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63 ALLGEMEINES DIENST- UND BESOLDUNGSRECHTNorm
B-VG Art139 Abs1 Z2Leitsatz
Aufhebung von Teilen der Erlässe des Bundesministers für Landesverteidigung betreffend Anordnung, Nachweis und Abgeltung von Mehrdienstleistungen mangels Verlautbarung im Bundesgesetzblatt; keine gesetzliche Deckung der angeordneten RückwirkungSpruch
I. 1. Der erste Satz unter Punkt II.E.2., der gesamte Punkt IV.3., der erste Satz unter Punkt V. und die Beilage 1 des Erlasses des Bundesministers für Landesverteidigung vom 23. April 2018, GZ S90130/9-PersA/2018 ("Anordnung, Nachweis und Abgeltung von Mehrdienstleistungen – Fassung 2018"), kundgemacht im Verlautbarungsblatt I des Bundesministeriums für Landesverteidigung Nr 64/2018, sowie
2. der erste Satz unter Punkt II.E.2., der gesamte Punkt IV.3. und die Beilage 1 des Erlasses der Bundesministerin für Landesverteidigung vom 4. September 2020, GZ S90130/17-PersA/2020 ("Anordnung, Nachweis und Abgeltung von Mehrdienstleistungen; Neufassung 2020"), kundgemacht im Verlautbarungsblatt I des Bundesministeriums für Landesverteidigung Nr 65/2020, werden als gesetzwidrig aufgehoben.
II. Die Bundesministerin für Landesverteidigung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt II verpflichtet.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Anlassverfahren, Prüfungsbeschluss und Vorverfahren
1. Beim Verfassungsgerichtshof ist zur Zahl E2583/2021 eine auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde anhängig, der folgender Sachverhalt zugrunde liegt:
1.1. Der Beschwerdeführer steht als Beamter beim Heeresnachrichtenamt in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund.
1.2. Mit Antrag vom 9. April 2019 begehrte der Beschwerdeführer die Abgeltung seiner bisherigen Journaldienste "Sicherheitsdienst Heeresnachrichtenamt" seit 1. März 2018 nach dem "alten" Journaldienst-Schlüssel 41.
Der Antrag wurde damit begründet, dass die Festsetzung der Journaldienstzulage "Sicherheitsdienst Heeresnachrichtenamt" durch den Erlass des (ehemaligen) Bundesministers für Landesverteidigung vom 23. April 2018, die im Vergleich zum davor bestehenden Erlass eine Reduzierung von 0,55 auf 0,40 für Werktage und 0,73 auf 0,53 für Sonn- und Feiertage (jeweils in Prozent des Referenzbetrages) bewirkt habe, auf einer unrichtigen Berechnung beruhe und daher unsachlich sei.
1.3. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bundesministers für Landesverteidigung vom 24. September 2019 (bestätigt durch die Beschwerdevorentscheidung vom 19. Dezember 2019) als unbegründet abgewiesen.
1.4. Die dagegen gerichtete Beschwerde des Beschwerdeführers wies das Bundesverwaltungsgericht mit mündlich verkündetem Erkenntnis vom 5. Mai 2021, schriftlich ausgefertigt am 20. Mai 2021, als unbegründet ab. Dies wird damit begründet, dass die Höhe für Journaldienstzulagen mit dem Erlass des Bundesministers für Landesverteidigung vom 23. April 2018 festgesetzt worden sei. Dieser Erlass sei intern im Verlautbarungsblatt des Bundesministeriums für Landesverteidigung kundgemacht worden und habe ab 1. März 2018 gegolten. Für die vom Beschwerdeführer begehrten höheren Zulagen gebe es daher keine rechtliche Grundlage.
