Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Brenn und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Ordinationssache der Antragsteller 1. V* G*, 2. M* G*, und 3. V* OG, *, alle vertreten durch Prof. Dr. Johannes Hintermayr, Rechtsanwalt in Linz, gegen die Antragsgegnerin v* AG, Schweiz, *, über den Ordinationsantrag der Antragsteller, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Ordinationsantrag wird abgewiesen.
Text
Begründung:
[1] Die Antragsteller beabsichtigen, gegen die in der Schweiz ansässige Antragsgegnerin aufgrund des von ihnen erwirkten Urteils des Landesgerichts Korneuburg vom 18. März 2021, mit dem die Antragsgegnerin zur begehrten Unterlassung und zum Ersatz der mit 17.238,41 EUR bestimmten Prozesskosten verurteilt wurde, Exekution zu führen. Sie beantragen, das Bezirksgericht Linz, hilfsweise das Bezirksgericht Salzburg oder ein anderes inländisches Gericht als örtlich zuständiges Exekutionsgericht zu bestimmen. Die Ordinationsvoraussetzungen gemäß § 28 Abs 1 Z 2 JN seien erfüllt, weil ein Exekutionsverfahren in der Schweiz zu kostenintensiv wäre und zudem dem ordre public widerspräche. Dies ergebe sich aus einem Bericht der Arbeiterkammer Steiermark vom 15. 2. 2021, wonach „hohe finanzielle Aufwände“ für eine Exekutionsführung in der Schweiz für Forderungen österreichischer Titelinhaber gegen die Antragsgegnerin notwendig seien und „aufgrund des Schweizer Exekutionsrechts die Kosten des österreichischen Zivilverfahrens nicht und die des Schweizer Exekutionsverfahrens praktisch auch nicht zugesprochen“ würden. Außerdem gebe es in der Schweiz „gerichtsnotorisch Probleme bei der Exekutionsführung“, wenn sich der Exekutionstitel (nur) auf ein österreichisches Urteil erster Instanz gründe, weil in der Schweiz die Rechtsansicht vertreten werde, dass ein ausländisches Urteil erster Instanz nicht dem Rechtsschutz Schweizer Bürger und Firmen entspreche. Eine weitere rechtliche Schwierigkeit sei zu erwarten, weil „der Schweizer BGH“ (gemeint: das Schweizerische Bundesgericht) zu 4A_235/2020 im Zivilverfahren der Schweizerischen Eidgenossenschaft, vertreten durch das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO), Ressort Recht, gegen die Antragsgegnerin am 1. 12. 2020 entschieden habe, dass die Antragsgegnerin die Schweizer Verbraucher beim Kartenverkauf nicht täusche; daraus resultiere die „rechtliche und/oder faktische Gefahr, dass österreichische Forderungen gegenüber der Antragsgegnerin aus 'Täuschungshandlungen' (noch dazu nur aus 1. Instanz Urteilen), als gegen den kollisionsrechtlichen Schweizer Ordre-public-Vorbehalt verstoßend und daher als nichtig beurteilt werden könnten“. Zudem hätten die Antragsteller über die Arbeiterkammer Steiermark am 20. 4. 2021 eine andere Rechtssache der Antragsgegnerin betreffende Unterlagen und damit „Kenntnis von der überlangen Dauer der Verfahren zur Rechtsdurchsetzung im Exekutionsverfahren in der Schweiz erhalten“. Die Unterlagen belegten, „dass die überlange Dauer einer Rechtsdurchsetzung österreichischer Geldforderungen in der Schweiz im Exekutionswege höchst kostspielig ist und gegen den ordre public verstößt“. Die faktische Unmöglichkeit der Durchsetzung österreichischer Geldforderungen durch Exekutionsführung in der Schweiz ergebe sich auch aus der E-Mail eines (deutschen, Anm) Rechtsanwalts vom 31. 8. 2021.
Rechtliche Beurteilung
[2] Der Ordinationsantrag ist nicht berechtigt.
[3] 1. Gemäß § 28 Abs 1 Z 2 JN ist die Bestimmung eines örtlich zuständigen Gerichts durch den Obersten Gerichtshof (nur) dann zulässig, wenn die betreibende Partei ihren Wohnsitz im Inland hat und im Einzelfall die Rechtsverfolgung im Ausland nicht möglich oder unzumutbar wäre. Die in § 28 Abs 1 Z 2 JN genannten Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen. Fehlt eine davon, hat eine Ordination nicht zu erfolgen (3 Nc 29/19y [Pkt 2.] mwN).
[4] 2. Die Voraussetzungen des § 28 Abs 1 Z 2 JN sind nach § 28 Abs 4 zweiter Satz JN vom Antragsteller zu behaupten und zu bescheinigen, was auch für Exekutionssachen gilt (RS0124087).
