Entscheidungsdatum
18.11.2019Index
82/03 Ärzte Sonstiges SanitätspersonalNorm
ÄrzteG 1998 §49 Abs2cText
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Richter Mag. Dr. Kienast über die Beschwerde des Herrn Univ.-Prof. Dr. A. B. gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats der Österreichischen Ärztekammer - Disziplinarkommission für Wien, Niederösterreich und Burgenland, vom 21.12.2017, Zl. …, betreffend ÄrzteG 1998 iVm der Verordnung über ärztliche Fortbildung,
zu Recht erkannt und verkündet:
I. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben, das angefochtene Disziplinarerkenntnis vom 21.12.2017 gemäß § 136 Abs. 8 ÄrzteG aufgehoben und das Disziplinarverfahren eingestellt.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang:
Mit Schreiben vom 13.6.2017 informierte der Disziplinaranwalt den Beschwerdeführer davon, ihm sei offiziell mitgeteilt worden, dass der Beschwerdeführer seiner Pflicht zur Glaubhaftmachung seiner Fortbildung nicht nachgekommen sei, weil er zum Stichtag 1.9.2016 nicht die notwendigen 150 DFP-Punkte erlangt habe. Dieser Sachverhalt werde einer disziplinarrechtlichen Prüfung unterzogen; er lud den Beschwerdeführer ein, diesbezüglich bis zum 5.7.2017 Stellung zu nehmen.
Mit Schreiben vom 3.7.2017 nahm der Beschwerdeführer Stellung; dies im Wesentlichen mit der Aussage, er sei der Pflicht zur Glaubhaftmachung seiner Fortbildung nachgekommen; er verwies in diesem Zusammenhang auch auf eine Stellungnahme des Herrn Dr. C. D. vom Fortbildungsreferat der ÄK für Kärnten, der ausgeführt habe, dass die DFP-Punkte nicht verpflichtend seien, sehr wohl sei es aber verpflichtend, sich regelmäßig fortzubilden. Der Beschwerdeführer übermittelte sodann einen ausführlichen Bericht über seine laufende betriebseigene Fortbildung, die er mit DFP-Werten ergänzte.
Der Disziplinaranwalt teilte sodann mit E-Mail vom 12.7.2017 mit, dass die Fortbildung allein mit Nachweisen auf den DFP-Konto glaubhaft gemacht werden könne.
Mit Schriftsatz vom 6.11.2017 beantragte sodann der Disziplinaranwalt beim belangten Disziplinarrat die Einleitung eines Disziplinarverfahrens, die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung und die Ladung des Beschwerdeführers.
Mit Beschluss vom 15.11.2017 leitete der belangte Disziplinarrat das Disziplinarverfahren gegen den Beschwerdeführer ein und ordnete eine mündliche Disziplinarverhandlung an.
Mit Schriftsatz vom 19.12.2017 gab der Beschwerdeführer an den belangten Disziplinarrat eine Äußerung ab und legte Urkunden vor.
Am 21.12.2017 fand eine nichtöffentliche mündliche Verhandlung statt mit dem Ergebnis, dass der Beschwerdeführer schuldig gesprochen wurde, er habe nicht ausreichend glaubhaft gemacht, seine Pflicht zur Fortbildung erfüllt zu haben, weshalb er gegen seine Berufspflicht nach § 49 Abs. 2c und 49 Abs. 1 ÄrzteG 1998 verstoßen habe; über ihn wurde die Disziplinarstrafe der Geldstrafe in Höhe von € 1.500,-- verhängt und er dazu verpflichtet, die mit € 1.000,-- bestehenden Kosten des Disziplinarverfahrens zu ersetzen. Der belangte Disziplinarrat stellte aber fest, dass der Beschwerdeführer in seinem Fachgebiet intensive Fortbildung betreibe.
Mit Schriftsatz vom 13.8.2018 zog der Beschwerdeführer das (am 19.7.2018 zugestellte) Erkenntnis des Disziplinarrats vom 21.12.1017 in Beschwerde und beantragte die Abänderung des angefochtenen Erkenntnisses dahingehend, dass er von den gegen ihn erhobenen Vorwürfen freigesprochen werde.
Mit Schriftsatz vom 22.8.2018 gab der Disziplinaranwalt zur Beschwerde eine Stellungnahme ab und beantragte, der Beschwerde keine Folge zu geben.
Mit Schriftsatz vom 30.10.2019 replizierte der Beschwerdeführer auf die Stellungnahme des Disziplinaranwalts.
Am 7.11.2019 fand vor dem Verwaltungsgericht Wien eine mündliche Verhandlung statt, nach deren Ende das Erkenntnis mündlich verkündet wurde.