2. Bei der Behandlung der gegen diese Entscheidung gerichteten Beschwerde sind im Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit der Wortfolge "der Höhe der Abgeltung sowie" im ersten Satz unter Punkt II.E.2., des gesamten Punktes IV.3., des ersten Satzes unter Punkt V. und der Tabellenzeile zum Journaldienstschlüssel 41 in Beilage 1 des Erlasses des Bundesministers für Landesverteidigung vom 23. April 2018, GZ S90130/9-PersA/2018 ("Anordnung, Nachweis und Abgeltung von Mehrdienstleistungen – Fassung 2018"), sowie der Wortfolge "der Höhe der Abgeltung sowie" im ersten Satz unter Punkt II.E.2., des gesamten Punktes IV.3. und der Tabellenzeile zum Journaldienstschlüssel 41 in Beilage 1 des Erlasses der Bundesministerin für Landesverteidigung vom 4. September 2020, GZ S90130/17-PersA/2020 ("Anordnung, Nachweis und Abgeltung von Mehrdienstleistungen; Neufassung 2020"), entstanden. Der Verfassungsgerichtshof hat daher am 22. September 2021 beschlossen, diese Verordnungsbestimmungen von Amts wegen auf ihre Gesetzmäßigkeit zu prüfen.
3. Der Verfassungsgerichtshof legte seine Bedenken, die ihn zur Einleitung des Verordnungsprüfungsverfahrens bestimmt haben, in seinem Prüfungsbeschluss wie folgt dar:
"3. Der Verfassungsgerichtshof hegt das Bedenken, dass die in Prüfung gezogenen Bestimmungen als Verordnungen zu qualifizieren sind, die nicht gehörig kundgemacht wurden:
3.1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg 8649/1979, 11.472/1987, 13.632/1993, 18.495/2008) sind für die Qualität als Verordnung nicht der formelle Adressatenkreis und die äußere Bezeichnung und auch nicht die Art der Verlautbarung maßgeblich, sondern es kommt auf den Inhalt des Verwaltungsaktes an.
Voraussetzung für die Verordnungsqualität eines anders bezeichneten Verwaltungsaktes ist, dass seine Formulierungen imperativ sind (also sich nicht in einer bloßen Wiederholung des Gesetzestextes erschöpfen), indem sie das Gesetz bindend auslegen (VfSlg 5905/1969), und für eine allgemein bestimmte Vielzahl von Personen unmittelbar Geltung beanspruchen (vgl VfSlg 4759/1964, 8649/1979, 8807/1980, 9416/1982, 10.170/1984, 11.467/1987, 13.632/1993, 14.154/1995, 17.244/2004, 17.806/2006; VfGH 23.6.2021, V95/2021 ua). Im Übrigen ist ein Mindestmaß an Publizität erforderlich, damit der betreffende Verwaltungsakt als Verordnung rechtliche Existenz erlangt (vgl VfSlg 20.182/2017 mwN).
3.2. Diese Voraussetzungen dürften auf die in Prüfung gezogenen Bestimmungen zutreffen:
Der imperative Charakter der in Prüfung gezogenen Bestimmungen dürfte sich schon daraus ergeben, dass sie verbindlich festlegen, dass die Journaldienstzulage für den Bereich 'Sicherheitsdienst Heeresnachrichtenamt' des Bundesministeriums für Landesverteidigung in einer bestimmten Höhe abzugelten ist.
Die in Prüfung gezogenen Bestimmungen dürften auch die Rechtssphäre der Betroffenen gestalten: Nach §17a Abs1 GehG gebührt Beamtinnen und Beamten, die gemäß §50 Abs1 BDG 1979 für einen Journaldienst herangezogen werden, eine Journaldienstzulage, deren Höhe im Gesetz selbst nicht bestimmt wird, sondern gemäß Abs2 leg cit 'festzusetzen' ist. In diesem Sinn dürften die in Prüfung gezogenen Bestimmungen, indem sie konkrete Beträge festsetzen, den dem Grunde nach bestehenden Anspruch auf Abgeltung einer Journaldienstzulage gemäß §17a GehG der Höhe nach ausgestalten (vgl VfSlg 11.272/1987).
