Entscheidungsdatum
19.01.2022Index
90/01 StraßenverkehrsordnungNorm
StVO 1960 §24Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
1.)
Das Verwaltungsgericht Wien erkennt durch seine Richterin Mag. Holl, LL.M. über die Beschwerde des Herrn RA Dr. A. B., LL.M. gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 67, vom 30.11.2021, GZ: MA67/…5/2021, betreffend eine Verwaltungsübertretung nach der Straßenverkehrsordnung (StVO),
zu Recht:
I. Gemäß § 50 Abs. 1 VwGVG wird der Beschwerde insoweit Folge gegeben, als die verhängte Geldstrafe von 78,- Euro auf 50,- Euro und die für den Fall der Uneinbringlichkeit festgesetzte Ersatzfreiheitsstrafe von 18 Stunden auf 12 Stunden herabgesetzt werden. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, dass im Spruch nach der Wortfolge „lt. Amtsblatt Wien 41/2018“ das Wort „abgestellt“ ergänzt wird.
II. Gemäß § 38 VwGVG iVm § 64 Abs. 1 und 2 VStG beträgt der Beitrag zu den Kosten des Verfahrens bei der belangten Behörde 10,- Euro (das ist der gesetzliche Mindestkostenbeitrag).
III. Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG hat der Beschwerdeführer keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten.
IV. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig, sofern diese nicht bereits nach § 25a Abs. 4 VwGG ausgeschlossen ist.
2.)
Das Verwaltungsgericht Wien erkennt durch seine Richterin Mag. Holl, LL.M. über die Beschwerde des Herrn RA Dr. A. B., LL.M. gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 67, vom 30.11.2021, GZ: MA67/…1/2021, betreffend eine Verwaltungsübertretung nach der Straßenverkehrsordnung (StVO),
zu Recht:
I. Gemäß § 50 Abs. 1 VwGVG wird der Beschwerde insoweit Folge gegeben, als die verhängte Geldstrafe von 78,- Euro auf 50,- Euro und die für den Fall der Uneinbringlichkeit festgesetzte Ersatzfreiheitsstrafe von 18 Stunden auf 12 Stunden herabgesetzt werden. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, dass im Spruch nach der Wortfolge „lt. Amtsblatt Wien 41/2018“ das Wort „abgestellt“ ergänzt wird.
II. Gemäß § 38 VwGVG iVm § 64 Abs. 1 und 2 VStG beträgt der Beitrag zu den Kosten des Verfahrens bei der belangten Behörde 10,- Euro (das ist der gesetzliche Mindestkostenbeitrag).
III. Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG hat der Beschwerdeführer keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten.
IV. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig, sofern diese nicht bereits nach § 25a Abs. 4 VwGG ausgeschlossen ist.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Verfahrensgang
Aufgrund von zwei Verwaltungsübertretungen nach § 24 Abs. 1 lit. a StVO, die jeweils am 20.8.2021 von Kontrollorganen der belangten Behörde mit den Kennzahlen „A3“ bzw. „A9““ wahrgenommen wurden, ergingen gegen den Beschwerdeführer als Zulassungsbesitzer des Fahrzeuges mit dem behördlichen Kennzeichen W-8 zwei Anzeigen.
In weiterer Folge richtete die belangte Behörde am 13.9.2021 zwei Anonymverfügungen an den Beschwerdeführer, mit denen hinsichtlich der angezeigten Verwaltungsübertretungen Geldstrafen von jeweils 58,- Euro vorgeschrieben wurden.
Am 30.9.2021 übermittelte der Beschwerdeführer ein als „Einspruch“ betiteltes Schreiben an die belangte Behörde, in der er sich zu den Tatvorwürfen äußerte.
Nachdem der Beschwerdeführer die in den Anonymverfügungen verhängten Geldstrafen auch nach einer Korrespondenz mit der belangten Behörde nicht entrichtete, erließ diese zwei Strafverfügungen vom 18.10.2021, in denen sie über den Beschwerdeführer jeweils eine Geldstrafe in Höhe von 78,- Euro und eine Ersatzfreiheitsstrafe von 18 Stunden verhängte.
Dagegen erhob der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 3.11.2021 Einspruch und äußerte sich darin abermals zu den Tatvorwürfen.
Mit dem angefochtenen Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 67, vom 30.11.2021, GZ: MA67/…5/2021, zugestellt am 3.12.2021, wurde dem Beschwerdeführer daraufhin Folgendes zur Last gelegt:
„1.
Datum/Zeit: 20.08.2021, 11:49 Uhr
Ort: 1010 Wien, C.-straße 4
Betroffenes Fahrzeug: Kennzeichen: W-8 (A)
Sie haben das angeführte Fahrzeug im Bereich des Verbotszeichens „Halten und Parken verboten“ mit dem Zusatz „Anwohnerparken 1. Bezirk lt. Amtsblatt Wien 41/2018“, wobei die im Amtsblatt genannten Ausnahmen auf das von Ihnen abgestellte Fahrzeug nicht zutrafen.“
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt:
1. § 24 Abs. 1 lit. a StVO
Wegen dieser Verwaltungsübertretung(en) wird (werden) über Sie folgende Strafe(n) verhängt:
Geldstrafe von falls diese uneinbringlich ist, Freiheitsstrafe von Gemäß Ersatzfreiheitsstrafe von
1. € 78,00 18 Stunden § 99 Abs. 3 lit.a StVO
Weitere Verfügungen (zB Verfallsausspruch, Anrechnung von Vorhaft):
Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG zu zahlen:
€ 10,00 als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10% der Strafe, jedoch mindestens € 10,00 für jedes Delikt.
Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher
€ 88,00“
Mit dem angefochtenen Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 67, vom 30.11.2021, GZ: MA67/…1/2021, zugestellt am 3.12.2021, wurde dem Beschwerdeführer überdies Folgendes zur Last gelegt:
„1.