Mit Schreiben vom 12.11.2019 beantragte der Disziplinaranwalt die Ausfertigung der Entscheidung.
II. Das Verwaltungsgericht Wien hat erwogen:
1. a) Der Beschwerdeführer ist Facharzt für Innere Medizin und seit 1979 in diesem Fachgebiet mit klinischer Leistungsphysiologie habilitiert. Er hat in seiner langjährigen Berufslaufbahn die klinische Leistungsphysiologie methodisch standardisiert und damit weiterentwickelt.
Als Professor hielt der Beschwerdeführer Vorlesungen und Praktika für Innere Medizin, auch war er Prüfer für dieses Fach. Zudem war er für die Ärztekammer als Gutachter … tätig. In dieser Kommission mussten Gutachten und Entscheidungen zu Genehmigungsverfahren und Einstufungen von neuen Medikamenten erstellt werden.
Der Beschwerdeführer ist Mitglied in mehreren medizinischen Fachgesellschaften, zum Beispiel in der E. Bei Tagungen dieser Gesellschaften werden regelmäßig die letzten Forschungsergebnisse präsentiert.
Der Beschwerdeführer bezieht alle deutsch- und englischsprachigen Fachzeitschriften, die sein Fachgebiet betreffen; es sind dies jedenfalls über zehn Stück monatlich. Der Beschwerdeführer wertet diese Zeitschriften aus und führt Exzerpte davon in die von ihm betreute Datenbank ein. Darüber hinaus spürt er regelmäßig die Quellen nach, über die dann in den Zeitschriften die Artikel verfasst werden, und recherchiert sodann unmittelbar in diesen Quellen. Dies betrifft vor allem patientenbezogene Fragestellungen; dies ist für ihn deshalb bedeutsam, weil seine Patienten regelmäßig mit komplizierten Fragestellungen zu ihm kommen.
Die Recherchetätigkeiten des Beschwerdeführers und die Auswertung der Zeitschriftenartikel beträgt in der Woche etwa acht bis zehn Stunden.
b) Der Beschwerdeführer führt ein Fortbildungskonto, auf dem jedoch im Zeitraum vom 1.9.2013 bis 31.8.2016 (lediglich) 9 DFP-Punkte eingetragen waren.
c) Der Beschwerdeführer ging davon aus, dass der Nachweis seiner Fortbildung auch durch andere Weise als durch Sammeln von DFP-Punkten möglich sei.
2. Die Feststellungen über die Ausbildung und die berufliche Tätigkeit gründen im Disziplinarakt sowie in den glaubwürdigen Aussagen des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Verwaltungsgericht.
Die Feststellungen betreffend Art und Umfang seiner persönlichen Fortbildung gründen gleichfalls im Disziplinarakt sowie ebenso in den auch insoweit glaubwürdigen Aussagen des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung.
Der Beschwerdeführer hat im Disziplinarverfahren (insbesondere Aktenseiten 13 bis 19) umfangreiche Aufzeichnungen über die Maßnahmen seiner Fortbildung vorgelegt und die Richtigkeit dieser Aufzeichnungen in der mündlichen Verhandlung über Befragen ausdrücklich aufrechterhalten.
Auch der belangt Disziplinarrat bestreitet im bekämpften Disziplinarerkenntnis nicht, dass sich der Beschwerdeführer intensiv fortbildet.
Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer davon ausging, die Fortbildung sei auch durch andere Weise als durch Sammeln von DFP-Punkten möglich, gründet gleichfalls in seiner glaubwürdigen Aussage, die er durch den Hinweis auf die Rechtsmeinung eines Vertreters der Ärztekammer Kärnten in der Zeitschrift der Ärztekammer untermauert. Darüber hinaus gab er an, für ihn war auch aus der Lektüre der Verordnung über ärztliche Fortbildung nicht erkennbar, dass die Glaubhaftmachung seiner Fortbildung nicht anders als durch Sammeln von DFP-Punkten möglich wäre.
3. a) Der belangte Disziplinarrat warf dem Beschwerdeführer vor, er habe entgegen § 49 Abs. 2c Ärzte 1998 iVm § 28 Abs. 3 der Verordnung über ärztliche Fortbildung mit Stichtag 1.12.2016 für den Zeitraum 1.9.2013 bis 30.8.2016 nicht zumindest 150 DFP-Punkte (davon 120 medizinische DFP-Punkte) nachgewiesen.
b) Nach § 49 Abs. 2c ÄrzteG 1998 haben zur selbstständigen Berufsausbildung berechtigte Ärzte ihre absolvierte Fortbildung zumindest alle drei Jahre gegenüber der österreichischen Ärztekammer glaubhaft zu machen.
