TE Vwgh Beschluss 2022/2/23 Ra 2022/01/0025

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Veröffentlicht am 23.02.2022
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
41/02 Passrecht Fremdenrecht
49/01 Flüchtlinge

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art133 Abs4
FlKonv Art1 AbschnA Z2
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Enzenhofer sowie die Hofräte Dr. Kleiser und Dr. Fasching als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kienesberger, über die Revision des F A, in W, vertreten durch Dr. Gregor Klammer, Rechtsanwalt in 1160 Wien, Lerchenfelder Gürtel 45/11, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. Dezember 2021, Zl. W211 2235493-1/30E, betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 28. August 2020 wurde der Antrag des Revisionswerbers, eines Staatsangehörigen von Syrien, auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) abgewiesen (I.). Dem Revisionswerber wurde hingegen gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (II.) und ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 erteilt (III.).

2        Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde die Beschwerde des Revisionswerbers gegen die Nichtzuerkennung von Asyl (I.) als unbegründet abgewiesen (A) und eine Revision für nicht zulässig erklärt (B).

3        Begründend stellte das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) im Wesentlichen im Hinblick auf eine exilpolitische Tätigkeit des Revisionswerbers fest, der Revisionswerber nehme in Österreich an Demonstrationen gegen die syrische Regierung teil. Den seine Teilnahme an solchen Demonstrationen dokumentierenden Fotos sei jedoch die Unkenntlichkeit des Revisionswerbers aufgrund von Maskierung und Gesichtsbemalung zu entnehmen. Eine konkrete Bedrohung durch die syrische Regierung - oder durch andere assoziierte oder oppositionelle Milizen - wegen einer „oppositionspolitischen“ Haltung des Revisionswerbers werde nicht festgestellt.

4        Beweiswürdigend führte das BVwG hiezu aus, der Revisionswerber habe in der mündlichen Verhandlung angegeben, er sei bereits im Jahr 2017 in Österreich gewesen und habe sich damals gegen die Stellung eines Asylantrags entschieden und sei nach Syrien zurückgekehrt. Dies spreche dafür, dass der Revisionswerber zu diesem Zeitpunkt selbst nicht von einer entsprechenden Gefährdung durch die syrischen Behörden ausgegangen sei. Aufgrund von widersprüchlichen sowie wenig detaillierten Angaben des Revisionswerbers sei überdies nicht glaubwürdig, dass der Revisionswerber nicht nur in den Jahren 2011 und 2012, sondern vielmehr durchgehend bis zum Jahr 2020 an regierungskritischen Demonstrationen in Syrien teilgenommen habe. Angesichts dessen, dass der Revisionswerber in Syrien ungehindert seinen Beruf habe ausüben und reisen können, im Jahr 2019 zudem einen aktuellen syrischen Reisepass ausgestellt bekommen habe - folglich Behördenkontakt gehabt habe - und sich nahe Angehörige des Revisionswerbers nach wie vor unbehelligt in Syrien aufhalten würden, sei jedoch nicht davon auszugehen, dass der Revisionswerber der syrischen Regierung in den letzten Jahren als besonders oppositionell aktiv aufgefallen sei. Zum Vorbringen, der Revisionswerber sei in Österreich oppositionell aktiv, ergebe sich „das Bild einer entsprechend vorsichtigen Aktivität“; so sei der Revisionswerber auf den vorgelegten Fotos und Videos schwer bis nicht erkennbar. Die regierungskritische Aktivität sei „eher zurückhaltend“ erfolgt. Daher sei im Verfahren nicht ausreichend glaubhaft hervorgekommen, dass der Revisionswerber von der syrischen Regierung als oppositionell wahrgenommen worden sei oder werde und deswegen durch diese bedroht werde.

5        Gegen das angefochtenen Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

6        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

8        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

9        Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, das BVwG sei von näher bezeichneter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur exilpolitischen Betätigung abgewichen.

10       Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits mehrmals festgehalten, dass eine exilpolitische Betätigung im Ausland einen asylrelevanten Nachfluchtgrund bilden kann (vgl. VwGH 19.1.2016, Ra 2015/01/0070, VwGH 7.10.2020, Ra 2019/20/0358, und VwGH 9.12.2021, Ra 2021/18/0381, jeweils mwN). Dabei hat der Verwaltungsgerichtshof darauf hingewiesen, dass es bei der Beurteilung der Gefährdungssituation von „Rückkehrenden“ regelmäßig entscheidend darauf ankommt, ob die asylwerbende Person infolge ihrer exilpolitischen Tätigkeit ins Blickfeld der zuständigen Behörden ihres Herkunftsstaates geraten konnte. Entscheidend ist, wie die exilpolitische Tätigkeit von den Behörden des Herkunftsstaates bewertet würde und welche Konsequenzen sie für die asylwerbende Person hätte (vgl. VwGH 9.12.2021, Ra 2021/18/0381, mwN).

11       Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes soll sich das Revisionsmodell nach dem Willen des Verfassungsgesetzgebers an der Revision nach den §§ 500 ff ZPO orientieren (vgl. ErläutRV 1618 BlgNR 24. GP 16). Ausgehend davon ist der Verwaltungsgerichtshof als Rechtsinstanz tätig, zur Überprüfung der Beweiswürdigung ist er im Allgemeinen nicht berufen. Auch kann einer Rechtsfrage nur dann grundsätzliche Bedeutung zukommen, wenn sie über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung besitzt. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. für viele VwGH 21.7.2021, Ra 2021/01/0223-0224, mwN).

12       Die Prüfung, ob ein Bedarf an internationalem Flüchtlingsschutz besteht, hat je nach den individuellen Umständen des Einzelfalls zu erfolgen. Eine solche einzelfallbezogene Beurteilung ist im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel (vgl. VwGH 2.9.2019, Ro 2019/01/0009, und VwGH 21.5.2021, Ro 2020/19/0001, jeweils mwN). Der Verwaltungsgerichtshof hat auch festgehalten, dass die Glaubhaftmachung des Fluchtvorbringens einer einzelfallbezogenen Beurteilung unterliegt und im Allgemeinen nicht revisibel ist (vgl. VwGH 3.9.2021, Ra 2020/14/0282, mit Verweis auf VwGH 22.1.2021, Ra 2021/01/0003, mwN, und VwGH 29.1.2021, Ra 2020/01/0397, mwN).

13       Dass die gegenständliche Beurteilung des BVwG eine - im Revisionsmodell aufzugreifende - Unvertretbarkeit aufweisen würde, vermag der Revisionswerber in der Zulässigkeitsbegründung nicht aufzuzeigen.

14       In der Revision werden vor diesem Hintergrund keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 23. Februar 2022

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022010025.L00

Im RIS seit

22.03.2022

Zuletzt aktualisiert am

22.03.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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