[5] 3. Aus dem bereits aus den Ordinationsantragssachen 3 Nc 5/21x und 3 Nc 6/21v bekannten Schreiben der Arbeiterkammer Steiermark vom 15. 2. 2021 ergibt sich – wie vom Senat bereits in den genannten Rechtssachen ausgeführt – keine (generelle) Unmöglichkeit oder auch Unzumutbarkeit der Exekutionsführung in der Schweiz; im Gegenteil wird darin von zwei Fällen berichtet, in denen der zugesprochene (Kapital-)Betrag aufgrund einer Exekutionsführung in der Schweiz bei der Antragsgegnerin hereingebracht wurde. Dass sie selbst bereits erfolglos einen Exekutionsantrag in der Schweiz gestellt hätten, behaupten die Antragsteller gar nicht.
[6] 4. Das Prozesskostenargument ist nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nur in Ausnahmefällen geeignet, einen Ordinationsantrag zu begründen, weil sich die Kostenfrage bei Distanzprozessen für beide Parteien jeweils mit umgekehrten Vorzeichen stellt und daher zu Lasten des Klägers geht (3 Nc 29/19y [Pkt 3.] mwN).
[7] 5. Eine Relevanz des Ausgangs des von den Antragstellern ins Treffen geführten Schweizer Gerichtsverfahrens für die Entscheidung über die Vollstreckbarerklärung eines österreichischen Titels in der Schweiz und die anschließende Exekutionsführung aufgrund dieses Titels ist ebenfalls nicht ersichtlich. Das Argument, es bestehe die „rechtliche und/oder faktische Gefahr“, dass durch Gerichte in der Schweiz erstinstanzliche Urteile über österreichische Forderungen aus „Täuschungshandlungen“ der Antragsgegnerin als gegen den ordre public verstoßend und daher nichtig beurteilen könnten, weil zuletzt eine Entscheidung des Schweizerischen Bundesgerichts ausgesprochen habe, dass das Unternehmen der Antragsgegnerin die Verbraucher nicht täusche, geht davon aus, dass im Rahmen der exekutiven Durchsetzung des österreichischen Titels in der Schweiz eine inhaltliche Überprüfung stattfinden würde, was grundsätzlich nicht anzunehmen ist (Verbot der sogenannten revision au fond; dazu RS0002409). Davon abgesehen kann aus einer Entscheidung des Schweizerischen Bundesgerichts über eine Klage des eidgenössischen Staatssekretariats für Wirtschaft nicht abgeleitet werden, dass diese für die Prüfung eines Exekutionsantrags auf der Grundlage eines österreichischen Titels Bedeutung hätte.
[8] 6. Soweit sich die Antragsteller auf die Entscheidungen 3 Nc 26/12x und 3 Nc 24/18m berufen, so sind diese – wie bereits vom Senat zu 3 Nc 29/19y festgehalten – überholt.
[9] 7. Durch das einen anderen – dem vorliegenden im Übrigen womöglich gar nicht vergleichbaren – Fall betreffende Abrechnungskonvolut Beilage ./E wird keine Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit einer Exekutionsführung in der Schweiz für die Antragsteller bescheinigt; dies weder hinsichtlich einer unvertretbaren Kostenbelastung noch einer überlangen Dauer der exekutiven Rechtsdurchsetzung. Gleiches gilt für die Beilage ./F; dass dort die Rechtsdurchsetzung in der Schweiz „mühsam und zäh“ genannt wird, indiziert noch keine Unzumutbarkeit iSd § 28 Abs 1 Z 2 JN, ebensowenig, dass nach Ansicht des Verfassers des Schreibens, einem deutschen Rechtsanwalt, eine Forderungsbetreibung in der Schweiz nur Sinn macht, „wenn der Schuldner noch zahlungsfähig ist und die Forderung einen erheblichen Umfang hat“.
[10] Schon mangels Bescheinigung der Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit einer Exekutionsführung in der Schweiz nach § 28 Abs 1 Z 2 JN ist der Ordinationsantrag abzuweisen. Damit erübrigen sich Ausführungen dazu, ob – wie im Antrag vertreten – der Umstand, dass der Wohnsitz der Zweitantragstellerin in Deutschland liegt, einer Ordination nach § 28 Abs 1 Z 2 JN deshalb nicht entgegenstünde, „weil sie von der Drittantragstellerin gemanagt und für die Kabarettauftritte in Österreich verpflichtet wird und direkte Entgeltansprüche an die Drittantragstellerin hat und die aktiv zu betreiben die Forderung [sic!] den Antragstellern solidarisch zusteht“.
Textnummer
E133978European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2022:0030NC00002.22G.0203.000Im RIS seit
23.03.2022Zuletzt aktualisiert am
23.03.2022