Schließlich dürften die in Prüfung gezogenen Bestimmungen durch die Veröffentlichung im Verlautbarungsblatt I des Bundesministeriums für Landesverteidigung am 23. April 2018 bzw am 4. September 2020 auch ein solches Maß an Publizität erreicht haben, dass sie Eingang in die Rechtsordnung gefunden haben.
Der Verfassungsgerichtshof geht somit vorläufig davon aus, dass die in Prüfung gezogenen Bestimmungen jeweils als Verordnung zu qualifizieren sind.
3.3. Gemäß §4 Abs1 Z2 Bundesgesetzblattgesetz sind Verordnungen der Bundesminister im Bundesgesetzblatt II zu verlautbaren. Da diese Verlautbarung im vorliegenden Fall unterblieben zu sein scheint, dürften die in Prüfung gezogenen Bestimmungen mangels gehöriger Kundmachung gesetzwidrig sein (vgl zB VfSlg 11.272/1987, 18.495/2008 sowie VfGH 23.6.2021, V95/2021 ua).
4. Bedenken gegen die in Prüfung gezogenen Bestimmungen des Erlasses vom 23. April 2018 sind beim Verfassungsgerichtshof auch hinsichtlich ihres rückwirkenden Inkrafttretens entstanden:
4.1. Unter Punkt V. des Erlasses vom 23. April 2018 wird das Inkrafttreten 'mit Wirksamkeit vom 1. Jänner 2018' angeordnet. Die in Prüfung gezogenen Bestimmungen dieses Erlasses dürften am 23. April 2018 im Verlautbarungsblatt I des Bundesministeriums für Landesverteidigung kundgemacht worden sein. Sie dürften also rückwirkend in Kraft getreten sein.
4.2. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist eine Rückwirkung von Verordnungen – von hier nicht in Betracht kommenden Sonderfällen (vgl VfSlg 20.232/2017) abgesehen – nur zulässig, wenn das Gesetz ausdrücklich dazu ermächtigt (vgl zB VfSlg 12.943/1991, 13.370/1993, 15.675/1999, 17.773/2006, 18.037/2006, 20.127/2016, 20.211/2017; VfGH 8.6.2020, V101/2019). Die Anordnung einer Rückwirkung muss sohin von der Ermächtigungsgrundlage umfasst sein.
4.3. Weder §17a GehG noch eine andere Bestimmung des GehG oder des BDG 1979 dürften eine solche Ermächtigung zur Erlassung einer rückwirkenden Festsetzung bzw Änderung der Höhe von Journaldienstzulagen erteilen. Vielmehr dürften auch §174 GehG und §284 Abs3 BDG 1979 bestätigen, dass eine Rückwirkung von Verordnungen, die auf Grund der genannten Gesetze erlassen werden, im Allgemeinen ausgeschlossen ist. Aus diesem Grund scheinen die in Prüfung gezogenen Bestimmungen zumindest im Hinblick auf den Zeitraum von 1. Jänner 2018 bis zum Ablauf des 23. April 2018 gesetzwidrig zu sein."
4. Die Bundesministerin für Landesverteidigung als verordnungserlassende Behörde hat weder Akten betreffend das Zustandekommen der in Prüfung gezogenen Verordnung vorgelegt noch eine Äußerung erstattet.
5. Die im Anlassfall beschwerdeführende Partei hat als beteiligte Partei eine Äußerung erstattet, in der sie sich den Bedenken des Verfassungsgerichtshofes anschließt.
II. Rechtslage
1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Erlasses des Bundesministers für Landesverteidigung vom 23. April 2018, GZ S90130/9-PersA/2018 ("Anordnung, Nachweis und Abgeltung von Mehrdienstleistungen – Fassung 2018"), Verlautbarungsblatt I des Bundesministeriums für Landesverteidigung 64/2018, lauten auszugsweise wie folgt (die in Prüfung gezogenen Bestimmungen sind hervorgehoben):
"II. ANORDNUNG
[…]
E. Journaldienste
1. Allgemeines
Journaldienst ist ein Dienst, während dessen neben einer Bereitschaft auch eine Intensivdienstleistung erbracht wird. Im Hinblick auf die unterschiedliche Inanspruchnahme während des Journaldienstes tritt an die Stelle der Überstundenvergütung oder der Sonn- und Feiertagsvergütung eine besondere Art der Entschädigung für jene Journaldienstzeiten, die außerhalb der im Dienstplan vorgeschriebenen Dienststunden geleistet werden (Journaldienstzulage gemäß §17a GehG).
