Entscheidungsdatum
13.01.2022Norm
EisenbahnG 1957 §49 Abs2Text
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich fasst durch Dr. Flendrovsky als Einzelrichter über die Beschwerde des Landes Niederösterreich, vertreten durch A, Rechtsanwalt in ***, ***, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 2. April 2013, ***, betreffend Sicherung einer Eisenbahnkreuzung (weitere Parteien: 1. B AG in ***, vertreten durch die C Rechtsanwälte OG, ***, ***; 2. Gemeinde ***, vertreten durch den Bürgermeister, ***, ***, 3. Bundesminister für Arbeit, Verkehrsarbeitsinspektorat, ***, ***) den
BESCHLUSS:
1. Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 2 VwG-ÜbG iVm § 28 Abs. 1 erster Halbsatz und § 31 Abs. 1 VwGVG als unzulässig zurückgewiesen.
2. Gegen diesen Beschluss ist eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 und 9 B-VG iVm § 25a Abs. 1 VwGG nicht zulässig.
Begründung:
I. Sachverhalt und Verfahrensgang
1. Zur Vorgeschichte wird auf den Beschluss des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 21. August 2020, LVwG-AV-292/001-2019, sowie auf das dazu ergangene Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 8. Februar 2021, ***, verwiesen. Die Parteien des nunmehrigen Beschwerdeverfahrens waren mit Ausnahme des Bundesministers für Arbeit (dem die beiden Entscheidungen vom Landesverwaltungsgericht mit der Beschwerde zur Kenntnis gebracht wurden, vgl. unten 3.) auch Parteien dieser Verfahren.
Folgendes sei nochmals hervorgehoben bzw. ergänzt:
1.1. Die B AG (in der Folge nur: Gesellschaft) betreibt die Eisenbahnstrecke *** – *** – *** (eine Nebenbahn). In deren km *** befindet sich eine Kreuzung mit einer Straße mit öffentlichem Verkehr.
1.2. Die Bahnstrecke verläuft im Kreuzungsbereich auf dem im Eigentum der Gesellschaft stehenden Grundstück Nr. ***, KG ***. An dieses schließt in nördlicher Richtung das Grundstück Nr. ***, KG ***, an, das im Eigentum des beschwerdeführenden Landes Niederösterreich (in der Folge nur: Land) steht und auf dem die von diesem erhaltene Landesstraße *** (parallel zur Eisenbahn) verläuft. Die Eisenbahnkreuzung entsteht durch eine annähernd rechtwinkelige Abzweigung von der *** (noch zur Gänze auf dem Grundstück Nr. ***) nach Süden, die dann über das Grundstück Nr. *** (insbesondere die Bahngeleise) führt und in das im Eigentum der Gemeinde *** (in der Folge nur: Gemeinde) stehende Grundstück Nr. ***, KG ***, mündet. Auf diesem verläuft die Straße in südlicher Richtung weiter und wird von der Gemeinde erhalten.
Ca. 20 m nördlich der Grenze zwischen den Grundstücken Nr. *** und *** zweigt von der *** die Landesstraße *** ab, die über das ebenfalls im Eigentum des Landes stehende Grundstück Nr. ***, KG ***, in Richtung Norden führt.
1.3. Die Eisenbahnkreuzung war zunächst auf Grund eines Berufungsbescheides der damaligen Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT) vom 30. September 2011 gemäß § 4 EKVO 1961 durch Andreaskreuze und Gewährleisten des erforderlichen Sichtraumes gesichert.
1.4. Die belangte Behörde führte am 24. April 2012 eine erste mündliche Verhandlung betreffend die Sicherung der Kreuzung durch.
1.5. Der damalige Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz (Verkehrsarbeitsinspektorat) beantragte am 14. September 2012, die belangte Behörde möge anordnen, dass die Kreuzung künftig auf Grundlage der am 1. September 2012 in Kraft getretenen EisbKrV durch eine Lichtzeichenanlage zu sichern sei.