Datum/Zeit: 20.08.2021, 09:02 Uhr
Ort: 1010 Wien, D.-gasse 9
Betroffenes Fahrzeug: Kennzeichen: W-8 (A)
Sie haben das angeführte Fahrzeug im Bereich des Verbotszeichens „Halten und Parken verboten“ mit dem Zusatz „Anwohnerparken 1. Bezirk lt. Amtsblatt Wien 41/2018“, wobei die im Amtsblatt genannten Ausnahmen auf das von Ihnen abgestellte Fahrzeug nicht zutrafen.“
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt:
1. § 24 Abs. 1 lit. a StVO
Wegen dieser Verwaltungsübertretung(en) wird (werden) über Sie folgende Strafe(n) verhängt:
Geldstrafe von falls diese uneinbringlich ist, Freiheitsstrafe von Gemäß Ersatzfreiheitsstrafe von
1. € 78,00 18 Stunden § 99 Abs. 3 lit.a StVO
Weitere Verfügungen (zB Verfallsausspruch, Anrechnung von Vorhaft):
Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG zu zahlen:
€ 10,00 als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10% der Strafe, jedoch mindestens € 10,00 für jedes Delikt.
Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher
€ 88,00“
Begründend führte die belangte Behörde dazu jeweils aus, es sei unbestritten, dass das gegenständliche Fahrzeug zum Tatzeitpunkt an der in Rede stehenden Örtlichkeit abgestellt gewesen sei. Im Zeitraum vom 1.8.2021 bis 31.8.2021 habe für dieses Fahrzeug keine behördliche Ausnahmebewilligung bestanden, die den Beschwerdeführer zur Inanspruchnahme des Anrainerparkens im 1. Wiener Gemeindebezirk ermächtigt hätte. Die objektiven Voraussetzungen für die Strafbarkeit seien somit gegeben gewesen. Der Umstand, dass dem Beschwerdeführer vom Magistratischen Bezirksamt kein Erinnerungsschreiben betreffend die Verlängerung der Ausnahmebewilligung zugesendet worden sei, erweise sich im gegenständlichen Fall als unerheblich, zumal auf die Zusendung eines solchen Schreibens kein Rechtsanspruch bestehe, da es sich hierbei lediglich um eine freiwillige Serviceleistung der Magistratischen Bezirksämter handle. Ein entsprechender Hinweis, wonach man sich nicht auf ein solches Schreiben verlassen solle, finde sich ferner auch auf der Internetseite der Stadt Wien. Der Beschwerdeführer hätte die Gültigkeit seines Parkklebers überdies jederzeit in seinem Bescheid nachsehen oder aber auch im Internet abrufen können. Im Ergebnis wäre es somit jedenfalls in seiner Verantwortung gelegen die Ausnahmebewilligung zu verlängern, weshalb sein dahingehendes Vorbringen nicht schuldbefreiend wirken könne. Dem Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach die verhängten Strafen im Laufe des Verfahrens unzulässigerweise mehrmals erhöht worden seien, entgegnete die belangte Behörde, dass sich der Strafbetrag nur deshalb erhöht habe, da der Beschwerdeführer weder die Anonymverfügung noch die Organstrafverfügung bezahlt habe, weshalb infolgedessen ein Verwaltungsstrafverfahren, bei dem höhere Strafbeträge zu verhängen seien, einzuleiten gewesen sei. Hinsichtlich der Strafbemessung führte die belangte Behörde ferner aus, dass hierbei die Einkommens- und Vermögensverhältnisse sowie allfällige Sorgepflichten, soweit diese der Behörde bekannt waren, berücksichtigt und zudem auf eventuell vorhandene verwaltungsstrafrechtliche Vormerkungen Bedacht genommen worden sei.
Die dagegen fristgerecht per E-Mail vom 29.12.2021 erhobene Beschwerde richtet sich gegen die gegenständlichen Straferkenntnisse sowie gegen zwei weitere Straferkenntnisse der belangten Behörde nach dem Parkometergesetz, welche den abgelaufenen Parkkleber auf dem Fahrzeug des Beschwerdeführers betreffen. Begründend führte der Beschwerdeführer darin im Wesentlichen aus, er habe bei der Beantragung seines „Parkpickerls“ die Option gewählt, von der Stadt Wien vor Ablauf des „Parkpickerls“ eine Zahlungserinnerung für dessen Erneuerung per E-Mail zu erhalten. Diese Erinnerung habe der Beschwerdeführer nicht erhalten, weswegen ihm im Juli bzw. im August 2021 nicht bewusst gewesen sei, dass er das „Parkpickerl“ erneuern müsse. Der Beschwerdeführer habe in dem guten Glauben gehandelt über ein gültiges „Parkpickerl“ zu verfügen und zu Recht darauf vertrauen können vor dessen Ablauf eine Erinnerung für dessen Erneuerung zu erhalten. Der Beschwerdeführer hätte bei Erhalt der Erinnerung in jedem Fall rechtzeitig um Verlängerung seines „Parkpickerls“ angesucht; er habe dies auch umgehend nach Kenntnis gemacht (gültig ab 1.9.2021). Die Behörde biete das Service eines Erinnerungsschreibens ausdrücklich an und sei das Ablaufdatum auf dem Aufkleber selbst auch nicht mehr ersichtlich. Jeder sorgfältige und umsichtige Verkehrsteilnehmer würde sich auf die Auskunft der Behörde verlassen, eine rechtzeitige Erinnerung für die Verlängerung des „Parkpickerls“ zu erhalten. Eine Evidenzhaltung der Gültigkeitsdauer sei dem Verkehrsteilnehmer unter diesen Umständen nicht zumutbar. Aus dem Umstand, dass die verhängten Strafen im Laufe des Verfahrens stets erhöht worden seien, sei ersichtlich, dass es der belangten Behörde allein um eine Bestrafung um der Bestrafung willen gehe, ohne Augenmaß und ohne Rücksicht auf die mangelnde Vorwerfbarkeit des Verhaltens des Beschwerdeführers.
