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001 Verwaltungsrecht allgemeinNorm
AbgÄG 2012Beachte
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Enzenhofer und die Hofrätin Mag. Dr. Zehetner, den Hofrat Dr. Schwarz, den Hofrat Mag. Berger sowie den Hofrat Dr. Terlitza als Richterin und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revisionen 1. der Landespolizeidirektion Wien (protokolliert zu Ro 2021/17/0002) und 2. des Bundesministers für Finanzen (protokolliert zu Ro 2021/17/0003) gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 7. November 2020, VGW-002/V/032/13744/2020-2, betreffend Ersatz von Barauslagen gemäß § 50 Abs. 10 Glücksspielgesetz (belangte Behörde im Verfahren Ro 2021/17/0003: Landespolizeidirektion Wien; mitbeteiligte Partei: M H in F),
Spruch
I. den Beschluss gefasst:
Die Revision der erstrevisionswerbenden Partei wird zurückgewiesen.
II. zu Recht erkannt:
Die Revision der zweitrevisionswerbenden Partei wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
1 Mit Bescheid vom 21. März 2017 verfügte die erstrevisionswerbende Partei gegenüber der mitbeteiligten Partei die Beschlagnahme eines bei einer glücksspielrechtlichen Kontrolle im Lokal „Café P“ vorgefundenen Glücksspielgerätes nach § 53 Glücksspielgesetz - GSpG und sprach überdies dessen Einziehung nach § 54 Abs. 1 GSpG aus.
2 Mit Straferkenntnis vom 13. April 2017 erkannte die erstrevisionswerbende Partei die mitbeteiligte Partei der Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 erster Fall GSpG mit diesem Glücksspielgerät schuldig und verhängte über sie eine Geldstrafe in Höhe von EUR 8.000,-- (samt Ersatzfreiheitsstrafe).
3 Mit Erkenntnis vom 23. Oktober 2017 wies das Verwaltungsgericht Wien (Verwaltungsgericht) u.a. die von der mitbeteiligten Partei gegen den Beschlagnahme- und Einziehungsbescheid vom 21. März 2017 erhobene Beschwerde als unbegründet ab (Spruchpunkt II.). Weiters gab es der Beschwerde der mitbeteiligten Partei gegen das Straferkenntnis vom 13. April 2017 insofern statt, als es die Geld- und Ersatzfreiheitsstrafe herabsetzte. Im Übrigen wies das Verwaltungsgericht die Beschwerde ab (Spruchpunkt III.). Das Verwaltungsgericht sprach aus, dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei (Spruchpunkt V.).
4 Der Verwaltungsgerichtshof wies mit Beschluss vom 12. Februar 2019, Ra 2019/16/0011, die von der mitbeteiligten Partei gegen dieses Erkenntnis erhobene Revision zurück.
5 Die erstrevisionswerbende Partei schrieb der mitbeteiligten Partei mit Bescheid vom 5. Oktober 2020 im Zusammenhang mit dem mit Bescheid vom 21. März 2017 eingezogenen und am 14. Mai 2019 vernichteten Glücksspielgerät Barauslagen gemäß § 50 Abs. 10 GSpG in der Höhe von insgesamt EUR 316,20 zur Zahlung vor. Sie wies die Kosten für die „Abholung und Vernichtung der Geräte durch Privatfirma“ mit EUR 140,16 und die anteiligen Lagergebühren im Polizeilager mit insgesamt EUR 176,04 aus. Weiters gab sie die Lagerdauer mit „01.02.2017 bis Vernichtungsauftrag am 26.03.2019“ und den Tagessatz pro Gerät mit EUR 0,27 (Lager K) bzw. ab 1. März 2018 mit EUR 0,18 (Lager S) an. In der Folge legte die Erstrevisionswerberin dar, wie die Lagerkosten des Glücksspielgerätes ermittelt worden seien.
