Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 9. März 2022 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel-Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in der Strafsache gegen D* I* wegen des Verbrechens der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1, Abs 3a Z 1 und Abs 4 zweiter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Schöffengericht vom 25. August 2021, GZ 16 Hv 29/21b-35, nach Anhörung der Generalprokuratur nichtöffentlich (§ 62 Abs 1 zweiter Satz OGH-Geo 2019) den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde D* I* der Vergehen der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1 StGB (A./I./ und A./III./), der Verbrechen der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1, Abs 3a Z 1 und Abs 4 zweiter Fall StGB (A./II./ und A./IV./) sowie der Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (B./I./ bis V./; zu B./V./ im Stadium des Versuchs [§ 15 StGB] verblieben), schuldig erkannt.
[2] Danach hat er in B*
A./ eine längere Zeit hindurch, zu II./ und IV./ gegen unmündige Personen länger als ein Jahr, durch fortlaufende körperliche Misshandlungen, Körperverletzungen und Nötigungen fortgesetzt Gewalt ausgeübt, und zwar
I./ im Zeitraum von 1. Juni 2009 bis 16. März 2021 gegen S* I*, indem er
1./ ihr zu nicht mehr feststellbaren Zeitpunkten (teils mehrmals) monatlich Schläge mit der flachen Hand sowie der Faust in das Gesicht, auf den Kopf, die Arme, den Oberkörper oder den Rücken versetzte und ihr Fußtritte verpasste, wodurch sie Rötungen, Hämatome und Hautabschürfungen erlitt;
2./ sie zu nicht mehr feststellbaren Zeitpunkten wiederholt durch Drohung mit zumindest der Zufügung einer Körperverletzung dazu nötigte, nicht zu reden, indem er mit einem Obst- oder Essmesser in seiner erhobenen Hand ihr gegenüber äußerte, wenn sie weiterrede, steche er zu oder steche er ihr mit dem Messer ein Auge heraus;
3./ sie im Jahr 2010 schlug, wobei sie Verletzungen am kleinen Finger, Ring- und Mittelfinger der linken Hand erlitt und diese Finger mehrere Tage in ihrer Bewegung stark eingeschränkt waren;
4./ im Jahr 2018 mit der Hand wuchtig gegen ihren Kopf schlug, wodurch sie etwa eine Woche lang Schmerzen erlitt;
5./ Anfang März 2021 mit der Faust auf ihren linken Oberarm schlug, wodurch sie ein Hämatom an ihrem linken Oberarm erlitt;
6./ sie am 16. März 2021 durch Drohung mit zumindest der Zufügung einer Körperverletzung zu nötigen versuchte, ihre Tochter Di* I* dazu zu bringen, die Beziehung mit ihrem Partner zu beenden, indem er ihr gegenüber äußerte, sollte Di* ihre Beziehung nicht beenden, werde er sie alle umbringen;
7./ am 16. März 2021 mit der flachen Hand mit voller Wucht gegen ihre linke Gesichtshälfte schlug, wodurch sie kurzzeitig das Bewusstsein verlor, eine Gehirnerschütterung sowie Prellungen am linken Unterkiefer und am linken Jochbein erlitt;
II./ im Zeitraum von 1. Juni 2009 bis 28. Juli 2010 gegen seine am * 1996 geborene Tochter D* I*, indem er
1./ ihr zu nicht mehr feststellbaren Zeitpunkten zumindest einmal monatlich wuchtige Schläge mit der flachen Hand in das Gesicht und Faustschläge in das Gesicht, gegen den Kopf, auf die Arme oder den Oberkörper versetzte, wodurch sie Rötungen, Hämatome und Hautabschürfungen erlitt;
2./ sie zumindest dreimal durch Drohung mit der Zufügung einer Körperverletzung zu ihrem Nachteil sowie zum Nachteil von Sympathiepersonen dazu nötigte, sich wohl zu verhalten und ihm zu gehorchen, indem er ihr gegenüber äußerte, sollte sie sich schlecht verhalten, werde er sie, ihre Mutter sowie ihre Schwester umbringen;