2. Arten der Journaldienste
In der Beilage 1 werden die für den Bereich BMLV relevanten Journaldienste inklusive der Höhe der Abgeltung sowie der Anordnungsberechtigten dieser Journaldienste dargestellt.
[…]
[…]
IV. FINANZIELLE ABGELTUNG
[…]
3. Journaldienstzulage
Hinsichtlich der Höhe der Journaldienstzulagen für die im Bereich des BMLV eingeführten Journaldienste wird auf Abschnitt II Teil E Z2 (Arten der Journaldienste – Beilage 1) verwiesen.
[…]
V. SCHLUSSBESTIMMUNGEN
Dieser Erlass tritt mit Wirksamkeit vom 1. Jänner 2018 in Kraft.
Der Erlass vom 30. Dezember 2014, GZ S90130/37-PersA/2014, VBl I Nr 18/2015, wird mit 31. Dezember 2017 außer Kraft gesetzt.
[…]
Beilage 1
zu Erlass GZ S90130/9-PersA/2018
Die im Bereich des BMLV eingeführten Journaldienste werden in untenstehender Tabelle dargestellt. Die Zulagenhöhe pro Stunde an Werktagen (WT) und Sonn- und Feiertagen (SF) wird gem. §3 Abs4 GehG durch den besoldungsrechtlichen Referenzbetrag in der Höhe von 105,06 % des vollen Gehalts einer Beamtin oder eines Beamten der Verwendungsgruppe A2 in der Gehaltsstufe 8 (kaufmännisch auf ganze Cent gerundet) ausgedrückt.
Budgetrelevante Stelle
[…]
HNaA (TN 0096)
[…]
Anordnungsberechtigte
[…]
Leiter HNaA
[…]
Höhe der Zulage pro Stunde
SF (in % des besoldungsrechtl. Referenzbetrages)
[…]
0,53
[…]
WT (in % des besoldungsrechtl. Referenzbetrages)
[…]
0,40
[…]
Kurzbezeichnung
[…]
SiD/HNaA
[…]
JD-Schlüssel
[…]
41
[…]
Bezeichnung
[…]
Sicherheitsdienst Heeresnachrichtenamt
[…]
[…]"
2. Die maßgeblichen Bestimmungen des Erlasses der Bundesministerin für Landesverteidigung vom 4. September 2020, GZ S90130/17-PersA/2020 ("Anordnung, Nachweis und Abgeltung von Mehrdienstleistungen; Neufassung 2020"), Verlautbarungsblatt I des Bundesministeriums für Landesverteidigung 65/2020, lauten auszugsweise wie folgt (die in Prüfung gezogenen Bestimmungen sind hervorgehoben):
"II. ANORDNUNG
[…]
E. Journaldienste
1. Allgemeines
Journaldienst ist ein Dienst, während dessen neben einer Bereitschaft auch eine Intensivdienstleistung erbracht wird. Im Hinblick auf die unterschiedliche Inanspruchnahme während des Journaldienstes tritt an die Stelle der Überstundenvergütung oder der Sonn- und Feiertagsvergütung eine besondere Art der Entschädigung für jene Journaldienstzeiten, die außerhalb der im Dienstplan vorgeschriebenen Dienststunden geleistet werden (Journaldienstzulage gemäß §17a GehG).
2. Arten der Journaldienste
In der Beilage 1 werden die für den Bereich BMLV relevanten Journaldienste inklusive der Höhe der Abgeltung sowie der Anordnungsberechtigten dieser Journaldienste dargestellt.