6 Gegen diesen Bescheid erhob die mitbeteiligte Partei Beschwerde, in der sie im Wesentlichen vorbrachte, mit der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes vom 23. Oktober 2017 sei ihre Beschwerde abgewiesen und der Einziehungsbescheid bestätigt worden. Die Jahresfrist zur Vernichtung ihres „Gerätes“ habe somit spätestens am 22. Oktober 2018 geendet. Ihr hätten daher Lagerkosten nur bis zum 22. Oktober 2018 verrechnet werden dürfen. Überdies sei dem bekämpften Bescheid auch eine Rechnung über eine Vernichtung angeschlossen gewesen, aus der aber nicht ersichtlich sei, dass es sich um ihr „Gerät“ gehandelt habe. Der Nachweis der Vernichtung sei ihr gegenüber jedenfalls nicht erbracht worden.
7 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Verwaltungsgericht der Beschwerde insofern statt, als es die Barauslagen auf insgesamt EUR 289,74 herabsetzte. Im Übrigen wies es die Beschwerde als unbegründet ab (Spruchpunkt I.). Das Verwaltungsgericht sprach aus, dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig sei (Spruchpunkt II.).
8 Das Verwaltungsgericht führte begründend aus, die Einziehung des Glücksspielgerätes sei mit der Zustellung der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes vom 23. Oktober 2017 an die Verfahrensparteien am 30. Oktober 2017 rechtskräftig geworden. Das Glücksspielgerät hätte daher bis zum 30. Oktober 2018 vernichtet werden müssen. Die belangte Behörde habe offenbar mit der Vernichtung des Glücksspielgerätes bis zur Entscheidung über eine von der mitbeteiligten Partei erhobene außerordentliche Revision zugewartet, obwohl der Revision keine aufschiebende Wirkung zuerkannt worden sei. Allfällige aus der Rechtskraft erwachsende Vollstreckungsfolgen seien somit nicht gehemmt gewesen. Lasse die Behörde die in § 54 Abs. 3 GSpG normierte Jahresfrist ungenützt verstreichen, dann könnten die daraus erwachsenen Kosten, wie Lagerkosten, nicht auf die Bestrafte überwälzt werden, weil unter § 50 Abs. 10 GSpG nur solche Kosten, die bei der Behörde bei rechtmäßiger Verfahrensführung entstanden seien, zu verstehen seien. Im Beschwerdefall seien daher die nach dem 30. Oktober 2018 angefallenen Lagerkosten in der Höhe von EUR 26,46 vom vorgeschriebenen Gesamtbetrag abzuziehen. Im Übrigen sei die Kostenvorschreibung von § 50 Abs. 10 GSpG gedeckt und die dagegen gerichtete Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
9 Die ordentliche Revision sei zulässig, weil es keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der Frage gebe, ob bei Überziehung der Jahresfrist des § 54 Abs. 3 GSpG durch die Behörde der Bestraften die daraus entstehenden Lagerkosten als Barauslagen gemäß § 50 Abs. 10 GSpG vorgeschrieben werden dürften. Diese Rechtsfrage stelle sich in einer Vielzahl weiterer Verfahren, weil das Zuwarten der Behörde mit der Vernichtung bis zur Beendigung höchstgerichtlicher Verfahren gängige Praxis zu sein scheine.
10 Gegen dieses Erkenntnis richten sich die vorliegenden Amtsrevisionen der belangten Behörde (erstrevisionswerbende Partei) und des Bundesministers für Finanzen (zweitrevisionswerbende Partei).
Die mitbeteiligte Partei erstattete keine Revisionsbeantwortung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die wegen ihres sachlichen und persönlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen Revisionen in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
1. Zur Revision der Landespolizeidirektion Wien
11 Das angefochtene Erkenntnis wurde der erstrevisionswerbenden Partei am 16. November 2020 zugestellt. Die Revisionsfrist endete daher am Montag, 28. Dezember 2020. Die mit 23. Dezember 2020 datierte Revision wurde offensichtlich per Dienstpost, also nicht mit einem Zustelldienst im Sinne des § 2 Z 7 Zustellgesetz, an das Verwaltungsgericht übermittelt, sodass § 33 Abs. 3 AVG nicht zur Anwendung gelangt. Die Revision langte laut Eingangsstempel auf ihrem Begleitschreiben am 29. Dezember 2020 beim Verwaltungsgericht ein und erweist sich somit als verspätet.
