RS Vfgh 2022/3/1 V282/2021 ua (V282-283/2021-7)

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Veröffentlicht am 01.03.2022
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Index

63 ALLGEMEINES DIENST- UND BESOLDUNGSRECHT

Norm

B-VG Art139 Abs1 Z2
BDG 1979 §50, §284 Abs3
GehG 1956 §17a, §174
BGBlG 2004 §4 Abs1 Z2
Erlass des Bundesministers für Landesverteidigung vom 23.04.2018
Erlass der Bundesministerin für Landesverteidigung vom 04.09.2020
Journaldienstzulagen- und BereitschaftsentschädigungsV 2012 – JDBEV BMLV 2012
VfGG §7 Abs2

Leitsatz

Aufhebung von Teilen der Erlässe des Bundesministers für Landesverteidigung betreffend Anordnung, Nachweis und Abgeltung von Mehrdienstleistungen mangels Verlautbarung im Bundesgesetzblatt; keine gesetzliche Deckung der angeordneten Rückwirkung

Rechtssatz

Gesetzwidrigkeit des ersten Satzes unter Punkt II.E.2., des gesamten Punktes IV.3., des ersten Satzes unter Punkt V. und der Beilage 1 des Erlasses des Bundesministers für Landesverteidigung vom 23.04.2018, GZS90130/9-PersA/2018 ("Anordnung, Nachweis und Abgeltung von Mehrdienstleistungen - Fassung 2018"), kundgemacht im Verlautbarungsblatt I des Bundesministeriums für Landesverteidigung Nr 64/2018, sowie des ersten Satzes unter Punkt II.E.2., des gesamten Punktes IV.3. und der Beilage 1 des Erlasses der Bundesministerin für Landesverteidigung vom 04.09.2020, GZS90130/17-PersA/2020 ("Anordnung, Nachweis und Abgeltung von Mehrdienstleistungen; Neufassung 2020"), kundgemacht im Verlautbarungsblatt I des Bundesministeriums für Landesverteidigung Nr 65/2020.

Zur Kundmachung:

Der imperative Charakter der in Prüfung gezogenen Bestimmungen ergibt sich schon daraus, dass sie verbindlich festlegen, dass die Journaldienstzulage für den Bereich "Sicherheitsdienst Heeresnachrichtenamt" des Bundesministeriums für Landesverteidigung in einer betragsmäßig bestimmten Höhe abzugelten ist. Die in Prüfung gezogenen Bestimmungen gestalten auch die Rechtssphäre der Betroffenen: Nach §17a Abs1 GehG gebührt Beamtinnen und Beamten, die gemäß §50 Abs1 BDG 1979 für einen Journaldienst herangezogen werden, eine Journaldienstzulage, deren Höhe im Gesetz selbst nicht bestimmt wird, sondern gemäß §17a Abs2 GehG "festzusetzen" ist. In diesem Sinn gestalten auch die in Prüfung gezogenen Bestimmungen, indem sie - in gleicher Weise wie die Journaldienstzulagen- und Bereitschaftsentschädigungsverordnung (JDBEV BMLV 2012), BGBl II 44/2012 idF BGBl II 67/2019 - konkrete Beträge festsetzen, den dem Grunde nach bestehenden Anspruch auf Abgeltung einer Journaldienstzulage gemäß §17a GehG der Höhe nach aus. Schließlich haben die in Prüfung gezogenen Bestimmungen durch die Veröffentlichung im Verlautbarungsblatt I des Bundesministeriums für Landesverteidigung am 23.04.2018 bzw am 04.09.2020 auch ein solches Maß an Publizität erreicht, dass sie Eingang in die Rechtsordnung gefunden haben. Die in Prüfung gezogenen Bestimmungen sind daher jeweils als Verordnung zu qualifizieren.

Gemäß §4 Abs1 Z2 Bundesgesetzblattgesetz sind Verordnungen der Bundesminister im Bundesgesetzblatt II zu verlautbaren. Da diese Verlautbarung im vorliegenden Fall unterblieben ist, sind die in Prüfung gezogenen Bestimmungen mangels gehöriger Kundmachung gesetzwidrig.

Zur Rückwirkung:

Unter Punkt V. des Erlasses vom 23.04.2018 wird das Inkrafttreten "mit Wirksamkeit vom 1. Jänner 2018" angeordnet. Die in Prüfung gezogenen Bestimmungen dieses Erlasses sind am 23.04.2018 im Verlautbarungsblatt I des Bundesministeriums für Landesverteidigung kundgemacht worden. Sie sind also rückwirkend in Kraft getreten.

Die Anordnung einer Rückwirkung muss von der Ermächtigungsgrundlage umfasst sein. Weder §17a GehG noch eine andere Bestimmung des GehG oder des BDG 1979 erteilen eine solche Ermächtigung zur Erlassung einer rückwirkenden Festsetzung bzw Änderung der Höhe von Journaldienstzulagen. Vielmehr bestätigen auch §174 GehG und §284 Abs3 BDG 1979, dass eine Rückwirkung von Verordnungen, die auf Grund der genannten Gesetze erlassen werden, im Allgemeinen ausgeschlossen ist. Der erste Satz unter Punkt V. des Erlasses vom 23.04.2018 ist daher im Hinblick auf die darin angeordnete Rückwirkung für den Zeitraum von 01.01.2018 bis zum Ablauf des 23.04.2018 gesetzwidrig.

Der festgestellte Kundmachungsmangel betrifft nicht nur die im Anlassfall präjudiziellen Bestimmungen, sondern in gleicher Weise auch die übrigen auf §17a Abs2 GehG gestützten Bestimmungen der Erlässe zur Höhe der Journaldienstzulage, die insofern eine einheitliche Verordnung bilden. In diesem Sinn sind die im Spruch genannten Bestimmungen der Erlässe aufzuheben. Umstände, die dem iSd Art139 Abs3 letzter Satz B-VG entgegenstünden, sind im Verfahren nicht hervorgekommen.

(Anlassfall E2583/2021, E v 01.03.2022, Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses).

Entscheidungstexte

Schlagworte

Dienstrecht, Verordnung Kundmachung, Mehrleistungsvergütung, Rückwirkung, VfGH / Verwerfungsumfang, Erlass, Bezüge

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2022:V282.2021

Zuletzt aktualisiert am

23.03.2022
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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