[…]
[…]
IV. FINANZIELLE ABGELTUNG
[…]
3. Journaldienstzulage
Hinsichtlich der Höhe der Journaldienstzulagen für die im Bereich des BMLV ein-geführten Journaldienste wird auf Abschnitt II Teil E Z2 (Arten der Journaldienste – Beilage 1) verwiesen.
[…]
V. SCHLUSSBESTIMMUNGEN
Dieser Erlass tritt mit Wirksamkeit vom 1. Oktober 2020 in Kraft.
Der Erlass vom 23. April 2018, GZ S90130/9-PersA/2018, VBl. I Nr 64/2018, wird mit Ablauf des 30. September 2020 außer Kraft gesetzt.
[…]
Beilage 1
zu Erlass GZ S90130/17-PersA/2020
Die im Bereich des BMLV eingeführten Journaldienste werden in untenstehender Tabelle dargestellt. Die Zulagenhöhe pro Stunde an Werktagen (WT) und Sonn- und Feiertagen (SF) wird gem. §3 Abs4 GehG durch den besoldungsrechtlichen Referenzbetrag in der Höhe von 105,06 % des vollen Gehalts einer Beamtin oder eines Beamten der Verwendungsgruppe A2 in der Gehaltsstufe 8 (kaufmännisch auf ganze Cent gerundet) ausgedrückt.
Budgetrelevante Stelle
[…]
HNaA (TN 0096)
[…]
Anordnungsberechtigte
[…]
Leiter HNaA
[…]
Höhe der Zulage pro Stunde
SF (in % des besoldungsrechtl. Referenzbetrages)
[…]
0,53
[…]
WT (in % des besoldungsrechtl. Referenzbetrages)
[…]
0,40
[…]
Kurzbezeichnung
[…]
SiD/HNaA
[…]
JD-Schlüssel
[…]
41
[…]
Bezeichnung
[…]
Sicherheitsdienst Heeresnachrichtenamt
[…]
[…]"
3. §50 Bundesgesetz vom 27. Juni 1979 über das Dienstrecht der Beamten (Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 – BDG 1979), BGBl 333/1979 idF BGBl I 61/1997, lautet auszugsweise wie folgt:
"Bereitschaft und Journaldienst
§50. (1) Der Beamte kann aus dienstlichen Gründen verpflichtet werden, sich außerhalb der im Dienstplan vorgeschriebenen Dienststunden in einer Dienststelle oder an einem bestimmten anderen Ort aufzuhalten und bei Bedarf oder auf Anordnung seine dienstliche Tätigkeit aufzunehmen (Dienststellenbereitschaft, Journaldienst).
[…]"
4. §17a Bundesgesetz vom 29. Feber 1956 über die Bezüge der Bundesbeamten (Gehaltsgesetz 1956 – GehG), BGBl 54/1956 idF BGBl I 153/2020, lautet (für den im Anlassfall maßgeblichen Zeitraum seit 1. März 2018 im Wesentlichen unverändert) wie folgt:
"Journaldienstzulage
§17a. (1) Dem Beamten, der außerhalb der im Dienstplan vorgeschriebenen Dienststunden zu einem Journaldienst herangezogen wird, gebührt für die im Journaldienst enthaltene Bereitschaftszeit und Dienstleistung an Stelle der Vergütungen nach den §§16 und 17 eine Journaldienstzulage.
(2) Die Höhe der Journaldienstzulage ist unter Bedachtnahme auf die Dauer des Dienstes und die durchschnittliche Inanspruchnahme während dieses Dienstes festzusetzen; ihre Bemessung bedarf der Zustimmung der Bundesministerin oder des Bundesministers für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport."
