Entscheidungsdatum
03.11.2021Index
90/02 KraftfahrgesetzNorm
KFG 1967 §36 liteText
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Verwaltungsgericht Wien erkennt durch seine Richterin Mag. Holl, LL.M. über die Beschwerde der Frau A. B. gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Wien, Polizeikommissariat C., vom 29.9.2021, GZ: VStV/.../2021, betreffend eine Verwaltungsübertretung nach dem Kraftfahrgesetz (KFG),
zu Recht:
I. Gemäß § 50 Abs. 1 VwGVG wird der Beschwerde insoweit Folge gegeben, als die verhängte Geldstrafe von 112,- Euro auf 100,- Euro und die für den Fall der Uneinbringlichkeit festgesetzte Ersatzfreiheitsstrafe von 22 Stunden auf 19 Stunden herabgesetzt wird.
Im Übrigen wird das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, dass die Übertretungsnormen „§ 103 Abs. 1 Z 1 KFG, BGBl. Nr. 267/1967 idF BGBl. Nr. 458/1990, iVm § 36 lit. e KFG, BGBl. Nr. 267/1967 idF BGBl. I Nr. 103/1997, iVm § 57a Abs. 5 KFG, BGBl. Nr. 267/1967 idF BGBl. I Nr. 19/2019“ und die Sanktionsnorm „§ 134 Abs. 1 KFG, BGBl. Nr. 267/1967 idF BGBl. I Nr. 9/2017“ zu lauten haben.
II. Der Beitrag zu den Kosten des behördlichen Verfahrens wird gemäß § 38 VwGVG iVm § 64 Abs. 2 VStG mit 10,- Euro festgesetzt (das sind 10% der verhängten Geldstrafe).
III. Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG hat die Beschwerdeführerin keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten.
IV. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Verfahrensgang
Am 21.6.2021 erging gegen die Beschwerdeführerin als Zulassungsbesitzerin des Fahrzeuges mit dem behördlichen Kennzeichen W-1 aufgrund einer Wahrnehmung eines Exekutivorgans der Landespolizeidirektion Wien eine Anzeige wegen einer am 14.6.2021 um 08:42 Uhr in Wien, D.-Gasse wahrgenommenen abgelaufenen Begutachtungsplakette am genannten Fahrzeug.
In weiterer Folge erging aufgrund dessen am 22.6.2021 eine Anonymverfügung gegen die Beschwerdeführerin, welche unbeantwortet blieb.
Daraufhin erließ die belangte Behörde mit Schreiben vom 10.8.2021 eine Strafverfügung gemäß § 103 Abs. 1 Z 1 iVm § 36 lit. e und § 57a Abs. 5 KFG gegen die Beschwerdeführerin und verhängte gemäß § 134 Abs. 1 KFG eine Geldstrafe von 112,- Euro.
Dagegen erhob die Beschwerdeführerin per E-Mail vom 23.8.2021 Einspruch. Darin brachte sie vor, dass ihr gegenüber auch noch eine andere Strafverfügung zur GZ: VStV/.../2021 hinsichtlich einer abgelaufenen Begutachtungsplakette am fraglichen Fahrzeug verhängt worden sei und im gegenständlichen Fall somit eine Doppelbestrafung vorliege. Nach der ersten Übertretung sei ihr von einem Beamten empfohlen worden, das Fahrzeug wegzustellen, zumal das „Pickerl“ abgelaufen sei. Daher habe sie das Fahrzeug vor ihrem Haus im …. Bezirk abgestellt bis sie einen Termin von ihrer Werkstatt bekommen habe. Zudem legte sie einen Nachweis über eine neue Begutachtung gemäß § 57a Abs. 4 KFG vom 29.6.2021 bei.
Mit Schreiben vom 29.9.2021 erging daraufhin das nunmehr angefochtene Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Wien, Polizeikommissariat C., zur GZ: VStV/.../2021, zugestellt am 4.10.2021, in dem der Beschwerdeführerin Folgendes zur Last gelegt wurde:
„1.