1.6. Daraufhin führte die Behörde am 10. Oktober 2012 eine weitere mündliche Verhandlung durch, in der ein Amtssachverständiger für Eisenbahntechnik und -betrieb ein Gutachten erstattete. Darin gelangte er zu dem Ergebnis, es sei nunmehr eine Sicherung der Kreuzung durch Lichtzeichen mit Schranken erforderlich.
1.7. Der (bei den Verhandlungen nicht anwesende) Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz schloss sich in seiner Stellungnahme zum Verhandlungsprotokoll vom 12. November 2012 den Ausführungen des Amtssachverständigen an und beantragte dementsprechend nunmehr eine Sicherung der Eisenbahnkreuzung durch Lichtzeichen mit Schranken.
1.8. Mit dem angefochtenen Bescheid ordnete die belangte Behörde für „die Eisenbahnkreuzung in km *** mit einer Gemeindestraße“ gemäß § 4 Abs. 1 Z 4 EisbKrV eine Sicherung durch Lichtzeichen mit Schranken und die Ausführung als Vollschrankenanlage mit gleichzeitigem Schließen der Schrankenbäume bis spätestens 31. März 2015 an. Darüber hinaus wurde (auf Grund einer entsprechenden Anregung des Bundesministers) das Anbringen eines elektronischen Läutewerks vorgeschrieben.
Dieser Bescheid wurde der Gesellschaft am 4. April 2013 zugestellt, darüber hinaus am 8. April 2013 auch dem Bundesminister. In der Zustellverfügung ist weiters die Gemeinde angeführt, nicht jedoch das Land, das auch zu den vorangegangenen Verhandlungen nicht geladen worden war.
1.9. In weiterer Folge richteten im März 2016 die Gemeinde und im April 2016 auch die Gesellschaft Anträge auf Entscheidung über die Kosten für die Sicherung der Eisenbahnkreuzung an die belangte Behörde. Diese bestimmte mit Bescheid vom 9. Jänner 2019 die Höhe der Kosten und ordnete – ungeachtet des Vorbringens der Gemeinde im Verfahren, dass sie jedenfalls nicht alleinige Trägerin der Straßenbaulast im Bereich der Eisenbahnkreuzung sei – an, dass diese von der Gemeinde und der Gesellschaft je zur Hälfte zu tragen seien.
1.10. Mit dem vorgenannten Beschluss des Landesverwaltungsgerichtes vom 21. August 2020 wurde dieser Bescheid auf Grund von Beschwerden der Gemeinde und der Gesellschaft nach § 28 Abs. 3 VwGVG aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die belangte Behörde zurückverwiesen.
Wesentlicher (wenn auch nicht alleiniger) Grund der Aufhebung war das gänzliche Fehlen von Feststellungen zur Frage, wer Träger der Straßenbaulast nördlich der Eisenbahnkreuzung sei.
1.11. Im Beschwerdeverfahren hatte das Landesverwaltungsgericht einen Antrag nach Art. 140 B-VG auf Aufhebung von Teilen des § 49 Abs. 2 EisbG, in eventu von § 49 Abs. 2 und § 48 Abs. 2 bis 4 EisbG (jeweils zur Gänze) an den Verfassungsgerichtshof gestellt, den dieser mit dem Erkenntnis VfSlg. 20.362/2020 im Hauptantrag zurückwies. Das Eventualbegehren wurde abgewiesen.
In den Entscheidungsgründen hielt der Verfassungsgerichtshof fest, dass (entgegen der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes) den Trägern der Straßenbaulast bei verfassungskonformer Interpretation des § 49 Abs. 2 EisbG im Verfahren über die Sicherung einer Eisenbahnkreuzung Parteistellung zukomme.
1.12. Von der belangten Behörde, vom Land und von der Gesellschaft gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichtes erhobene Revisionen wurden mit dem vorgenannten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 8. Februar 2021 als unbegründet abgewiesen.
2. Mit Schreiben vom 16. März 2021 übermittelte die Behörde den angefochtenen Bescheid auch dem Land „mit dem Ersuchen um Kenntnisnahme“. Die Zustellung (an den Rechtsvertreter des Landes) erfolgte am 18. März 2021.