12 An dieser Beurteilung vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass bereits vorher, nämlich innerhalb der Revisionsfrist, ein anderes, ebenfalls als „ordentliche Revision“ der belangten Behörde bezeichnetes Schriftstück, das sich auch gegen das angefochtene Erkenntnis richtete, beim Verwaltungsgericht eingelangt ist. Dieses Schriftstück, das keine Amtssignatur ausweist, trägt den handschriftlichen Vermerk „ENTWURF“ und ist nicht an das Verwaltungsgericht adressiert, sondern an ein näher bezeichnetes „Referat“. Überdies wurde es lediglich von einem „Bearbeiter“ unterfertigt. Es ist daher davon auszugehen, dass es sich dabei um ein nur irrtümlich dem Verwaltungsgericht übermitteltes behördeninternes Schriftstück handelt, das - anders als das Verwaltungsgericht in seinem Begleitschreiben zu dessen Vorlage vermeint - nicht als Revision zu werten ist.
13 Die Revision der belangten Behörde war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG als verspätet zurückzuweisen.
2. Zur Revision des Bundesministers für Finanzen
14 Die Revision erweist sich mit ihrem Vorbringen, es bestehe keine Rechtsprechung zu der Frage, ob dem Bestraften die Kosten für die Lagerung eines eingezogenen Gegenstandes nur bis zum Ablauf der Jahresfrist des § 54 Abs. 3 GSpG oder auch für die Zeit danach (bis zur Vernichtung) auferlegt werden dürften, als zulässig.
15 § 64 VStG, BGBl. Nr. 52/1991 in der Fassung BGBl. I Nr. 57/2018, lautet (auszugsweise):
„Kosten des Strafverfahrens
§ 64. (...)
(...)
(3) Sind im Zuge des Verwaltungsstrafverfahrens Barauslagen erwachsen (§ 76 AVG), so ist dem Bestraften der Ersatz dieser Auslagen aufzuerlegen, sofern sie nicht durch Verschulden einer anderen Person verursacht sind; der hienach zu ersetzende Betrag ist, wenn tunlich, im Erkenntnis (der Strafverfügung), sonst durch besonderen Bescheid ziffernmäßig festzusetzen. Dies gilt nicht für Gebühren, die dem Dolmetscher und Übersetzer zustehen, der dem Beschuldigten beigestellt wurde.
(...)“
§ 50 Abs. 10 Glücksspielgesetz - GSpG, BGBl. 620/1989 in der Fassung BGBl. I Nr. 112/2012 lautet:
„Behörden und Verfahren
§ 50. (...)
(...)
(10) Erwachsen einer Behörde bei einer Amtshandlung im Zusammenhang mit dem Beschlagnahme- oder Einziehungsverfahren Barauslagen, so sind diese den Bestraften zur ungeteilten Hand im Strafbescheid, allenfalls mittels gesonderten Bescheids, aufzuerlegen.“
§ 54 GSpG, BGBl. Nr. 620/1989 idF BGBl. I Nr. 70/2013, lautet:
„Einziehung
§ 54. (1) Gegenstände, mit denen gegen eine oder mehrere Bestimmungen des § 52 Abs. 1 verstoßen wird, sind zur Verhinderung weiterer Verwaltungsübertretungen gemäß einer oder mehrerer Bestimmungen des § 52 Abs. 1 einzuziehen, es sei denn der Verstoß war geringfügig.