Daneben sei dem Beschwerdeführer sein Verhalten zu Unrecht mehrfach zur Last gelegt worden. Hätte der Beschwerdeführer zum Tatzeitpunkt über ein gültiges „Parkpickerl“ verfügt, hätte er als Anrainer weder die ihm in den Parallelverfahren zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen nach dem Parkometergesetz noch jene der StVO verwirklicht. Aufgrund der Ähnlichkeit der äußeren Begleitumstände, nämlich der örtlichen Naheverhältnisse, dem unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang und dem, den ursprünglichen vier Organstrafverfügungen zugrundeliegendem Handeln, sei das Tatgeschehen als ein Einheitliches zu beurteilen. Dieses könne, wenn überhaupt, dem Beschwerdeführer nur einmal als Verwaltungsübertretung vorgeworfen werden. Es liege somit auch eine unzulässige Mehrfachbestrafung vor. Eine mündliche Verhandlung wurde nicht beantragt.
Die belangte Behörde traf keine Beschwerdevorentscheidungen und legte dem Verwaltungsgericht Wien die Beschwerde sowie die Akten der Verwaltungsverfahren vor (ha. eingelangt am 5.1.2022). Eine mündliche Verhandlung wurde nicht beantragt.
II. Sachverhalt
Der Beschwerdeführer (geb. …, Rechtsanwalt) stellte am 12.8.2019 als Arbeitnehmer des Zulassungsbesitzers des Personen- bzw. Kombinationskraftwagens mit dem Kennzeichen W-8 einen Antrag auf Erteilung einer Ausnahmebewilligung gemäß § 45 Abs. 4 StVO und § 43 Abs. 2a Z 1 StVO im 1. Wiener Gemeindebezirk, gültig in der Zeit von 12.8.2019 bis 31.7.2021. Hierbei stimmte der Beschwerdeführer einem „Datenabgleich“, welcher für die automatische Versendung von Zahlscheinen bei Ablauf der beantragten Ausnahmebewilligung erforderlich ist, zu. Eine entsprechende Ausnahmebewilligung wurde dem Beschwerdeführer umgehend am selben Tag bis 31.7.2021 erteilt.
Dem Beschwerdeführer wurde vor Ablauf der Ausnahmebewilligung keine Erinnerung zur Verlängerung derselben zugesendet. Auf der Internetseite der Stadt Wien (https://www.wien.gv.at/amtshelfer/verkehr/parken/kurzparkzone/ parkpickerl.html) findet sich diesbezüglich folgender Hinweis, der unter „Gültigkeit abfragen“ überdies einen Link zu einer Website (https://mein.wien.gv.at/Meine-Amtswege/?parkpickerl-gueltigkeitsabfrage#dss-meine-amtswege-parkpickerl-gueltigkeit-modal) enthält, auf der sich die Gültigkeitsdauer eines „Parkpickerls“ abfragen lässt:
„Tipp:
Wenn Sie schon ein Parkpickerl haben und Ihr Hauptwohnsitz und das Kennzeichen des Autos gleich geblieben sind, schickt Ihnen die Stadt Wien 2 Monate vor Ablauf der Gültigkeit 2 Zahlungsanweisungen zu. Das Auto muss außerdem auf Sie und ihren Hauptwohnsitz zugelassen sein (ausgenommen Firmenfahrzeuge). Eine Zahlungsanweisung ist für die Verlängerung um 1 Jahr, der andere für die Verlängerung um 2 Jahre. Sie können für 1 Jahr oder für 2 Jahre einzahlen und so ganz einfach Ihr Parkpickerl erneuern.
Hier können Sie abfragen, ob und wie lange ihr Parkpickerl gültig ist: Gültigkeit abfragen
Wichtig:
Es kann passieren, dass Sie keine Zahlungsanweisung zugeschickt bekommen. Verlassen Sie sich nicht darauf!
Wenn Sie keine Zahlungsanweisung bekommen haben, müssen Sie einen Antrag für ein neues Parkpickerl stellen. Machen Sie das spätestens 4 Wochen, bevor die Gültigkeit Ihres alten Parkpickerls endet.“
Der Beschwerdeführer stellte das Fahrzeug mit dem behördlichen Kennzeichen W-8 am 20.8.2021 um 09:02 Uhr in 1010 Wien, D.-gasse 9 im Bereich des Verbotszeichens „Halten und Parken verboten“ mit dem Zusatz „Anwohnerparken 1. Bezirk lt. Amtsblatt Wien 41/2018“ ab.
Wenig später stellte der Beschwerdeführer das Fahrzeug mit dem behördlichen Kennzeichen W-8 am 20.8.2021 um 11:49 Uhr in 1010 Wien, C.-straße 4 im Bereich des Verbotszeichens „Halten und Parken verboten“ mit dem Zusatz „Anwohnerparken 1. Bezirk lt. Amtsblatt Wien 41/2018“ ab.
Erst mit Bescheid vom 25.08.2021 zur GZ: …-2021 wurde die Ausnahmebewilligung für das Kraftfahrzeug mit dem Kennzeichen W-8 für den Zeitraum vom 1.9.2021 bis 31.8.2023 neuerlich gewährt.
Aufgrund dieser beiden Vorfälle wurden gegen den Beschwerdeführer die gegenständlichen Straferkenntnisse vom 30.11.2021 zu den GZ: MA67/…1/2021 und MA67/…5/2021 sowie zwei weitere Straferkenntnisse zu den GZ: MA67/…8/2021 und MA67/…4/2021 betreffend Verwaltungsübertretungen nach § 5 Abs. 2 Parkometerabgabeverordnung iVm § 4 Abs. 1 Parkometergesetz erlassen.
Der Beschwerdeführer ist verwaltungsstrafrechtlich unbescholten.
III. Beweiswürdigung
Das Verwaltungsgericht Wien hat Einsicht genommen in die Behördenakten und das Beschwerdevorbringen gewürdigt.
