroffen, ob die Offenbarung oder Verwertung geeignet gewesen sei, ein öffentliches oder berechtigtes privates Interesse zu verletzen und ob diesbezüglich konkrete Anhaltspunkte für einen Vorsatz des Revisionswerbers vorlägen.
5. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
43 5.1. Gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichts ist die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
44 Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist der Verwaltungsgerichtshof an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts nach § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu prüfen.
45 Liegen - wie hier im Hinblick auf die Entscheidung über zwei Beschwerden verschiedener Beschwerdeführer gegen zwei Bescheide unterschiedlicher Verwaltungsbehörden betreffend vorläufiger Suspendierung und Suspendierung - trennbare Absprüche vor, so ist die Zulässigkeit einer dagegen erhobenen Revision getrennt zu prüfen (vgl. etwa VwGH 20.1.2021, Ra 2019/09/0137, mwN; 29.10.2019, Ra 2019/09/0107).
46 5.2. Die maßgeblichen Bestimmungen des Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 (BDG 1979), BGBl. Nr. 333/1979, in der Fassung BGBl. I Nr. 153/2020, lauten (auszugsweise):
„Allgemeine Dienstpflichten
§ 43. (1) Der Beamte ist verpflichtet, seine dienstlichen Aufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft, engagiert und unparteiisch mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln aus eigenem zu besorgen.
(2) Der Beamte hat in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, daß das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt.
...
Amtsverschwiegenheit
§ 46. (1) Der Beamte ist über alle ihm ausschließlich aus seiner amtlichen Tätigkeit bekanntgewordenen Tatsachen, deren Geheimhaltung im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit, der umfassenden Landesverteidigung, der auswärtigen Beziehungen, im wirtschaftlichen Interesse einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, zur Vorbereitung einer Entscheidung oder im überwiegenden Interesse der Parteien geboten ist, gegenüber jedermann, dem er über solche Tatsachen nicht eine amtliche Mitteilung zu machen hat, zur Verschwiegenheit verpflichtet (Amtsverschwiegenheit).
...
Meldepflichten
§ 53. (1) Wird dem Beamten in Ausübung seines Dienstes der begründete Verdacht einer von Amts wegen zu verfolgenden gerichtlich strafbaren Handlung bekannt, die den Wirkungsbereich der Dienststelle betrifft, der er angehört, so hat er dies unverzüglich dem Leiter der Dienststelle zu melden.
...
8. Abschnitt
DISZIPLINARRECHT
1. Unterabschnitt
Allgemeine Bestimmungen
Dienstpflichtverletzungen
§ 91. (1) Der Beamte, der schuldhaft seine Dienstpflichten verletzt, ist nach diesem Abschnitt zur Verantwortung zu ziehen.
...
Suspendierung
§ 112. (1) Die Dienstbehörde hat die vorläufige Suspendierung einer Beamtin oder eines Beamten zu verfügen,
1. wenn über sie oder ihn die Untersuchungshaft verhängt wird oder
2. wenn gegen sie oder ihn eine rechtswirksame Anklage wegen eines in § 20 Abs. 1 Z 3a angeführten Delikts vorliegt und sich die Anklage auf die Tatbegehung ab dem 1. Jänner 2013 bezieht oder
3. wenn durch ihre oder seine Belassung im Dienst wegen der Art der ihr oder ihm zur Last gelegten Dienstpflichtverletzungen das Ansehen des Amtes oder wesentlicher Interessen des Dienstes gefährdet werden.
Im Falle eines Strafverfahrens gegen eine Beamtin oder einen Beamten hat das Strafgericht die zuständige Dienstbehörde zum frühest möglichen Zeitpunkt über die Verhängung der Untersuchungshaft oder vom Vorliegen einer rechtskräftigen Anklage zu verständigen.
(2) Jede vorläufige Suspendierung ist unverzüglich der Bundesdisziplinarbehörde mitzuteilen, die über die Suspendierung innerhalb eines Monats zu entscheiden hat. Die vorläufige Suspendierung endet spätestens mit rechtskräftiger Entscheidung der Bundesdisziplinarbehörde oder des Bundesverwaltungsgerichts über die Suspendierung. Ab dem Einlangen der Disziplinaranzeige bei der Bundesdisziplinarbehörde hat diese bei Vorliegen der in Abs. 1 genannten Voraussetzung die Suspendierung zu verfügen.
(3) Der Disziplinaranwältin oder dem Disziplinaranwalt steht gegen die Entscheidung der Bundesdisziplinarbehörde, gemäß Abs. 2 keine Suspendierung zu verfügen, und gegen die Aufhebung einer Suspendierung durch die Bundesdisziplinarbehörde das Recht der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht zu.