Datum/Zeit: 14.06.2021, 08:42 Uhr
Ort: Wien, D.-Gasse
Betroffenes Fahrzeug: Kennzeichen: W-1 (A)
Sie haben als Zulassungsbesitzer(in) des angeführten Fahrzeuges nicht dafür Sorge getragen, dass der Zustand bzw. die Ladung des genannten Fahrzeuges den Vorschriften des Kraftfahrgesetzes entspricht. Das Fahrzeug wurde zum angeführten Zeitpunkt am angeführten Ort von einem namentlich nicht bekannten Lenker verwendet, wobei festgestellt wurde, dass am PKW keine den Vorschriften entsprechende Begutachtungsplakette angebracht war. Die Gültigkeit der Plakette …, mit der Lochung 01/21 war abgelaufen.
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt:
1. § 103 Abs. 1 Z. 1 i.V.m. § 36 lit. e u. § 57a Abs. 5 KFG
Wegen dieser Verwaltungsübertretung(en) wird (werden) über Sie folgende Strafe(n) verhängt:
Geldstrafe von falls diese uneinbringlich ist, Freiheitsstrafe von Gemäß Ersatzfreiheitsstrafe von
1. € 112,00 22 Stunden § 134 Abs. 1 KFG
Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG zu zahlen:
€ 11,20 als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10% der Strafe, jedoch mindestens € 10,00 für jedes Delikt (je ein Tag Freiheitsstrafe wird gleich € 100,00 angerechnet).
Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher
€ 123,20“
Begründend führte die belangte Behörde dazu aus, dass sich die im Spruch genannte Verwaltungsübertretung auf den Akteninhalt stütze. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin, wonach im gegenständlichen Fall eine Doppelbestrafung vorliege, sei ferner nicht korrekt. Das Fahrzeug der Beschwerdeführerin sei zunächst am 11.6.2021 in Wien, E.-straße ohne gültige Begutachtungsplakette wahrgenommen worden. Diesbezüglich sei Anzeige erstattet und später eine Strafverfügung erlassen worden. Das gegenständliche Verfahren beziehe sich aber auf einen Vorfall vom 14.6.2021. Aufgrund der verschiedenen Tatorte und Tatzeiten liege somit keine Doppelbestrafung vor. Zur Strafbemessung traf die belangte Behörde im angefochtenen Straferkenntnis keinerlei Ausführungen.
In der dagegen fristgerecht erhobenen Beschwerde vom 5.10.2021 berief sich die Beschwerdeführerin eingangs neuerlich auf ihr Vorbringen aus dem Einspruch vom 23.8.2021. Zusätzlich dazu brachte sie im Wesentlichen vor, dass das fragliche Fahrzeug von einem Freund an den Abstellort vor ihrem Haus per Seil abgeschleppt worden sei. Sie habe das Fahrzeug also nicht selbst gefahren. Dabei habe sie eben nur den Anweisungen eines Beamten gefolgt und aufgrund dessen einen aufwendigen Transport durchgeführt. Die dennoch über sie verhängte Geldstrafe halte sie daher für nicht in Ordnung.
Die belangte Behörde traf keine Beschwerdevorentscheidung und legte dem Verwaltungsgericht Wien die Beschwerde sowie den Akt des Verwaltungsstrafverfahrens vor (ha. eingelangt am 27.10.2021).
II. Sachverhalt
Die Beschwerdeführerin (geb. …) hat als Zulassungsbesitzerin ihr Fahrzeug mit dem behördlichen Kennzeichen W-1 (A) am 14.6.2021 um 08:42 Uhr in Wien, D.-Gasse abgestellt. Bei der Örtlichkeit, an der das Fahrzeug abgestellt wurde, handelt es sich um eine öffentliche Verkehrsfläche. Die auf dem Fahrzeug mit dem Kennzeichen W-1 (A) zu diesem Zeitpunkt angebrachte Begutachtungsplakette … hatte die Lochung 01/2021.
Zuvor war das Fahrzeug mit dem behördlichen Kennzeichen W-1 (A) ohne gültige Begutachtungsplakette am 11.6.2021 in Wien, E.-straße abgestellt worden. Aufgrund dessen wurde über die Beschwerdeführerin im Verfahren zur GZ: VStV/.../2021 ebenfalls eine Strafverfügung verhängt. Im Zuge der hinsichtlich dieses Vorfalles ergangenen Amtshandlung wurde der Beschwerdeführerin durch den einschreitenden Beamten geraten, ihr Fahrzeug von dieser Örtlichkeit zu entfernen. Das gegenständliche Fahrzeug wurde daraufhin in Wien, D.-Gasse abgestellt.