Die Feststellungen betreffend das Abstellen des Fahrzeuges an den genannten Örtlichkeiten in 1010 Wien sowie die Gültigkeitsdauer der Ausnahmebewilligungen für das o.g. Fahrzeug wurden im Laufe des gesamten Verfahrens nie bestritten (siehe dazu auch die aktenkundigen Bescheide des Magistrates der Stadt Wien vom 12.8.2019 zur GZ: …-2019 und vom 25.8.2021 zur GZ: …-2021 sowie die Fotos des Meldungslegers im Akt).
Die Feststellung, wonach der Beschwerdeführer vom zuständigen Bezirksamt zu keinem Zeitpunkt eine Erinnerung zur Verlängerung des „Parkpickerls“ erhalten hat, ergibt sich aus seinem schlüssigen Vorbringen, an dessen Richtigkeit das Verwaltungsgericht keinerlei Zweifel hegt (siehe dazu auch die Niederschrift vom 12.8.2019 zur GZ: …-2019, woraus sich die Zustimmung zum „Datenabgleich“ ergibt).
Der festgestellte Hinweistext der belangten Behörde ist eindeutig auf der Homepage unter https://www.wien.gv.at/amtshelfer/verkehr/parken/ kurzparkzone/parkpickerl.html ersichtlich (incl. Link auf die Abfragemaske betreffend die Gültigkeit des „Parkpickerls“), worauf auch bereits in den Straferkenntnissen hingewiesen wurde.
Die Feststellungen zu den parallel zu den gegenständlichen Verfahren ergangenen Straferkenntnissen nach dem Parkometergesetz folgen aus dem Beschwerdevorbringen.
Das Nichtvorliegen von etwaigen Vormerkungen des Beschwerdeführers ergibt sich aus den Aktenvermerken der belangten Behörde vom 25.11.2021.
IV. Rechtsgrundlagen
Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 6. Juli 1960, mit dem Vorschriften über die Straßenpolizei erlassen werden (Straßenverkehrsordnung 1960 – StVO 1960), BGBl. Nr. 159/1960 idF BGBl. Nr. 412/1976, lauten auszugsweise:
„§ 24. Halte- und Parkverbote.(1) Das Halten und das Parken ist verboten:
a)
im Bereich des Vorschriftszeichens „Halten und Parken verboten“ nach Maßgabe der Bestimmungen des § 52 Z 13b, (…)“
StVO BGBl. Nr. 159/1960 idF BGBl. I Nr. 37/2019:
„§ 52. Die Vorschriftszeichen
a) Verbots- oder Beschränkungszeichen
13b. „HALTEN UND PARKEN VERBOTEN“
Dieses Zeichen zeigt mit der Zusatztafel „ANFANG“ den Beginn und mit der Zusatztafel „ENDE“ das Ende eines Straßenabschnittes an, in dem das Halten und Parken verboten ist. Das Verbot bezieht sich auf die Straßenseite, auf der sich dieses Zeichen befindet.
Eine Zusatztafel mit der Aufschrift „AUSGENOMMEN ZUSTELLDIENSTE“ zeigt an, dass das rasche Auf- oder Abladen geringer Warenmengen vom Halteverbot ausgenommen ist.
Eine Zusatztafel mit der Aufschrift „AUSGENOMMEN LADETÄTIGKEIT“ zeigt eine Ladezone an.
Hinsichtlich weiterer Zusatztafeln gelten die Bestimmungen der Z 13a sinngemäß.“
StVO BGBl. Nr. 159/1960 idF BGBl. I Nr. 39/2013:
„§ 99. Strafbestimmungen.
(…)
3) Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe bis zu 726 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen, zu bestrafen,
a) wer als Lenker eines Fahrzeuges, als Fußgänger, als Reiter oder als Treiber oder Führer von Vieh gegen die Vorschriften dieses Bundesgesetzes oder der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen verstößt und das Verhalten nicht nach den Abs. 1, 1a, 1b, 2, 2a, 2b, 2c, 2d, 2e oder 4 zu bestrafen ist.“
V. Rechtliche Beurteilung
Bei der Übertretung nach § 24 Abs. 1 StVO kann mit dem Oberbegriff "abgestellt" über "halten" und "parken" das Auslangen gefunden werden (vgl. VwGH 22.3.1989, 85/18/0238, VwGH 12.8.1994, 94/02/0310).
Die in § 52 lit. a Z 13a und Z 13b StVO angeführten Zusatztafeln sind demonstrativ aufgezählt (vgl. VwGH 28.3.1963, 1127/62).
Ziel der Anwohner-Zone ist es, der Wohnbevölkerung Parkplätze in unmittelbarer Nähe ihrer Wohnung zu verschaffen und den Parkplatzsuchverkehr zu reduzieren (zur Zulässigkeit des verordneten Anrainerparkens im 1./8. Bezirk siehe auch VfGH 12.12.2016, E 1997/2015 u.a.).
Anzumerken ist in diesem Zusammenhang, dass die Übertretung des Gebotes des § 24 Abs. 1 StVO auch dann strafbar ist, wenn durch das gebotswidrige Halten oder Parken eine Gefährdung anderer Straßenbenützer oder eine Verkehrsbeeinträchtigung nicht eingetreten ist (vgl. VwGH 29.10.1982, 81/02/0039).
Im gegenständlichen Fall steht unbestritten fest, dass der Beschwerdeführer das Fahrzeug am 20.8.2021 um 09:02 Uhr in 1010 Wien, D.-gasse 9 und um 11:49 Uhr in 1010 Wien, C.-straße 4 im Bereich des Verbotszeichens „Halten und Parken verboten“ mit dem Zusatz „Anwohnerparken 1. Bezirk lt. Amtsblatt Wien 41/2018“ abstellte, ohne hierfür eine gültige Genehmigung aufzuweisen, zumal diese mit 31.7.2021 ablief und erst mit 1.9.2021 erneuert wurde.
Der Beschwerdeführer hat den objektiven Tatbestand des § 24 Abs. 1 lit. a StVO somit in beiden Fällen jedenfalls erfüllt.