5. Die Verordnung des Bundesministers für Landesverteidigung über die Festsetzung der Journaldienstzulagen und der Bereitschaftsentschädigungen für den Bereich des Bundesministeriums für Landesverteidigung (Journaldienstzulagen- und Bereitschaftsentschädigungsverordnung - BMLV 2012 – JDBEV BMLV 2012), BGBl II 444/2012 idF BGBl II 67/2019, lautet auszugsweise wie folgt:
"Auf Grund der §§17a und 17b in Verbindung mit §15 Abs2 des Gehaltsgesetzes 1956 (GehG), BGBl Nr 54/1956, und des §22 Abs1 des Vertragsbedienstetengesetzes 1948 (VBG), BGBl Nr 86/1948, beide zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl I. Nr 102/2018, wird mit Zustimmung des Bundesministers für öffentlichen Dienst und Sport verordnet:
Allgemeines
§1. (1) Den Beamten und Vertragsbediensteten, die im Bereich des Bundesministeriums für Landesverteidigung und Sport außerhalb der im Dienstplan vorgeschriebenen Dienststunden zu einem Journaldienst herangezogen werden, gebühren für die im Journaldienst enthaltene Bereitschaftszeit und Dienstleistung Journaldienstzulagen nach Maßgabe der Bestimmungen des §2.
(2) Den Beamten und Vertragsbediensteten im Bereich des Bundesministeriums für Landesverteidigung und Sport, die sich außerhalb der im Dienstplan vorgeschriebenen Dienststunden
1. in einer Dienststelle oder an einem bestimmten anderen Ort aufzuhalten haben, um bei Bedarf auf der Stelle ihre dienstliche Tätigkeit aufnehmen zu können, oder
2. erreichbar zu halten haben (Rufbereitschaft),
gebühren hiefür Bereitschaftsentschädigungen nach Maßgabe der Bestimmungen des §3.
(3) Als Bezugsansatz nach dieser Verordnung gilt der Gehaltsansatz der Gehaltsstufe 2 der Dienstklasse V nach §118 Abs5 des Gehaltsgesetzes 1956 (GehG), BGBl Nr 54, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl I Nr 87/2012, einschließlich allfälliger Teuerungszulagen.
Journaldienstzulage
§2. (1) Die Journaldienstzulage für Zeiten eines der nachstehend angeführten Journaldienste an Werktagen, die nicht in Freizeit ausgeglichen werden, beträgt jeweils pro Stunde folgende Hundertsätze des Bezugsansatzes:
[…]
(2) Die Journaldienstzulage für Zeiten eines der nachstehend angeführten Journaldienste an Sonn- und Feiertagen beträgt jeweils pro Stunde folgende Hundertsätze des Bezugsansatzes:
[…]
Bereitschaftsentschädigung
§3. Die Bereitschaftsentschädigung beträgt jeweils pro Stunde einer Rufbereitschaft nach §17b Abs3 GehG
[…]
Schlussbestimmungen
§4. (1) Mit Inkrafttreten dieser Verordnung am 15. Dezember 2012 tritt die Verordnung des Bundesministers für Landesverteidigung über die Festsetzung der Journaldienstzulagen und der Bereitschaftsentschädigung für den Bereich des Bundesministeriums für Landesverteidigung, kundgemacht im Verlautbarungsblatt I des Bundesministeriums für Landesverteidigung Nr 99/1997, in Verbindung mit BGBl II Nr 202/1997, außer Kraft.
(2) Der Titel, die Promulgationsklausel und §2 Abs1 und 2, jeweils in der Fassung der Verordnung BGBl II Nr 67/2019, treten mit 1. April 2019 in Kraft."
III. Erwägungen
1. Zur Zulässigkeit des Verfahrens
Wie im Folgenden dargelegt wird, handelt es sich bei den in Prüfung gezogenen Bestimmungen um Verordnungen und damit um einen tauglichen Prüfungsgegenstand nach Art139 B-VG. Die Bestimmungen wurden vom Bundesverwaltungsgericht angewendet; im Verfahren hat sich nichts ergeben, was an der Präjudizialität der in Prüfung gezogenen Bestimmung zweifeln ließe. Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweist sich das Verordnungsprüfungsverfahren insgesamt als zulässig.