(2) Die Einziehung ist mit selbständigem Bescheid zu verfügen. Dieser ist all jenen der Behörde bekannten Personen zuzustellen, die ein Recht auf die von der Einziehung bedrohten Gegenstände haben oder ein solches geltend machen und kann, soweit die Einziehung betroffen ist, von ihnen mit Beschwerde angefochten werden. Kann keine solche Person ermittelt werden, so hat die Zustellung solcher Bescheide durch öffentliche Bekanntmachung zu erfolgen.
(3) Eingezogene Gegenstände sind nach Rechtskraft des Einziehungsbescheides binnen Jahresfrist von der Behörde nachweislich zu vernichten.
(4) § 54 Abs. 1 gilt auch für vor dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes beschlagnahmte Gegenstände.“
16 Aus den genannten Vorschriften ergibt sich, dass Gegenstände, mit denen gegen eine oder mehrere Bestimmungen des § 52 Abs. 1 GSpG verstoßen wird, (außer in Bagatellfällen) zur Verhinderung weiterer solcher Verwaltungsübertretungen einzuziehen (§ 54 Abs. 1 GSpG) und nach Rechtskraft des Einziehungsbescheides binnen Jahresfrist von der Behörde nachweislich zu vernichten (§ 54 Abs. 3 GSpG) sind.
17 Die Bestimmung über den Ersatz der Barauslagen in § 50 Abs. 10 GSpG wurde durch das Abgabenänderungsgesetz 2012, BGBl. I Nr. 112/2012, dem § 50 GSpG angefügt. Die Materialien (ErläutRV 1960 BlgNR 24. GP 51 f) führen dazu aus:
„Zu Z 8 lit. b (§ 50 Abs. 10 und 11 GSpG):
Die Gewährleistung eines besonders hohen Schutzniveaus im Glücksspielsektor ist nur durch intensive und strenge Kontrollen möglich. Die Bedeutung einer genauen Aufsicht in einem sensiblen Bereich wie dem des Glücksspiels ergibt sich insbesondere vor dem Hintergrund der mit illegalem Glücksspiel einhergehenden Probleme mit kriminellen und betrügerischen Aktivitäten und dem Umstand, dass in diesem Bereich hohe Profite insbesondere bei verbotenen Ausspielungen durch gleichzeitigen Einsatz mehrerer Glücksspielgeräte erzielt werden können. Diesem Umstand wurde mit intensiven Kontrollen im Bereich illegaler Glücksspieleinrichtungen begegnet, die zu zahlreichen Strafverfahren geführt haben. Im Zuge dieser Verfahren entstehen regelmäßig Barauslagen, die Kosten für den Abtransport von Eingriffsgegenständen sowie für deren Lagerung und Vernichtung umfassen. Die Vorschreibung dieser Kosten ist den allgemeinen Bestimmungen (§ 64 Abs. 3 VStG) folgend grundsätzlich im Spruch des Strafbescheides aufzuerlegen. Es soll jedoch möglich sein, Barauslagen in einem gesonderten Bescheid festzusetzen.
Für eine effektive Geltendmachung ist aber die einfache, rasche und mit möglichst geringem Aufwand verbundene Hereinbringung der entstandenen Kosten von großer Bedeutung, da dies vor allem in Anbetracht der Vielzahl an abzuwickelnden Verfahren einen sehr hohen Verwaltungsaufwand verursacht, der einer Aufrechterhaltung oder Erhöhung der bestehenden Kontrollen zuwiderläuft. Die Solidarverpflichtung stellt diesbezüglich ein geeignetes und unbedingt notwendiges Mittel dar um den derzeit bestehenden hohen Kontrolldruck zu gewährleisten und nach Möglichkeit weiter zu erhöhen. Derzeit ist in Verfahren, die mehrere Bestrafte betreffen, regelmäßig schwer möglich die jeweiligen Anteile der Ersatzpflichtigen am Gesamtbetrag zu bestimmen und läuft - selbst bei Auferlegung zu gleichen Teilen - die in der Vollzugspraxis häufig anzutreffende Uneinbringlichkeit von Teilbeträgen einer effizienten und kostendeckenden Vollziehung zuwider. Durch die gewählte Regelung soll der ungewünscht hohe Verwaltungsaufwand in diesem Bereich verringert werden und die volle Kostentragung durch die Ersatzpflichtigen gesichert werden, sodass eine effiziente Vollziehung in einem sensiblen Bereich wie dem vorliegenden ermöglicht wird, die gemessen an den verfolgten ordnungspolitischen Zielen dieses Gesetzes und deren Bedeutung auch als unerlässlich anzusehen ist um das Angebot an illegalem Glücksspiel unattraktiv zu machen und weiter einzuschränken.