Die Beschwerdeführerin wies zum Tatzeitpunkt keine rechtskräftigen, ungetilgten verwaltungsstrafrechtlichen Vormerkungen auf.
III. Beweiswürdigung
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Wien wurde in den erstinstanzlichen Verwaltungsstrafakt, insbesondere in die Anzeige vom 21.6.2021 und die beigefügten zwei Lichtbilder, Einsicht genommen. Ferner wurde das Beschwerdevorbringen sowie der Einspruch vom 23.8.2021 gewürdigt.
Die Feststellungen zum Abstellort des Fahrzeuges mit dem behördlichen Kennzeichen W-1 (A) und zur Gültigkeit der darauf angebrachten Begutachtungsplakette … ergeben sich aus den zwei aktenkundigen Lichtbildern, welche der Anzeige vom 21.6.2021 beigefügt waren. Der Umstand, dass das Fahrzeug der Beschwerdeführerin zum fraglichen Zeitpunkt am Tatort abgestellt war sowie der Umstand, dass die Begutachtungsplakette die Lochung 01/2021 aufwies, wurde durch die Beschwerdeführerin im Laufe des Verfahrens nie bestritten.
Die Feststellungen betreffend die Verwaltungsstrafe zur GZ: VStV/.../2021 ergeben sich aus dem Einspruch vom 23.8.2021 und der Begründung des Straferkenntnisses vom 29.9.2021, dem die Beschwerdeführerin in der Beschwerde nicht entgegengetreten ist.
Die Feststellungen zum Nichtvorliegen von verwaltungsstrafrechtlichen Vormerkungen der Beschwerdeführerin im Tatzeitpunkt ergeben sich aus der Gesamtheit des Behördenaktes, insbesondere aus dem Vorlageschreiben der belangten Behörde vom 12.10.2021.
IV. Rechtsgrundlagen
Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 23. Juni 1967 über das Kraftfahrwesen (Kraftfahrgesetz 1967 – KFG 1967), BGBl. Nr. 267/1967 idF BGBl. I Nr. 103/1997, lauten auszugsweise wie folgt:
„§ 36. AllgemeinesKraftfahrzeuge und Anhänger außer Anhängern, die mit Motorfahrrädern gezogen werden, dürfen unbeschadet der Bestimmungen der §§ 82, 83 und 104 Abs. 7 über die Verwendung von Kraftfahrzeugen und Anhängern mit ausländischem Kennzeichen und von nicht zugelassenen Anhängern auf Straßen mit öffentlichem Verkehr nur verwendet werden, wenn
(…)
e)
bei den der wiederkehrenden Begutachtung (§ 57a) unterliegenden zum Verkehr zugelassenen Fahrzeugen, soweit sie nicht unter § 57a Abs. 1b fallen, eine den Vorschriften entsprechende Begutachtungsplakette (§ 57a Abs. 5 und 6) am Fahrzeug angebracht ist.“
KFG BGBl. Nr. 267/1967 idF BGBl. I Nr. 19/2019:
„§ 57a. Wiederkehrende Begutachtung(1) Der Zulassungsbesitzer eines Fahrzeuges, ausgenommen
1.
Anhänger, mit denen eine Geschwindigkeit von 25 km/h nicht überschritten werden darf,
2.
Zugmaschinen mit einer Bauartgeschwindigkeit von nicht mehr als 25 km/h,
3.
selbstfahrende Arbeitsmaschinen und Transportkarren jeweils mit einer Bauartgeschwindigkeit von nicht mehr als 30 km/h,
4.
Motorkarren mit einer Bauartgeschwindigkeit von nicht mehr als 25 km/h,
hat dieses zu den im Abs. 3 erster Satz festgesetzten Zeitpunkten von einer hiezu gemäß Abs. 2 Ermächtigten wiederkehrend begutachten zu lassen, ob es den Erfordernissen der Verkehrs- und Betriebssicherheit entspricht und, bei Kraftfahrzeugen, ob mit dem Fahrzeug nicht übermäßig Lärm, Rauch, übler Geruch oder schädliche Luftverunreinigungen verursacht werden können; hiebei braucht jedoch die Messung des Nahfeldpegels nicht zu erfolgen, wenn keine Bedenken hinsichtlich einer Abänderung der Auspuffanlage bestehen oder das Fahrzeug nicht als lärmarmes Fahrzeug gekennzeichnet ist. Fahrzeuge mit einem höchsten zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 3 500 kg sowie historische Fahrzeuge (§ 2 Abs. 1 Z 43) sind außerdem, soweit das durch das prüfende Organ beurteilt werden kann, zu begutachten, ob sie den Vorschriften dieses Bundesgesetzes und der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen entsprechen. Bei historischen Fahrzeugen ist zusätzlich die Einhaltung der zeitlichen Beschränkungen gemäß § 34 Abs. 4 anhand der vorgelegten fahrtenbuchartigen Aufzeichnungen zu kontrollieren.
