TE Vwgh Erkenntnis 1996/7/11 95/07/0071

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Veröffentlicht am 11.07.1996
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Index

L66504 Flurverfassung Zusammenlegung landw Grundstücke
Flurbereinigung Oberösterreich;
80/06 Bodenreform;

Norm

FlVfGG §1;
FlVfGG §11 Abs3;
FlVfGG §34 Abs3;
FlVfGG §34 Abs4;
FlVfGG §34 Abs5;
FlVfLG OÖ 1979 §1;
FlVfLG OÖ 1979 §102;
FlVfLG OÖ 1979 §22 Abs4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Bumberger, Dr. Pallitsch und Dr. Beck als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Bachler, über die Beschwerde

1. des A D und 2. der H D, beide in A, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landesagrarsenates beim Amt der Oberösterreichischen Landesregierung vom 25. März 1993, Zl. Bod-4023/24-1993, betreffend Zuerkennung eines Schadenersatzes für Ernteverlust im Zuge eines Zusammenlegungsverfahrens, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Land Oberösterreich insgesamt Aufwendungen in der Höhe von S 4.565.- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

In dem mit Verordnung der Agrarbezirksbehörde Gmunden (ABB) vom 16. Februar 1984 eingeleiteten Zusammenlegungsverfahren R. (Gemeinde O.) wurde mit Bescheid der Agrarbezirksbehörde Gmunden (ABB) vom 8. Oktober 1986 die vorläufige Übernahme der in der Natur abgesteckten und den Parteien vorgezeigten Abfindungsgrundstücke angeordnet. Auf Grund dieses mit Bescheid des Landesagrarsenates beim Amt der Oberösterreichischen Landesregierung (LAS) vom 25. Juni 1987 bestätigten Bescheides übernahmen die mit ihren Grundstücken in das Zusammenlegungsverfahren einbezogenen Beschwerdeführer u.a. die aus Fremdbesitz stammende "S-Wiese".

Mit Bescheid vom 10. Juli 1990 erließ die ABB den Zusammenlegungsplan. Der dagegen u.a. von den Beschwerdeführern erhobenen Berufung wurde mit Bescheid des LAS vom 12. September 1991 teilweise Folge gegeben und eine Neuzuteilung der Grundabfindungen mehrerer einbezogener Grundstückseigentümer verfügt. U.a. wurde die "S-Wiese" den Altbesitzern zugeteilt. Die dagegen erhobene Berufung der Beschwerdeführer wurde mit Bescheid des Obersten Agrarsenates vom 7. Oktober 1992 als unbegründet abgewiesen.

Mit Bescheid der ABB vom 9. Dezember 1992 wurde die Übernahme der durch den Bescheid des LAS neu eingeteilten Grundabfindungen gemäß §§ 22 und 26 des Oberösterreichischen Flurverfassungs-Landesgesetzes 1979, LGBl. Nr. 73/1979, (FLG) angeordnet.

Mit Eingabe vom 21. Dezember 1992 beantragten die Beschwerdeführer, ihnen "für den Zeitraum der vorläufigen Übergabe, das heißt von der vorläufigen Übergabe bis zur tatsächlichen Übernahme laut Bescheid vom 9. Dezember 1992, einen Schadenersatz" zuzuerkennen. Begründet wurde dieser Antrag damit, daß die Beschwerdeführer genötigt gewesen seien, "die Flächen laut vorläufiger Übernahme zu bewirtschaften, obwohl diese vorläufige Übernahme der gesetzmäßigen Abfindung widersprochen hat". Dadurch sei ihnen ein "Ernteverlust von mindestens S 7.000,-- pro Jahr" entstanden. Für sieben Jahre bestünde daher ein Anspruch von S 49.000,--. Gleichzeitig wiesen die Beschwerdeführer darauf hin, daß ihnen bekannt sei, "daß eine derartige Entschädigungsleistung derzeit im Gesetz nicht vorgesehen ist".

Mit Bescheid der ABB vom 26. Jänner 1993 wurde der Antrag der Beschwerdeführer "vom 21. Dezember 1992 auf Schadenersatz für Ernteverlust zwischen dem Zeitpunkt der vorläufigen Übernahme und dem Zeitpunkt der Übernahme der Grundabfindung entsprechend dem rechtskräftigen Zusammenlegungsplan (...) als unzulässig zurückgewiesen". Gestützt auf § 20 FLG führte die ABB in der Begründung aus, diese Gesetzesstelle enthalte eine taxative Regelung für Entschädigungen. Entschädigungsansprüche seien demnach nur vorgesehen für vorübergehende Mehr- oder Minderwerte von Grundstücken, Zugehör auf Grundstücken, die ihren Eigentümer wechseln, Nachteile aus einer Bewirtschaftungserschwernis und bestimmte Aufwendungen für Grundabfindungen, die ihren Eigentümer wechselten.