Verschulden
Gemäß § 5 Abs. 1 VStG genügt, wenn eine verwaltungsstrafrechtliche Vorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten.
Im Fall, dass die Tat nicht mit einer Geldstrafe von über EUR 50.000,– bedroht ist und das tatbildmäßige Verhalten festgestellt wurde, gilt bei Ungehorsamsdelikten gemäß § 5 Abs. 1 und 1a VStG die gesetzliche Vermutung einer fahrlässigen Tatbegehung. Es obliegt insofern dem Beschuldigten, glaubhaft zu machen, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.
Bei der Übertretung des § 24 Abs. 1 lit. a StVO handelt es sich um ein Ungehorsamsdelikt, sodass es am Beschwerdeführer liegt, den Nachweis dafür zu erbringen, dass er gegen die bezogene Verwaltungsvorschrift ohne sein Verschulden, und zwar auch nicht fahrlässig, verstoßen hat (vgl. VwGH 25.7.2013, 2012/07/0079).
Im gegenständlichen Fall bringt der Beschwerdeführer insofern fehlendes Verschulden vor, als er einwendet, dass er im guten Glauben darauf vertraut hätte, vor Ablauf der Gültigkeit seines Parkklebers eine Erinnerung von der belangten Behörde zu erhalten. Deshalb treffe ihn an der unterbliebenen Verlängerung der Genehmigung und den daraus resultierenden Verstößen gegen § 24 Abs. 1 lit. a StVO keine Schuld.
Der Beschwerdeführer hat im gegenständlichen Verfahren diesbezüglich kein substantiiertes Vorbringen erstattet, weshalb nicht glaubhaft gemacht werden konnte, dass ihm die Einhaltung der übertretenen Rechtsvorschrift ohne sein Verschulden nicht möglich oder nicht zumutbar gewesen wäre. Denn als Teilnehmer am Kraftfahrzeugverkehr mussten dem Beschwerdeführer die einschlägigen Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung bekannt sein. Kannte er diese Bestimmungen nicht, so hat er sich diesbezüglich fahrlässig verhalten (vgl. Wessely in Raschauer/Wessely, VStG2 § 5 Rz 24 mit Verweis auf u.a. VwGH 4.8.2005, 2005/17/0056 und VwGH 24.5.2013, 2010/02/0120). Er hat demnach auch einschlägige Entwicklungen bzw. Änderungen der Rechtslage zu beobachten (VwGH 11.9.1997, 96/07/0223); eine Verpflichtung der Behörde auf solche Änderungen hinzuweisen besteht hingegen nicht (VwGH 13.6.1989, 89/08/0042). Das Gebot des Bekanntmachens umfasst erforderlichenfalls auch Erkundigungspflichten (vgl. Wessely in Raschauer/Wessely, VStG2 § 5 Rz 25, mwN).
Nach der Rechtsprechung zu § 5 Abs. 1 VStG kann nur eine auf einer vollständigen Sachverhaltsgrundlage erteilte, unrichtige Rechtsauskunft durch die zuständige Behörde als Entschuldigungsgrund bei Gesetzesverstößen anerkannt werden. Unterlässt der Beschuldigte die Einholung einer solchen Auskunft durch die zuständige Behörde, kann er deswegen einem Schuldspruch nicht mit Erfolg entgegentreten (vgl. VwGH 26.4.2016, Ro 2015/09/0014; VwGH 12.11.2013, 2012/09/0133).
Auskünften der zuständigen Behörde sind Informationen gleichzuhalten, die von dieser im Internet oder Publikationen bereitgestellt werden, soweit sie eindeutig und auch nicht erkennbar unvollständig oder bloß beispielhaft sind und kein Zweifel darüber bestehen kann, dass sie für den konkreten Sachverhalt relevant sind (vgl. VwGH 31.7.2014, 2013/02/0278).
Im Lichte dieser Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes steht einer Schuldbefreiung des Beschwerdeführers – wie von der belangten Behörde bereits richtigerweise angemerkt wurde – der eindeutige Hinweis auf der Homepage der Stadt Wien entgegen, wonach sich Inhaber eines gültigen „Parkpickerls“ nicht auf die Zusendung einer Zahlungsanweisung verlassen dürften (siehe dazu auch BFG 12.2.2020, RV/7500033/2020; BFG 7.4.2021, RV/7500210/2021; BFG 14.10.2021, RV/7500573/2021, wonach es sich um eine Serviceleistung der Stadt Wien handelt, worauf kein Rechtsanspruch bestand). Zur Erkenntnis der tatsächlichen Rechtslage – also des Ablaufs der Gültigkeit des Parkklebers bzw. der Ausnahmegenehmigung – hätte es im gegenständlichen nicht einmal eine aktive Kontaktaufnahme mit der zuständigen Behörde erfordert. Ein rechtskonformes Verhalten wäre dem Beschwerdeführer vielmehr bereits durch einen Blick auf die erwähnte Homepage der zuständigen Behörde und durch Verwendung des darauf verlinkten Tools zur Überprüfung der Gültigkeit möglich gewesen. Für das Verwaltungsgericht ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte, weshalb dem Beschwerdeführer dies nicht zumutbar gewesen sein sollte, zumal die Stadt Wien ausdrücklich darauf hinweist, dass derartige Schritte zu setzen sind.
Im Ergebnis erfüllt der Beschwerdeführer daher auch die subjektive Tatseite des angelasteten Deliktes und es ist von einem fahrlässigen Verhalten auszugehen.
Strafbemessung
Gemäß § 10 VStG richten sich die Strafart und der Strafsatz nach den Verwaltungsvorschriften, soweit im Verwaltungsstrafgesetz nichts anderes bestimmt ist.
Gemäß § 99 Abs. 3 lit. a StVO begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 726 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen, zu bestrafen, wer als Lenker eines Fahrzeuges, als Fußgänger, als Reiter oder als Treiber oder Führer von Vieh gegen die Vorschriften dieses Bundesgesetzes oder der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen verstößt und das Verhalten nicht nach den Abs. 1, 1a, 1b, 2, 2a, 2b, 2c, 2d, 2e oder 4 zu bestrafen ist.