III./ im Zeitraum von 29. Juli 2010 bis 16. März 2021 gegen D* I*, indem er
1./ ihr zu nicht mehr feststellbaren Zeitpunkten im Zeitraum 29. Juli 2010 bis 2017 zumindest einmal monatlich wuchtige Schläge mit der flachen Hand in das Gesicht und Faustschläge in das Gesicht, gegen den Kopf, auf die Arme oder den Oberkörper sowie Tritte gegen den Körper versetzte, wodurch sie Rötungen, Hämatome, Hautabschürfungen und leichte Zwischenblutungen erlitt;
2./ sie wiederholt durch Drohung mit der Zufügung einer Körperverletzung zu nötigen versuchte, ihrer Mutter nicht zu Hilfe zu eilen, indem er ihr gegenüber äußerte, sie solle sofort gehen, sonst bekomme sie auch noch Schläge;
3./ sie wiederholt, mindestens dreimal jährlich, durch gefährliche Drohung mit der Zufügung einer Körperverletzung zu ihrem Nachteil sowie zum Nachteil von Sympathiepersonen dazu nötigte, sich wohl zu verhalten und ihm zu gehorchen, indem er ihr gegenüber äußerte, sollte sie sich schlecht verhalten, werde er sie, ihre Mutter sowie ihre Schwester umbringen;
4./ sie im Jahr 2012 zumindest zweimal mit dem Fuß trat, wodurch sie leichte Schmerzen am Rücken erlitt;
5./ ihr im Jahr 2017 zumindest zweimal mit der Faust gegen den Kopf schlug;
6./ sie im Jahr 2020 wiederholt durch Drohung mit zumindest der Zufügung einer Körperverletzung zu nötigen versuchte, ihm ihr Mobiltelefon samt PIN zur Kontrolle ihrer Kontaktliste auszuhändigen, indem er ihr gegenüber äußerte, er werde sie umbringen, sollte sie ihm ihr Handy samt PIN nicht geben;
7./ sie zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt mit zumindest der Zufügung einer Körperverletzung dazu nötigte, keinen Sex vor der Eheschließung zu haben, indem er ihr gegenüber äußerte, er werde sie umbringen, sollte sie Sex vor der Eheschließung haben;
IV./ im Zeitraum 2012 bis Anfang Dezember 2020 gegen seine am * 2006 geborene Tochter B* I*, indem er
1./ ihr zu nicht mehr feststellbaren Zeitpunkten zumindest einmal monatlich wuchtige Schläge mit der flachen Hand in das Gesicht, auf den Kopf, auf die Arme oder den Oberkörper versetzte und sie trat, wodurch sie Rötungen, blaue Flecken, Hautabschürfungen und Kopfschmerzen erlitt;
2./ sie im Jahr 2012 mit der flachen Hand wuchtig gegen das Gesicht schlug, wodurch sie zu Boden stürzte, und er anschließend ihren Kopf mit seinem Bein für zirka 30 Sekunden gegen den Boden drückte, wodurch sie Kopf- und Rückenschmerzen erlitt;
3./ sie Anfang Dezember 2020 mit der flachen Hand schlug;
B./ nachstehende Personen vorsätzlich am Körper verletzt oder an der Gesundheit geschädigt, zu V./ zu verletzen versucht, und zwar
I./ im Jahr 2006 S* I*, indem er eine kleine Reisetasche von hinten gegen ihren Hals warf, wodurch sie eine Woche lang Schmerzen am Hals erlitt;
II./ im Oktober 2007 Di* I*, indem er sie packte und gegen die Zimmerwand schleuderte, sodass sie gegen die Wand prallte und zu Boden stürzte, wodurch sie eine Woche lang Rückenschmerzen erlitt;
III./ im Zeitraum von Oktober 2007 bis 2008 Di* I*, indem er ihr in zumindest zehn Angriffen mit beiden Händen wuchtig in das Gesicht schlug, wodurch sie Kopfschmerzen und Rötungen erlitt;
IV./ im Frühling 2008 Di* I*, indem er mit der Faust gegen ihre linke Gesichtshälfte schlug, wodurch sie eine Schwellung sowie eine Rötung erlitt;
V./ im Jahr 2008 S* I*, indem er mehrere Teller und Gläser nach ihr warf sowie ihr mehrfach mit der flachen Hand in das Gesicht schlug.