Das Land erhob daraufhin am 15. April 2021 die vorliegende Beschwerde mit dem Hauptbegehren, diese als unzulässig zurückzuweisen. In eventu beantragt das Land, den angefochtenen Bescheid aufzuheben. Die Beschwerde wird alleine damit begründet, dass das Land an der Eisenbahnkreuzung nicht Träger der Straßenbaulast und damit nicht Partei des Verfahrens sei.
Die Beschwerde wurde von der belangten Behörde samt dem zugehörigen elektronischen Verwaltungsakt am 26. April 2021 dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich zur Entscheidung vorgelegt.
3. Das Gericht übermittelte die Beschwerde am 12. Oktober 2021 den übrigen Parteien samt der Möglichkeit, innerhalb von zwei Wochen dazu Stellung zu nehmen und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu beantragen.
Die Gesellschaft beantragte mit Schriftsatz vom 21. Oktober 2021 die Zurückweisung, in eventu die Abweisung der Beschwerde.
Die Gemeinde erstattete am 22. Oktober 2021 eine Stellungnahme (ohne konkrete Antragstellung), in der sie wie schon im Verwaltungsverfahren die Auffassung vertrat, das Land sei jedenfalls im nördlichen, möglicherweise auch im gesamten Bereich der Eisenbahnkreuzung Träger der Straßenbaulast.
Der (nunmehr für das Verkehrsarbeitsinspektorat zuständige) Bundesminister für Arbeit äußerte sich zur Beschwerde nicht.
4. Dieser Sachverhalt bzw. Verfahrensgang ergibt sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt sowie aus dem Gerichtsakt und wird insoweit weder in der Beschwerde noch in einer der dazu eingelangten Stellungnahmen bestritten.
II. Rechtsvorschriften
1. § 3 Abs. 2 erster Satz des Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetzes (VwG-ÜbG), BGBl. I 33/2013, lautet auszugsweise:
„§ 3. […]
(2) Ist […] in einem Mehrparteienverfahren ein Bescheid, gegen den eine Berufung zulässig ist, bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 zwar gegenüber mindestens einer Partei, aber nicht gegenüber allen Parteien, denen gegenüber er zu erlassen war, erlassen worden, so kann von den Parteien, denen gegenüber dieser Bescheid nach Ablauf des 31. Dezember 2013 erlassen wird, innerhalb von vier Wochen Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG beim Verwaltungsgericht erhoben werden. […]“
2. Nach dem im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides geltenden Art. 103 Abs. 4 des Bundes-Verfassungsgesetzes (B-VG), BGBl. 1/1930 idF BGBl. I 100/2003, ging der Instanzenzug in den Angelegenheiten der mittelbaren Bundesverwaltung, sofern die Entscheidung in erster Instanz dem Landeshauptmann zustand und bundesgesetzlich nicht anderes bestimmt war, bis zum zuständigen Bundesminister.
Nach dem heute geltenden Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG idF BGBl. I 51/2012 erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit. Nach Art. 132 Abs. 1 Z 1 B-VG kann gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben, wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet.
3. Die maßgeblichen Bestimmungen des Verwaltungsgerichtsverfahrens-gesetzes (VwGVG), BGBl. I 33/2013 idF BGBl. I 109/2021, lauten:
„[…]
Anzuwendendes Recht
§ 17. Soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, sind auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
[…]
Verhandlung
§ 24. (1) Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
(2) Die Verhandlung kann entfallen, wenn
1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist […]
[…]
Prüfungsumfang
§ 27. Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es den angefochtenen Bescheid und die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) […] zu überprüfen.
Erkenntnisse
§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
[…]
(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
[…]
(5) Hebt das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid auf, sind die Behörden verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtes entsprechenden Rechtszustand herzustellen.
[…]
Beschlüsse
§ 31. (1) Soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss.