Gemäß § 19 Abs. 1 VStG bilden die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat die Grundlage für die Bemessung der Strafe. Im ordentlichen Verfahren sind gemäß § 19 Abs. 2 VStG überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Unter Berücksichtigung der Eigenheiten des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 StGB sinngemäß anzuwenden. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse sowie allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.
Gemäß § 16 Abs. 1 und 2 VStG ist zugleich mit der Geldstrafe für den Fall ihrer Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe festzusetzen, welche (ohne Bedachtnahme auf § 12 VStG) nach den Regeln der Strafbemessung festzusetzen ist und das Höchstmaß der für die Verwaltungsübertretung angedrohten Freiheitsstrafe bzw., wenn keine Freiheitsstrafe angedroht und nicht anderes bestimmt ist, zwei Wochen nicht übersteigen darf. Eine Ersatzfreiheitsstrafe von mehr als sechs Wochen ist nicht zulässig.
Bei der Bemessung der Strafe dürfen nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch Überlegungen der Spezialprävention und Generalprävention einbezogen werden (vgl. VwGH 15.5.1990, 89/02/0093; VwGH 22.4.1997, 96/04/0253; VwGH 29.1.1991, 89/04/0061).
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes werden durch Verletzungen von Halte- und Parkverboten nicht bloß fiskalische Interessen, sondern insbesondere auch das öffentliche Interesse an der Abstellplatzbewirtschaftung beeinträchtigt (vgl. VwGH 25.5.1998, 98/17/0163). Der objektive Unrechtsgehalt der gegenständlichen Verwaltungsübertretungen kann sohin selbst bei Fehlen allfälliger nachteiliger Folgen nicht als geringfügig erachtet werden.
Der Beschwerdeführer hat hier fahrlässig gehandelt, wobei er als Teilnehmer am Kraftfahrzeugverkehr sich mit den einschlägigen Bestimmungen vertraut hätte machen müssen (zum Verschulden im Detail siehe oben). Es kann daher nicht von einem geringen Verschulden ausgegangen werden.
Selbst wenn man im gegenständlichen Fall dem Vorbringen des Beschwerdeführers folgen und von einem geringfügigen Verschulden ausginge, liegen im gegenständlichen Fall die Voraussetzungen für eine Einstellung bzw. eine Ermahnung nach § 45 Abs. 1 Z 4 VStG nicht vor. Die in § 45 Abs. 1 Z 4 VStG genannten Umstände – geringe Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes, geringe Intensität der Beeinträchtigung dieses Rechtsgutes durch die Tat sowie geringes Verschulden – müssen kumulativ vorliegen (vgl. VwGH 20.11.2015, Ra 2015/02/0167). Dabei ist neben der Intensität der Rechtsgutbeeinträchtigung durch die Tat und dem Verschulden des Beschuldigten auf die abstrakte Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes abzustellen (vgl. VwGH 18.12.2018, Ra 2016/04/0148 mit Verweis auf Kneihs in Raschauer/Wessely, VStG2 § 45, Rz 8). Demnach kann § 45 Abs. 1 Z 4 VStG, selbst wenn nur geringes Verschulden vorliegt und der schädigende Erfolg im Wesentlichen ausgeblieben ist, nicht angewendet werden, wenn das geschützte Rechtsgut abstrakt besonders bedeutsam ist. Da § 24 Abs. 1 lit. a StVO aber gerade nicht bloß fiskalische Interessen, sondern insbesondere auch das öffentliche Interesse an der Abstellplatzbewirtschaftung schützt (siehe dazu auch VfGH 12.12.2016, E 1997/2015 u.a. zum knappen Parkraum im innerstädtischen Bereich), ist davon auszugehen, dass es sich dabei abstrakt um ein Rechtsgut mit besonderer Bedeutung handelt (dazu ebenfalls Kneihs in Raschauer/Wessely, VStG2 § 45, Rz. 8). Ein Vorgehen nach § 45 Abs. 1 Z 4 VStG kommt daher angesichts der besonderen Bedeutung des durch die Bestimmung des § 24 Abs. 1 lit. a StVO geschützten Rechtsguts im gegenständlichen Fall nicht in Betracht.
Dass kein Schaden entstanden ist, kommt bei einem Ungehorsamsdelikt - wie dem hier vorliegenden – ebenfalls nicht als Milderungsgrund in Betracht (vgl. VwGH 31.3.2000, 99/02/0352, VwGH 16.12.1998, 98/03/0222).
Der Beschwerdeführer war zum Tatzeitpunkt verwaltungsstrafrechtlich unbescholten. Die belangte Behörde implizierte in den angefochtenen Straferkenntnissen zwar, dass dieser Umstand als Milderungsgrund berücksichtigt wurde, setzte die in den vorangegangenen Strafverfügungen vom 18.10.2021 verhängten Geldstrafen jedoch nicht herab. Die Bestimmung des § 19 Abs. 1 VStG enthält jene objektiven Kriterien, die Grundlage für die Strafbemessung sind, egal ob diese mittels Organmandat, Strafverfügung oder im ordentlichen Verfahren erfolgt. Darüber hinaus normiert § 19 Abs. 2 VStG für das ordentliche Verfahren eine Reihe weiterer zu berücksichtigender subjektiver Umstände, darunter insbesondere die Erschwerungs- und Milderungsgründe (siehe VwGH 12.12.1995, 94/09/0197). Dieser Systematik zufolge sind die Erschwerungs- und Milderungsgründe erst im ordentlichen Verfahren – also fallbezogen erst nach einem zulässigen Einspruch gegen die Strafverfügung (vgl. § 49 Abs. 2 VStG) - zu berücksichtigen (vgl. Weilguni in Lewisch/Fister/Weilguni, VStG2 § 19, Rz 6). In den gegenständlichen Verfahren wurden die verhängten Geldstrafen trotz Hervortretens der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit in den ordentlichen Verfahren daher nicht (ausreichend) berücksichtigt, sodass eine Strafherabsetzung möglich war. Hinzu tritt auch, dass der Beschwerdeführer umgehend eine neue Ausnahmebewilligung beantragte, welche mit 1.9.2021 ausgestellt wurde.