(…)
(5) Entspricht das gemäß Abs. 1 vorgeführte Fahrzeug den Erfordernissen der Verkehrs- und Betriebssicherheit und können mit ihm nicht übermäßig Lärm, Rauch, übler Geruch oder schädliche Luftverunreinigungen verursacht werden, und entspricht das Fahrzeug mit einem höchsten zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 3 500 kg oder das historische Fahrzeug – soweit dies beurteilt werden konnte – den Vorschriften dieses Bundesgesetzes und der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen, so hat der Ermächtigte eine von der Behörde ausgegebene Begutachtungsplakette, auf der das Kennzeichen des Fahrzeuges dauernd gut lesbar und unverwischbar angeschrieben ist, dem Zulassungsbesitzer auszufolgen oder am Fahrzeug anzubringen; die Begutachtungsplakette ist eine öffentliche Urkunde. Die Begutachtungsplakette ist so am Fahrzeug anzubringen, dass das Ende der gemäß Abs. 3 für die nächste wiederkehrende Begutachtung festgesetzten Frist außerhalb des Fahrzeuges stets leicht festgestellt werden kann. Die Ausfolgung oder Anbringung der Begutachtungsplakette ist in dem gemäß Abs. 4 ausgestellten Gutachten zu vermerken. Der Ermächtigte hat diese Begutachtungsplakette auf Verlangen des Zulassungsbesitzers auch ohne Begutachtung in gleicher Weise auszufolgen oder an Fahrzeugen anzubringen, an denen keine oder nur eine unlesbar gewordene Begutachtungsplakette angebracht ist, wenn der Zulassungsbesitzer nachweist, dass für das Fahrzeug gemäß Abs. 3 noch keine oder keine weitere wiederkehrende Begutachtung fällig geworden ist.
(…)“
KFG BGBl. Nr. 267/1967 idF BGBl. Nr. 458/1990:
„§ 103. Pflichten des Zulassungsbesitzers eines Kraftfahrzeuges oder Anhängers(1) Der Zulassungsbesitzer
1.
hat dafür zu sorgen, daß das Fahrzeug (der Kraftwagen mit Anhänger) und seine Beladung – unbeschadet allfälliger Ausnahmegenehmigungen oder -bewilligungen – den Vorschriften dieses Bundesgesetzes und der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen entspricht;
(…)“
KFG BGBl. Nr. 267/1967 idF BGBl. I Nr. 9/2017:
„§ 134. Strafbestimmungen(1) Wer diesem Bundesgesetz, den auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen, Bescheiden oder sonstigen Anordnungen, den Artikeln 5 bis 9 und 10 Abs. 4 und 5 der Verordnung (EG) Nr. 561/2006, der Verordnung (EU) Nr. 165/2014 oder den Artikeln 5 bis 8 und 10 des Europäischen Übereinkommens über die Arbeit des im internationalen Straßenverkehr beschäftigten Fahrpersonals (AETR), BGBl. Nr. 518/1975 in der Fassung BGBl. Nr. 203/1993, zuwiderhandelt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 5 000 Euro, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Wochen zu bestrafen. Bei der Einbringung von Fahrzeugen in das Bundesgebiet sind solche Zuwiderhandlungen auch strafbar, wenn sie auf dem Wege von einer österreichischen Grenzabfertigungsstelle, die auf ausländischem Gebiet liegt, zur Staatsgrenze begangen werden. Wurde der Täter wegen der gleichen Zuwiderhandlung bereits einmal bestraft, so kann an Stelle der Geldstrafe eine Freiheitsstrafe bis zu sechs Wochen verhängt werden. Wurde der Täter wegen der gleichen Zuwiderhandlung bereits zweimal bestraft, so können die Geldstrafe und die Freiheitsstrafe auch nebeneinander verhängt werden. Die Verhängung einer Freiheitsstrafe ist in diesen Fällen aber nur zulässig, wenn es ihrer bedarf, um den Täter von weiteren Verwaltungsübertretungen der gleichen Art abzuhalten. Auch der Versuch einer solchen Zuwiderhandlung ist strafbar.