2. In der Sache
2.1. Die im Prüfungsbeschluss dargelegten Bedenken des Verfassungsgerichtshofes haben sich als zutreffend erwiesen:
2.2. Zur mangelhaften Kundmachung:
2.2.1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg 8649/1979, 11.472/1987, 13.632/1993, 18.495/2008) sind für die Qualität als Verordnung nicht der formelle Adressatenkreis und die äußere Bezeichnung und auch nicht die Art der Verlautbarung maßgeblich, sondern es kommt auf den Inhalt des Verwaltungsaktes an.
Voraussetzung für die Verordnungsqualität eines anders bezeichneten Verwaltungsaktes ist, dass seine Formulierungen imperativ sind (also sich nicht in einer bloßen Wiederholung des Gesetzestextes erschöpfen), indem sie das Gesetz bindend auslegen (VfSlg 5905/1969), und für eine allgemein bestimmte Vielzahl von Personen unmittelbar Geltung beanspruchen (vgl VfSlg 4759/1964, 8649/1979, 8807/1980, 9416/1982, 10.170/1984, 11.467/1987, 13.632/1993, 14.154/1995, 17.244/2004, 17.806/2006; VfGH 23.6.2021, V95/2021 ua).
Im Übrigen ist ein Mindestmaß an Publizität erforderlich, damit der betreffende Verwaltungsakt als Verordnung rechtliche Existenz erlangt (vgl VfSlg 20.182/2017 mwN).
2.2.2. Diese Voraussetzungen treffen auf die in Prüfung gezogenen Bestimmungen zu:
Der imperative Charakter der in Prüfung gezogenen Bestimmungen ergibt sich schon daraus, dass sie – abweichend von der im gesamten Verfahren im Anlassfall unerwähnten Journaldienstzulagen- und Bereitschaftsentschädigungsverordnung - BMLV 2012, BGBl II 444/2012 idF BGBl II 67/2019 – verbindlich festlegen, dass die Journaldienstzulage für den Bereich "Sicherheitsdienst Heeresnachrichtenamt" des Bundesministeriums für Landesverteidigung in einer betragsmäßig bestimmten Höhe abzugelten ist.
Die in Prüfung gezogenen Bestimmungen gestalten auch die Rechtssphäre der Betroffenen: Nach §17a Abs1 GehG gebührt Beamtinnen und Beamten, die gemäß §50 Abs1 BDG 1979 für einen Journaldienst herangezogen werden, eine Journaldienstzulage, deren Höhe im Gesetz selbst nicht bestimmt wird, sondern gemäß §17a Abs2 GehG "festzusetzen" ist. In diesem Sinn gestalten auch die in Prüfung gezogenen Bestimmungen, indem sie – in gleicher Weise wie die Journaldienstzulagen- und Bereitschaftsentschädigungsverordnung - BMLV 2012, BGBl II 444/2012 idF BGBl II 67/2019 – konkrete Beträge festsetzen, den dem Grunde nach bestehenden Anspruch auf Abgeltung einer Journaldienstzulage gemäß §17a GehG der Höhe nach aus (vgl VfSlg 11.272/1987).
Schließlich haben die in Prüfung gezogenen Bestimmungen durch die Veröffentlichung im Verlautbarungsblatt I des Bundesministeriums für Landesverteidigung am 23. April 2018 bzw am 4. September 2020 auch ein solches Maß an Publizität erreicht, dass sie Eingang in die Rechtsordnung gefunden haben.
Die in Prüfung gezogenen Bestimmungen sind daher jeweils als Verordnung zu qualifizieren.
2.2.3. Gemäß §4 Abs1 Z2 Bundesgesetzblattgesetz sind Verordnungen der Bundesminister im Bundesgesetzblatt II zu verlautbaren. Da diese Verlautbarung im vorliegenden Fall unterblieben ist, sind die in Prüfung gezogenen Bestimmungen mangels gehöriger Kundmachung gesetzwidrig (vgl zB VfSlg 11.272/1987, 18.495/2008 sowie VfGH 23.6.2021, V95/2021 ua).