Ansonsten ergaben sich im gegenständlichen Fall keine weiteren Milderungs- oder Erschwerungsgründe.
Da der Beschwerdeführer weder in den erstinstanzlichen Verwaltungsstrafverfahren vor der belangten Behörde noch in den gegenständlichen Beschwerdeverfahren Angaben zu seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen bzw. zu etwaigen Sorgepflichten machte, wurden durchschnittliche Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Beschwerdeführers (Rechtsanwalt) angenommen (vgl. Wessely in Raschauer/Wessely VStG2 § 19, Rz 23).
Unter angemessener Berücksichtigung der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit des Beschwerdeführers und in Ermangelung von Erschwerungsgründen waren die verhängten Strafen spruchgemäß herabzusetzen und erweisen sich in Anbetracht des bis zu 726,- Euro reichenden gesetzlichen Strafrahmens nun als tat- und schuldangemessen (liegen im untersten Bereich - ca. 6,9 % des Strafrahmens wurde ausgeschöpft). Eine weitere Herabsetzung der Strafen kam jedoch unter Berücksichtigung des objektiven Unrechtsgehaltes der Taten, des Verschuldens des Beschwerdeführers sowie aus general- und spezialpräventiven Gründen nicht in Betracht.
Aufgrund der Herabsetzung der Geldstrafen konnten auch die Ersatzfreiheitsstrafen demensprechend verringert werden.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die im Spruch zitierte Gesetzesstelle.
Zum Vorbringen der Doppelbestrafung:
Der EGMR hat in seiner Rechtsprechung zu Art 4 des 7. Zusatzprotokolls zur EMRK Kriterien entwickelt, nach denen die Frage der Doppelbestrafung zu prüfen und zu beurteilen ist. Seine Judikatur hat der EGMR in der Entscheidung vom 15.11.2016 in der Rs A und B/Norwegen, 24130/11, (Rn. 131 bis 134) wie folgt zusammengefasst: Werden gegen eine Person aus ein- und demselben Vorfall von verschiedenen Behörden in verschiedenen Verfahren mehrere Sanktionen verhängt, die als Strafen im Sinne der EMRK angesehen werden können, so liegt kein Verstoß gegen das Doppelbestrafungsverbot vor, wenn ein ausreichend enger Zusammenhang zwischen den Verfahren gegeben war, und zwar sowohl inhaltlich ("in substance") als auch zeitlich ("in time"). Bei einem solchen engen Zusammenhang kann nämlich nicht davon gesprochen werden, dass der Betroffene nach einer endgültigen Entscheidung wegen derselben Sache nochmals bestraft worden ist. Die Verfahren werden vielmehr als Einheit betrachtet. Um von einem ausreichend engen inhaltlichen Zusammenhang ausgehen zu können, sind nach der Rechtsprechung des EGMR mehrere Faktoren entscheidend: Zum einen ist maßgeblich, ob die verschiedenen Verfahren auch verschiedene Zwecke verfolgen und damit, nicht bloß abstrakt, sondern auch konkret, verschiedene Aspekte des in Rede stehenden Fehlverhaltens sanktioniert werden. Zum anderen ist zu beachten, ob die unterschiedlichen Verfahren für den Beschuldigten vorhersehbar waren, ob die Verfahren so aufeinander abgestimmt sind, dass eine doppelte Beweisaufnahme und unterschiedliche Beweiswürdigung möglichst vermieden bzw. Beweisergebnisse in den jeweils anderen Verfahren berücksichtigt werden, und, vor allem, ob die später auferlegte Sanktion auf die bereits erfolgten vorangegangen Sanktionen Bedacht nimmt, sodass die Gesamtstrafe als verhältnismäßig anzusehen ist. Selbst wenn diese inhaltlichen Kriterien erfüllt sind, ist zusätzlich erforderlich, dass zwischen den in Rede stehenden Verfahren ein enger zeitlicher Zusammenhang besteht, also die Verfahren möglichst gleichzeitig geführt und abgeschlossen werden (vgl. VwGH 11.10.2017, Ra 2017/03/0020; VwGH 24.4.2018, Ro 2017/03/0016).
Weiters hielt der Verwaltungsgerichtshof in diesem Zusammenhang auch fest, dass eine Verfolgung wegen ein und desselben tatsächlichen Verhaltens nach zwei verschiedenen Straftatbeständen dann zulässig ist, wenn sich die Straftatbestände in ihren wesentlichen Elementen unterscheiden (vgl. VwGH 27.4.2016, 2013/05/0099, mwN).
Im Lichte der dargestellten höchstgerichtlichen Judikatur besteht sowohl im Verhältnis zwischen den beiden verfahrensgegenständlichen Straferkenntnissen betreffend die Übertretungen nach § 24 Abs. 1 lit. a StVO als auch im Verhältnis zwischen den beiden verfahrensgegenständlichen Straferkenntnissen und den beiden anderen Straferkenntnissen betreffend das Parkometergesetz keine Doppelbestrafung.
So handelt es sich bei den zwei verfahrensgegenständlichen Übertretungen des § 24 Abs. 1 lit. a StVO um kein fortgesetztes Delikt, welches eine separate Bestrafung der beiden Handlungen ausschließen würde. Ein solches fortgesetztes Delikt liegt nach der Rechtsprechung dann vor, wenn eine Reihe von rechtswidrigen Einzelhandlungen aufgrund der Gleichartigkeit der Begehungsform und der Ähnlichkeit der äußeren Begleitumstände im Rahmen eines noch erkennbaren zeitlichen Zusammenhangs sowie eines diesbezüglichen Gesamtkonzepts des Täters zu einer Einheit zusammentreten. Als objektive Voraussetzungen für das Vorliegen eines fortgesetzten Deliktes müssen sowohl gleichartige Einzelhandlungen als auch ein Angriff auf dasselbe Rechtsgut gegeben sein und die einzelnen Handlungen dürfen nicht durch einen zu großen Zeitraum unterbrochen werden. Darüber hinaus müssen die Einzelakte im Sinne der subjektiven Komponente von einem einheitlichen Willensentschluss getragen sein (vgl. VwGH 25.9.2019, Ra 2019/09/0120).