(…)“
V. Rechtliche Beurteilung
Laut ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 36 KFG wird ein Kraftfahrzeug im Sinne der genannten Gesetzesbestimmung auch dann "verwendet", wenn es auf einer Straße mit öffentlichem Verkehr zum Halten und Parken abgestellt wird; dies trifft nicht nur für den Abstellvorgang als solchen, sondern für die gesamte Dauer des Abstellens zu (vgl. VwGH 25.1.2002, 99/02/0146).
Nach der Rechtsprechung zu § 36 lit. e KFG, der unter anderem auf § 57a Abs. 5 KFG verweist, ist wesentlich, dass eine gültige Begutachtungsplakette am Fahrzeug angebracht ist, aus der jederzeit der Ablauf der Begutachtungsfrist entnommen werden kann (vgl. VwGH 27.10.1993, 92/03/0099). Dazu ist die Begutachtungsplakette gemäß § 36 lit. e KFG iVm § 57a Abs. 5 KFG so am Fahrzeug anzubringen, dass das Ende der für die nächste wiederkehrende Begutachtung festgesetzten Frist außerhalb des Fahrzeuges stets leicht festgestellt werden kann. Zweck dieser Regelung ist die Möglichkeit, umgehend und ohne weiterführende Überlegungen feststellen zu können, ob die Begutachtungsfrist abgelaufen ist oder eben nicht. Sind Lochungen auf der Begutachtungsplakette vorhanden, lässt sich das Ende der Begutachtungsfrist so feststellen und umgehend beurteilen, ob die Begutachtungsfrist (samt Nachfrist) noch nicht abgelaufen ist (VwGH 22.11.2016, Ra 2016/02/0173).
Es kommt somit nicht darauf an, ob allenfalls eine Begutachtung fristgerecht erfolgt ist und der Fahrzeuglenker Anspruch auf die Anbringung einer gültigen Plakette hat oder bloß „im Besitz“ einer gültigen Begutachtungsplakette ist. Der Fahrzeugbesitzer hat darauf zu achten, dass sich auf seinem Fahrzeug eine gültige Begutachtungsplakette befindet, wenn er es auf einer Straße mit öffentlichem Verkehr benützt (vgl. VwGH 22.11.2016, Ra 2016/02/0173).
Im gegenständlichen Fall war das Fahrzeug der Beschwerdeführerin zur angegebenen Tatzeit in Wien, D.-Gasse abgestellt. Die auf dem Fahrzeug angebrachte Begutachtungsplakette … wies die Lochung 01/2021 auf, sodass diese nicht mehr gültig war. Dies wurde auch von der Beschwerdeführerin selbst nicht in Frage gestellt. Die nachträglich erfolgte Begutachtung vom 29.6.2021 ist für das hg. Verwaltungsstrafverfahren unerheblich.
Das Fahrzeug war überdies auf einer Straße mit öffentlichem Verkehr abgestellt. Denn entscheidend für die Wertung einer Landfläche als Straße mit öffentlichem Verkehr (vgl. § 1 Abs. 1 KFG) ist ausschließlich das Merkmal des Fußgänger- bzw. Fahrzeugverkehrs. Unter der Voraussetzung, dass eine Landfläche von jedermann unter den gleichen Bedingungen für den Fußgänger- oder Fahrzeugverkehr benützt werden kann, ist auch ein „Privatweg“ eine Straße mit öffentlichem Verkehr. Es kommt daher nicht darauf an, ob die Straße ganz oder teilweise im Privateigentum steht, sondern maßgeblich ist, dass die Gemeindestraße von jedermann unter den gleichen Bedingungen benützt werden kann (vgl. VwGH 28.11.2008, 2008/02/0228 mwN).