Rechtliche Beurteilung
[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, 5 und 9 lit b StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die ihr Ziel verfehlt.
[4] Entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) wurden durch die Abweisung der vom Angeklagten in der Hauptverhandlung gestellten Beweisanträge (ON 34 S 15 ff) Verteidigungsrechte nicht verletzt.
[5] Die Einholung eines gerichtsmedizinischen Gutachtens zum Beweis, dass Tathandlungen, wie sie von den Zeuginnen S* und Di* I* geschildert wurden, massive Verletzungen der Opfer nach sich gezogen hätten, während diese angegeben hätten, lediglich Hämatome erlitten zu haben, konnte unterbleiben. Denn das Beweisthema betraf keine erhebliche, also nicht eine solche Tatsache, die unmittelbar oder mittelbar (ohne dabei auf eine unzulässige Erkundungsbeweisführung abzuzielen) der Feststellung entscheidender Tatsachen (vgl dazu RIS-Justiz RS0099497) dient (RIS-Justiz RS0116503).
[6] Unter dem Aspekt der Beweisführung zur Erschütterung der Glaubwürdigkeit der Belastungszeuginnen wiederum enthielt das Antragsvorbringen keine Anhaltspunkte für die Annahme einer Falschaussage der Genannten in Betreff entscheidender Tatsachen (RIS-Justiz RS0098429, RS0120109 [T3]).
[7] Zu Recht abgewiesen wurde der Antrag auf Einholung eines psychiatrischen „Glaubhaftigkeitsgutachtens“ betreffend Di* I* zum Beweis, dass die Zeugin in ihrer kontradiktorischen Vernehmung durch die Angabe, ihr Vater habe sie im Zeitraum 2010 bis 2017 in 100 Fällen geschlagen, wobei er in 15 Fällen mit der Faust auf sie eingeschlagen und sie getreten habe, nicht die Wahrheit gesagt hat. Die sachverständige Hilfestellung bei der – ausschließlich dem Gericht zukommenden (§ 258 Abs 2 StPO) – Prüfung der Glaubwürdigkeit von Zeugen ist nämlich nur in besonders gelagerten Fällen, etwa bei (durch Beweisergebnisse indizierten) Bedenken gegen die allgemeine Wahrnehmungs- oder Wiedergabefähigkeit des Zeugen oder dessen (vom Einzelfall unabhängige) Aussageehrlichkeit, bei abwegiger Veranlagung in psychischer oder charakterlicher Hinsicht sowie bei Entwicklungsstörungen oder sonstigen Defekten desselben erforderlich (RIS-Justiz RS0097733, RS0097576). Anhaltspunkte für solche Ausnahmekonstellationen zeigte der Antrag weder mit der Behauptung, die Zeugin S* I* habe „völlig konträr“ zu den Angaben der Zeugin Di* I* angegeben, dass der Angeklagte die ältere Tochter einmal am Tisch geschlagen habe, noch mit dem Vorbringen auf, bei Di* I* bestehe „gegebenenfalls“ eine psychische Erkrankung und könne nicht ausgeschlossen werden, dass diese Einfluss auf den Wahrheitsgehalt ihrer Aussage mit sich bringe.
[8] Die Vernehmung der Zeugen Y* Ir*, B* Ir*, H* I*, B* T* und Ha* I* zum Beweis, dass Anlass für die massiven Vorwürfe der Di* I* die Ablehnung der Beziehung seiner Tochter zu B* Ir* durch den Angeklagten sein dürfte, konnte unterbleiben, weil Gegenstand von Zeugenaussagen nur Wahrnehmungen, nicht aber Meinungen, persönliche Einschätzungen oder ähnliche intellektuelle Vorgänge eines Zeugen sein können (RIS-Justiz RS0097540 [T10, T18]).