[…]“
4. Gemäß § 8 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), BGBl. 51, sind Personen, die eine Tätigkeit der Behörde in Anspruch nehmen oder auf die sich die Tätigkeit der Behörde bezieht, Beteiligte. Insoweit sie an der Sache vermöge eines Rechtsanspruches oder eines rechtlichen Interesses beteiligt sind, sind sie Parteien.
5. Gemäß § 12 Abs. 2 Z 1 des Eisenbahngesetzes 1957 (EisbG), BGBl. 60 in der im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides geltenden Fassung BGBl. I 25/2010, war der Landeshauptmann für alle Angelegenheiten der Nebenbahnen einschließlich des Verkehrs auf nicht vernetzten Nebenbahnen zuständig.
Gemäß § 49 Abs. 1 erster Satz EisbG setzt der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie durch Verordnung fest, in welcher Weise schienengleiche Eisenbahnübergänge nach dem jeweiligen Stand der Technik einerseits und nach den Bedürfnissen des Verkehrs andererseits entsprechend zu sichern sind und inwieweit bestehende Sicherungseinrichtungen an schienengleichen Eisenbahnübergängen weiterbelassen werden dürfen.
Gemäß § 49 Abs. 2 EisbG hat über die im Einzelfall zur Anwendung kommende Sicherung die Behörde nach Maßgabe der örtlichen Verhältnisse und Verkehrserfordernisse zu entscheiden.
6. Die maßgeblichen Bestimmungen des Arbeitsinspektionsgesetzes 1993 (ArbIG), BGBl. 27/1993 idF BGBl. I 61/2021, lauten:
„[…]
Beteiligung der Arbeitsinspektion an Verwaltungsverfahren und an Verfahren der Verwaltungsgerichte
§ 12. (1) In Verwaltungsverfahren in Angelegenheiten, die den Arbeitnehmerschutz berühren, ist das zuständige Arbeitsinspektorat (§ 15 Abs. 7) Partei. Dies gilt auch für das Verfahren der Verwaltungsgerichte.
[…]
Zentral-Arbeitsinspektorat
§ 16. (1) Die Arbeitsinspektorate unterstehen unmittelbar dem Zentral-Arbeitsinspektorat, dem die oberste Leitung und zusammenfassende Behandlung der Angelegenheiten der Arbeitsinspektion sowie die Aufsicht über die Tätigkeit der Arbeitsinspektorate obliegt. Der Leiter/die Leiterin des Zentral-Arbeitsinspektorates (der Zentral-Arbeitsinspektor/die Zentral-Arbeitsinspektorin) untersteht direkt dem Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz.
[…]
Übergangsbestimmungen
§ 26. (1) […]
(8) Hinsichtlich jener Betriebsstätten und Arbeitsstellen, die bis zum Ablauf des 30. Juni 2012 gemäß § 1 VAIG 1994 in den Wirkungsbereich des Verkehrs-Arbeitsinspektorates gefallen sind, obliegen abweichend von § 16 bis zur Neuregelung des Gegenstandes durch eine Verordnung nach § 14 Abs. 4 die nach diesem Bundesgesetz den Arbeitsinspektoraten zustehenden Aufgaben und Befugnisse dem Zentral-Arbeitsinspektorat.
[…]“
III. Rechtliche Beurteilung
1. Der angefochtene Bescheid wurde vor dem 31. Dezember 2013 erlassen.
Wie sich aus § 12 Abs. 1 Z 1 EisbG iVm Art. 103 Abs. 4 B-VG idF BGBl. I 100/2003 ergibt, war gegen ihn im Zeitpunkt seiner Erlassung (grundsätzlich) eine Berufung an den zuständigen Bundesminister zulässig.
Da es sich beim Sicherungsverfahren nach § 49 Abs. 2 EisbG um ein Mehrparteienverfahren handelt (VfSlg. 20.362/2020; im Hinblick auf die sich aus dem ArbIG ergebende Parteistellung des für das Verkehrsarbeitsinspektorat zuständigen Bundesministers galt dies selbst nach der bisherigen Rechtsprechung des VwGH, vgl. das Erk. vom 05.09.2018, Ro 2018/03/0017, mwN) und der angefochtene Bescheid am 31. Dezember 2013 bereits gegenüber mehreren Parteien erlassen war, richtet sich die Beschwerdelegitimation des Landes (dem gegenüber der Bescheid zu diesem Zeitpunkt nicht erlassen war) zunächst nach § 3 Abs. 2 erster Satz VwG-ÜbG.