Im konkreten Fall war das Fahrzeug der Beschwerdeführerin laut den aktenkundigen Lichtbildern auf der für jedermann zugänglichen D.-Gasse abgestellt. Für eine gegenteilige Annahme hinsichtlich der allgemeinen Benutzbarkeit dieses Abstellortes ergaben sich im gegenständlichen Verfahren keinerlei Anhaltspunkte.
Im Lichte der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, wonach ein Kraftfahrzeug im Sinne des § 36 KFG auch dann "verwendet" wird, wenn es auf einer Straße mit öffentlichem Verkehr zum Halten und Parken abgestellt wird und dies nicht nur für den Abstellvorgang als solchen, sondern für die gesamte Dauer des Abstellens zutrifft, ist der Umstand, dass das Fahrzeug der Beschwerdeführerin infolge eines Abschleppvorganges am fraglichen Ort abgestellt wurde, für die Verwirklichung der verfahrensgegenständlichen Verwaltungsübertretung letztlich unerheblich.
Im Ergebnis entsprach sohin die Begutachtungsplakette auf dem Fahrzeug der Beschwerdeführerin mangels Gültigkeit nicht den Anforderungen des § 57a Abs. 5 KFG, weshalb der objektive Tatbestand des § 36 lit. e KFG im gegenständlichen Fall erfüllt ist.
Schließlich ist hinsichtlich des Vorbringens der Beschwerdeführerin, wonach im gegenständlichen eine unzulässige Doppelbestrafung vorliege, auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen. Demnach handelt es sich bei mehrfachem Verwenden eines Kraftfahrzeuges ohne eine dem Gesetz entsprechende Begutachtungsplakette an verschiedenen Tagen innerhalb eines bestimmten Zeitraumes nicht um ein Dauerdelikt; dies schon deshalb, weil es sich dabei nicht um die Unterlassung der Beseitigung eines rechtswidrigen Zustandes handelt (vgl. VwGH 18.10.1989, 89/02/0073). Auch ein fortgesetztes Delikt liegt nicht vor, weil für die Annahme eines solchen die Annahme eines einheitlichen Vorsatzes und eines zeitlichen und örtlichen Zusammenhanges erforderlich wäre (vgl. VwGH 26.04.1973, 601, 602/72). Das Abstellen eines Kraftfahrzeuges auf einer Straße mit öffentlichem Verkehr mit abgelaufener Begutachtungsplakette an unterschiedlichen Tagen bzw. an verschiedenen Orten bedarf jedenfalls jeweils eines eigenen Willensentschlusses, sodass die Annahme eines fortgesetzten Deliktes nicht in Betracht kommt (VwGH 22.11.2016, Ra 2016/02/0045). Da das von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführte Delikt an einem anderen Ort und an einem anderen Tag begangen wurde, liegen im gegenständlichen Fall dementsprechend zwei unabhängig voneinander begangene Verwaltungsübertretungen und somit keine Doppelbestrafung vor.
Verschulden
Gemäß § 5 Abs. 1 VStG genügt, wenn eine verwaltungsstrafrechtliche Vorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten.
Da sich die tatbildmäßige Handlung in einem bestimmten Verhalten erschöpft, ist die angelastete Verwaltungsübertretung als Ungehorsamsdelikt zu qualifizieren (vgl. VwGH 15.2.1991, 85/18/0176 zu § 36 lit. e KFG). Im Fall, dass die Tat nicht mit einer Geldstrafe von über EUR 50.000,– bedroht ist und das tatbildmäßige Verhalten festgestellt wurde, gilt bei derartigen Delikten gemäß § 5 Abs. 1 und 1a VStG die gesetzliche Vermutung einer fahrlässigen Tatbegehung. Es obliegt insofern dem Beschuldigten, glaubhaft zu machen, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.
Die Beschwerdeführerin hat im gegenständlichen Verfahren diesbezüglich kein substantiiertes Vorbringen erstattet, weshalb nicht glaubhaft gemacht werden konnte, dass ihr die Einhaltung der übertretenen Rechtsvorschrift ohne ihr Verschulden nicht möglich oder nicht zumutbar gewesen wäre. Denn als Teilnehmerin am Kraftfahrzeugverkehr mussten der Beschwerdeführerin die einschlägigen Bestimmungen des Kraftfahrgesetzes bekannt sein. Kannte sie diese Bestimmungen nicht, so hat sie sich diesbezüglich fahrlässig verhalten (vgl. VwGH 15.2.1991, 85/18/0176; Wessely in Raschauer/Wessely, VStG2 § 5 Rz 24).