...“
18 Vor dem Inkrafttreten des § 50 Abs. 10 GSpG waren die im Zusammenhang mit dem Beschlagnahme- und Einziehungsverfahren angefallenen Kosten dem Bestraften nach den Bestimmungen des § 64 Abs. 3 VStG aufzuerlegen. Mit der nur im Bereich des GSpG anwendbaren neuen Regelung wollte der Gesetzgeber eine Verringerung des „sehr hohen“ Verwaltungsaufwands und eine „effiziente und kostendeckende Vollziehung“ der Barauslagenvorschreibung im Zusammenhang mit Beschlagnahme- und Einziehungsverfahren nach dem GSpG erreichen.
19 § 50 Abs. 10 GSpG stellt eine lex specialis zu § 64 Abs. 3 VStG dar, sodass § 64 Abs. 3 VStG in Angelegenheiten des GSpG weiterhin zur Anwendung gelangt, wenn die Vorschreibung von Barauslagen nach § 50 Abs. 10 GSpG nicht in Betracht kommt (vgl. VwGH 22.3.2021, Ra 2020/17/0132, mwN).
20 Die Ersatzpflicht nach § 50 Abs. 10 GSpG ist auf jene Barauslagen beschränkt, die der Behörde „im Zusammenhang mit dem Beschlagnahme- oder Einziehungsverfahren“ erwachsen sind. Solche Barauslagen sind nach den genannten Materialien (zur Einführung des § 50 Abs. 10 GSpG) etwa die Kosten für den Abtransport, die Lagerung und die Vernichtung beschlagnahmter bzw. eingezogener Gegenstände (vgl. auch VwGH 21.11.2018, Ra 2017/17/0322, mwN).
21 Ein „Zusammenhang mit dem Beschlagnahme- oder Einziehungsverfahren“ ist jedenfalls für Kosten anzunehmen, die der Behörde ab dem Ausspruch der vorläufigen Beschlagnahme eines Gegenstandes bis zur Rechtskraft der Entscheidung über dessen Einziehung erwachsen, wobei auch bei den Kosten für die Vernichtung des eingezogenen Gegenstandes von einem solchen Zusammenhang auszugehen ist.
22 In Bezug auf die Lagerkosten, die zwischen der Rechtskraft des Einziehungsbescheides und der tatsächlichen Vernichtung des eingezogenen Gegenstandes angefallen sind, ist ein derartiger Zusammenhang nicht zwangsläufig gegeben. Bei Lagerkosten, die etwa entstanden sind, weil die Behörde nach Rechtskraft des Einziehungsbescheides mit der Vernichtung des eingezogenen Gegenstandes bis zum Ausgang anderer Verfahren zugewartet hat, stellt sich die Frage, ob und in welchem Ausmaß ein Zusammenhang mit dem konkreten Einziehungsverfahren besteht und ob die dabei angefallenen Kosten überhaupt oder zur Gänze von der Ersatzpflicht des Bestraften nach § 50 Abs. 10 GSpG erfasst sind.