Dieser erklärt die Erhebung einer Beschwerde nach Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG innerhalb von vier Wochen ab der Erlassung (= Zustellung) für zulässig.
2. Wie der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu entnehmen ist, können nach dem (die Legitimation zur Erhebung von Bescheid-beschwerden nach Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG näher regelnden) Art. 132 Abs. 1 Z 1 B-VG nur diejenigen natürlichen oder juristischen Personen eine Beeinträchtigung von Rechten mit Beschwerde bei einem Verwaltungsgericht geltend machen, denen in einem vorangegangenen Verwaltungsverfahren Parteistellung zukam oder zuerkannt wurde. Parteistellung im Verwaltungsverfahren und die Befugnis zur Beschwerde-erhebung an ein Verwaltungsgericht hängen nach der innerstaatlichen Rechtslage somit unmittelbar zusammen (VwGH 30.09.2020, Ra 2019/10/0070, mwN).
3. Daraus folgt nach Ansicht des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich, dass einer Beschwerde wie der vorliegenden, die sich alleine auf die Behauptung stützt, nicht Partei des vorangegangenen Verwaltungsverfahrens gewesen zu sein, von Vornherein die Berechtigung zu ihrer Erhebung fehlt (wie auch die Gesellschaft in ihrer Stellungnahme zur Beschwerde ausgeführt hat). Denn die Beschwerde kann bei Zutreffen dieser Behauptung (also einer gänzlichen „Wahrunterstellung“ des Beschwerdevorbringens, das Land sei nicht Träger der Straßenbaulast; vgl. dazu etwa VwGH 05.10.2020, Ra 2020/19/0092) niemals zu einer Abänderung des angefochtenen Bescheides (auch nicht zu einer mit dem Eventualbeschwerde-begehren beantragten „Aufhebung“, wie immer diese zu verstehen sein mag, vgl. dazu noch unten 6.) führen.
Dies zeigt sich auch darin, dass nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes das zur Erhebung einer Bescheidbeschwerde nach Art. 132 Abs. 1 Z 1 B-VG erforderliche Rechtsschutzinteresse im objektiven Interesse des Beschwerdeführers an einer Beseitigung des angefochtenen, ihn beschwerenden Verwaltungsaktes besteht. Dieses Interesse wird daher immer dann zu verneinen sein, wenn es für die Rechtsstellung des Beschwerdeführers keinen Unterschied (mehr) macht, ob der angefochtene Bescheid aufrecht bleibt oder aufgehoben wird bzw. wenn die Erreichung des Verfahrenszieles für den Beschwerdeführer keinen Nutzen hat, die in der Beschwerde aufgeworfenen Rechtsfragen soweit also nur (mehr) theoretische Bedeutung besitzen (VwGH 26.06.2018, Ra 2018/05/0022, mwN).
Das – mit der behaupteten fehlenden Parteistellung im Einklang stehende –Hauptbegehren auf Zurückweisung der Beschwerde verfolgt kein derartiges Rechtsschutzinteresse. Der Inhalt eines Sicherungsbescheides nach § 49 Abs. 2 EisbG ist für eine Person, die (alleine) behauptet, nicht Träger der Straßenbaulast zu sein, ohne Relevanz.
4. Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich übersieht mit diesem Ergebnis nicht, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Beschwerdelegitimation nach § 7 Abs. 3 VwGVG selbst dann besteht, wenn die Parteistellung im Verwaltungsverfahren strittig war bzw. die betreffende Person dem Verwaltungsverfahren nicht beigezogen worden ist (VwGH 05.09.2018, Ro 2018/03/0024, mwN). Diese Judikatur betrifft aber ausschließlich Fälle, in denen die Beschwerdeführer behaupteten, die Parteistellung sei ihnen zu Unrecht nicht zuerkannt worden und auf dieser Grundlage das dem Art. 132 Abs. 1 Z 1 B-VG entsprechende Ziel einer Abänderung des mit der jeweiligen Beschwerde angefochtenen Bescheides verfolgten.
