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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Bumberger, Dr. Pallitsch und Dr. Beck als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Bachler, über die Beschwerde des M in L, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 18. Februar 1994, GZ. 3-30 H 274-94/2, betreffend wasserrechtliche Bewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in Höhe von S 12.800,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Antrag vom 11. September 1991 suchte der Beschwerdeführer um die wasserrechtliche Bewilligung für die Errichtung eines Schachtbrunnens zur Versorgung von 10 Wohneinheiten in einem (bereits vorhandenen) Haus auf der Gp.Nr. 10/3, KG. K., Gemeinde S., mit Trinkwasser an.
Laut "Technischem Bericht" vom 12. August 1991 hat dieser Schachtbrunnen einen Zulauf an Grundwasser vom 30 l/min.
Nach dem bereits von der Wasserrechtsbehörde erster Instanz herangezogenen hydrogeologischen Privatgutachten des Dr. F. sollten aus dem Schachtbrunnen des Beschwerdeführers rund 6000 l Grundwasser pro Tag bei einer maximalen Pumpleistung von 2 l/sec. entnommen werden. Dr. F. führt in seinem Gutachten aus, daß aufgrund der Lage des Brunnens innerhalb eines Gebäudes und eines Siedlungsgebietes die Einräumung von den Richtlinien entsprechenden Schutzgebieten nicht möglich sei. Es könnten daher nur jene Maßnahmen empfohlen werden, welche aus hydrogeologischer Sicht den bestmöglichen Schutz des Fassungsbereiches und des Grundwassers im näheren Einzugsbereich gewährleisten würden.
Mit Bescheid vom 11. Jänner 1993 wies die Bezirkshauptmannschaft Leoben (BH) den Antrag des Beschwerdeführers gemäß §§ 10 Abs. 2, 98, 105 Abs. 1 lit. a WRG 1959 ab.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unbegründet ab.
Der wasserbautechnische Amtssachverständige der BH habe unter Berücksichtigung des hydrogeologischen Gutachtens des Dr. F. - so führt die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides aus - zu Recht festgestellt, daß die bestehenden Richtlinien für Schutzgebiete als Stand der Technik gemäß § 12a WRG 1959 anzusehen seien. Diese Grundvoraussetzung für die Bewilligungsfähigkeit der gegenständlichen Anlage sei nicht erfüllt worden, sodaß aus technischer Sicht dem Berufungsvorbringen des Beschwerdeführers keine Folge gegeben werden könne.
Zur Behauptung des Beschwerdeführers, § 10 Abs. 1 WRG 1959 sei anwendbar, da die Wasserentnahme in einem angemessenen Verhältnis zum eigenen Grund stehe, sei festzuhalten, daß nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes von diesem Begriff nur Einzelhaushalte sowie kleinere landwirtschaftliche oder kleingewerbliche Betriebe umfaßt sein könnten; eine Wasserversorgungsanlage zur Versorgung von 10 Wohneinheiten bedürfe somit jedenfalls einer wasserrechtlichen Bewilligung.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht auf Erteilung einer wasserrechtlichen Bewilligung als verletzt.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach § 99 Abs. 1 lit. c WRG 1959 ist der Landeshauptmann für Wasserversorgungsanlagen, wenn die höchstmögliche Wasserentnahme aus Grundwasser oder Quellen 90 l/min., aus anderen Gewässern 300 l/min. übersteigt, in erster Instanz zuständig.
Gemäß § 6 Abs. 1 erster Teilsatz AVG hat die Behörde ihre sachliche und örtliche Zuständigkeit von Amts wegen wahrzunehmen.
Dem hydrogeologischen Privatgutachten des Dr. F. ist zu entnehmen, daß der Grundwasserbrunnen des Beschwerdeführers eine maximale Pumpleistung von 2 l/sec. (das sind 120 l/min.) aufweist. Dieser Umstand würde gemäß § 99 Abs. 1
lit. c WRG 1959 eine Zuständigkeit der belangten Behörde in erster Instanz bedingen. Der technische Bericht vom 12. August 1991 spricht dem gegenüber von einer Zulaufmenge von 30 l/min. Dies hätte eine Zuständigkeit der BH in erster Instanz zur Folge.
§ 6 Abs. 1 AVG läßt den den Verwaltungsverfahrensgesetzen immanenten Grundsatz erkennen, daß es Sache der Behörde ist, dafür zu sorgen, daß ein Parteianbringen unabhängig von der darin etwa erfolgten Bezeichnung der angerufenen Behörde an die zu seiner Erledigung zuständige Behörde gelangt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 24. Februar 1993, 92/02/0309).
Dem Verwaltungsgerichtshof, der vor Eingehen auf das Beschwerdevorbringen die Frage zu prüfen hat, ob die Zuständigkeit der einschreitenden erstinstanzlichen Behörde gegeben war (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. September 1995, 94/05/0216), ist diese Zuständigkeitsprüfung weder aufgrund des von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid festgestellten Sachverhaltes noch aufgrund der vorgelegten Verwaltungsakten möglich. Die belangte Behörde hat es nämlich unterlassen, den für die Beurteilung der Zuständigkeitsfrage entscheidenden Widerspruch zwischen technischem Bericht und hydrogeologischem Privatgutachten durch vorzulegende Unterlagen, insbesondere im Sinne des § 103 lit. f WRG 1959 aufzuklären.
Die belangte Behörde belastete daher den angefochtenen Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Aus den dargestellten Gründen war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff i.V.m. der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2. Das Kostenmehrbegehren war abzuweisen, weil die zusätzlich verzeichnete Umsatzsteuer im Pauschbetrag für den Schriftsatzaufwand bereits enthalten ist.
Schlagworte
Beschwerdepunkt Beschwerdebegehren Entscheidungsrahmen und Überprüfungsrahmen des VwGH Allgemein Rechtliche Wertung fehlerhafter Berufungsentscheidungen Rechtsverletzung durch solche Entscheidungen Verfahrensbestimmungen Wahrnehmung der Zuständigkeit von Amts wegen Weiterleitung an die zuständige Behörde auf Gefahr des EinschreitersEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1994070049.X00Im RIS seit
12.11.2001