Das Abstellen eines Kraftfahrzeuges an verschiedenen Orten und Zeiten bedarf nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes aber jedenfalls eines jeweils eigenen Willensentschlusses, sodass die Annahme eines fortgesetzten Deliktes nicht in Betracht kommt (vgl. VwGH 22.11.2016, Ra 2016/02/0045). Ebenso liegt ein fortgesetztes Delikt deshalb nicht vor, weil für die Annahme eines solchen neben der Annahme eines einheitlichen Vorsatzes auch ein zeitlicher und örtlicher Zusammenhang erforderlich wäre (vgl. VwGH 26.04.1973, 601, 602/72). Abgesehen von dem Umstand, dass sich beide Vorfälle am selben Tag ereigneten, ist ein solcher Zusammenhang zwischen den beiden verfahrensgegenständlichen Vorfällen nicht zu erblicken.
Auch ein Dauerdelikt ist zu verneinen; dies schon deshalb, weil es sich hier nicht um die Unterlassung der Beseitigung eines rechtswidrigen Zustandes handelt. Indem der Beschwerdeführer an unterschiedlichen Orten und Zeiten das Kfz ohne Ausnahmebewilligung abstellte, hat er zwei voneinander getrennte Verwaltungsübertretungen zu verantworten (vgl. VwGH 22.11.2016, Ra 2016/02/0045).
Daneben stellt schließlich auch der Umstand, dass die beiden Abstellvorgänge jeweils sowohl nach § 24 Abs. 1 lit. a StVO als auch nach dem Parkometergesetz bestraft wurden, keine Doppelbestrafung dar, zumal die verschiedenen Verfahren verschiedene Zwecke verfolgen und damit konkret verschiedene Aspekte des in Rede stehenden Fehlverhaltens sanktioniert werden (vgl. VwGH 24.4.2018, Ro 2017/03/0016). Denn es ist für die Abgabepflicht nach dem Parkometergesetz ohne rechtliche Relevanz, ob nach den Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung das Halten innerhalb des Bereiches einer gebührenpflichtigen Kurzparkzone erlaubt ist oder nicht, weil auch solche Straßenstücke von der Kurzparkzone nicht ausgenommen sind. Die durch die Straßenverkehrsordnung und das Parkometergesetz geschützten Rechtsgüter sind nicht identisch (vgl. VwGH 23.10.1985, 84/17/0076; VwGH 26.2.2003, 2002/17/0350). Die beiden Verfahren waren für den Beschwerdeführer aufgrund ihrer gesetzlichen Determinierung auch vorhersehbar und es wird insgesamt für die erhobenen Vorwürfe keine Strafe verhängt, die unverhältnismäßig wäre. Auch zeitlich liegen die Verfahren nicht allzu weit auseinander (zur zulässigen Übertragung der Parkometerstrafen in Wien an das BFG siehe auch VfGH 27.2.2015, G 139/2014) und das Verwaltungsgericht hat die Rechtsprechung des Bundesfinanzgerichtes ebenfalls berücksichtigt (vgl. BFG 12.2.2020, RV/7500033/2020; BFG 7.4.2021, RV/7500210/2021; BFG 14.10.2021, RV/7500573/2021).
Im Ergebnis liegen daher keine Doppelbestrafungen vor, weshalb die beiden verfahrensgegenständlichen Straferkenntnisse zu Recht ergingen.
Schließlich war der Spruch der angefochtenen Straferkenntnisse um das Wort „abgestellt“ – welches bereits jeweils im Spruch der Strafverfügungen vom 18.10.2021 enthalten war und sohin eine Verfolgungshandlung iSd § 32 Abs. 2 VStG gesetzt wurde – zu ergänzen (vgl. VwGH 16.3.2016, Ro 2014/04/0072).
Da die verhängten Geldstrafen in den angefochtenen Straferkenntnissen den Betrag von 500,- Euro jeweils nicht übersteigen und keine Verfahrenspartei die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragte, konnte von der Durchführung einer solchen gemäß § 44 Abs. 3 Z 3 VwGVG abgesehen werden, zumal der Sachverhalt unstrittig feststand (hier erfolgte eine Belehrung über die Möglichkeit der Antragstellung in der Rechtsmittelbelehrung der Straferkenntnisse – VwGH 31.7.2014, Ra 2014/02/0011; VwGH 11.9.2013, 2011/02/0072; VwGH 26.2.2016, Ra 2015/12/0042 bzgl. rechtskundiger Beschwerdeführer; VfGH 28.2.1997, B 1382/96 u.a.).
Eine Revision des Beschwerdeführers wegen Verletzung in Rechten gemäß Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG ist im vorliegenden Fall gemäß § 25a Abs. 4 VwGG nicht zulässig, weil es sich um eine Verwaltungsübertretung handelt, für die eine Geldstrafe von weniger als 750,– Euro verhängt werden durfte und lediglich eine Geldstrafe von jeweils 50,- Euro verhängt wurde.
Im Übrigen ist die ordentliche Revision unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Halte- und Parkverbote; Anwohnerzone; Gefährdung anderer Straßenbenützer; Abstellen; Verschulden; Ungehorsamsdelikt; Fahrlässigkeit; Parkkleber; Auskünfte der zuständigen Behörde im Internet; Schuldbefreiung; Strafbemessung; DoppelbestrafungsverbotEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2022:VGW.031.062.157.2022Zuletzt aktualisiert am
21.03.2022