[9] Sanktionslos abgewiesen werden konnte auch der Antrag auf Vernehmung der Zeugen Ü* I*, A* I*, M* I* und E* I* zum Beweis, dass der Angeklagte ein liebevoller Ehemann und Vater war und ist, und die von S* und Di* I* aufgestellten massiven Vorwürfe unbegründet sind, betraf doch das erste Beweisthema keine erheblichen Tatsachen, während das zweite auf persönliche Schlussfolgerungen der Zeugen abzielte.
[10] Die Vernehmung der Zeugin * F* sowie der (namentlich nicht bekannte) Vertrauenslehrer von Di* und B* I* zum Beweis, dass bei den Genannten keine Verletzungen auffielen, die auf derartige, dem Angeklagten vorgeworfene Tathandlungen hinwiesen, wurde zu Recht abgelehnt, weil dem Antrag nicht zu entnehmen war, inwieweit die begehrte Beweisaufnahme für die Schuldfrage oder die Subsumtion von Bedeutung sein sollte (RIS-Justiz RS0118444).
[11] Gleiches gilt für die Anträge auf zeugenschaftliche Vernehmung einerseits der Schulärztin Dr. * K*, zur Beweisführung, dass sich weder Di* noch B* I* jemals an sie wandten, um über physische und psychische Belastungen infolge der dem Angeklagten vorgeworfenen Tathandlungen zu berichten, andererseits des Klassenvorstands der Di* I* in der Handelsschule zum Beweis, dass dieser keine Wahrnehmungen hinsichtlich etwaiger Verletzungen bei der Genannten wahrgenommen hat, sowie eines informierten Vertreters des S* zum Beweis, dass bei S* I* seit 2012 nie Verletzungen wahrgenommen wurden, die Rückschlüsse auf die dem Angeklagten vorgeworfenen Tathandlungen zuließen.
[12] Unter dem Blickwinkel einer Kontrollbeweisführung (RIS-Justiz RS0028345) ließen die zuvor genannten Anträge nicht erkennen, inwiefern die begehrten Beweisaufnahmen tauglich sein sollten, die Glaubwürdigkeit der Zeugen S*, Di* und B* I* in Zweifel zu ziehen.
[13] Die Feststellungen zur Dauer, Dichte und Intensität der vom Schuldspruch A./ umfassten Gewaltausübungen (US 6 f, 8 ff) stützte das Schöffengericht auf die in den wesentlichen Punkten widerspruchsfreien Aussagen der Opfer S*, Di* und B* I*. Da die Angaben dieser Zeugen zu den Vorfällen vom 16. März 2021 auch mit objektiven Beweisergebnissen wie Krankenunterlagen und einem Lichtbild im Einklang standen und aus Sicht der Tatrichter insgesamt nicht anzuzweifeln waren, leiteten sie die Feststellungen zu früheren, ausschließlich im engsten Familienkreis erfolgten Gewalttätigkeiten des Angeklagten ebenfalls aus den Depositionen der Genannten ab (US 19 ff).
[14] Entgegen der Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) handelt es sich dabei nicht um „unstatthafte Vermutungen und pauschal gehaltene Verweise“ zu Lasten des Angeklagten, sondern entspricht diese Begründung den Kriterien der Logik und Empirie (RIS-Justiz RS0108609), wobei – dem Beschwerdeeinwand zuwider – die der Beweiswürdigung zugrunde gelegten Verfahrensergebnisse konkret benannt wurden. Dass die Tatrichter dabei auch – logisch vertretbare – Wahrscheinlichkeitsschlüsse gezogen haben, ist unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden (RIS-Justiz RS0098362).
