TE Vwgh Erkenntnis 1996/7/11 95/18/0894

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Veröffentlicht am 11.07.1996
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AufG 1992 §12;
AufG 1992 §14;
AufG 1992 §2;
AufG 1992 §5 Abs1;
AVG §45 Abs3;
AVG §66 Abs4;
FrG 1993 §10 Abs1 Z6;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Robl, Dr. Rigler und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. M. Fellner, über die Beschwerde des A, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 8. März 1995, Zl. 101.867/3-III/11/94, betreffend Versagung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres (der belangten Behörde) vom 8. März 1995 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 5 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz - AufG i.V.m. § 10 Abs. 1 Z. 6 Fremdengesetz - FrG abgewiesen.

Die Erstbehörde habe den Antrag mit der Begründung abgewiesen, daß die für das Bundesland Wien vorgesehene Anzahl an Bewilligungen bereits ausgeschöpft gewesen sei. Dagegen habe der Beschwerdeführer eingewendet, er wäre nunmehr persönlich haftender Gesellschafter einer inländischen OEG und erziele daraus ein ausreichendes Einkommen.

Der Beschwerdeführer sei nach der auf seinen eigenen Angaben beruhenden Aktenlage nach erfolgter Antragstellung sichtvermerksfrei in das Bundesgebiet eingereist und habe den damit begonnenen Aufenthalt mit dem vorliegenden Antrag auf Aufenthaltsbewilligung verlängern wollen. Damit liege der Sichtvermerksversagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG vor. Auf die Einwendungen des Beschwerdeführers im Zusammenhang mit seinen persönlichen Verhältnissen sei daher nicht mehr einzugehen gewesen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte unter Abstandnahme von der Erstattung einer Gegenschrift die Verwaltungsakten mit dem Antrag vor, die Beschwerde abzuweisen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Soweit der Beschwerdeführer meint, bei einer Einreise eines polnischen Staatsbürgers könne es sich nicht um eine "sichtvermerksfreie Einreise im Sinne des § 12 bzw. 14 AufG" handeln, weil polnische Staatsbürger aufgrund des Abkommens zwischen der österreichischen Bundesregierung und der Regierung der Volksrepublik Polen über die gegenseitige Aufhebung der Sichtvermerkspflicht, BGBl. Nr. 330/1972, zur Einreise und zu einem dreimonatigen Aufenthalt ohne Sichtvermerk berechtigt seien, ist ihm zu entgegnen, daß der Sichtvermerksversagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG gerade (unter anderem) dann gegeben ist, wenn der Sichtvermerk (die Aufenthaltsbewilligung) an eine (gemäß § 14 FrG) sichtvermerksfreie Einreise aufgrund derartiger internationaler Abkommen anschließen soll.

2.1. Der Beschwerdeführer bestreitet jedoch die Sachverhaltsannahme der belangten Behörde, er sei nach erfolgter Antragstellung (sichtvermerksfrei) in das Bundesgebiet eingereist und erblickt darin einen Verfahrensmangel, daß die belangte Behörde zur Heranziehung des Sichtvermerksversagungsgrundes des § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG kein Parteiengehör eingeräumt habe.

2.2. Die Erstbehörde hat die Abweisung des Antrages auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung darauf gestützt, daß die für das Bundesland Wien vorgesehene Anzahl an Bewilligungen bereits ausgeschöpft sei. "Sache" des Berufungsverfahrens im Sinne des § 66 Abs. 4 erster Satz AVG war demnach die vor der Erstbehörde in Verhandlung gestandene, den Inhalt des Spruches ihres Bescheides bildende Angelegenheit "Versagung der Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz". Im Rahmen dieser Sache war die belangte Behörde gemäß § 66 Abs. 4 zweiter Satz AVG berechtigt, den erstinstanzlichen Bescheid "nach jeder Richtung", also auch - wie geschehen - unter Heranziehung des von der Unterbehörde nicht angewendeten Versagungstatbestandes des § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG, abzuändern. Dies jedoch nur unter der Voraussetzung der Einräumung von Parteiengehör im nach den Erfordernissen des konkreten Falles gebotenen Umfang (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. September 1995, Zl. 94/18/1137, m.w.N.).

2.3. Die Tatsache, daß der Beschwerdeführer in seiner Berufung eine inländische Adresse angegeben und darauf verwiesen hat, nunmehr persönlich haftender Gesellschafter einer inländischen OEG zu sein und daher ein ausreichendes Einkommen zu erzielen, war keine ausreichende Grundlage, um daraus - wie es die belangte Behörde getan hat - ohne weiteres den Schluß zu ziehen, der Beschwerdeführer sei nach Antragstellung (bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides) sichtvermerksfrei nach Österreich eingereist. Zur verläßlichen Feststellung, ob dieser Sachverhalt zutrifft, wäre es für die belangte Behörde vielmehr erforderlich gewesen, durch Gewährung des Parteiengehörs in diesem wesentlichen Punkt Klarheit zu schaffen.

3. Da die belangte Behörde dies verabsäumt hat und nicht auszuschließen ist, daß sie bei einem Unterbleiben dieses Versäumnisses zu einem anderen (für den Beschwerdeführer günstigen) Ergebnis hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Besondere verfahrensrechtliche Aufgaben der Berufungsbehörde Spruch des Berufungsbescheides Parteiengehör Erhebungen Ermittlungsverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995180894.X00

Im RIS seit

02.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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