Der von der Beschwerdeführerin als Rechtfertigungsgrund angeführte Umstand, wonach sie den Abschleppvorgang mit dem anschließenden Abstellen des Fahrzeuges am verfahrensgegenständlichen Tatort infolge des Rates eines Exekutivbeamten vorgenommen hätte, kann hier nicht entschuldigend wirken. Nach den eigenen Angaben der Beschwerdeführerin wies dieser sie lediglich an, das Fahrzeug vom Abstellort in Wien, E.-straße zu entfernen. Eine Aufforderung das Fahrzeug in der inkriminierten Weise vor ihrem Haus abzustellen, ist darin jedoch nicht zu erblicken. Folglich erweist sich dieses Vorbringen als ungeeignet das Verhalten der Beschwerdeführerin zu rechtfertigen.
Daher hat die Beschwerdeführerin den Tatbestand auch in subjektiver Hinsicht erfüllt.
Strafbemessung
Gemäß § 10 VStG richten sich die Strafart und der Strafsatz nach den Verwaltungsvorschriften, soweit im Verwaltungsstrafgesetz nichts anderes bestimmt ist.
Gemäß § 134 Abs. 1 KFG stellen Zuwiderhandlungen gegen die Vorschriften des Kraftfahrgesetzes eine Verwaltungsübertretung dar, die mit Geldstrafe bis zu 5.000,– Euro und im Falle ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Wochen zu bestrafen ist. Wurde der Täter wegen der gleichen Zuwiderhandlung bereits einmal bestraft, kann an Stelle der Geldstrafe gemäß § 134 Abs. 1 KFG eine Freiheitsstrafe bis zu sechs Wochen verhängt werden; wurde der Täter wegen der gleichen Zuwiderhandlung bereits zweimal bestraft, können die Geldstrafe und die Freiheitsstrafe auch nebeneinander verhängt werden. Die Verhängung einer Freiheitsstrafe ist in diesen Fällen jedoch nur dann zulässig, wenn es ihrer bedarf, um den Täter von weiteren Verwaltungsübertretungen der gleichen Art abzuhalten.
Gemäß § 19 Abs. 1 VStG bilden die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat die Grundlage für die Bemessung der Strafe. Im ordentlichen Verfahren sind gemäß § 19 Abs. 2 VStG überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Unter Berücksichtigung der Eigenheiten des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 StGB sinngemäß anzuwenden. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse sowie allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.
Gemäß § 16 Abs. 1 und 2 VStG ist zugleich mit der Geldstrafe für den Fall ihrer Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe festzusetzen, welche (ohne Bedachtnahme auf § 12 VStG) nach den Regeln der Strafbemessung festzusetzen ist und das Höchstmaß der für die Verwaltungsübertretung angedrohten Freiheitsstrafe bzw., wenn keine Freiheitsstrafe angedroht und nicht anderes bestimmt ist, zwei Wochen nicht übersteigen darf. Eine Ersatzfreiheitsstrafe von mehr als sechs Wochen ist nicht zulässig.
Bei der Bemessung der Strafe dürfen nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch Überlegungen der Spezialprävention und Generalprävention einbezogen werden (vgl. VwGH 15.5.1990, 89/02/0093, VwGH 22.4.1997, 96/04/0253, VwGH 29.1.1991, 89/04/0061).
Zweck des § 36 lit. e KFG 1967 ist die leichte Feststellbarkeit, ob die vorgeschriebenen Fristen für die wiederkehrende Begutachtung eines im Verkehr befindlichen Fahrzeuges eingehalten wurden. Es kommt daher beim Tatbestand des § 36 lit. e KFG 1967 gar nicht darauf an, ob das verwendete Kraftfahrzeug verkehrs- und betriebssicher ist (vgl. VwGH 29.1.1987, 86/02/0172). Der objektive Unrechtsgehalt der gegenständlichen Verwaltungsübertretung kann sohin selbst bei Fehlen allfälliger nachteiliger Folgen nicht als geringfügig erachtet werden (vgl VwGH 28.2.2019, Ra 2018/01/0095).