Im „umgekehrten Fall“ einer fehlerhaften Zuerkennung von Parteistellung an eine Person kann hingegen keine Verletzung dieser Person in ihren subjektiven Rechten liegen. § 8 AVG räumt Rechtsunterworfenen kein isoliertes Recht auf (Nicht-)Parteistellung ein, sondern setzt dafür einen Rechtsanspruch oder ein rechtliches Interesse voraus. Dies zeigt sich auch in der ständigen Rechtsprechung, wonach die förmliche Zustellung einer Bescheidausfertigung an eine Nichtpartei nicht deren Parteistellung begründet. Vielmehr kommt es entscheidend darauf an, ob dem Betreffenden auf Grund der Verwaltungsvorschriften die Stellung einer Partei zukommt (VwGH 29.07.2015, 2013/07/0183, mwN).
Dementsprechend folgt aus der Behauptung einer allfälligen unrichtigen Anwendung des § 8 AVG bzw. einer daraus resultierenden Bescheidzustellung alleine noch nicht die Beschwerdelegitimation nach Art. 132 Abs. 1 Z 1 B-VG, sondern es bedarf eines durch Verwaltungsvorschriften (hier des EisbG) eingeräumten subjektiven Rechts, dessen Verletzung durch den angefochtenen Bescheid der Beschwerdeführer mit der Beschwerde verfolgt. Diese Verletzung muss er (wenngleich es keiner ausdrücklichen Benennung, also keines Beschwerdepunktes wie nach § 28 Abs. 1 Z 4 VwGG bedarf) in einer entsprechenden Beschwerdebegründung bzw. einem entsprechenden Beschwerdebegehren (vgl. § 9 Abs. 1 Z 3 und 4 VwGVG) zum Ausdruck bringen, wodurch wiederum nach § 27 VwGVG die Entscheidungsbefugnis des Verwaltungsgerichtes begrenzt wird.
Nur mit einer solchen, eine Rechtsverletzung durch den angefochtenen Bescheid behauptenden und ein entsprechendes Abänderungsbegehren (zB die Festlegung einer anderen Sicherungsart) enthaltenden Beschwerde wäre dem Land die Bekämpfung des angefochtenen Bescheides nach § 3 Abs. 2 VwG-ÜbG iVm Art. 130 Abs. 1 Z 1 und Art. 132 Abs. 1 Z 1 B-VG offen gestanden, nicht aber mit der bloßen Behauptung der zu Unrecht zuerkannten Parteistellung, die nach Ansicht des Landes der Zustellung des angefochtenen Bescheides durch die belangte Behörde zu Grunde liegt.
5. Schon aus diesem Grund ist die Beschwerde wegen fehlender Legitimation zu ihrer Erhebung als unzulässig zurückzuweisen, sodass es keiner Feststellungen zur Parteistellung des Landes im Sicherungsverfahren bedarf.
6. Da damit dem Hauptantrag im Ergebnis gänzlich Folge gegeben wurde, erübrigt sich auch ein näheres Eingehen auf das Eventualbegehren. Dennoch sei dazu Folgendes angemerkt:
Das Eventualbegehren ist darauf gerichtet, den angefochtenen Bescheid „aufzuheben“. Versteht man dies im Sinne einer ersatzlosen Behebung iSd § 28 Abs. 5 VwGVG (somit nicht bloß auf eine Aufhebung nach § 28 Abs. 3 VwGVG gerichtet), so kommt ein solches Verfahrensziel schon im Hinblick darauf, dass das vorliegende Verfahren auf Antrag des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz eingeleitet wurde, nicht in Betracht. Vielmehr war dieser Antrag jedenfalls mit Bescheid zu erledigen (vgl. VwGH 30.06.2016, Ra 2016/11/0044; 30.09.2020, Ra 2020/10/0026, jeweils mwN). Im Übrigen wäre auch ohne einen derartigen Antrag die Behörde nach § 103 Abs. 2 EisbKrV zur Entscheidung über die Sicherung der Eisenbahnkreuzung verpflichtet gewesen. Das (so verstandene) Eventualbegehren ist aus diesem Grund jedenfalls unzulässig.