Entschädigungsansprüche, die sich aus einer Differenz zwischen den auf Grund eines Bescheides über die vorläufige Übernahme übernommenen Grundflächen und den auf Grund des rechtskräftigen Zusammenlegungsplanes übernommenen Grundflächen ergeben, seien im FLG nicht vorgesehen. Für den gegenständlichen Antrag fehle ein subjektiver Rechtsanspruch; dieser sei daher als unzulässig zurückzuweisen gewesen. Aus dem Ergebnis des Wertvergleiches ergebe sich außerdem, daß der Antrag auch sachlich unbegründet sei.

In der dagegen erhobenen Berufung führen die Beschwerdeführer in Ergänzung ihres Antrages aus, aus dem Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch im Zusammenhang mit dem Flurverfassungsgrundsatzgesetz ergebe sich ein zivilrechtlicher Anspruch auf Bezahlung eines angemessenen Schadenersatzes, ohne daß es einer Novellierung des FLG bedürfe.

Mit Bescheid des LAS vom 25. März 1993 wurde die dagegen erhobene Berufung der Beschwerdeführer als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, "daß der Antrag vom 21. Dezember 1992 wegen Unzuständigkeit der Agrarbehörde zurückgewiesen wird". Für Ansprüche der von den Beschwerdeführern geltend gemachten Art bestünde weder eine gesetzliche Grundlage noch eine Zuständigkeit der Agrarbehörden zur materiellen Erledigung derselben. Die ABB habe daher nicht rechtswidrig gehandelt, wenn sie den Entschädigungsantrag, ohne darauf meritorisch einzugehen, zurückgewiesen hat. Es scheine jedoch geboten, die Unzuständigkeit der Agrarbehörde bereits im Bescheidspruch als Zurückweisungsgrund festzuhalten; diesbezüglich sei der Spruch der ABB zu ergänzen gewesen.

Mit Beschluß des Verfassungsgerichtshofes vom 28. Februar 1995, B 922/93-3, wurde die Behandlung der dagegen erhobenen Beschwerde abgelehnt und diese gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten. Die Beschwerdeführer erachten sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht "auf angemessene Entschädigung gemäß § 20 Oö. Flurverfassungs-Landesgesetz 1979 verletzt". Wenn auch nur eine taxative Aufzählung der Entschädigungsansprüche im § 20 FLG enthalten sei, so lasse dies von vornherein nicht den Schluß zu, daß nicht noch weitere Entschädigungsansprüche entstehen könnten, die abzugelten seien. Seien bei ordnungsgemäßer Bewirtschaftung Ertragseinbrüche festzustellen, so stelle dies jedenfalls einen Nachteil dar, der insbesondere bei wirtschaftlicher Ertragserwartung bei einer speziellen Fütterung doch als entschädigungswürdig zu erachten sei. Nur weil das Gesetz bestimmte Nachteile für entschädigungswürdig erachte, dürfe die zuständige Behörde nicht ausschließen, daß für andere Nachteile nicht ebenfalls eine Entschädigung zuzusprechen wäre. Es könne nicht Sinn des Gesetzes sein, nur Nachteile zu entschädigen, die nach einer endgültigen Grundabfindung erlitten würden. Es müßten auch Nachteile, die während des Zusammenlegungsverfahrens entstanden seien, entschädigt werden. Da die Beschwerdeführer auf Grund der vorläufigen Übergabe wirtschaftliche Nachteile durch massive Ertragseinbußen erlitten hätten, sei eine Entschädigung jedenfalls gerechtfertigt. Ein taxative Aufzählung von Entschädigungsansprüchen dürfe von vornherein nicht so ausgelegt werden, daß in verfassungswidriger oder sonst rechtswidriger Weise andere außerhalb der im Gesetz taxativ aufgezählten, beantragten Ansprüche verweigert würden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 102 Abs. 1 des Oö. Flurverfassungs-Landesgesetzes 1979 (FLG) in der im Hinblick auf die Erlassung des angefochtenen Bescheides anzuwendenden Fassung vor Inkrafttreten des Landesgesetzes vom 3. November 1994, mit dem das Oö. Flurverfassungs-Landesgesetz 1979 geändert wurde (Oö. Flurverfassungs-Landesgesetz-Novelle 1994), LGBl. Nr. 3/1995, erstreckt sich die Zuständigkeit der Agrarbehörde von der Einleitung eines Zusammenlegungs-, Flurbereinigungs-, Teilungs- oder Regulierungsverfahrens an, sofern sich aus Abs. 4 nicht etwas anderes ergibt, auf die Verhandlung und Entscheidung über alle tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse, die zum Zwecke der Durchführung der Zusammenlegung, Flurbereinigung, Teilung oder Regulierung in das Verfahren einbezogen werden müssen. Während dieses Zeitraumes ist in diesen Angelegenheiten die Zuständigkeit der Behörden ausgeschlossen, in deren Wirkungsbereich diese Angelegenheiten sonst gehören.