2.3. Zur Rückwirkung:
2.3.1. Unter Punkt V. des Erlasses vom 23. April 2018 wird das Inkrafttreten "mit Wirksamkeit vom 1. Jänner 2018" angeordnet. Die in Prüfung gezogenen Bestimmungen dieses Erlasses sind am 23. April 2018 im Verlautbarungsblatt I des Bundesministeriums für Landesverteidigung kundgemacht worden. Sie sind also rückwirkend in Kraft getreten.
2.3.2. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist eine Rückwirkung von Verordnungen – von hier nicht in Betracht kommenden Sonderfällen (vgl VfSlg 20.232/2017) abgesehen – nur zulässig, wenn das Gesetz ausdrücklich dazu ermächtigt (vgl zB VfSlg 12.943/1991, 13.370/1993, 15.675/1999, 17.773/2006, 18.037/2006, 20.127/2016, 20.211/2017). Die Anordnung einer Rückwirkung muss sohin von der Ermächtigungsgrundlage umfasst sein.
2.3.3. Weder §17a GehG noch eine andere Bestimmung des GehG oder des BDG 1979 erteilen eine solche Ermächtigung zur Erlassung einer rückwirkenden Festsetzung bzw Änderung der Höhe von Journaldienstzulagen. Vielmehr bestätigen auch §174 GehG und §284 Abs3 BDG 1979, dass eine Rückwirkung von Verordnungen, die auf Grund der genannten Gesetze erlassen werden, im Allgemeinen ausgeschlossen ist. Der erste Satz unter Punkt V. des Erlasses vom 23. April 2018 ist daher im Hinblick auf die darin angeordnete Rückwirkung für den Zeitraum von 1. Jänner 2018 bis zum Ablauf des 23. April 2018 gesetzwidrig.
2.4. Gemäß Art139 Abs3 Z3 B-VG hat der Verfassungsgerichtshof, wenn er im Verordnungsprüfungsverfahren zur Auffassung gelangt, dass die ganze Verordnung in gesetzwidriger Weise kundgemacht wurde, die ganze Verordnung aufzuheben.
2. Der festgestellte Kundmachungsmangel betrifft nicht nur die im Anlassfall präjudiziellen Bestimmungen, sondern in gleicher Weise auch die übrigen auf §17a Abs2 GehG gestützten Bestimmungen der Erlässe zur Höhe der Journaldienstzulage, die insofern eine einheitliche Verordnung bilden (vgl VfSlg 17.771/2006). In diesem Sinn sind die im Spruch genannten Bestimmungen der Erlässe aufzuheben. Umstände, die dem im Sinne des Art139 Abs3 letzter Satz B-VG entgegenstünden, sind im Verfahren nicht hervorgekommen.
IV. Ergebnis
1. Aus den in Punkt III.2.4. dargelegten Gründen sind die im Spruch genannten Bestimmungen als gesetzwidrig aufzuheben. Da die als gesetzwidrig erkannten Bestimmungen des Erlasses des Bundesministers für Landesverteidigung vom 23. April 2018 ungeachtet ihrer zwischenzeitig erfolgten Novellierung mit einem auf die Vergangenheit beschränkten zeitlichen Anwendungsbereich weiterhin in Geltung stehen, ist im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (siehe zB VfSlg 19.511/2011 mwN) mit Aufhebung nach Abs3 des Art139 B-VG und nicht mit einem Ausspruch nach Abs4 dieser Verfassungsbestimmung vorzugehen.
2. Die Verpflichtung der Bundesministerin für Landesverteidigung zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung erfließt aus Art139 Abs5 erster Satz B-VG und §59 Abs2 VfGG iVm §4 Abs1 Z4 BGBlG.
3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
Dienstrecht, Verordnung Kundmachung, Mehrleistungsvergütung, Rückwirkung, VfGH / Verwerfungsumfang, Erlass, BezügeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2022:V282.2021Zuletzt aktualisiert am
23.03.2022