§ 28 der Verordnung über ärztliche Ausbildung (in der Fassung ihrer 1. Novelle) knüpft an diese Pflicht zur Glaubhaftmachung der Fortbildung an und regelt zunächst (Abs. 2), dass zum Zwecke der Glaubhaftmachung von der Österreichischen Akademie der Ärzte GmbH für jeden in der Ärzteliste eingetragenen Arzt ein Fortbildungskonto zu führen ist, auf welches entweder der Arzt seine Fortbildung selbst aufbuchen kann oder auf das von den ärztlichen Fortbildungsanbietern Punkte direkt aufgebucht werden.
Die Abs. 3 bis 5 des § 28 der Verordnung über ärztliche Ausbildung lauten wörtlich:
„(3) Der Arzt kommt seiner Verpflichtung zur Glaubhaftmachung gemäß § 49 Abs. 2c ÄrzteG nach, wenn er der Führung eines individuellen Fortbildungskontos nicht widerspricht und in den letzten drei Jahren vor dem Stichtag des Sammelzeitraumes zumindest 150 DFP Punkte, davon mindestens 120 Punkte durch fachspezifische Fortbildung und maximal 30 Punkte im Rahmen sonstiger Fortbildung, auf den DFP Fortbildungsskonto aufgebucht sind oder zu dem Stichtag des Sammelzeitraumes ein gültiges DFP Diplom vorliegt. Stichtag des Sammelzeitraumes ist der 1. September 2016 und danach jeweils der 1. September des drittfolgenden Jahres.
(4) Erfüllt der Arzt die in Abs. 3 genannten Voraussetzungen nicht, so ist er von der Österreichischen Ärztekammer schriftlich zur Glaubhaftmachung seiner Fortbildung aufzufordern.
(5) Ein Widerspruch gemäß Abs. 3 ist zu protokollieren und der Arzt schriftlich darauf hinzuweisen, dass die Erfüllung dieser Berufspflicht durch den Arzt in anderer Weise sicherzustellen ist.“
Aus § 28 Abs. 4 und 5 der Verordnung über ärztliche Fortbildung kann durchaus abgeleitet werden, dass die Erfüllung der Berufspflicht (der Fortbildung) auch in anderer Weise als durch das in Abs. 3 vorgesehene Sammeln von DFP-Punkten auf dem individuellen Fortbildungsskonto möglich ist, weil anderenfalls ihr Regelungsinhalt nicht recht verständlich wäre.
c) Allerdings kann diese Rechtsfrage im gegenständlichen Verfahren dahingestellt bleiben, weil der Gesetzes- bzw. Verordnungsverstoß, den der belangte Disziplinarrat dem Beschwerdeführer vorwirft, keine Folgen nach sich gezogen hat: Der Beschwerdeführer hat sich ja fortgebildet, sodass Mängel bei der ärztlichen Tätigkeit aus diesem Grunde nicht zu gewärtigen sind.
Unabhängig davon, ob die Glaubhaftmachung der Fortbildung rechtlich auch anders als durch Sammeln von DFP-Punkten im Fortbildungskonto möglich ist, träfe den Beschwerdeführer jedenfalls - sollte dies zu verneinen sein – nur ein geringes Verschulden: Einerseits hat in der Zeitschrift der Ärztekammer sogar ein Vertreter der Ärztekammer Kärnten ausgeführt, dass die Glaubhaftmachung der Fortbildung auch anders als durch Sammeln von DFP-Punkten möglich sei, andererseits ist die Rechtslage (§ 49 ÄrzteG 1998 und § 28 Verordnung über ärztliche Fortbildung) keinesfalls in dem Sinne klar, dass die Glaubhaftmachung der Fortbildung ohne Erwerb von DFP-Punkten unmöglich wäre. Insbesondere die Abs. 4 und 5 des § 28 der Verordnung über ärztliche Fortbildung legen – wie bereits ausgeführt – den Schluss nahe, dass das Befüllen des Fortbildungskontos mit DFP-Punkten nur eine der Möglichkeit ist, die Fortbildung glaubhaft zu machen.
Da somit die Schuld des Beschwerdeführers – sollte überhaupt ein Rechtsverstoß vorliegen – gering ist und sein Verhalten keine Folgen nach sich gezogen hat, ist gemäß § 136 Abs. 8 ÄrzteG 1998 das bekämpfte Disziplinarerkenntnis aufzuheben und das Disziplinarverfahren einzustellen.
d) Die ordentliche Revision ist unzulässig, weil keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Nachweis einer Fortbildung; Pflicht zur Glaubhaftmachung; FortbildungskontoAnmerkung
VwGH v. 28.2.2022, Ra 2020/09/0009; AufhebungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2019:VGW.172.092.11355.2018Zuletzt aktualisiert am
22.03.2022