Die Beschwerdeführerin hat hier fahrlässig gehandelt, wobei sie als Zulassungsbesitzerin und damit Teilnehmerin am Kraftfahrzeugverkehr sich mit den einschlägigen Bestimmungen vertraut hätte machen müssen (zum Verschulden im Detail siehe oben), sodass nicht von einem geringen Verschulden ausgegangen werden kann.
Die in § 45 Abs. 1 Z 4 VStG genannten Umstände - geringe Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes, geringe Intensität der Beeinträchtigung dieses Rechtsgutes durch die Tat sowie geringes Verschulden - müssen kumulativ vorliegen (vgl. VwGH 20.11.2015, Ra 2015/02/0167). Anhaltpunkte, die ein Vorgehen nach § 45 Abs. 1 Z 4 VStG rechtfertigen würden, sind keine hervorgekommen, zumal hier das tatbildmäßige Verhalten des Täters gerade nicht hinter dem in der betreffenden Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt zurückbleibt (vgl. VwGH 27.2.2019, Ra 2018/04/0134, Pkt. 5.2, VwGH 9.9.2016, Ra 2016/02/0118).
Dass kein Schaden entstanden ist, kommt bei einem Ungehorsamsdelikt - wie dem hier vorliegenden – ebenfalls nicht als Milderungsgrund in Betracht (vgl. VwGH 31.3.2000, 99/02/0352).
Die Beschwerdeführerin ist laut Aktenlage verwaltungsstrafrechtlich unbescholten. Dieser Milderungsgrund wurde durch die belangte Behörde nicht berücksichtigt (vgl. VwGH 9.9.2014, Ro 2014/09/0008). Dies zeigt sich nicht nur in dem Umstand, dass das angefochtene Straferkenntnis keinerlei Ausführungen zur Strafbemessung enthält, sondern auch daran, dass die Höhe der verhängten Geldstrafe von 112,- Euro laut Strafverfügung unverändert – nach Einleitung eines ordentlichen Verfahrens – ins Straferkenntnis übernommen wurde.
Ansonsten ergaben sich im gegenständlichen Fall keine weiteren Milderungs- oder Erschwerungsgründe.
Da die Beschwerdeführerin weder im erstinstanzlichen Verwaltungsstrafverfahren vor der belangten Behörde noch im gegenständlichen Beschwerdeverfahren Angaben zu ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen bzw. zu etwaigen Sorgepflichten machte, ist von durchschnittlichen Einkommens- und Vermögensverhältnissen auszugehen (vgl. Wessely in Raschauer/Wessely VStG2 § 19 Rz 23).
Unter Bedachtnahme auf die vorangeführten Strafbemessungsgründe, insbesondere den bis dato unberücksichtigt gebliebenen Milderungsgrund der Unbescholtenheit und die fehlenden Erschwerungsgründe, war die verhängte Strafe spruchgemäß herabzusetzen, sodass diese nun tat- und schuldangemessen ist (ca. 2,2 % des Strafrahmens von bis zu 5.000,- Euro wurde ausgeschöpft). Eine weitere Herabsetzung der Strafe kam unter Berücksichtigung des objektiven Unrechtsgehaltes der Tat, des Verschuldens der Beschwerdeführerin sowie aus general- und spezialpräventiven Gründen jedoch nicht in Betracht.
Aufgrund der Herabsetzung der Geldstrafe konnte auch die Ersatzfreiheitsstrafe demensprechend verringert werden.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die im Spruch zitierte Gesetzesstelle.
Da die im angefochtenen Straferkenntnis verhängte Geldstrafe lediglich 112,- Euro beträgt (und damit eine 500,- Euro nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde) und keine Verfahrenspartei die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt hat, konnte von der Durchführung einer solchen gemäß § 44 Abs. 3 Z 3 VwGVG abgesehen werden, zumal der Sachverhalt unstrittig feststeht (hier erfolgte eine Belehrung über die Möglichkeit der Antragstellung in der Rechtsmittelbelehrung des Straferkenntnisses – VwGH 31.7.2014, Ra 2014/02/0011 und VwGH 11.9.2013, 2011/02/0072; VfGH 28.2.1997, B1382/96 u.a.).
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Wiederkehrende Begutachtung; Pflichten des Zulassungsbesitzers; Verwendung; Begutachtungsplakette; Straße mit öffentlichem Verkehr; Doppelbestrafung; StrafbemessungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2021:VGW.031.062.15368.2021Zuletzt aktualisiert am
21.03.2022