Anhaltspunkte dafür, dass sich das Land mit der Formulierung des Eventualbegehrens nur im Ausdruck vergriffen hätte und in Wahrheit eine Abänderung des angefochtenen Bescheides angestrebt hätte, liegen mangels einer das Eventualbegehren stützenden Begründung nicht vor, sodass es auch keiner Klarstellung bedurfte.
7. Abschließend sei daran erinnert, dass der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 8. Februar 2021 unmissverständlich zum Ausdruck gebracht hat, dass im Sicherungsbescheid nicht verbindlich festgelegt werden kann, wer Träger der Straßenbaulast ist (Rz 27). Es handelt sich vielmehr um eine bloße Vorfrage im Sicherungs- wie im Kostenverfahren, sodass selbst eine Beurteilung im Sinne des Beschwerdevorbringens im Sicherungsverfahren für das Kostenverfahren nicht bindend wäre. Bindungswirkung kommt vielmehr nur dem Spruch des Sicherungsbescheides zu.
Aus dem Erkenntnis ergibt sich im Übrigen klar, dass die belangte Behörde im fortgesetzten Kostenverfahren die Frage, wer an der Eisenbahnkreuzung als Träger der Straßenbaulast anzusehen ist, zu klären haben wird, sodass das Land – ohne Bindung an eine allfällige Beurteilung dieser Frage im Sicherungsverfahren – dort Gelegenheit haben wird, sein mit der vorliegenden Beschwerde alleine verfolgtes Ziel (nicht als Träger der Straßenbaulast angesehen zu werden) geltend zu machen.
8. Die vom Land und der Gesellschaft beantragte mündliche Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen.
IV. Zur Zulässigkeit der Revision
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist Voraussetzung für Zulässigkeit der Revision, dass deren Erfolg von der Lösung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG abhängt (VwGH 20.05.2015, Ra 2014/09/0033). Das Land hat mit seiner Beschwerde das von ihm mit dem Hauptantrag angestrebte Ziel – eine Zurückweisung der Beschwerde wegen fehlender Beschwerdelegitimation – ohnehin erreicht. Dass dies nicht wegen der (alleine) behaupteten fehlenden Parteistellung im Verwaltungsverfahren erfolgte, ändert daran nichts. Zwar haben nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Zurückweisungen wegen Verspätung oder Unzulässigkeit einerseits und wegen des Nichtvorliegens einer anfechtbaren Entscheidung andererseits einen unterschiedlichen normativen Charakter (VwGH 17.06.2019, Ra 2019/02/0029, mwN). Diese Rechtsprechung erscheint jedoch auf den vorliegenden Fall unterschiedlicher Begründungen, die alle zur Zurückweisung wegen fehlender Beschwerdelegitimation führen, nicht übertragbar, zumal der Verwaltungsgerichtshof im vorzitierten Erkenntnis vom 8. Februar 2021 klargestellt hat, dass im Sicherungsverfahren nicht verbindlich festgelegt werden kann, wer im Kostenverfahren als Träger der Straßenbaulast anzusehen ist (vgl. schon oben III.7.). Es ist somit keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung erkennbar, deren Beantwortung zu einem anderen Ergebnis als der ausgesprochenen Zurückweisung führen könnte.
Schlagworte
Eisenbahnrecht; Eisenbahnanlage; Verfahrensrecht; Parteistellung; Beschwerdelegitimation;Anmerkung
VwGH 05.04.2022, Ra 2022/03/0073-3, ZurückweisungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGNI:2022:LVwG.AV.747.001.2021Zuletzt aktualisiert am
05.05.2022