Gemäß Abs. 2 dieser Gesetzesstelle erstreckt sich die Zuständigkeit der Agrarbehörde (Abs. 1) insbesondere auf

a)

Streitigkeiten über Eigentum und Besitz an den in das Verfahren einbezogenen Grundstücken;

b)

Streitigkeiten über den Grenzverlauf der in lit. a angeführten Grundstücke einschließlich der Streitigkeiten über den Grenzverlauf zwischen einbezogenen und nicht einbezogenen Grundstücken;

c)

Streitigkeiten über die Gegenleistung für die Benutzung von in das Verfahren einbezogenen Grundstücken.

Nach Abs. 3 dieses Paragraphen sind, soweit nichts anderes bestimmt ist, in den Verfahren (Abs. 1) vor der Agrarbehörde jene Rechtsvorschriften anzuwenden, die sonst für diese Angelegenheiten gelten (z.B. die Vorschriften des Bürgerlichen Rechtes, des Wasserrechtes und des Forstrechtes).

Mit ihrem Antrag vom 21. Dezember 1992 beantragten die Beschwerdeführer ausdrücklich die Zuerkennung eines Schadenersatzes, welcher aus dem Ernteverlust ab der Zuweisung einer gesetzwidrigen Abfindung vom Zeitpunkt der vorläufigen Übernahme bis zur Übernahme der auf Grund des rechtskräftigen Zusammenlegungsplanes als gesetzmäßig anerkannten Grundabfindung besteht.

Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach in - diesbezüglich sowohl in sachverhaltsmäßiger als auch in rechtlicher Hinsicht - vergleichbaren Fällen ausgeführt hat (vgl. hiezu die hg. Erkenntnisse vom 27. September 1988, Zl. 88/07/0105, vom 30. September 1986, Zl. 86/07/0088 und vom 27. Juni 1989, Zl. 89/07/0107) ausgeführt hat, ist aus § 102 FLG nicht zu erkennen, daß die Agrarbehörden zur Entscheidung über Schadenersatzforderungen für Nachteile zuständig sind, die Eigentümer einbezogener Grundstücke in der Zeit zwischen der vorläufigen Übernahme und der rechtskräftigen Erlassung des Zusammenlegungsplanes erlitten haben, da sich eine Entscheidung über einen solchen Antrag nicht auf tatsächliche und rechtliche Verhältnisse bezieht, die zum Zwecke der Durchführung der Zusammenlegung einbezogen werden müssen. Auch handelt es sich nicht um eine Streitigkeit über Besitz und Eigentum einbezogener Grundstücke und Streitigkeiten betreffend die Gegenleistung für die Nutzung solcher Grundstücke (eine Streitigkeit gemäß § 102 Abs. 2 lit. b FLG scheidet hier von vorneherein aus). Im hg. Erkenntnis vom 30. September 1986, Zl. 86/07/0088, wurde auch klargelegt, daß es sich bei einem Begehren auf Zuspruch eines Schadenersatzes der hier zu beurteilenden Art auch nicht um Geldabfindungen und Geldausgleiche im Sinne des § 22 Abs. 4 FLG handelt, die nur aus Anlaß der vorläufigen Übernahme bestimmt werden könnten (siehe das hg. Erkenntnis vom 27. August 1988, Zl. 88/07/0105). Daß die Voraussetzungen des § 20 Abs. 4 und 5 FLG nicht vorliegen, wurde von den Beschwerdeführern zutreffend bereits in ihrem Antrag vom 9. Dezember 1992 ausdrücklich ausgeführt.

Bis zur Flurverfassungsnovelle 1993, BGBl. Nr. 903/1993, für das Land Oberösterreich umgesetzt durch die Oö. Flurverfassungs-Landesgesetz-Novelle 1994, LGBl. Nr. 3/1995, bestand für eine Partei in einem Zusammenlegungsverfahren im Falle einer ungesetzmäßigen Abfindung keine Möglichkeit, eine Gutmachung eines dadurch entstandenen Schadens im Zusammenlegungsverfahren geltend zu machen.

Die Rechtsmittelbehörde hat im allgemeinen das im Zeitpunkt der Erlassung ihres Bescheides geltende Recht anzuwenden (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 4. Mai 1977, Slg. Nr. 9315/A). Für das nachprüfende Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof kann grundsätzlich nur jener Sachverhalt und jene Rechtslage entscheidend sein, die im Zeitpunkt des abschließenden Bescheides der belangten Behörde gegeben war (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 30. Jänner 1990, Zl. 89/05/0181, u.v.a.). Die Oö. Flurverfassungs-Landesgesetz-Novelle 1994, LGBl. Nr. 3/1995, ist mit Ablauf des Tages der Kundmachung dieses Landesgesetzes im Landesgesetzblatt für Oberösterreich in Kraft getreten. Die im vorzitierten Landesgesetz in dessen § 20a neu geschaffene Schadenersatzregelung für eine einer Partei übergebene gesetzwidrige Abfindung findet auf den gegenständlichen Beschwerdefall somit keine Anwendung.

Die Beschwerdeführer haben keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen vermocht. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Von der Durchführung einer Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 18. März 1994, Zl. 93/07/0166).

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995070071.X00

Im RIS seit

20.11.2000

Zuletzt aktualisiert am

07.09.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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