[15] Indem die Beschwerde (Z 5 dritter Fall) den Erwägungen des Schöffengerichts, wonach bei der Zeugin Di* I* „Hinweise auf eine beeinträchtigte Aussagefähigkeit oder gar Unfähigkeit, aufgrund einer psychischen Krankheit oder vergleichbaren Beeinträchtigung ihrer Entscheidungsfähigkeit oder aus einem anderen Grund die Wahrheit anzugeben“, zu keinem Zeitpunkt ersichtlich waren (US 25), im Urteil wiedergegebene Diagnosen des das Opfer behandelnden praktischen Arztes (US 21 und 32) gegenüberstellt, zeigt sie einen Widerspruch im Sinn des § 281 Abs 1 Z 5 dritter Fall StPO nicht auf (RIS-Justiz RS0119089). Soweit der Beschwerdeführer spekuliert, dass die medikamentöse Behandlung einer psychischen Erkrankung „die Entscheidungsfähigkeit“ der Zeugin Di* I* beeinflussen könnte, wird ein Begründungsmangel nicht aufgezeigt.
[16] Die Rechtsrüge (Z 9 lit b) reklamiert zu den Schuldsprüchen B./I./ und V./ den Strafaufhebungsgrund der Verjährung, leitet aber mit Blick auf die hier maßgebliche Verjährungsfrist von drei Jahren (§ 57 Abs 3 vierter Fall StGB) nicht aus dem Gesetz ab (vgl aber RIS-Justiz RS0116565), weshalb auf Grundlage der getroffenen Feststellungen zu auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden Taten (US 7 ff) ungeachtet des § 58 Abs 2 StGB Verjährung eingetreten sein sollte.
[17] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).
[18] Dieses wird zu beachten haben, dass dem Erstgericht zu A./III./ ein (nicht geltend gemachter) Subsumtionsfehler unterlief, der im konkreten Fall keinen Einfluss auf den Strafrahmen und die Strafbemessung hatte (US 35 f), sich somit nicht zum Nachteil des Beschwerdeführers ausgewirkt hat und daher nicht von Amts wegen aufzugreifen war.
[19] Nach der Konzeption des § 107b StGB wird durch – ohne größere zeitliche Unterbrechung – fortgesetzte tatbestandliche Vorgangsweise (vgl § 107b Abs 2 StGB) gegen ein Opfer lediglich eine strafbare Handlung verwirklicht (vgl RIS-Justiz RS0129716).
[20] Dies gilt auch bei Tathandlungen gegenüber einem zunächst unmündigen Opfer, welche vom Täter nach Erreichen der Mündigkeit der betroffenen Person fortgeführt werden. Für die Verwirklichung der Qualifikation nach § 107b Abs 3a Z 1 erster Fall und Abs 4 zweiter Fall StGB ist dabei maßgeblich, dass die mehrfachen tatbestandlichen Handlungen iSd § 107b Abs 2 StGB bereits vor Erreichen des 14. Lebensjahres des Opfers einer fortgesetzten, länger als ein Jahr ausgeübten Gewalt entsprechen (vgl RIS-Justiz RS0129716; Schwaighofer in WK2 StGB § 107b Rz 38/2, 53).
[21] Genügen – wie hier – die wiederholten Tathandlungen (unter Berücksichtigung der gebotenen Gesamtbetrachtung von Dauer, Dichte und Intensität der Gewaltausübung) gegenüber dem unmündigen Opfer dem Erfordernis einer fortgesetzten, länger als ein Jahr währenden Gewaltausübung, dann erfüllt der nach dem 14. Geburtstag des Opfers weiterhin Gewaltakte setzende Täter nicht zusätzlich ein weiteres Vergehen nach dem Grundtatbestand des § 107b Abs 1 StGB, sondern hat (nur) ein Verbrechen nach § 107b Abs 1, Abs 3a Z 1 und Abs 4 zweiter Fall StGB (im konkreten Fall: Schuldspruch zu A./II./ und III./) verwirklicht.
[22] Angesichts dieser Klarstellung ist das Oberlandesgericht bei der Entscheidung über die Berufung nicht an den insoweit fehlerhaften Schuldspruch gebunden (RIS-Justiz RS0118870).
[23] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
Textnummer
E134181European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2022:0150OS00001.22V.0309.000Im RIS seit
23.03.2022Zuletzt aktualisiert am
23.03.2022