23 Dazu kommt, dass in der Praxis in vielen Fällen die Vernichtung eingezogener Gegenstände sofort nach Rechtskraft des Einziehungsbescheides nicht bzw. nur mit einem unverhältnismäßig hohen Kostenaufwand möglich sein wird. Diesem Umstand Rechnung tragend sieht § 54 Abs. 3 GSpG vor, dass die Vernichtung jedenfalls innerhalb eines Jahres nach Rechtskraft des Einziehungsbescheides zu erfolgen hat. Erfolgt die Vernichtung eines eingezogenen Gegenstandes innerhalb dieser Frist, so ist auch für die Kostenersatzpflicht des § 50 Abs. 10 GSpG davon auszugehen, dass die auf diesen Gegenstand entfallenden Lagerkosten im Zusammenhang mit dem diesbezüglichen Beschlagnahme- und Einziehungsverfahren stehen. Umgekehrt ist bei einer späteren Vernichtung von einem fehlenden Zusammenhang mit dem gegenständlichen Beschlagnahme- und Einziehungsverfahren auszugehen, sodass die in diesem Zeitraum (nach Ablauf der Jahresfrist des § 54 Abs. 3 GSpG) anfallenden Lagerkosten dem Bestraften nicht mehr im Wege des § 50 Abs. 10 GSpG auferlegt werden dürfen.
24 Dieser Beurteilung steht auch nicht die von der zweitrevisionswerbenden Partei vertretene Auffassung entgegen, dass es sich bei der Bestimmung des § 54 Abs. 3 GSpG um eine bloße Ordnungsvorschrift handle, aus der dem Eigentümer des von der Einziehung betroffenen Gegenstandes kein subjektiv-öffentliches Recht auf tatsächliche Vernichtung des eingezogenen Gegenstandes binnen Jahresfrist erwachse.
25 Ein subjektives öffentliches Recht wäre dann zu bejahen, wenn eine zwingende Vorschrift - und damit eine sich daraus ergebende Rechtspflicht zur Verwaltung - nicht allein dem öffentlichen Interesse, sondern (zumindest auch) dem Interesse einzelner zu dienen bestimmt ist. Öffentliche Interessen begründen in der Regel keine materiellen subjektiven Rechte einer Verfahrenspartei, sofern der Gesetzgeber nicht anderes anordnet (vgl. VwGH 28.8.2019, Ra 2017/17/0923, mwN). Eine solche Anordnung liegt in Bezug auf § 54 Abs. 3 GSpG nicht vor. Da im Hinblick auf § 54 Abs. 3 GSpG auch keine Pflicht zum Ersatz für die nach Ablauf der Jahresfrist anfallenden Lagerkosten besteht, ist ein Interesse einer Verfahrenspartei an der Vernichtung des eingezogenen Gegenstandes innerhalb der Jahresfrist jedenfalls nicht anzunehmen. Wenn eine Behörde mit der Vernichtung des eingezogenen Gegenstandes über die Jahresfrist des § 54 Abs. 3 GSpG hinaus zuwartet - wofür gute Gründe bestehen können -, so hat dies jedoch zur Folge, dass sie den Bestraften wegen des fehlenden Zusammenhangs mit dem konkreten Beschlagnahme- und Einziehungsverfahren nicht gemäß § 50 Abs. 10 GSpG zum Ersatz der dabei entstehenden (weiteren) Lagerkosten heranziehen darf.
26 Daraus folgt für den vorliegenden Revisionsfall, dass das Verwaltungsgericht der Beschwerde der mitbeteiligten Partei zu Recht stattgegeben und den Betrag der von der mitbeteiligten Partei zu ersetzenden Barauslagen um jene Lagerkosten, die nach Ablauf der Jahresfrist des § 54 Abs. 3 GSpG entstanden sind, vermindert hat.
27 Die Revision des Bundesministers für Finanzen war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 14. Februar 2022
Schlagworte
Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2 Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2 Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Rechtsgrundsätze Fristen VwRallg6/5European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RO2021170002.J00Im RIS seit
22.03.2022Zuletzt aktualisiert am
22.03.2022