(4) Jede Suspendierung, auch eine vorläufige, hat die Kürzung des Monatsbezuges der Beamtin oder des Beamten auf zwei Drittel für die Dauer der Suspendierung zur Folge. Für die Dauer der vorläufigen Suspendierung erfolgt eine Auszahlung ohne Kürzung. Nach Verfügung der Suspendierung durch die Bundesdisziplinarbehörde nach Abs. 2 oder durch das Bundesverwaltungsgericht nach Abs. 3 ist der über die gekürzten Bezüge hinausgehend ausbezahlte Betrag unter sinngemäßer Anwendung des § 13a Abs. 2 bis 4 Gehaltsgesetz hereinzubringen. Die Dienstbehörde, ab Einlangen der Disziplinaranzeige bei der Bundesdisziplinarbehörde diese, hat auf Antrag der Beamtin oder des Beamten oder von Amts wegen, die Kürzung zu vermindern oder aufzuheben, wenn und soweit das monatliche Gesamteinkommen der Beamtin oder des Beamten und ihrer oder seiner Familienangehörigen, für die sie oder er sorgepflichtig ist, die Höhe des Mindestsatzes im Sinne des § 26 Abs. 5 PG 1965 nicht erreicht.
(5) Nimmt die Beamtin oder der Beamte während der Suspendierung eine erwerbsmäßige Nebenbeschäftigung auf oder weitet eine solche aus oder übt sie oder er während der Suspendierung eine unzulässige Nebenbeschäftigung aus, erhöht sie die Kürzung des Monatsbezuges gemäß Abs. 4 um jenen Teil, um den ihre oder seine Einkünfte aus dieser Nebenbeschäftigung ein Drittel ihres oder seines Monatsbezugs übersteigen. Zu diesem Zweck hat die Beamtin oder der Beamte unverzüglich ihre oder seine Einkünfte aus dieser Nebenbeschäftigung bekannt zu geben. Kommt sie oder er dieser Pflicht nicht nach, so gilt der ihrer oder seiner besoldungsrechtlichen Stellung entsprechende Monatsbezug als monatliches Einkommen aus der Nebenbeschäftigung.
(6) Die Suspendierung endet spätestens mit dem rechtskräftigen Abschluss des Disziplinarverfahrens, fallen die Umstände, die für die Suspendierung der Beamtin oder des Beamten maßgebend gewesen sind, vorher weg, so ist Suspendierung von der Bundesdisziplinarbehörde unverzüglich aufzuheben.
(7) Die Beschwerde gegen eine (vorläufige) Suspendierung oder gegen eine Entscheidung über die Verminderung (Aufhebung) der Bezugskürzung hat keine aufschiebende Wirkung.
(8) Wird die Bezugskürzung auf Antrag des Beamten vermindert oder aufgehoben, so wird diese Verfügung mit dem Tage der Antragstellung wirksam.“
47 5.3. Voranzustellen ist, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Suspendierung - ebenso wie die nach denselben inhaltlichen Vorschriften zu verfügende vorläufige Suspendierung - als sichernde, bei Zutreffen der gesetzlichen Voraussetzungen im Verdachtsbereich zu treffende Maßnahme keine endgültige Lösung darstellt; sie steht in engem Zusammenhang mit dem Verdacht gegen einen Beamten, eine gravierende Dienstpflichtverletzung begangen zu haben, und weist damit auch einen engen Nahebezug zum Disziplinarverfahren auf. Es braucht daher im Suspendierungsverfahren noch nicht nachgewiesen zu werden, dass der Beamte die ihm zur Last gelegte Dienstpflichtverletzung tatsächlich begangen hat. Diese Aufgabe kommt erst den Disziplinarbehörden im Disziplinarverfahren zu. Im Suspendierungsverfahren genügt es vielmehr zur Rechtfertigung des Ausspruchs einer Suspendierung, wenn gegen den Beschuldigten ein begründeter Verdacht einer Dienstpflichtverletzung besteht, die „ihrer Art nach“ geeignet ist, das Ansehen des Amtes oder wesentliche dienstliche Interessen zu gefährden. Ein „begründeter Verdacht“ liegt vor, wenn hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme der Wahrscheinlichkeit des Vorliegens einer Dienstpflichtverletzung rechtfertigen. Ein Verdacht kann nur auf Grund einer Schlussfolgerung aus Tatsachen entstehen. Die Berechtigung zur Verfügung der Suspendierung liegt allein in dem Bedürfnis, noch vor der endgültigen Klärung der Frage des Vorliegens einer Dienstpflichtverletzung in der das Disziplinarverfahren abschließenden Entscheidung eine den Verwaltungsaufgaben und dem Dienstbetrieb dienende, vorübergehende Sicherungsmaßnahme zu treffen.